SIEGER UND BESIEGTE?31so einfach und durch so zahlreiche Tatsachen gestützt zu sein, daß man sie unbesehenangenommen hat" (Hirt 1940, 173).Wir sehen, dass der für O. Schrader feststehende Grundsatz eines Hirtentumsder Idg. als "eines der sichersten Ergebnisse der vereinigten linguistischen undhistorischen Forschung" nur vor dem Hintergrund der Ende des 19. Jh.s bestehendenUnsicherheit über die Aufeinanderfolge der Wirtschaftsstufen zu verstehenist. H. Hirt hatte Thesen wie diejenige über das <strong>Nomaden</strong>tum der Idg. bereits1902/1903 (vgl. Hirt 1940, 221) in den Bereich der apodiktischen Behauptungenverwiesen.Auch Ed. Hahn (1927, 547) sah sich hinsichtlich des <strong>Nomaden</strong>topos zu folgenderKlarstellung genötigt: "Noch das vergangene Geschlecht fand sich einfach mitder Aufstellung eines <strong>Nomaden</strong>tums, d. h. eines völlig oder zum überwiegendenTeile auf eine Hirtenwirtschaft gegründeten Zustands der ältesten Menschheit ab"(Hahn 1927, 548). Er meinte abschließend: "Aber an eine durch ihre Hirtenwirtschaftan sich auf das Wandern angewiesene Bevölkerung auf dem Boden Europasglauben wir nicht mehr". Hier irrte Hahn. Die schon längst totgeglaubte Hypothesewird noch heute in immer neuen Varianten vorgetragen.Sieger und Besiegte?Ein Element in der Bewertung der Urheimat der Idg., in dem die Unterscheidungzwischen aktiven und passiven Völkern, vorausbestimmten Siegern und unterworfenenBevölkerungsgruppen besonders deutlich zum Vorschein kommt, finden wirbei M. Much (1902, 221) in dem Kapitel "Das Pferd": "Passive, nur empfangendeVölker bedürfen des Pferdes nicht; der Ochse, der den Pflug und den Karren zieht,genügt dem Bedürfnisse; aktiven, d.i. handelnd und erobernd auftretenden Völkern,verleiht das Ross, das den Streiter trägt oder mit dem Kriegswagen zwischendie Kämpfenden fährt, gegenüber jenen, die es entbehren, ein unausgleichbaresÜbermass von Kraft und einen nicht einzuholenden Vorsprung. Es darf daher beider Beurteilung der Kultur und der Fähigkeit der Bewohner der westbaltischenLänder zum Auftreten als Eroberer und Herrscher nicht übersehen werden, dasssie in allen vorgeschichtlichen Zeitaltern im Besitz des gezähmten Rosses sind".Mitteilungen des <strong>SFB</strong> <strong>586</strong> „Differenz und Integration“ 3
32ZUR FORSCHUNGSGESCHICHTEFür Generationen von Forschern war es ganz selbstverständlich, in den Kategorienvon Siegern und Besiegten, Herren und Knechten, Ober- und Unterschichten,unterschichteten und überschichteten Völkern und Kulturen zu denken. AndereErklärungsmöglichkeiten wurden gar nicht erst erwogen. Die <strong>Nomaden</strong>hypothesezur Deutung der Indogermanisierung Europas ist nur ein Relikt derartigerAuffassungen. Es ist erstaunlich, dass erst J. C. Kerns (1988) auf den rassistischenKern der Wahle-Güntert-Gimbutas-Konzeption hingewiesen hat.Überblicken wir die oben angeführten Argumente für die Hypothese der östlichenEinwanderung der Idg., fällt Folgendes auf: Häufig wurde ganz unbefangenvon kulturellen Zuständen bei den schriftlich bezeugten Germanen oder von denbronzezeitlichen Kulturzuständen Nordeuropas direkt auf die Zeit der "indogermanischenUrheimat", die Zeit vor der "Völkertrennung" geschlossen. Das gingnatürlich auf die seinerzeit übliche "kurze Chronologie" zurück, bei der man sichden Abstand zwischen der Bronzezeit (man datierte ihren Beginn in Europa um1700 v. Chr.) und dem Zeitpunkt einer "Aufspaltung" der Uridg. in der "Keimzelle"in kleinere Einheiten (in die idg. Einzeldialekte) als relativ klein vorstellte.Heute wissen wir, dass seit dem Beginn des Neolithikums in Europa, davon alleinvom Beginn der Linienbandkeramik (5600 v. Chr.) in Mitteleuropa bis zum Anfangder Bronzezeit in Europa nördlich der Alpen (2300 v. Chr.) Jahrtausendevergangen sind, in denen die Entwicklung auf ökonomischem und technologischemGebiet, in der Sozialstruktur usw. keineswegs stagnierte. Für Mitteleuropaliegen inzwischen ausgewogene Darstellungen der Entwicklung der landwirtschaftlichenKenntnisse bzw. der ökonomischen Grundlagen vor (Lüning, Jockenhövelu. a. 1997; Lüning 2000; Kruk, Milisauskas 1999).Dass es außer dem <strong>Invasion</strong>skonzept noch andere Möglichkeiten einer Deutungdes Idg.-Problems geben könnte, wollte man lange nicht wahrhaben. O. Schrader(1907, 477) hatte bereits auf einen anderen Weg hingewiesen: "Wir haben...gesehen, daß die <strong>Indogermanen</strong> in erster Linie Viehzüchter gewesen sind, derenTapferkeit und Eroberungslust zu allen Zeiten die Brust geschwellt haben. Könntedie europäische Urbevölkerung nicht den friedlichen Ackerbau fleißiger betriebenhaben?“ (Schrader 1907, 477).Wie w. o. ausgeführt, hatte O. Schrader in Verbindung mit der Nordpol-Hypothesevon G. Biedenkapp gefordert, dass man bei allen Erklärungen die historischenDaseinsbedingungen der Völker zu berücksichtigen habe. In Anwendungauf die Wahle-Güntert-Gimbutas-Konzeption muss also die Frage lauten, ob siewww.nomadsed.de/publications.html
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LITERATUR129- Id. 1970: Ur- und Fr
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Abb. 1: So stellte man sich einen s
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Abb. 8: Scheibenrad von Kideris, D
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Abb. 22: Verbreitung der Kugelampho
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