Die Deutschen und ihr Drittes Reich... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 10 / Oktober 2007 Adolf Reichwein durch Skandinavien�, hrsg. von Ullrich Amlung, Kurt Meinl u.a.. 61 Der OTZ-Artikel endet mit folgendem Hinweis: �Noch ein weiteres Jubiläum wird der Wartburg-Verlag in diesem Monat begehen. Am 24. März wäre Gründer Max Keßler, der im Jahr 2000 gestorben ist, 100 Jahre alt geworden.� Wer war Max Keßler und warum erinnern wir auch im Reichweinforum an ihn? Max Kessler, der in Kahla unterhalb der Leuchtenburg eine Lehre begann und 1924 eine Stelle bei der bekannten, von Julius Schaxel redigierten Zeitschrift �Urania � Kulturpolitische Monatshefte über Natur und Gesellschaft� in Jena bekam, besuchte mehrere Kurse an der VHS Jena, ab 1925 vor allem auch bei Adolf Reichwein. Nach der Eröffnung des Volkshochschulheims im Mai 1926 zog er sofort mit acht weiteren Jungarbeitern ins Haus am Beuthenberg. An der bekannten Nordlandfahrt 1928 durch Skandinavien und am �Hungermarsch durch Lappland� nahm er nicht teil, da der erste Jahrgang schon im Frühjahr 1927 entlassen wurde. Wie bekannt hatte Adolf Reichwein jene �Exkursion� mit dem 2. Jahrgang geplant, durchgeführt und ausgewertet. 62 In seinem Bericht: �Die Volkshochschule Jena � meine Lehrjahre bei Adolf Reichwein� 63 schildert Max Keßler lebendig und eindrucksvoll die Begegnungen und Gespräche mit Reichwein in VHS-Kursen, an Diskussionswochenenden mit Leuten des Jugendbundes, im Volkshochschulheim und bei anderen Gelegenheiten. �Es war Reichweins Bestreben, jungen Menschen, vor allem der arbeitenden Jugend, Gelegenheit zu geben, sich Wissen anzueignen, sich politisch zu orientieren und kennen zu lernen, miteinander zu diskutieren und Toleranz gegenüber Andersdenkenden zu üben.� Max Keßler betont in diesem Zusammenhang auch Reichweins großes pädagogisches Geschick. Für Keßler war die VHS Jena seine �Volksuniversität��: �In den empfänglichen Jugendjahren hat mich Adolf Reichwein mit seinen Lehren und Ideen geprägt. Die Ideale dieser Jugendjahre tragen mich heute noch.� In dem von Erich Thiede (Regie) und Hans Bentzien (Drehbuch) 1988 produzierten Dokumentarfilm über Wir- 61 ��Wir sind jung und die Welt ist schön� Mit Adolf Reichwein durch Skandinavien � Tagebuch einer Volkshochschulreise 1928, hrsg. von Ullrich Amlung, Matthias Hoch, Kurt Meinl und Lutz Münzer, Wartburg-Verlag. Jena und Weimar 1993, 96 S. 62 Vgl.: Adolf Reichwein: Hungermarsch durch Lappland, Veröf- fentlichung des Reichweinvereins 1998 vgl.: Adolf Reichwein: Die Reise zum Norden, in: Adolf Reichwein: Ausgewählte Pädagogische Schriften, hrsg. von H. E. Ruppert/H. E. Wittig, Paderborn 1978, S. 52-65. 63 Max Keßler: Die Volkshochschule Jena � meine Lehrjahre bei Adolf Reichwein, in: Adolf Reichwein: Widerstandskämpfer und Pädagoge � Gedenkveranstaltung an der Friedrich-Schiller- Universität Jena, hrsg. von Martha Friedenthal-Haase, Erlangen/Jena 1999, S. 192-194. 24 ken und Wirkung Adolf Reichweins äußert sich Max Keßler neben anderen Zeitzeugen mit ähnlichen Worten positiv über seinen Lehrer. Ich erinnere mich gut an diese Filmszene, in der Max Keßler vor dem Eckfenster im Vortragsraum der Geschäftsstelle der Volkshochschule den lebendig referierenden Adolf Reichwein nachahmte. Keßlers Begeisterung für Adolf Reichwein war noch 1988 im Film zu spüren. 