6 Jugendbewegte Tatgesinnung (vgl. I/3.2.2.5)
6 Jugendbewegte Tatgesinnung (vgl. I/3.2.2.5)
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"Die stolze Burg der Ahnen versank in Grab und Graus,<br />
und ihre Trümmer mahnen: Deutsche Jugend heraus!<br />
Wollt ihr ein Neues bauen mit Händen stark und rein, in gläubigem<br />
Vertrauen [...],<br />
dann wie in Vätertagen mag für das deutsche Haus der Freiheit Stunde<br />
schlagen.<br />
Auf schließet eure Reihen, das Banner ist gehisst!<br />
Wir wollen neu uns weihen, dem König Jesu Christ."<br />
Der Textverfasser (1923, J. Bellingrodt) hat den Appell des Refrains: "Deutsche<br />
Jugend heraus", von dem bekannten Studentenlied: "Burschen heraus", übernommen.<br />
Der expansive Charakter der bauenden bzw. siedelnden Tat wird im geographisch<br />
definierten "Heraus" vermittelt, das als "Hinaus" gemeint ist. Das "deutsche Haus" war<br />
nach den Pariser Vorortverträgen (1919) um die o.g. Gebiete reduziert; aus diesem<br />
kleineren, von vielen als zu klein empfundenen "Haus" sollte die deutsche Jugend in<br />
die ‘unerlösten’ Gebiete (<strong>vgl</strong>. ‘irredenta’) wandern und dort siedeln, um das Land zu<br />
"befreien". Wie künstlich anmontiert wirken heute die drei letzten Stropen des<br />
Liedes, in denen vom Bannerherrn Christkönig und seiner Gefolgschaft die Rede ist;<br />
jedoch bildete die Kreuzritter-Ideologie das missing link zwischen völkischer und<br />
christlicher Mentalität. Folgerichtig fehlt die sechste Strophe denn auch im NS-<br />
Liederbuch von 1935 ("Singkamerad"): ‘Totenkopf-Orden: ja – Kreuzitter-Orden:<br />
nein! Denkbar wäre auch, dass es sich bei dieser letzten Christus-Strophe um eine<br />
spätere Zudichtung aus Kreisen der illegalen christlichen Jugendbewegung handelt, als<br />
man sich in den 40er-Jahren vom ‘Ostlandritt’ des Nationalsozialismus zu distanzieren<br />
begann. Was sich freilich die Münchner kath. Pfadfinder von 1950 bei dem gesamten<br />
Liedertext überlegt haben, so dass sie ihn unter ihre 23 ‘Favoriten’ aufgenommen<br />
haben, bleibt ihr Geheimnis, vielleicht dachte man an die 1945 verlorengegangenen<br />
Ostgebiete.<br />
Wie sehr die christlich-protestantische Siedlungsbewegung (1920er-Jahre)<br />
"Neuland" tatsächlich auch als neu erworbenes bzw. erobertes Land verstand, geben<br />
Liedertitel und Teilüberschriften in deren Liederbüchern zu erkennen:<br />
- "Sie sollen sie nicht haben, des Ostens deutsche Mark"<br />
- "Deutsche Brüder in der Ferne"<br />
- "Vom Kampf um Neuland" (Kapitelüberschrift)<br />
- "Ein Neuland woll` n wir suchen"<br />
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