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Die Deutschen und ihr Drittes Reich... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 10 / Oktober 2007<br />

für Preisbildung, in der er nicht weiter befördert wird, da<br />

er nicht gewillt ist, in die NSDAP einzutreten, auch wenn<br />

er, vermutlich mit Blick auf den Versailler Vertrag, dieser<br />

zeitweise seine Stimme gab. Am 30. Januar 1933 beobachtet<br />

das Ehepaar gemeinsam den Fackelzug in der<br />

Wilhelmstraße <strong>und</strong> fühlt sich vom Massenerlebnis abgestoßen,<br />

ein nicht nur ästhetischer Dissenz. �Etwa nach<br />

dem Röhmputsch 1934 fing Peter an, nach Menschen<br />

zu suchen, die ihm geistig <strong>und</strong> politisch verwandt schie-<br />

nen.� 34 Vor dieser Zeit wurde über Tagespolitik nicht<br />

miteinander gesprochen. Aber die zentralistische Politik,<br />

die zunehmende Rechtlosigkeit <strong>und</strong> schließlich die über<br />

die Rassengesetzgebung hinausgehenden Verfolgungsmaßnahmen<br />

führen zu dem endgültigen Bruch.<br />

Für beide Ehepartner gilt die Feststellung unter dem<br />

Eindruck der Pogrome, die sich in der sogenannten<br />

<strong>Reich</strong>skristallnacht ereigneten: �Worunter wir am meisten<br />

litten, war die Unmöglichkeit, unserer Meinung Ausdruck<br />

zu geben. Man konnte nichts tun. Man war vor<br />

dem Terror ohnmächtig. So blieb nur dieses Suchen<br />

nach Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Gleichgesinnten <strong>und</strong> Sich-<br />

Abstimmen übrig; jedenfalls vorerst.� 35<br />

Seit 1938 finden in <strong>ihr</strong>em Reihenhaus in der Lichterfelder<br />

Hortensienstraße 50 regelmäßig Gespräche mit resistenten<br />

Fre<strong>und</strong>en statt. Ab 1940 verstärkt sich die Bindung<br />

zu Helmuth Graf Moltke. <strong>Die</strong> Kontakte der um Yorck<br />

<strong>und</strong> Moltke entstandenen Gruppen führen zu den<br />

drei Kreisauer Treffen Pfingsten 1942 bis Pfingsten<br />

1943. Aber die Hortensienstraße bleibt zentraler Berliner<br />

Treffpunkt 36 <strong>und</strong> Ort der Kontaktaufnahme mit anderen<br />

Widerstandsgruppen wohl deswegen, weil Eugen Gerstenmaier<br />

wie auch im Frühjahr 1943 Helmuth Graf Moltke<br />

in das Haus einziehen. Dem Freislerschen Begriff der<br />

�Grafenclique� setzt Gräfin Yorck im Nachhinein entgegen,<br />

�daß jeder der Grafen mit einer Bürgerlichen verhei-<br />

ratet war� 37 , ein sozialer Tatbestand, dem sie durchaus<br />

einen gewissen Anteil an der Charakterstärke der Männer<br />

beimisst.<br />

Auch wenn die Einbindung der Frauen in diesem Kreis<br />

sich im Einzelnen unterschiedlich darstellt, gewinnen sie<br />

alle <strong>ihr</strong>e Bedeutung durch den Rückhalt, den sie <strong>ihr</strong>en<br />

Ehemännern zu geben vermögen. �Ich habe überhaupt<br />

das Gefühl, daß Peter <strong>und</strong> Helmuth <strong>und</strong> Adam Trott <strong>und</strong><br />

erst recht Hans Haeften <strong>und</strong> all die andern alles, was sie<br />

getan haben, nicht ohne <strong>ihr</strong>e Frauen hätten tun können.<br />

Sie waren doch alle von der Liebe <strong>und</strong> der Gemeinsam-<br />

34 Ebd., S. 40<br />

35 Ebd., S. 57<br />

36 ��Treffpunkt <strong>und</strong> Mittelpunkt für uns Kreisauer mehr als Kreisau<br />

selbst� (vgl. Gerstenmaier, Eugen: Streit <strong>und</strong> Friede sucht<br />

