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B - Deutsches Institut für Menschenrechte

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40<br />

A<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

Anders als das Palermo-Protokoll sind die Staaten aus<br />

der Konvention auch zur Einrichtung von Rückkehrerprogrammen<br />

mit dem Ziel der Verhinderung einer Re-<br />

Viktimisierung verpflichtet. Die Ausgestaltung der Programme<br />

liegt im Ermessen der Staaten, wobei die<br />

Konvention weitere Zielvorgaben macht, etwa die Wiedereingliederung<br />

in Bildungssysteme und Arbeitsmarkt.<br />

Auch im Hinblick auf die Rückführung werden Informationspflichten<br />

der Staaten statuiert (Art. 16 Abs. 6).<br />

Das vierte Kapitel enthält Regelungen zum materiellen<br />

Strafrecht, die im Vergleich zum Palermo-Protokoll<br />

detaillierter sind. Wesentlich umfangreicher sind auch<br />

die Regelungen zum Verfahrensrecht und zu <strong>Institut</strong>ionen<br />

in Kapitel 5. Das sechste Kapitel enthält Verpflichtungen<br />

zu internationaler Zusammenarbeit und zur<br />

Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. 152<br />

Die Einrichtung eines Vertragsorgans, das die Umsetzung<br />

der Konvention durch die Vertragsstaaten überprüft<br />

(der sogenannte GRETA-Mechanismus), wird allgemein<br />

als erheblicher Fortschritt bewertet. 153 Seine Zusammensetzung<br />

und Kompetenzen sind im siebten Kapitel<br />

der Konvention geregelt. Die Expertengruppe <strong>für</strong> Maßnahmen<br />

gegen Menschenhandel, die sich aus zehn bis<br />

15 unabhängigen Expertinnen und Experten zusammensetzt,<br />

überwacht die Umsetzung der vertraglichen<br />

Verpflichtungen.<br />

Für das Überprüfungsverfahren räumt die Konvention<br />

GRETA einen weiten Gestaltungsspielraum ein (Art. 38).<br />

Der Ausschuss kann von den Vertragsstaaten auf der<br />

Grundlage von Fragebögen Berichte einfordern, die<br />

Zivilgesellschaft um Informationen ersuchen und Länderbesuche<br />

durchführen. Je Überprüfungsrunde kann<br />

ein inhaltlicher Schwerpunkt gesetzt werden. Die<br />

Berichte und Schlussfolgerungen durchlaufen allerdings,<br />

wie bei den Menschenrechtsinstitutionen des<br />

Europarats im Gegensatz zu den UN-Vertragsorganen<br />

üblich, noch einen politischen Filter, indem sie zunächst<br />

dem betreffenden Staat zur Kommentierung übersandt<br />

werden und direkte Empfehlungen an Vertragsstaaten<br />

nur durch den Parteienausschuss 154 ausgesprochen<br />

werden können. Das derzeit mit 13 unabhängigen<br />

Expertinnen und Experten besetzte Organ führt 2009<br />

seinen ersten Überprüfungsdurchgang durch. 155 Bei<br />

seinem zweiten Treffen im Juni 2009 will der Ausschuss<br />

sich eine Verfahrensordnung <strong>für</strong> die Überprüfung der<br />

Staaten geben. 156<br />

5.2.3 Bewertung der Konvention<br />

Auch wenn der Europarat das selbst gesetzte Ziel, ein<br />

umfassendes Menschenrechtsdokument zu Menschenhandel<br />

zu entwickeln, nicht erreicht hat, sind doch in<br />

vielen Bereichen Fortentwicklungen der Standards<br />

festzustellen, insbesondere im Vergleich zum Palermo-<br />

Protokoll. 157 Die Konvention verlässt den Rahmen der<br />

Kriminalitätsbekämpfung, konkretisiert Rechte der<br />

Opfer – wenn auch auf niedrigem Niveau – und verfolgt<br />

durchgängig einen genderresonanten und kinderrechtlichen<br />

Ansatz. Zu bedauern ist, dass die Loslösung<br />

der Opferrechte von der Kooperation im Strafverfahren<br />

nicht gelungen ist. In vielen Bereichen enthält die Konvention<br />

interessante Ansätze, etwa hinsichtlich des<br />

Konzepts von safe migration, der Betonung von Informationsrechten,<br />

der Verpflichtung zur Identifizierung<br />

von Opfern und zur Durchsetzung von Entschädigungsrechten.<br />

Durch die Etablierung des GRETA-Ausschusses<br />

werden die Maßnahmen der Staaten gegen Menschenhandel<br />

zum ersten Mal einem unabhängigen Monitoring<br />

unterworfen. Der Ausschuss kann durch seine Tätigkeit<br />

auch zur Auslegung und Konkretisierung der Verpflichtungen<br />

aus der Konvention unter Bezugnahme auf die<br />

allgemeinen menschenrechtlichen Verpflichtungen aus<br />

der Europäischen Menschenrechtskonvention beitragen.<br />

Die Europaratskonvention kann nicht als abschließendes<br />

Dokument über die menschenrechtlichen Verpflichtungen<br />

gegenüber Betroffenen von Menschenhandel<br />

gelesen werden; vielmehr ist sie in den Kontext der<br />

allgemeinen Menschenrechtsverträge zu stellen. In<br />

einigen Aspekten konkretisiert sie die dort enthaltenen<br />

Verpflichtungen <strong>für</strong> den spezifischen Bereich Menschenhandel,<br />

etwa im Hinblick auf Präventions- und<br />

Bildungsmaßnahmen. In vielen anderen Bereichen, insbesondere<br />

hinsichtlich der Opferrechte, müssen die<br />

weitreichenderen Verpflichtungen aus den allgemeinen<br />

menschenrechtlichen Verträgen herangezogen werden,<br />

die durch Allgemeine Kommentare und Empfehlungen<br />

im Staatenberichtsverfahren durch die zuständigen<br />

Vertragausschüsse weiter konkretisiert werden.<br />

152 Vgl. zu Kapiteln 4–6 Scarpa (2008), S. 153 ff.<br />

153 Scarpa (2008), S. 157 f.; Gallagher (2006), S. 186.<br />

154 Der Parteienausschuss setzt sich aus den Staatenvertretern im Ministerrat zusammen, die Vertragsstaat der Konvention sind,<br />

sowie den Vertretern jener Vertragsstaaten, die nicht Mitglied des Europarates sind, Art. 37.<br />

155 http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/trafficking/Docs/Monitoring/GRETA_en.asp<br />

156 http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/trafficking/default_EN.asp, 02.05.2009.<br />

157 Gallagher (2006), S. 174 ff.; Scarpa (2008), S. 144 ff.

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