Das Verwaltungsgericht Bremen gab <strong>der</strong> Klage <strong>der</strong> Referendarin <strong>im</strong> Jahr 2005 in ersterInstanz statt. 137 Das Urteil wurde jedoch durch das Oberverwaltungsgericht Bremenrevidiert. 138 Im Juni 2008 wurde jedoch auch diese Entscheidung vomBundesverwaltungsgericht aufgehoben. 139 Da das Bundesland über ein Monopol bei <strong>der</strong>Lehrerausbildung verfüge, so die Begründung <strong>der</strong> Bundesrichter, sei es eineunverhältnismäßige Einschränkung <strong>der</strong> freien Berufswahl, wenn eine Person auf religiöseSymbole verzichten müsse, um eine solche Ausbildung absolvieren zu können. Dies gelte,solange keine konkrete Bedrohung des Schulfriedens und <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Schüler und Elternbestehe.Die Bedeutung dieses Urteils wird auch davon abhängen, in welchem AusmaßReferendarinnen, die wegen ihres Kopftuchs nicht <strong>im</strong> staatlichen Schulsystem arbeitenkönnen, angemessene Berufschancen an Privatschulen finden.Bundeslän<strong>der</strong> ohne VerboteDerzeit gibt es acht Bundeslän<strong>der</strong>, in denen keine beson<strong>der</strong>en Gesetze zu religiösenSymbolen und Kleidungsstücken am Arbeitsplatz gelten. Drei dieser Län<strong>der</strong> – Brandenburg,Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein – hatten entsprechende Gesetzentwürfe vorgelegt.In Brandenburg und Rheinland-Pfalz scheiterten sie <strong>im</strong> Landtag, in Schleswig-Holstein gab<strong>der</strong> Gesetzgeber das Vorhaben auf. 140 Die fünf übrigen Län<strong>der</strong> – Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – beschlossen, keine eigenenGesetze zu erlassen.In allen acht Län<strong>der</strong>n kann einem Lehrer <strong>im</strong> Einzelfall das Tragen religiöser Symboleuntersagt werden, falls Anzeichen dafür bestehen, dass seine Handlungen die Neutralität<strong>der</strong> Schule gefährden. Solche Verbote können auf <strong>der</strong> Grundlage des bestehendenBeamtenrechts ausgesprochen werden, das in gut begründeten Fällen Strafen zulässt.In keinem <strong>der</strong> acht Bundeslän<strong>der</strong> gab es relevante Gerichtsverfahren.137Verwaltungsgericht Bremen, 19. Mai 2005.138Oberverwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 21. Februar 2007.139Bundesverwaltungsgericht, 26. Juni 2008, AZ.: BVerwG 2 C 22.07.140Am 2. März 2005 lehnten die Abgeordneten <strong>der</strong> CDU, SPD und PDS <strong>im</strong> brandenburgischen Landtag einen entsprechendenGesetzentwurf <strong>der</strong> DVU-Fraktion in erster Lesung ab. Sie sahen keinen Bedarf für <strong>der</strong>artige Regelungen. In Rheinland-Pfalzwurde <strong>im</strong> November 2005 <strong>der</strong> Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU-Fraktion von <strong>der</strong> Regierungskoalition aus SPD und FDP als unnötigabgewiesen.41 Human Rights Watch | Februar 2009
Nach Aussage mehrerer Lehrer und einer Vertreterin <strong>der</strong> Zivilgesellschaft, die von HumanRights Watch befragt wurden, gab es in Hamburg und Rheinland-Pfalz mehrere Fälle, indenen Kopftuch tragende Frauen bei <strong>der</strong> Suche nach Referendariats- o<strong>der</strong> Praktikumsstellenan Schulen auf Schwierigkeiten stießen und gefragt wurden, ob sie auf ihr Kopftuchverzichten könnten. 141Es fällt auf, dass alle fünf neuen Bundeslän<strong>der</strong> keine Verbote erlassen haben. 