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B - Deutsches Institut für Menschenrechte

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26<br />

A<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

3.2.4 Nachfrageorientierung – insbesondere der<br />

Umgang mit Prostitution<br />

In den letzten Jahren wurde eine Perspektiverweiterung<br />

von den Motivationen der Betroffenen auf die<br />

Seite der Nachfrage, das heißt der Nutznießenden der<br />

von den Betroffenen erbrachten Leistungen in den Zielländern<br />

gefordert. 66 Dem liegt die Überlegung zugrunde,<br />

dass durch eine Verringerung der Nachfrage Menschenhandel<br />

die Grundlage entzogen werden könnte. Denkbare<br />

Konzepte der Nachfrageorientierung sind sehr<br />

vielfältig – sie reichen von Strategien hinsichtlich des<br />

informellen Arbeitsmarktes über gewerberechtliche<br />

Regulierungen, Informations- und Aufklärungskampagnen<br />

bis zu strafrechtlichen Konsequenzen <strong>für</strong> die<br />

Nutznießenden der Leistungen. Bislang sind umfassende<br />

Ansätze kaum entwickelt oder ausgewertet.<br />

Faktisch ist die Diskussion um die Nachfrageseite stark<br />

auf den Umgang mit Prostitution konzentriert. Dabei<br />

gibt es einerseits die Tendenz, die Nachfrage nach<br />

Prosti tution insgesamt einzudämmen und/oder zu kriminalisieren.<br />

Zum Teil wird argumentiert, jede Form<br />

von Prostitution sei eine Verletzung von <strong>Menschenrechte</strong>n<br />

und gleichbedeutend mit Zwangsprostitution. 67<br />

Einen solchen Ansatz verfolgt Schweden mit seiner<br />

generellen Kriminalisierung von Freiern. Die Auswirkungen<br />

dieses Ansatzes, um dessen Verankerung Schweden<br />

auch auf der europäischen und internationalen Ebene<br />

bemüht ist, auf Zwangs- und Abhängigkeitsverhältnisse<br />

von Prostituierten sind umstritten: Während die<br />

Be<strong>für</strong>worterinnen und Be<strong>für</strong>worter von einem Rückgang<br />

von Prostitution insgesamt und damit auch von<br />

Zwangsprostitution ausgehen, sprechen die Gegnerinnen<br />

und Gegner von einem Abdrängen der Prostituierten<br />

in die Unsichtbarkeit, die zu einer größeren Abhängigkeit<br />

von Dritten <strong>für</strong> die Vermittlung von Freiern und<br />

der erhöhten Gefahr von Gewalt gegen Prostituierte<br />

führten. 68 Auf der anderen Seite stehen Konzepte, die<br />

Freier in ihrem Verantwortungsbewusstsein anzusprechen<br />

und da<strong>für</strong> zu gewinnen, auf die Selbstbestimmtheit<br />

von Prostituierten zu achten. 69 Auch die Kontrolle von<br />

Prostitutionsstätten über die Instrumente des Gewerberechts<br />

wird erprobt. 70<br />

In Deutschland strebt die Regierungskoalition derzeit<br />

im Umgang mit der Nachfrage einen Mittelweg an:<br />

Einerseits soll eine Strafbarkeit <strong>für</strong> Freier von Zwangsprostituierten<br />

(nicht <strong>für</strong> Freier generell) eingeführt<br />

werden, andererseits soll über eine gewerberechtliche<br />

Konzessionierung von Bordellen eine Abgrenzung zwischen<br />

freiwilliger und erzwungener Prostitution<br />

erreicht und Zwangsprostitution stärker verfolgt werden.<br />

71 Die Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition<br />

sah die Einführung einer Freierstrafbarkeit vor. 72 Ein<br />

entsprechender Gesetzentwurf des Bundesrates ist bis<br />

Juni 2009 im Bundestag noch nicht behandelt worden. 73<br />

Der Vorschlag der Europäischen Kommission <strong>für</strong> einen<br />

neuen Rahmenbeschluss zur Verhütung und Bekämpfung<br />

des Menschenhandels und zum Schutz von Opfern 74<br />

enthält eine Vorschrift, nach der die Mitgliedstaaten<br />

die Kriminalisierung der Inanspruchnahme von Leistungen<br />

in Kenntnis des Menschenhandels erwägen sollen<br />

(Art. 12 Abs. 3). Er enthält jedoch keine Verpflichtung<br />

zu einer solchen Kriminalisierung.<br />

Eine stärkere Sanktionierung der Arbeitgeber von<br />

Betroffenen von Arbeitsausbeutung strebt eine neue<br />

EU-Richtlinie an. Die Richtlinie über Sanktionen gegen<br />

Personen, die Drittstaatsangehörige ohne legalen Aufenthalt<br />

beschäftigen, 75 sieht eine Reihe von Maßnahmen<br />

gegen die Arbeitgeber vor. Dazu gehören unter<br />

anderem finanzielle und strafrechtliche Sanktionen,<br />

die Erleichterung der Durchsetzung von Lohnnach zahlungen<br />

durch Beweislastverschiebungen und spezielle<br />

Verfahren sowie den Ausschluss von öffentlichen Subventionen.<br />

3.2.5 Stärkung der Betroffenen<br />

Im Gegensatz zu den vor allem von staatlichen Akteuren<br />

favorisierten Ansätzen der Kriminalitätsbekämpfung<br />

und Migrationskontrolle legen Nichtregierungsorgani-<br />

66 Vgl. Art. 6 Europaratskonvention; Art. 12 Vorschlag der Europäischen Kommission <strong>für</strong> einen neuen Rahmenbeschluss zur<br />

Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz von Opfern, KOM (200) 136 endgültig.<br />

67 Vgl. den umstrittenen Bericht der UN-Sonderberichterstatterin zu Menschenhandel, Huda (2006).<br />

68 Mitrovic (2006), S. 99 ff.; US Department of State (2008), S. 29; Dottridge (2007 a), S. 17.<br />

69 Howe (2005).<br />

70 Vgl. zum ‚Dortmunder Modell’ Minzel (2006).<br />

71 BMFSFJ (2007b); 53 ff., 64 ff.<br />

72 Koalitionsvertrag 16. Legislaturperiode, VIII.2, http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/<br />

koalitionsvertrag-8.html#doc47280bodyText1<br />

73 Bundestags-Drs. 16/1343 vom 26.04.2006: Entwurf eines Strafrechtsänderungsgestzes -Menschenhandel-.<br />

74 KOM (2009), 136 endgültig, 25.03.2009.<br />

75 Directive of the European Parliament and of the Council providing for minimum standards on sanctions and measures<br />

against employers of illegally staying third-country nationals, PE-CO_S 3612/09; Ratsbeschluss vom 25.05.2009.

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