Die Deutschen und ihr Drittes Reich... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 10 / Oktober 2007<br />
Dokument seltsamerweise auch als Beleg des �<strong>Die</strong>nstbaren<br />
Begleitens�.<br />
Insgesamt ist dieses Kapitel über den Widerstand <strong>und</strong><br />
<strong>Reich</strong>weins Mitgliedschaft im Kreisauer Kreis sehr mager.<br />
<strong>Die</strong> Diskussionen, die Beschlüsse <strong>und</strong> die Dokumente<br />
des Kreisauer Kreises werden kaum gestreift, die<br />
gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong> aktuelle Literatur über den Widerstand<br />
gegen Hitler wird in dieser Dissertation nicht beachtet.<br />
Es geht Hohmann eigentlich nur �um die Fragen, welchen<br />
Anteil <strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein am Widerstand des Kreisauer<br />
Kreises hatte <strong>und</strong> in welcher Form er involviert<br />
war.� 23<br />
Eine Einschätzung der Bedeutung des Kreisauer Kreises<br />
als Teil des gesamten Widerstands erfolgt ebenfalls<br />
nicht.<br />
Fazit<br />
Es ist Christine Hohmann gelungen, <strong>Reich</strong>weins Wirken<br />
von 1933�1939 im Gegensatz zur bisherigen positiven<br />
Auslegung negativ zu bewerten. Innerhalb <strong>ihr</strong>er Kritik in<br />
Bezug auf die bisherige <strong>Reich</strong>weinforschung ist sie über<br />
das Ziel hinausgeschossen. Ihre Ableitungen <strong>und</strong><br />
Schlussfolgerungen sind oft transgredient.<br />
Sie hat mit <strong>ihr</strong>er Arbeit möglicherweise auch <strong>Adolf</strong><br />
<strong>Reich</strong>weins positives Bild in der Öffentlichkeit beschädigt<br />
� vorausgesetzt, <strong>ihr</strong>er Arbeit wird über Fachkreise hinaus<br />
Beachtung geschenkt.<br />
Ihre Kritik der Anpassungsleistung <strong>Reich</strong>weins an das<br />
NS-System ist teilweise berechtigt. Es ist <strong>ihr</strong> Verdienst,<br />
konkrete Belege <strong>und</strong> Tätigkeiten sowie neue Quellen in<br />
diesem Zusammenhang gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ausgewertet zu<br />
haben.<br />
Sie konnte insoweit <strong>ihr</strong> leitmotivisches Broszat-Zitat inhaltlich<br />
unterfüttern. Allerdings hat sie das Spannungsfeld<br />
zwischen Anpassung <strong>und</strong> Widerstand, zwischen<br />
Kooperation <strong>und</strong> NS-Regime-Gegenerschaft zu wenig<br />
erörtert.<br />
Christine Hohmann ist es nicht gelungen, �ein anschauliches<br />
Bild von <strong>Reich</strong>weins fachlichen <strong>und</strong> pädagogischen<br />
Arbeiten zu zeichnen (...). Ihr fehlt jedes Gespür für die<br />
intellektuelle Faszination <strong>und</strong> menschliche Wärme, die<br />
von <strong>Reich</strong>wein ausging (...). Er hat es nicht verdient, als<br />
,<strong>Die</strong>nstbarer Begleiter� denunziert zu werden.� 24<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>ihr</strong>es positivistischen Wissenschaftsverständnisses<br />
fehlt Hohmann auch ein Gr<strong>und</strong>verständnis für<br />
den zeithistorischen Kontext, für die Lebensbedingungen<br />
in der NS-Diktatur <strong>und</strong> die damit einhergehenden An-<br />
23 Hohmann, S. 181.<br />
24 Mommsen, Hans: Mitschuld sieht anders aus, in: Süddeutsche<br />
Zeitung vom 13.07.2007, Nr. 133, S. 14, Besprechung des<br />