142 Wegen <strong>der</strong>religions- und kirchenfeindlichen Indoktrinierung und <strong>der</strong> Angriffe auf die Religionsfreiheitzu DDR-Zeiten, versuchen die neuen Län<strong>der</strong> <strong>im</strong> Allgemeinen die Thematik <strong>der</strong> Beziehungzwischen Kirche und Staat zu vermeiden. 143 Zudem lebt in den neuen Län<strong>der</strong>n nur einegeringe Zahl musl<strong>im</strong>ischer Migranten, was teilweise erklärt, warum es dort kaum zuStreitfällen über musl<strong>im</strong>ische Lehrerinnen mit Kopftuch kommt.In Schleswig-Holstein erwog die Regierungskoalition aus SPD und CDU die Einführung einesGesetzes zum Verbot religiöser Symbole an Schulen zum Jahresbeginn 2006. 144 DieRegierung zog den Gesetzentwurf jedoch zurück, nachdem sie Rechtsexperten konsultierthatte und diese darauf hinwiesen, dass zur Wahrung <strong>der</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Religionenauch christliche Symbole verboten werden müssten sowie <strong>im</strong> Zusammenhang damit auchVertreter <strong>der</strong> Kirchen für den Erhalt religiöser Symbole an den Schulen eintraten. 145Nach <strong>der</strong> Rücknahme des Gesetzentwurfs <strong>im</strong> September 2006 erklärte die Landesregierung,dass das Neutralitätsgebot weiterhin gelte, es aber dennoch Raum für das Tragen religiöserKleidung einschließlich des Kopftuchs geben müsse. Ein Referent <strong>der</strong> CDU-Fraktion inSchleswig-Holstein sagte gegenüber Human Rights Watch, dass es dort keine Probleme mitKopftuch tragenden Lehrerinnen gegeben habe und die Frage „kein Thema“ sei. 146 Sollte es141Human Rights Watch-Interview mit Özlem Nas, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit <strong>der</strong> Musl<strong>im</strong>ischen Frauengemeinschaftin Norddeutschland, Hamburg, 16. September 2008. Human Rights Watch-Telefoninterview mit <strong>der</strong> Referendarin Aida (Namegeän<strong>der</strong>t), Hamburg, 27. Ok<strong>to</strong>ber 2008. Human Rights Watch-Interview mit Enif Medeni, einer Lehrerin, die ihr Referendariat inHamburg absolvierte und die jetzt an einer privaten musl<strong>im</strong>ischen Grundschule in Berlin unterrichtet, Berlin, 22. September2008. Human Rights Watch-Interview mit Farida (Name geän<strong>der</strong>t), eine in Deutschland geborene und aufgewachsene Lehrerin;sie verließ Baden-Württemberg, weil dort nach Ende ihres Studiums ein „Kopftuchverbot“ verhängt wurde, und unterrichtetnun in Rheinland-Pfalz, Karlsruhe, 14. September 2008.142Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.143Siehe auch: Berghahn and Ros<strong>to</strong>ck „Cross national comparison Germany“.144Zu den Erwägungen führte u.a. <strong>der</strong> Fall einer musl<strong>im</strong>ischen Referendarin, die während ihres Vorbereitungsdiensts, den sie<strong>im</strong> Februar 2006 antrat, ein Kopftuch trug.145Human Rights Watch-Telefoninterview mit einem Referenten <strong>der</strong> CDU-Fraktion <strong>im</strong> Landtags Schleswig-Holsteins, 30.Ok<strong>to</strong>ber 2008. Zu den Experten, die konsultiert wurden, gehörten Marieluise Beck und Dr. Silke Ruth Laskowski. Von Seiten<strong>der</strong> Kirchen äußerten sich <strong>der</strong> Nordelbische Bischof Hans Christian Knuth und <strong>der</strong> katholische Weihbischof Hans-JochenJaschke zu dem Thema.146Ebd.<strong>Diskr<strong>im</strong>inierung</strong> <strong>im</strong> <strong>Namen</strong> <strong>der</strong> Neutralität 42