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B e rn h a rd K ru sch e, T o rste n G ro th E d ito ria l

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Synergetik entwickelt er eine »social<br />

combustion <strong>th</strong>eory«, die auszurechnen<br />

versucht, wieviel Verbrennung<br />

(combustion) sich ein System leisten<br />

kann und muss, um den ent<strong>ro</strong>pi<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>en<br />

Tendenzen, denen es unterliegt,<br />

einerseits nachzukommen, das<br />

ist <strong>th</strong>ermodynami<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng> unvermeidlich,<br />

und andererseits gegenzusteue<st<strong>ro</strong>ng>rn</st<strong>ro</strong>ng>,<br />

um negent<strong>ro</strong>pi<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng> auch wieder<br />

O<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng>nung aufzubauen. 3<br />

Ent<strong>ro</strong>pie, so Niu, entsteht aus der<br />

Ansammlung von mik<strong>ro</strong>kosmi<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>en<br />

Elementarpartikeln, auch »Individuen«<br />

genannt, deren soziale Energie<br />

genutzt wi<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng>, indem sie verbraucht<br />

wi<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng>. Dabei kann eine »soziale Temperatur«<br />

entstehen, deren inhärente<br />

Uno<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng>nung die Möglichkeit der Akkumulation<br />

von Energie übe<st<strong>ro</strong>ng>rste</st<strong>ro</strong>ng>igt.<br />

Dann hilft nur, so erfährt man aus<br />

einem weiteren Artikel Nius mit einigen<br />

seiner Mitarbeiter, 4 rechtzeitig<br />

auf eine öffentliche Meinung zu achten,<br />

die selbst nichts anderes als<br />

Brennmate<strong>ria</strong>l sei, deren Infektionsp<strong>ro</strong>zesse<br />

jedoch durch Meinungsführer<br />

kont<strong>ro</strong>lliert we<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng>en können.<br />

Max Weber hatte auf das Ingenium<br />

einer chinesi<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>en Politik, die am<br />

Lächeln der Mandarine ablas, ob sich<br />

die Gesell<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>aft im harmoni<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>en<br />

Gleichgewicht befindet oder nicht,<br />

bereits hingewiesen. 5 Schon damals<br />

war der Konfuzianismus, den man<br />

heute als Religion interpretiert, eine<br />

Gegenmaßnahme zu jeder Religion,<br />

die etwas mit Ekstase, Askese oder<br />

auch nur Kontemplation zu tun hatte.<br />

Stattdessen ging es um Verwaltung<br />

und Erziehung, mit der Pointe, dass<br />

die Erziehung im Medium einer<br />

durch ständige Prügelei erzeugten<br />

Verbieste<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>ng (meng) stattfand und<br />

man sich nur daraus die Entstehung<br />

jener »Güte« vo<st<strong>ro</strong>ng>rste</st<strong>ro</strong>ng>llen konnte, die<br />

.....<br />

Die Chinesen versuchen herauszufinden, wie<br />

viel Un<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>he erfo<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng>erlich und erträglich ist.<br />

<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>ließlich mit allem einverstanden<br />

war, was sich die Verwaltung ausdachte,<br />

solange die Harmonie des<br />

Ganzen, abzulesen am Lächeln der<br />

Mandarine, gegeben war. Und die<br />

Mandarine, ein typi<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>er Fall von<br />

»Mittelstufendasein« 6 , lächelten nur,<br />

wenn weder der D<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>ck von oben zu<br />

g<strong>ro</strong>ß noch die Unzufriedenheit von<br />

unten zu stark war. Wer sind in den<br />

un<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>higen Zeiten der aktuellen Krise<br />

im Westen unsere Mandarine, an deren<br />

Befinden wir ablesen könnten,<br />

wie es um uns steht?<br />

Was also wi<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng> in China verbrannt?<br />

Und wie wi<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng> das Feuer gebändigt?<br />

Gerald Midgley und Jennifer Wilby<br />

aus der angelsächsichen Schule des<br />

Critical Systems Thinking (C. West Churchman,<br />

Peter Checkland, Russell L.<br />

Ackoff und andere) haben vor einigen<br />

Jahren ein Themenheft der Zeit<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>rift<br />

Systems Practice and Action<br />

Research (13. Jahrgang, Heft 1) der<br />

Rezeption der System<strong>th</strong>eorie in China<br />

gewidmet und festgestellt, dass der<br />

Konfuzianismus bereits wesentliche<br />

Elemente eines systemi<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>en Denkens<br />

vor allem dann, wenn es prakti<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>en<br />