Buches von Christine Hohmann mit 2 Fotos vom Schloss Kreisau<br />
<strong>und</strong> dem Henkerschuppen der Haftanstalt Plötzensee in<br />
Berlin.<br />
17<br />
passungszwänge, denen auch <strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein ausgesetzt<br />
war.<br />
Ihrer Einschätzung, dass sich <strong>Reich</strong>wein (auch) als nationaler<br />
Sozialist verstand, kann ich zustimmen. Ob er<br />
nun dem linken oder dem rechten Flügel der SPD angehörte,<br />
sei dahingestellt.<br />
Als Sozialdemokrat war er ab 1933 � nach der Machtübernahme<br />
Hitlers � über Nacht extrem gefährdet. <strong>Die</strong>sen<br />
Aspekt übersieht Christine Hohmann. Nicht nur<br />
<strong>Reich</strong>weins, sondern der ganze bürgerliche <strong>und</strong> militärische<br />
Widerstand setzte leider relativ spät, also nicht<br />
gleich nach 1933 ein. Im Gegensatz zu Christine Hohmann<br />
messe ich <strong>Reich</strong>wein jedoch eine gewichtige Rolle<br />
im Widerstand zu. Wertet man beispielsweise den<br />
<strong>Reich</strong>wein-Briefband umfassend <strong>und</strong> gründlich aus,<br />
dann bestehen keine Zweifel an seiner politischen<br />
Gr<strong>und</strong>haltung, die nie Platz für nationalsozialistische<br />
Gedanken ließ. <strong>Die</strong>se manifestiert sich schon während<br />
der Zeit der Weimarer Republik.<br />
Brief von Karin Friedrich, Gauting, an die Pressestelle<br />
der Universität Wuppertal vom 4. Juni<br />
2007. Bisher keine Veröffentlichung bekannt.<br />
Als �Zeitzeugin� der Nazizeit, Mitglied der damaligen<br />
Berliner �Gruppe Onkel Emil� <strong>und</strong> heutiges Mitglied der<br />
�Weisse Rose Stiftung�, des �<strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein <strong>Verein</strong>s�<br />
<strong>und</strong> des <strong>Verein</strong>s �Gegen Vergessen - Für Demokratie�<br />
protestiere ich vehement gegen die in Dr. Christine<br />
Hohmanns in Buchform erschienener Dissertation<br />
��<strong>Die</strong>nstbares Begleiten <strong>und</strong> später Widerstand�) erhobene<br />
infame Unterstellung, der bereits 1930 der SPD<br />
beigetretene, seit 1940 zum �Kreisauer Kreis� gehörende,<br />
1944 hingerichtete Reformpädagoge <strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein<br />
trage �Mitschuld am Funktionieren des NS-<br />
Staates�, weil er sich �zielgerichtet um öffentliche Anerkennung<br />
seiner pädagogischen Arbeiten bemühte <strong>und</strong><br />
dabei die Zusammenarbeit mit NS-Gliederungen, darunter<br />
auch der SS, nicht scheute�.<br />
<strong>Die</strong> Behauptungen der 1950 geborenen Autorin sind offenbar<br />
durch keinerlei Kenntnisse der damaligen minütlich<br />
durch Denunzianten bedrohte Lebensumstände getrübt.<br />
Ohne eine gewisse, zumindest vorgetäuschte Zusammenarbeit<br />
mit den Nazis hätten weder der �Judenretter�<br />
Schindler noch der bereits 1971 von Yad Vashem<br />
als �Gerechter unter den Völkern� geehrte Otto Weidt,<br />
der die SS mit Besen <strong>und</strong> Bürsten aus seiner Berliner<br />
Blindenwerkstatt belieferte, zahlreiche Juden retten, oder<br />
der Diplomat im Auswärtigen Amt, Helmuth Graf von<br />
Moltke im Ausland über die Nazigreuel berichten <strong>und</strong><br />
seinen Widerstandskreis konstituieren können. <strong>Die</strong> Beispiele<br />
lassen sich endlos fortsetzen.