Die Deutschen und ihr Drittes Reich... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 10 / Oktober 2007<br />
kommen ist, ist aufgr<strong>und</strong> der schlechten Quellenlage<br />
z.Zt. noch ungeklärt. Das gilt auch für die Frage, ob<br />
<strong>Reich</strong>wein möglicherweise im Auftrag des <strong>Reich</strong>serziehungsministeriums<br />
im Warthegau tätig war. 5<br />
Im Gegensatz zu Hans Mommsens Einschätzung von<br />
1999, dass die Rolle <strong>Reich</strong>weins im Widerstandskreis<br />
um Moltke <strong>und</strong> York von der Forschung bis dato eher<br />
unterschätzt worden sei, drängt ihn Hohmann in <strong>ihr</strong>er<br />
Studie nun in eine Randposition im Kreisauer Kreis, in<br />
der Nachwirkungen seiner Person kaum zu erkennen<br />
seien. <strong>Die</strong> in der <strong>Reich</strong>wein-Rezeption bisher <strong>Reich</strong>wein<br />
zugeschriebene Autorschaft der �Gedanken über Erziehung�<br />
vom Oktober 1941 weist sie zurück <strong>und</strong> erklärt<br />
ohne weitere Textanalyse von der Gablentz zum Verfasser<br />
dieses Kreisauer Dispositionspapiers zum Bereich<br />
Bildungspolitik. Sie erkennt nicht den sprachlichen <strong>und</strong><br />
inhaltlichen Bruch zwischen der Einleitung (�Ausgangslage�)<br />
<strong>und</strong> dem Hauptteil dieses Textes, auf den Lothar<br />
Kunz in seinem Kommentar zu diesem Dokument in der<br />
erweiterten Neuauflage des �Lebensbildes in Briefen <strong>und</strong><br />
Dokumenten� (LBD, S. 425) ausdrücklich hingewiesen<br />
hat. Es spricht von den in diesem Dispositionspapier vertretenen<br />
z.T. widersprüchlichen Positionen her vieles dafür,<br />
dass die Einleitung von der Gablentz <strong>und</strong> den Hauptteil<br />
<strong>Reich</strong>wein verfasst hat. Völlig überraschend für den<br />
k<strong>und</strong>igen Leser <strong>ihr</strong>es Buches hält Frau Hohmann es wenige<br />
Seiten später jedoch für möglicht, dass das Kreisau-Dokument<br />
�Lehre <strong>und</strong> Erziehung in Schule <strong>und</strong> Erziehung�<br />
(1942/43) von <strong>Reich</strong>wein verfasst sein könnte;<br />
sie hält dies aber nur in einer Anmerkung fest (Hohmann,<br />
S. 192, FN 340), ohne diese Spur textanalytisch<br />
weiter zu verfolgen.<br />
Völlig übersehen wird von Hohmann <strong>Reich</strong>weins wichtige<br />
Koordinationsfunktion zwischen verschiedenen Widerstandsgruppen<br />
<strong>und</strong> sein Beitrag zu den gesellschafts-<br />
<strong>und</strong> wirtschaftspolitischen Neuordnungsplanungen<br />
der Kreisauer, etwa bei der Erarbeitung des Konzepts<br />
der Betriebsgewerkschaft (vgl. Mommsen 2007).<br />
Auch nimmt sie nicht die aktive Rolle <strong>Reich</strong>weins für das<br />
Treffen mit der Jacob-Saefkow-Gruppe zur Kenntnis,<br />
ohne die diese historisch bedeutsame Begegnung zwischen<br />
führenden Repräsentanten der SPD <strong>und</strong> KPD<br />
nicht stattgef<strong>und</strong>en hätte (vgl. Hohmann, S. 198). Es fällt<br />
auf, dass eine Auswertung gr<strong>und</strong>legender <strong>und</strong> aktueller<br />
Literatur zur Geschichte des Widerstandes fast vollständig<br />
fehlt, so dass auch eine Einschätzung der Bedeutung<br />
des Kreisauer Kreises als Teil des gesamten Widerstandes<br />
gegen den Nationalsozialismus unterbleibt.<br />
8. These: <strong>Die</strong> Mitarbeit im Widerstand, vor allem im Kreisauer<br />
Kreis, <strong>und</strong> seine berufliche Tätigkeit liefen neben<br />
5 Anzumerken ist hier, dass Hohmann nichts über <strong>Reich</strong>weins<br />
Aktivitäten in West- <strong>und</strong> Ostpreußen <strong>und</strong> seine Zusammenarbeit<br />
