6 Jugendbewegte Tatgesinnung (vgl. I/3.2.2.5)
6 Jugendbewegte Tatgesinnung (vgl. I/3.2.2.5)
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eigene Kluft hatte). Gemeint ist stets der gleiche Aufbruchs-Elan, exklusiv im<br />
eigenen Bund. Vom lebensideologischen Anfang an spielte die Licht-Metaphorik im<br />
Zusammenhang mit dem kathartischen Anspruch der ‘Tat’ eine wichtige Rolle.<br />
Die lebensfeindlichen "grauen Nebel" und die "laute Stadt" verkörpern noch einmal<br />
(1930, mitten im Zeitalter neusachlicher Technikzuwendung) die lebenshemmende<br />
Aura der grauen Massengesellschaft. An ihr "ziehen die Jungen vorüber", indem sie<br />
"alles in der Tiefe liegen lassen", vor allem: "das, was uns alle bändigt, das Gemeine"<br />
(Goethe über Schiller). Und dann setzt der Wille zur Selbsterlösungstat ein: "Sie<br />
bringen nur sich selbst hinauf ans Licht" (des Lebens und der Wahrhaftigkeit). Man<br />
hat diese Textstelle verständlicherweise als elitären Anspruch eines exklusiven Ordens<br />
verstanden, was von der "deutschen jungenschaft" auch so gemeint sein mochte,<br />
darüber hinaus dürfte aber mit "sich-selbst" das jeweils eigene Ego gemeint sein, das<br />
man in einem Selbsterziehungs- und Reifeprozess einer kathartischen Prozedur<br />
unterzieht: "Per aspera ad astra", wie man im Gymnasium gelernt hatte; oder wie es<br />
bei Walter Flex über den "Geist des Wandervogels" heißt: "Rein bleiben und reif<br />
werden." 586<br />
Der appellative Refrain: "Komm, Kamerad, komm mit", war dann sozusagen Formsache<br />
nach dem üblichen Auf-auf-Muster.<br />
Dass diese pädagogische Energie durch ein "Lied im Herz" angeregt wird, zeigt das<br />
Lied: "Immer wandern wir zu Sternen" 587 , das zur gleichen Zeit entstanden ist. Der<br />
Rückgriff auf das esoterische Tatenziel ‘Licht’ (Sterne) des "Lichtgebets" (Gemälde<br />
von Fidus) könnte schon mit der Abwendung von der politisch konkreten Zielsetzung<br />
zu tun haben, die mit dem heraufziehenden NS-Faschismus für die Bündischen suspekt<br />
zu werden begann. Aus dem gleichen Grund hatte das Lied dann nach 1945 noch<br />
einmal Konjunktur:<br />
"Und im Staub der großen Straße bleibt das Lied im Herzen laut". Allerdings kann<br />
das negative Konnotat von "Straße" den Herausgebern nicht mehr geläufig gewesen<br />
sein, nämlich als staubiges Pendant zu "lauter Stadt" und "grauen Nebeln". Wie zu<br />
Beginn der Jugendbewegung ist man wieder<br />
"auf den Wegen mitten aus dem Traum zur Tat.<br />
Immer tragen wir zu Sternen neues Feuer, neue Saat."<br />
586 W.Flex: Der Wanderer zw. beiden Welten, 1917/1937, S. 37<br />
587 Liederheftd: "Die große Straße", ca. 1950, S. 17<br />
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