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6 Jugendbewegte Tatgesinnung (vgl. I/3.2.2.5)

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pflegen musste, wozu eine eigene ‘Lagertechnik’ entwickelt wurde (Knotentechnik,<br />

Seilbundtechnik, Einrichtungstechnik), die in den Handbüchern gelehrt und bei den<br />

Pfadfindern auch examiniert wurde. In den fahrtenfreien Wintermonaten setzte sich<br />

dieser sachlich-technische Aktivismus fort (der den früheren Aktionismus ablöste),<br />

mit ‘Werken’ und ‘Basteln’: Die Lebensumwelt sollte eigenschöpferisch (<strong>vgl</strong>.<br />

Meissnerformel) ‘gestaltet’ werden, und zwar nach der neusachlichen Devise "einfach<br />

– zweckmäßig – schön". Man fand sich hierin wieder in einem modernistischen<br />

Mainstream der Bauhaus-Mentalität, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Handwerk<br />

und Kunst zu vereinen; als Bauhauslehrer waren wieder auffallend viele Künstler des<br />

Expressionismus am Zustandekommen dieser Denkweise beteiligt. In dieser<br />

Handwerksorientierung mag mit ein Grund zu suchen sein für die mangelnde<br />

künstlerische, d.h. malerische Kompetenz der Jugendbewegung. Anstatt Bilder zu<br />

malen, bastelte man aus Pappmaché Handpuppen und zog mit ihnen als Puppenspieler<br />

von Ort zu Ort. Aus Handwerk und Kunst wurde Kunsthandwerk, – später als<br />

‘Kunstgewerbe’ kom merzialisiert. Besonders die Mädchen in der Bewegung<br />

entdeckten hier eine geschlechterrollen-spezifische Tätigkeit. Ironisch charakterisierte<br />

man gelegentlich diese jugendbewegten Aktivistinnen mit der Formel: "treudeutsch<br />

und selbstgehäkelt". In Liedern findet dergleichen freilich keinen Niederschlag<br />

(abgesehen vom ‘Spinnen’ und ‘Weben’). Um so mehr aber wurde das männliche<br />

Abenteuer von Fahrt und Lagerfeuer besungen.<br />

6.2.1 Die Aufbau-Tat der Arbeiterjugend<br />

Vorbilder für Liedtexte von gestaltender und aufbauender Tat fand man von Beginn<br />

der 20er-Jahre an bei der Arbeiterjugend – Bewegung, die von vorneherein das<br />

bürgerliche gesellschaftspolitische Disengagement der Jugendbewegung nicht<br />

mitgetragen hatte und deshalb von den Wandervogel-Gymnasiasten auch nicht als<br />

‘idealistisch’ eingestuft wurde – bis zum 1. Weltkrieg, nach dem sich die Wertschätzung<br />

der Sozialisten in den Revolutionsjahren grundsätzlich zum Positiven veränderte<br />

und sich über Zeitschriften wie "Anfang" und "Aufbruch" Kommunikationsebenen zur<br />

Arbeiterjugend ergaben. Dann, aber erst dann, wurden deren Lieder von den Bündischen,<br />

sogar von kirchlichen und völkischen, rezipiert. Um diese Zeit wechselte der<br />

bürgerliche ‘Altwandervogel’, Carlo Schmid, ins sozialistische Lager. Dort traf der<br />

bürgerliche Intellektuelle auf ein engagiertes Fortbildungsinteresse der jungen Arbeiter<br />

– eine Parallele zur Selbsterziehungsidee des Wandervogels: die autodidaktische<br />

‘Tat’. Da die Arbeiterjugend im deutschen Kaiserreich offiziell nicht existieren durfte<br />

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