mit den dortigen Regierungsstellen �zur Ausdehnung des<br />
Zeichen- <strong>und</strong> Werkunterrichts in den Schulen� (LBD, S. 211)<br />
aussagt.<br />
7<br />
einander her; <strong>Reich</strong>wein hat seine berufliche Tätigkeit bei<br />
<strong>Die</strong>nstreisen (Vorträge, Kurse, Beratung usw.) nicht in<br />
dem Maße mit Widerstandsaktivitäten gekoppelt, wie bisher<br />
angenommen; das gilt auch für seine Auslandsfahrten<br />
zur Truppenbetreuung. Eine Verknüpfung von beruflicher<br />
Tätigkeit <strong>und</strong> Widerstand ist erst nach der Verhaftung<br />
Moltkes zu belegen.<br />
Mit dieser These widerspricht Frau Hohmann der Feststellung<br />
Wilfried Hubers, der für <strong>Reich</strong>wein für die Zeit<br />
von 1939 � 1944 von einer Verschränkung der �zwei Aktivitätsrichtungen�,<br />
der �museumspädagogische(n)� <strong>und</strong><br />
der �in den planenden <strong>und</strong> schließlich in den konspirativen<br />
Widerstand führende(n)�, spricht (1981, S. 316). Sie<br />
bezweifelt, dass <strong>Reich</strong>wein auf seinen <strong>Die</strong>nstreisen für<br />
den Widerstand geworben hat, sie konzidiert dies eingeschränkt<br />
nur für die Zeit nach Moltkes Verhaftung im Januar<br />
1944. Eine mögliche Kontaktaufnahme in diesem<br />
Sinne sieht sie im Falle Werner Heisenbergs, mit dem<br />
sich <strong>Reich</strong>wein am 7.6.1944 getroffen hat (vgl. LBD, S.<br />
237). Weitere nachgewiesene Kontakte <strong>Reich</strong>weins mit<br />
möglichen Gesprächen über Widerstandsfragen (etwa<br />
im Mai 1943, als <strong>Reich</strong>wein in Überlingen war <strong>und</strong> C. F.<br />
von Weizsäcker, E. R. Huber <strong>und</strong> H. Heimpel getroffen<br />
hat; vgl. LBD, S. 181) werden von Hohmann nicht berücksichtigt.<br />
Es wurde bei dem Treffen in Kassel ausführlich darüber<br />
gesprochen, wie schwierig es ist, die Verknüpfung von<br />
beruflicher <strong>und</strong> Widerstandstätigkeit im einzelnen konkret<br />
zu belegen, weil <strong>Reich</strong>wein vorsichtig war <strong>und</strong> in<br />
seinen Briefen nichts darüber geschrieben hat. <strong>Die</strong> nur<br />
wenigen schriftlich fixierten Erinnerungen sind nicht immer<br />
zuverlässige Quellen, da sie zumeist auch subjektive<br />
Färbungen enthalten.<br />
9. These: Für die Lebensgeschichte <strong>Reich</strong>weins sind � wie<br />
für die meisten Widerstandskämpfer - �Ambivalenzen�<br />
festzustellen; neben seiner Widerstandstätigkeit gegen das<br />
NS-Regime sind auch Anpassung <strong>und</strong> Unterstützung dieses<br />
Systems im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu registrieren.<br />
Er wollte sich �ins rechte Licht setzen� <strong>und</strong> etwas<br />
werden <strong>und</strong> hat sich daher auf das NS-System eingelassen.<br />
Insofern kann sein Verhalten beschrieben werden<br />
mit �<strong>Die</strong>nstbares Begleiten <strong>und</strong> später Widerstand�.<br />
�Ambivalenzen� in der Lebensgeschichte <strong>Reich</strong>weins<br />
besonders nach 1933 sind unbestreitbar. Doch ist damit<br />
nichts gesagt über die Motive seines Handelns, etwa<br />
über die Gründe für seine zeitweilige <strong>und</strong> distanzierte<br />
Kooperation mit NS-Organisationen. <strong>Die</strong> Ambivalenzthese<br />
greift hier, nach Überzeugung einiger Diskutanten, als<br />
Erklärungsansatz zu kurz. Auch die Hohmann-These,<br />
<strong>Reich</strong>wein wollte sich im NS-Staat �ins rechte Licht setzen�<br />
<strong>und</strong> seine Karriere ohne Skrupel weiter ausbauen,<br />
vermag nicht zu überzeugen. Hätte er dies wirklich gewollt,<br />
dann hätte er es auch machen können; an Ange-