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Faktoren für Präsenz in virtueller Architektur

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2.2.2 Philosophischer Rahmen (M. Heidegger)<br />

HOLGER REGENBRECHT, BAUHAUS-UNIVERSITÄT WEIMAR, 1999<br />

FAKTOREN FÜR PRÄSENZ IN VIRTUELLER ARCHITEKTUR PRÄSENZ IN REALEN<br />

UND VIRTUELLEN<br />

UMGEBUNGEN<br />

Der deutsche Philosoph Mart<strong>in</strong> Heidegger (1899-1973) gilt als e<strong>in</strong>er der klassischen<br />

Existenzphilosophen (obwohl er diesen Term<strong>in</strong>us ablehnte). In se<strong>in</strong>er ersten<br />

Schaffensperiode stellte er die Frage nach dem S<strong>in</strong>n des Se<strong>in</strong>s, des In-der-Welt-Se<strong>in</strong>.<br />

Se<strong>in</strong>e Spätphilosophie, die „Kehre“ genannt, ist durch e<strong>in</strong> Zurücktreten der existenzphilosophischen<br />

Fragen gekennzeichnet und behandelte u.a. die Frage nach dem Verhältnis<br />

von Mensch und Technik. Beide Fragen können offensichtlich höchst relevant<br />

<strong>in</strong> ihrer Beziehung zum <strong>Präsenz</strong>begriff se<strong>in</strong>, die erstgenannte sche<strong>in</strong>t direkt auf den<br />

sense of be<strong>in</strong>g there (<strong>in</strong> the [virtual] world) abzuzielen, die zweitgenannte ist u.U. <strong>für</strong><br />

das Verständnis des technischen Phänomens der E<strong>in</strong>bettung des Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

virtuelle Umgebung maßgebend.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Untersuchungen fragt Heidegger nach der Def<strong>in</strong>ition des Seienden<br />

und nach dem S<strong>in</strong>n des Se<strong>in</strong>s. Alles hat am „Se<strong>in</strong>“ teil, alles ist „Seiendes“.<br />

Das „Seiende“ begegnet uns <strong>in</strong> materiell-stofflichen Objekten, <strong>in</strong> abstrakten Zahlengrößen,<br />

<strong>in</strong> Vorstellungen, <strong>in</strong> Subjekten (Personen) und im Absoluten (das Göttliche,<br />

das Unbed<strong>in</strong>gte). Was ist aber das Se<strong>in</strong>, fragt er und grenzt sich damit von der klassischen<br />

Ontologie (Aristoteles, Plato) ab, die das Seiende (s.o.) <strong>in</strong> den Vordergrund<br />

stellte.<br />

Die menschliche Se<strong>in</strong>sweise wird als „Dase<strong>in</strong>“, als alltägliche oder eigentliche<br />

Verhaltensform def<strong>in</strong>iert. Das alltägliche Dase<strong>in</strong> bezieht sich darauf, daß der Mensch<br />

schlicht und e<strong>in</strong>fach da ist. Das eigentliche Dase<strong>in</strong> ist die Bezugnahme auf sich selbst,<br />

auf das eigene Se<strong>in</strong> selbst, auf die Existenz. „Das Wesen des Dase<strong>in</strong>s liegt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Existenz“ (Heidegger, 1957, S.42). Er führt den Begriff der Existenzialien e<strong>in</strong>, die die<br />

Formen des se<strong>in</strong>sverstehenden Dase<strong>in</strong>s (ontologisch) „kategorisieren“ oder besser fundamentieren.<br />

Heideggers zentrales Existential ist das „In-der-Welt-Se<strong>in</strong>“. Er betont hiermit, daß<br />

das Ich von der Welt untrennbar ist, selbst der Zweifel am Ich f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> der Welt statt.<br />

Mensch und Welt bilden e<strong>in</strong>e ursprünglich gegebene E<strong>in</strong>heit, die erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> die künstlichen Konstrukte Subjekt und Objekt aufgespaltet wurde. Durch das<br />

Verstehen, das Erschliessen der den Menschen umgebenen Welt kommt der Mensch<br />

vom In-der-Welt-Se<strong>in</strong> zum Dase<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong> weiterer zentraler Begriff ist die „Geworfenheit“. Wir werden <strong>in</strong> diese Welt geworfen<br />

(ob wir wollen oder nicht) und s<strong>in</strong>d gezwungen zu handeln! Der Mensch<br />

bef<strong>in</strong>det sich ständig <strong>in</strong> diesem Zustand der Geworfenheit und ist unter normalen<br />

Umständen nicht <strong>in</strong> der Lage, Situationen analytisch zu bewerten. Die geworfene<br />

Existenz beschreibt die grundlegende Natur des menschlichen Se<strong>in</strong>s, des In-der-Welt-<br />

Se<strong>in</strong>s.<br />

Die Welt wiederum, rationalistisch gesprochen auf der anderen Seite, ist nicht e<strong>in</strong>fach<br />

Vorhanden. Das „Welthafte“ wird vielmehr zum „Zeug“, zu „Zuhandenem“.<br />

Das Welthafte ersche<strong>in</strong>t also nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Objektivität und wird rezipiert, die Welt<br />

offenbart sich durch ihre „Zeuge“, durch ihr Zuhandenes. Die D<strong>in</strong>ge dieser Welt<br />

äußern sich <strong>in</strong> der Art, was mit ihnen gemacht werden kann, wozu sie nützen (eben<br />

Zuhandense<strong>in</strong>), sie werden damit selbst als „Medium“ offenbar. Heidegger nennt hier<br />

das Beispiel des Hammers. Der Hammer selbst ist erst dadurch e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g dieser (<strong>in</strong>dividuellen)<br />

Umwelt, daß ich mit ihm hammern kann. Er ist zuhanden. Während<br />

des Prozesses des Hammerns verschw<strong>in</strong>det das Medium Hammer, es ist vorhanden<br />

und erfüllt se<strong>in</strong>e Aufgabe. Erst wenn der Hammer nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er erwarteten Weise<br />

funktioniert (Nagel nicht getroffen, Hammer bricht entzwei), wird er offensichtlich.<br />

In Heideggers Ansatz ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll, die D<strong>in</strong>ge dieser Welt nicht nach ihren<br />

Oberflächeneigenschaften zu benennen sondern nach ihrer Zuhandenheit.<br />

Für <strong>Präsenz</strong> <strong>in</strong> virtuellen Umgebungen läßt sich folgende Interpretation anwenden:<br />

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