Ansprüchen genügen soll, en<strong>th</strong>ält.<br />

Jifa Gu und Zhichang Zhu vom<br />

Institut für Systemwissen<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>aften<br />

der chinesi<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>en Akademie der Wissen<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>aften<br />

erläute<st<strong>ro</strong>ng>rn</st<strong>ro</strong>ng> in diesem<br />

Themenheft, dass der Konfuzianismus<br />

von exakt jenen Bedingungen<br />

der Harmonie in differenzierten Systemen<br />

handelt, von denen die System<strong>th</strong>eorie<br />

ebenfalls spricht. 7 Diese<br />

Bedingungen sind denkbar ansp<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>chs-<br />

voll. Harmonie stellt sich nicht von<br />

selber her. Objektive Existenz (wu),<br />

subjektive Modellie<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>ng (shi) und<br />

men<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>liche Beziehungen (ren) müssten<br />

auf eine Art und Weise miteinander<br />

abgestimmt we<st<strong>ro</strong>ng>rd</st<strong>ro</strong>ng>en, die man nur<br />

ve<st<strong>ro</strong>ng>rste</st<strong>ro</strong>ng>hen kann, wenn man berücksichtigt,<br />

dass alle drei Elemente sowohl<br />

Ansprüche aneinander stellen<br />

als auch Abstand voneinander halten.<br />

Deshalb ist die Differenzie<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>ng<br />

(li) der für alles andere ent<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>eidende<br />

Punkt. Taoismus, Buddhismus und<br />

1 Siehe Niklas Luhmann, Selbstorganisation<br />

und Mik<strong>ro</strong>diversität: Zur Wissenssoziologie<br />

des neuzeitlichen Individualismus, in:<br />

Soziale Systeme 3, Heft 1 (1997), S. 23-32.<br />

2 Siehe zu beidem: Philip Ball, Critical Mass:<br />

How One Thing Leads to Ano<strong>th</strong>er, Being<br />

an Enquiry into <strong>th</strong>e Interplay of Chance and<br />

Necessity in <strong>th</strong>e Way <strong>th</strong>at Human Culture,<br />

Customs, Institutions, Cooperation and<br />

Conflict Arise, London: Ar<strong>ro</strong>w Books, 2004.<br />

3 Siehe Wenjuan Niu, Social Combustion<br />

Theory: Dynamics of Social System Deterioration,<br />

in: Jie Zhou (Hrsg.), Complex<br />

Sciences, Bd. 5, Berlin: Springer, 2009,<br />

S. 2293-2299.<br />

4 Siehe Yijun Liu, Wenyuan Niu und Jifa Gu,<br />

Study on Public Opinion Based on Social<br />

Physics, in: Yong Shi et al. (Hrsg.), Cutting-<br />

Edge Research Topics on Multiple Crite<strong>ria</strong><br />

Decision Making: 20<strong>th</strong> Inte<st<strong>ro</strong>ng>rn</st<strong>ro</strong>ng>ational Conference,<br />

MCDM 2009 Chengdu/Jiuzhaigou,<br />

China, June 21-26, 2009, Berlin: Springer,<br />

2009, S. 318-324.<br />

5 Siehe Max Weber, Die Wirt<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>aftse<strong>th</strong>ik<br />

der Weltreligionen, in: ders., Gesammelte<br />

Aufsätze zur Religionssoziologie, Nachd<st<strong>ro</strong>ng>ru</st<strong>ro</strong>ng>ck<br />

Tübingen: Mohr, 1988, S. 237-574,<br />

hier insbes. S. 430 ff.<br />

6 Mit dem Begriff von Niklas Luhmann,<br />

Funktionen und Folgen formaler Organisation<br />

[1964], 4. Aufl., Berlin: Duncker<br />

& Humblot, 1995.<br />

7 Siehe Jifa Gu und Zhichang Zhu, Knowing<br />

Wuli, Sensing Shili, Caring for Renli: Me<strong>th</strong>odology<br />

of <strong>th</strong>e WSR App<strong>ro</strong>ach, in: Systems<br />

Practice and Action Research 13, Heft 1<br />

(2000), S. 11-20.<br />

Kolumne Revue für pos<strong>th</strong>e<strong>ro</strong>i<st<strong>ro</strong>ng>sch</st<strong>ro</strong>ng>es Management / Heft 7

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