Die Deutschen und ihr Drittes Reich... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 10 / Oktober 2007<br />
Moltke in seinen �Briefen an Freya� berichtet hat. Das<br />
entspräche der Strategie von Moltke <strong>und</strong> Yorck, in Berlin<br />
nur kleine Gespräche mit kompetenten �Sachfre<strong>und</strong>en�<br />
durchzuführen <strong>und</strong> in Kreisau dann diejenigen zu versammeln,<br />
die für mehrere der anstehenden Sachthemen<br />
kompetent <strong>und</strong> zuständig waren <strong>und</strong>/oder Vorarbeiten<br />
geleistet hatten. Wer dann schließlich zum engeren oder<br />
weiteren �Kreisauer Kreis� gehört hat, eine Frage, die die<br />
Forschung schon lange beschäftigt, lässt sich dann freilich<br />
nur schwer ausmachen. Wahrscheinlich wurden auf<br />
den größeren Kreisauer Treffen auch die Kompetenz<strong>und</strong><br />
Zuständigkeitsgrenzen nicht so strikt beachtet wie<br />
bei den kleinen Arbeitsgesprächen in Berlin <strong>und</strong> anderswo.<br />
Und bei den Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungsfragen<br />
scheint nicht ganz klar zu sein, wer alles - außer <strong>Reich</strong>wein<br />
- dafür ebenfalls zuständig war. Da hier die Rolle<br />
der christlichen Kirchen <strong>und</strong> Konfessionen im Schulwesen<br />
erstaunlich stark im Mittelpunkt stand, könnten auch<br />
die Kirchenvertreter beider Konfessionen zuständig,<br />
wenn auch nicht unbedingt kompetent gewesen sein, also<br />
eben auch Gablentz, Poelchau <strong>und</strong> König, von Moltke<br />
<strong>und</strong> Yorck ganz abgesehen.<br />
Das alles ändert indessen nichts daran, vielmehr könnte<br />
es erklären, dass sich <strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein mit zwei wichtigen<br />
seiner bildungspolitischen Zielvorstellungen, nämlich<br />
der überkonfessionellen Gemeinschaftsschule <strong>und</strong><br />
der Volksschullehrerbildung auf Hochschulniveau, im<br />
Kreisauer Kreis nicht durchsetzen konnte. Dazu waren<br />
die Kirchenvertreter <strong>und</strong> die Vertreter einer elitären<br />
Hochschulbildung in diesem Kreis offenbar zu stark <strong>und</strong><br />
zu konservativ eingestellt, obwohl wenigstens im zweiten<br />
Punkt die favorisierte Unterscheidung zwischen forschungsorientierten<br />
�<strong>Reich</strong>suniversitäten� <strong>und</strong> berufsorientierten<br />
(Fach) Hochschulen die Chance geboten hätte,<br />
die Volksschullehrerbildung in die zweite Kategorie einzuordnen.<br />
Das nimmt sich, von heute aus gesehen, nicht<br />
sehr fortschrittlich oder gar revolutionär aus. Hohmann<br />
macht jedoch auf diesen Punkt gar nicht aufmerksam,<br />
obwohl er in <strong>ihr</strong>e Argumentationslinie, dass <strong>Reich</strong>wein<br />
im Kreisauer Kreis eine geringe Rolle gespielt habe,<br />
durchaus hineingepasst hätte.<br />
Münster, den 9.8.07<br />
13<br />
Text einer noch nicht veröffentlichten Rezension<br />
von Lothar Kunz für die Zeitschrift PädForum:<br />
Eine Wende in der <strong>Reich</strong>wein-<br />
Forschung oder Demontage des Reformpädagogen<br />
<strong>und</strong> Widerstandskämpfers<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein?<br />
Dr. Lothar Kunz, Universität der Künste, Berlin<br />
Christine Hohmanns Buch mit dem zugespitzten Titel<br />
�<strong>Die</strong>nstbares Begleiten <strong>und</strong> später Widerstand. Der nationale<br />
Sozialist <strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein im Nationalsozialismus� 6<br />
lässt aufhorchen. Zusätzlich werden die im Titel angeschlagenen<br />
Töne noch durch die Internet-Werbung von<br />
Seiten des Klinkhardt-Verlags für diese Publikation verstärkt.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung, die die Oberstudiendirektorin<br />
a. D. (Jg. 1950) aus Ennepetal im Jahr 2006 als Dissertation<br />
an der Universität Wuppertal abschloss, wird dort<br />
als Publikation herausgestellt, die mit der bisherigen hagiographischen<br />
<strong>Reich</strong>weinforschung kritisch abrechne. 7<br />
In der Presseerklärung der Universität Wuppertal wird<br />
dieses Werk gar als �Meilenstein der <strong>Reich</strong>weinforschung�<br />
gefeiert. <strong>Reich</strong>wein werde entmythologisiert,<br />
heißt es bereits im Titel. 8<br />
Christine Hohmanns Arbeit gliedert sich in 12 Kapitel.<br />
Von der Einleitung bis zum Dokumentenanhang umfasst<br />
die Veröffentlichung insgesamt 284 Seiten.<br />
<strong>Die</strong> Autorin zieht umfangreiches Quellenmaterial heran,<br />
das meistenteils schon bekannt war, <strong>und</strong> erörtert im laufenden<br />
Text sowie in zahlreichen Anmerkungen vor allem<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>weins Anpassungsleistungen von 1933�<br />
1944.<br />
Dabei bezieht sie sich auf den Historiker Martin Broszat,<br />
der u. a. betonte, �dass sich im Alltagsleben unter der<br />
gleichzeitig suggestiven wie auch einschüchternden<br />
Herrschaft des Nationalsozialismus durchaus auch eine<br />
breite Skala gebrochener Verhaltens- <strong>und</strong> Reaktions-<br />
6 Hohmann, Christine (2007): <strong>Die</strong>nstbares Begleiten <strong>und</strong> später<br />
Widerstand. Der nationale Sozialist <strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein im Nationalsozialismus,<br />
Julius Klinkhardt Verlag, Reihe Klinkhardt Forschung,<br />
Bad Heilbrunn.<br />
7 vgl.: URL:<br />
http://www.klinkhardt.de/verlagsprogramm/1510.html (Stand:<br />
29.07.2007)<br />
8 Pressemitteilung der Bergischen Universität Wuppertal vom<br />
16.05.2007; Pädagoge <strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein entmythologisiert, von<br />
Michael Kroemer, Pressestelle.