64 Zur 100. Geburtstagsfeier Reichweins an der Friedrich-Schiller-Universität am 15. Oktober 1998 wurde dieser Film auch in Gegenwart von Max Keßler gezeigt. Leider hat Sabine Nagel nicht dessen Statement festgehalten. 65 Wie schon erwähnt war Max Keßler Geschäftsführer des Wartburg-Verlages. Außerdem war er Vorsitzender des Stadtverbandes der Jenaer Kulturvereine e.V. und Geschäftsführer der Goethe-Gesellschaft Jena. Für seine Verdienste um das Kulturleben bekam er 1997 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Zusammen mit Rosemarie Reichwein enthüllte er 1995 die Reichwein-Gedenktafel am Haus der Geschäftsstelle der VHS Jena (vgl.: Foto im RF Nr. 9/2006). Viele Menschen in Jena und auch im Reichweinverein werden sich an Max Keßler erinnern. Über sein Leben und Wirken gibt es sicherlich noch viel mehr zu berichten. Leider habe ich ihn nicht mehr persönlich kennen gelernt. 64 Im Rahmen meiner Reichwein-Seminare an der Universität der Künste Berlin habe ich diesen DDR-Film mehrmals gesehen. Die Äußerungen Max Kesslers und anderer Zeitzeugen werden durch den Regisseur in ein SED-konformes Befragungsraster eingepasst. 65 Vgl.: Sabine Nagel: Adolf Reichwein � Pädagoge und Widerstandskämpfer, Bemerkungen zu einem DDR-Film, gezeigt im Rahmen des Kollegiums, in: Friedenthal-Haase, a.a.O., S. 195- 197.
Herbsttagung 2006 in Osnabrück Hans Bohnenkamp und Adolf Reichwein in der Akademischen Vereinigung Marburg 66 reichwein forum Nr. 10 / Oktober 2007 Ullrich Amlung Erste Begegnung aus der Sicht Bohnenkamps �Das erste, was ich von ihm kennenlernte, war seine Stimme. Eines Morgens im Mai 1920 drang sie zu mir aus dem Garten herauf durchs offene Fenster in meine Studentenwohnung. Sie war nicht eigentlich wohllautend, eher herb und wie auf einem zerbrechlichen Instrument gespielt. Ich weiß auch jetzt noch nicht zu sagen, worin das Bezwingende lag, das von ihr ausging. Vielleicht war es die ruhige Freiheit des Atems, aus der sie kam, oder die offene Sicherheit, die aus ihr klang. Jedenfalls ließ sie mich aufhorchen, obwohl ich die Worte nicht verstand, die da gesprochen wurden. Und als ich später hörte, Adolf Reichwein wäre dagewesen und käme zu Mittag wieder, er wäre vom Friedberger Wandervogel und hätte vor, nach einigen Frankfurter Semestern nun in Marburg weiter zu studieren, war ich doppelt gespannt auf ihn. Denn der das sagte, sprach von ihm wie von einem Besonderen, so, wie man zu jener Zeit in der Jugendbewegung den inneren Rang, den man jemandem zuerkannte, ohne viel Worte deutlich zu machen wußte.� 67 Hans Bohnenkamp, der 1949 in seinen �Gedanken an Adolf Reichwein� von dieser seiner ersten ja eigentlich mehr virtuellen Begegnung mit Adolf Reichwein 30 Jahre zuvor wie von einer �Heiligenerscheinung� kündet, war �damals�, wie er weiter schreibt, �auf Menschen solchen Schlages aus, um sie für unseren Bund zu gewinnen�. �Hannes�, wie er von seinen jugendbewegten Kommili- 66 Der auf der letztjährigen Herbsttagung des Reichwein- Vereins in Osnabrück gehaltene Vortrag ist um biographische Passagen gekürzt, die vom Autor im letzten Forumsheft in größerem Zusammenhang und in wesentlich erweiterter Form unter dem Titel veröffentlicht sind: Hans Bohnenkamp (1893- 1977) � Biographie