B - Deutsches Institut für Menschenrechte
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A<br />
Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />
Petra Follmar-Otto<br />
Anders als das Palermo-Protokoll sind die Staaten aus<br />
der Konvention auch zur Einrichtung von Rückkehrerprogrammen<br />
mit dem Ziel der Verhinderung einer Re-<br />
Viktimisierung verpflichtet. Die Ausgestaltung der Programme<br />
liegt im Ermessen der Staaten, wobei die<br />
Konvention weitere Zielvorgaben macht, etwa die Wiedereingliederung<br />
in Bildungssysteme und Arbeitsmarkt.<br />
Auch im Hinblick auf die Rückführung werden Informationspflichten<br />
der Staaten statuiert (Art. 16 Abs. 6).<br />
Das vierte Kapitel enthält Regelungen zum materiellen<br />
Strafrecht, die im Vergleich zum Palermo-Protokoll<br />
detaillierter sind. Wesentlich umfangreicher sind auch<br />
die Regelungen zum Verfahrensrecht und zu <strong>Institut</strong>ionen<br />
in Kapitel 5. Das sechste Kapitel enthält Verpflichtungen<br />
zu internationaler Zusammenarbeit und zur<br />
Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. 152<br />
Die Einrichtung eines Vertragsorgans, das die Umsetzung<br />
der Konvention durch die Vertragsstaaten überprüft<br />
(der sogenannte GRETA-Mechanismus), wird allgemein<br />
als erheblicher Fortschritt bewertet. 153 Seine Zusammensetzung<br />
und Kompetenzen sind im siebten Kapitel<br />
der Konvention geregelt. Die Expertengruppe <strong>für</strong> Maßnahmen<br />
gegen Menschenhandel, die sich aus zehn bis<br />
15 unabhängigen Expertinnen und Experten zusammensetzt,<br />
überwacht die Umsetzung der vertraglichen<br />
Verpflichtungen.<br />
Für das Überprüfungsverfahren räumt die Konvention<br />
GRETA einen weiten Gestaltungsspielraum ein (Art. 38).<br />
Der Ausschuss kann von den Vertragsstaaten auf der<br />
Grundlage von Fragebögen Berichte einfordern, die<br />
Zivilgesellschaft um Informationen ersuchen und Länderbesuche<br />
durchführen. Je Überprüfungsrunde kann<br />
ein inhaltlicher Schwerpunkt gesetzt werden. Die<br />
Berichte und Schlussfolgerungen durchlaufen allerdings,<br />
wie bei den Menschenrechtsinstitutionen des<br />
Europarats im Gegensatz zu den UN-Vertragsorganen<br />
üblich, noch einen politischen Filter, indem sie zunächst<br />
dem betreffenden Staat zur Kommentierung übersandt<br />
werden und direkte Empfehlungen an Vertragsstaaten<br />
nur durch den Parteienausschuss 154 ausgesprochen<br />
werden können. Das derzeit mit 13 unabhängigen<br />
Expertinnen und Experten besetzte Organ führt 2009<br />
seinen ersten Überprüfungsdurchgang durch. 155 Bei<br />
seinem zweiten Treffen im Juni 2009 will der Ausschuss<br />
sich eine Verfahrensordnung <strong>für</strong> die Überprüfung der<br />
Staaten geben. 156<br />
5.2.3 Bewertung der Konvention<br />
Auch wenn der Europarat das selbst gesetzte Ziel, ein<br />
umfassendes Menschenrechtsdokument zu Menschenhandel<br />
zu entwickeln, nicht erreicht hat, sind doch in<br />
vielen Bereichen Fortentwicklungen der Standards<br />
festzustellen, insbesondere im Vergleich zum Palermo-<br />
Protokoll. 157 Die Konvention verlässt den Rahmen der<br />
Kriminalitätsbekämpfung, konkretisiert Rechte der<br />
Opfer – wenn auch auf niedrigem Niveau – und verfolgt<br />
durchgängig einen genderresonanten und kinderrechtlichen<br />
Ansatz. Zu bedauern ist, dass die Loslösung<br />
der Opferrechte von der Kooperation im Strafverfahren<br />
nicht gelungen ist. In vielen Bereichen enthält die Konvention<br />
interessante Ansätze, etwa hinsichtlich des<br />
Konzepts von safe migration, der Betonung von Informationsrechten,<br />
der Verpflichtung zur Identifizierung<br />
von Opfern und zur Durchsetzung von Entschädigungsrechten.<br />
Durch die Etablierung des GRETA-Ausschusses<br />
werden die Maßnahmen der Staaten gegen Menschenhandel<br />
zum ersten Mal einem unabhängigen Monitoring<br />
unterworfen. Der Ausschuss kann durch seine Tätigkeit<br />
auch zur Auslegung und Konkretisierung der Verpflichtungen<br />
aus der Konvention unter Bezugnahme auf die<br />
allgemeinen menschenrechtlichen Verpflichtungen aus<br />
der Europäischen Menschenrechtskonvention beitragen.<br />
Die Europaratskonvention kann nicht als abschließendes<br />
Dokument über die menschenrechtlichen Verpflichtungen<br />
gegenüber Betroffenen von Menschenhandel<br />
gelesen werden; vielmehr ist sie in den Kontext der<br />
allgemeinen Menschenrechtsverträge zu stellen. In<br />
einigen Aspekten konkretisiert sie die dort enthaltenen<br />
Verpflichtungen <strong>für</strong> den spezifischen Bereich Menschenhandel,<br />
etwa im Hinblick auf Präventions- und<br />
Bildungsmaßnahmen. In vielen anderen Bereichen, insbesondere<br />
hinsichtlich der Opferrechte, müssen die<br />
weitreichenderen Verpflichtungen aus den allgemeinen<br />
menschenrechtlichen Verträgen herangezogen werden,<br />
die durch Allgemeine Kommentare und Empfehlungen<br />
im Staatenberichtsverfahren durch die zuständigen<br />
Vertragausschüsse weiter konkretisiert werden.<br />
152 Vgl. zu Kapiteln 4–6 Scarpa (2008), S. 153 ff.<br />
153 Scarpa (2008), S. 157 f.; Gallagher (2006), S. 186.<br />
154 Der Parteienausschuss setzt sich aus den Staatenvertretern im Ministerrat zusammen, die Vertragsstaat der Konvention sind,<br />
sowie den Vertretern jener Vertragsstaaten, die nicht Mitglied des Europarates sind, Art. 37.<br />
155 http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/trafficking/Docs/Monitoring/GRETA_en.asp<br />
156 http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/trafficking/default_EN.asp, 02.05.2009.<br />
157 Gallagher (2006), S. 174 ff.; Scarpa (2008), S. 144 ff.