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Die Deutschen und ihr Drittes Reich... - Adolf-Reichwein-Verein

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auch zu gesellschaftlich notwendigem <strong>und</strong> verantwortlichem<br />

Handeln verpflichtet fühlen.<br />

reichwein forum Nr. 10 / Oktober 2007<br />

Im August 1921 veranstaltet <strong>Reich</strong>wein - er hatte gerade<br />

seine Dissertation �Chinas Einfluß auf die europäische<br />

Kultur des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts� bei dem Wirtschaftshistoriker<br />

Friedrich Wolters eingereicht <strong>und</strong> das Rigorosum mit<br />

dem Prädikat �gut� bestanden � mit acht Marburger AV-<br />

Studenten <strong>und</strong> 11 jungen Arbeitern aus verschiedenen<br />

Städten in Bodenrod/Taunus eine vierwöchige politischpädagogische<br />

Arbeitsgemeinschaft, die ihn auf einen<br />

Schlag in Kreisen der Weimarer Volkshochschulbewegung<br />

berühmt machte. Hans Bohnenkamp kann an dieser<br />

bedeutsamen Veranstaltung nicht teilnehmen, da er<br />

nach bestandener Examensprüfung in Mathematik <strong>und</strong><br />

Physik am 15. Juli 1921 als Oberlehrer an die Deutsche<br />

Schule nach Rotterdam berufen wurde.<br />

4-wöchige Arbeitsgemeinschaft im August 1921 in Bodenrod/Taunus<br />

<strong>Die</strong> Pfingsttagung der AV in Abterode 1923 <strong>und</strong> Folgetagungen<br />

Auf der Pfingsttagung der AV 1923 in Abterode im Werratal<br />

in Nordosthessen kommt es zur ersten Begegnung<br />

zwischen den beiden nunmehrigen �Alten Herren�, dem<br />

inzwischen promovierten <strong>und</strong> beim deutschamerikanischen<br />

Kinderhilfswerk in Berlin beschäftigten<br />

<strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein <strong>und</strong> dem Studienassessor an der deutschen<br />

Schule in Rotterdam Hans Bohnenkamp. Im Zentrum<br />

der Tagung stehen auf Vorschlag <strong>Reich</strong>weins erneut<br />

bildungs- <strong>und</strong> gesellschaftspolitische Fragen <strong>und</strong><br />

die Aufgabenstellung der AV in der gegenwärtigen politischen<br />

Lage. Während <strong>Reich</strong>wein wieder am Neutralitätsprinzip<br />

rüttelt <strong>und</strong> zu aktiver politischer Bildungsarbeit<br />

aufruft, beharrt Bohnenkamp auf seinem Standpunkt:<br />

�Wir sind keine Partei <strong>und</strong> sollen keine Partei<br />

sein.� 100<br />

In einem längeren Referat zum Thema �AV als Lehrstand�<br />

macht Bohnenkamp deutlich, dass Volksbildung<br />

nur möglich sei als Standesbildung: Der Stand sei der<br />

100 Müller, Adam: Pfingsttagung 1923 in Abterode. In: Ockershäuser<br />

Blätter, Nr. 19/Mai 1924, S. 2-4; hier S. 3.<br />

34<br />

eigentliche Träger der Bildungsaufgabe, wobei er in diesem<br />

Zusammenhang auf das Mittelalter verweist. Reste<br />

von Standesbildung seien noch vorhanden im Offiziersstand<br />

<strong>und</strong> in einzelnen Berufen. Für die AV bedeute<br />

dies, dass sie ein Bildungsstand sei <strong>und</strong> damit Träger<br />

des Bildes eines Akademikers. Ihre Aufgabe sei die<br />

Formung der Individualität, die Schaffung einer geschlossenen<br />

Form. 101<br />

In der anschließenden Diskussion treten die Gegensätze<br />

zwischen Bohnenkamp <strong>und</strong> <strong>Reich</strong>wein immer schärfer<br />

hervor:<br />

<strong>Adolf</strong> <strong>Reich</strong>wein glaubt, dass das Bild des Einzelnen in<br />

anderem Maße durch die Gemeinschaft bestimmt werde<br />

als Hannes Bohnenkamp es wahr haben wolle. �Der einzelne<br />

strebt, sich in der Gemeinschaft zu objektivieren.<br />

Darum kann ihm nur an der Gemeinschaft <strong>und</strong> aus <strong>ihr</strong><br />

heraus sein eigenes Bild erwachsen. <strong>Die</strong>se Gemeinschaft<br />

ist nicht ein Stand <strong>und</strong> nicht der Staat, sondern<br />

das Volk. Weil aber unser Volk sich in einer besonderen<br />

real-politischen Lage befindet <strong>und</strong> in seiner Entwicklung<br />

durch das politische Geschehen bestimmt wird, muß<br />

auch die Frage nach unserer bildungspolitischen Aufgabe<br />

von der gegenwärtigen politischen Situation ausgehen.<br />

Nur von da her ist eine Antwort auf die Frage nach<br />

dem Inhalt unseres Wollens zu gewinnen. Eine inhaltliche<br />

Bestimmung aber ist unbedingt nötig." 102<br />

Bohnenkamp entgegnet: �<strong>Die</strong>ses Inhaltliche ist ein Absolutes:<br />

Wissenschaft; für mich speziell Mathematik�.<br />

<strong>Reich</strong>wein erwidert: �<strong>Die</strong>ses Absolute erfasse ich als<br />

wertvoll nur in seiner Objektivation. Es gewinnt Wissenschaft,<br />

Mathematik, erst dann <strong>ihr</strong>en Wert, wenn sie sich<br />

umsetzt in Häuser, Maschinen, Gegenwart, Wirklichkeit.�<br />

Bohnenkamp aber meint, dass �das Erlebnis einer mathematischen<br />

Wahrheit in <strong>ihr</strong>er Absolutheit [...] mächtiger�<br />

sei �als der Bau einer Maschine�. Dem hält <strong>Reich</strong>wein<br />

wiederum entgegen: �Wir wollen jungen Menschen<br />

nicht Erlebnisse vermitteln, sondern sie erziehen, notwendige<br />

Werke zu schaffen.� Darauf Bohnenkamp: �Bildung<br />

hat mit praktischem Schaffen nichts zu tun.� 103 Der<br />

Alt-AVer Georg Müller bemerkt dazu: �<strong>Die</strong> junge A.V. will<br />

aber wissen, was sollen wir tun, <strong>und</strong> wir haben es als<br />

Tatsache anzuerkennen, daß sie die Antwort darauf<br />

nicht vom Absoluten her findet�. Ein junger A.Ver meldet<br />

sich schließlich zu Wort: �Ich finde es langweilig, immer<br />

nur über formale Dinge zu reden". � Darauf beschließt<br />

man, am Nachmittag in der Aussprache über die realpolitischen<br />

Verhältnisse, die durch Hans<br />

101 Ebd., S. 3f.<br />

102 Ebd., S. 4.<br />

103 Ebd. <strong>Die</strong>se Gr<strong>und</strong>position �Wissenschaft als Selbstzweck�<br />

vertritt Bohnenkamp, inzwischen Studienrat in Unna, auch in<br />

seinem Beitrag: Wissenschaft <strong>und</strong> Pädagogik. In: Ockershäuser<br />

Blätter, Nr. 23/April 1926, S. 1f.

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