und Karriere eines Lehrerbildners unter unterschiedlichen zeithistorischen Konstellationen. In: Reichwein- Forum, Nr. 9/2006, S. 6-15. Ich bedanke mich ganz besonders bei Frau Ulrike Bohnenkamp für die Genehmigung zum Abdruck von bisher unveröffentlichten Fotos aus dem Nachlass ihres Vaters. Ebenso herzlich danke ich Frau Dr. Edith Stallmann, die Materialien und Fotos zu den AV-Tagungen zwischen 1923 und 1930 aus dem Nachlass ihres 1980 verstorbenen Mannes Martin Stallmann zur Verfügung gestellt hat. 67 Bohnenkamp 1949, S. 5. 25 tonen freundschaftlich gerufen wurde, galt zu jener Zeit als führender Kopf der Akademischen Vereinigung Marburg, einer freideutschen Hochschulgruppe, die sich eine Erneuerung des in alten, überholten Komments erstarrten Studentenlebens aus dem Geist des Wandervogels und eine in diesem Sinne grundlegende Hochschulreform zum Ziel gesetzt hatte. Bohnenkamp war bereits 27 Jahre alt und stand kurz vor dem Abschluss seines Mathematik- und Physik-Studiums. �An jenem Mittag also�, so setzt der Mittfünfziger und seinerzeit amtierende Direktor der �Adolf-Reichwein- Hochschule� Celle Professor Bohnenkamp - in geradezu religiöser Ergriffenheit und seinem lyrischen Temperament kräftig die Sporen gebend � seine Heldensaga fort, �kam Adolf Reichwein zu Tisch, und seines Wesens Wohlgeartetheit war offenbar. Über aufrecht-schlankem Leibe, unter rotblond-leuchtendem Haar ein junger Kopf von prachtvollem Ebenmaß, fein modelliert, mit straff gespannter Haut; die Augen hellblau zwischen zarten Lidern, die Hände schön geformt und im Sprechen knapp, aber einprägsam bewegt � ein Bild vollendeten Zusammenspiels guter Kräfte, heil und fertig. Er sprach mit lockerer Bescheidenheit, aber nichts war nur so hingesagt, alles eigen, ob empfunden oder gedacht. � Später hat dann seine Weise, sich im Gespräch oder auch im freien Vortrag zu äußern, eine lebendige Bestimmtheit und Eigenart gewonnen, die unverwechselbar im Gedächtnis haftet. Er war kein Silbenstecher und holte seine Worte und Bilder ohne Zögern aus den vielen Bereichen, die er kannte: aus den Wissenschaften, der Journalistik, aus Bauerntum, Kriegswesen, Politik und Industrie, von Handwerkern, Seeleuten, Arbeitern und Monteuren, aus seinem Heimatdialekt � von dem seine Sprechweise eine schöne leichte Tönung behielt � und aus vielerlei Jargon. Aber gerade weil seine Sprachform ihm nie Selbstzweck war, sondern genau und geschmeidig den vollen Gedanken wiederzugeben trachtete, geriet ihm auch die Form. Sie war wie ein buntes, aber vollendet geschnittenes Kleid seines Denkens � auch dann, wenn er im vertraulichen Umgang sich einmal einer jungenhaften Wendung bediente. Mir liegt da noch immer jenes sonor gesprochene �bueno" im Ohr, daß er aus Mexiko mitgebracht hatte und so gern als Zeichen fröhlicher Zustimmung verwandte.� Das erste Gespräch an jenem Nachmittag im Mai 1920 in Marburg drehte sich um das Studium, den Wandervogel und die Akademische Vereinigung und das Erlebnis des Krieges, �aus dem wir ja alle gekommen waren� 68 . Bohnenkamps und Reichweins Zugehörigkeit zur Wandervogelbewegung Beide, sowohl der 1893 bei Bielefeld geborene Hans Bohnenkamp als auch der 1898 in Bad Ems zur Welt 68 Bohnenkamp 1949, S. 7.
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