seine Zeit. Frankfurt a.M. 1981, S. 179)<br />

37 Meding, Dorothee v.: Mit dem Mut des Herzens. <strong>Die</strong> Frauen<br />

des 20. Juli, Berlin 1992, S. 200<br />

20<br />

keit abhängig. Und von der Versorgung!� 38 Gräfin Yorck<br />

selbst nahm an den Kreisauer Tagungen wie den meisten<br />

Berliner Gesprächen teil, in denen sie nach eigener<br />

Einschätzung keine sichtbare Rolle, aber doch eine �aktive<br />

Mithörerrolle� gespielt habe. �Ich hörte mir alles an,<br />

stellte bisweilen eine Frage <strong>und</strong> habe abends im Gespräch<br />

mit meinem Mann das eine oder andere nochmals<br />

aufgegriffen. Durch Anregungen, auch unsere<br />

Zweifel, habe ich wahrscheinlich das eine oder andere<br />

beigetragen.� 39 Insbesondere aber war sie eine Eingeweihte,<br />

die nicht nur die gleiche ethische Sichtweise hatte,<br />

sondern auch das sich aus der Mitarbeit ergebende<br />

Risiko mittrug. �Peter hat nie etwas vor mir verheimlicht.<br />

��] Er sagte mir eigentlich alles.� 40 Widerstand war für<br />

sie aber �in erster Linie Teil der Beziehung zu meinem<br />

Mann.� 41 <strong>Die</strong> tragende Rolle, die die Frauen im �Netz-<br />

werk von Vertrauen <strong>und</strong> materieller Hilfe� 42 gespielt haben,<br />

kann nicht überschätzt werden.<br />

Angst habe sie trotz allem nicht gehabt, abgesehen von<br />

den Hausdurchsuchungen durch die Gestapo, die nach<br />

der Verhaftung Graf Moltkes im Januar 1944 stattfanden.<br />

�Sie kamen oft ganz unvermittelt <strong>und</strong> gingen an das<br />

Bücherregal, <strong>und</strong> ich hatte immer Sorge, daß aus den<br />

Büchern irgendwelche [verräterische] Zettel herausfie-<br />

len.� 43 Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler am<br />

20. Juli 1944 <strong>und</strong> der Verhaftung <strong>ihr</strong>es Mannes wird das<br />

Haus in der Hortensienstraße von der Gestapo beschlagnahmt<br />

<strong>und</strong> später auch genutzt. Gräfin Yorck hatte<br />

sich von <strong>ihr</strong>em Mann am Tag zuvor verabschiedet <strong>und</strong><br />

sich nach Kauern, dann nach Klein-Oels begeben. Von<br />

dort wie von Berlin aus versucht sie vergeblich, die Erlaubnis<br />

zu erlangen, ihn besuchen zu dürfen. Es gelingt<br />

<strong>ihr</strong> nur, den Schauprozeß vor dem Volksgerichtshof, der<br />

in dem <strong>ihr</strong> bekannten Kammergerichtsgebäude stattfindet,<br />

zu verfolgen . Der Wachtmeister gewährt <strong>ihr</strong> während<br />

der zwei Tage Zugang zu seinem Raum, so daß sie<br />

die Verhandlung mithören kann. �Nachdem am 8. Au-<br />

38 Yorck v. Wartenburg, Marion Gräfin: <strong>Die</strong> Stärke der Stille.<br />

Köln 1984, S. 65; Eugen Gerstenmaier formuliert es ähnlich:<br />

�Ohne unsere Frauen <strong>und</strong> <strong>ihr</strong>en Beistand wäre aus den Kreisauern<br />

schwerlich das geworden, was sie bis in den Tod waren<br />

<strong>und</strong> blieben: treuverbrüderte Gefährten.� (Vgl. Gerstenmaier,<br />

Eugen: Streit <strong>und</strong> Friede sucht seine Zeit. Frankfurt a.M. 1981,<br />

S. 187)<br />

39 Meding, Dorothee v.: Mit dem Mut des Herzens. <strong>Die</strong> Frauen<br />

des 20. Juli, Berlin 1992, S. 202<br />

40 Yorck v. Wartenburg, Marion Gräfin: <strong>Die</strong> Stärke der Stille.<br />

Köln 1984, S. 64<br />

41 Meding, Dorothee v.: Mit dem Mut des Herzens. <strong>Die</strong> Frauen<br />

des 20. Juli, Berlin 1992, S. 202<br />

42 Wickert, Christl: Frauen zwischen Dissenz <strong>und</strong> Widerstand,<br />

in: Benz, Wolfgang u. Walter H. Pehle: Lexikon des deutschen<br />

Widerstandes. Frankfurt a.M. 1994, S. 141�156, hier S. 144<br />

43 Yorck v. Wartenburg, Marion Gräfin: <strong>Die</strong> Stärke der Stille.<br />

Köln 1984, S. 68

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