DEUTUNG DES WORTFELDES "PFERD" IN DER INDOGERMANISTIK37den Bauerntums einem historischen Überschichtungsprozess von Pflanzern durchkriegerische Hirtennomaden zu.Der hohe Stellenwert, der dem <strong>Nomaden</strong>tum und damit auch dem Pferd in derKulturgeschichte zugeschrieben wurde, kann andererseits auch als eine Folge derheute längst überwundenen Dreistufentheorie der Entwicklung der Menschheit –vom Jäger zum <strong>Nomaden</strong> und erst dann zum Ackerbauern – gesehen werden. Siewurde von F. List in die Nationalökonomie als Axiom eingeführt (Smolla 1964).Diese Hintergründe sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten.Deutung des Wortfeldes "Pferd" in der IndogermanistikAnschließend einige Worte zur Interpretation des ältesten idg. Pferdewortes. V.Hehn (vgl. Schrader 1906, 35) hatte den Namen des Pferdes als "das Schnelle"gedeutet. "Die Domestikation dieses Tieres liegt in der Sprache nicht einmal angedeutet".O. Schrader (1906, 34) hielt es nicht für ausgeschlossen, "daß die Gleichungfür die indog. Urzeit eben nur das wilde Pferd bezeichnet haben kann".Auch H. Hirt meinte im Jahre 1907 (Hirt 1940, 201), "aber dieses Wort sagt nichtsdarüber aus, ob das Tier gezähmt war oder nicht und wie es verwendet wurde, unddies zeigt recht deutlich das wenig Ausgiebige der sprachlichen Ermittlungen... sokonnte es nur Fleischtier sein". W. Meid (1989, 14) muss eingestehen: das Wortgibt "keinerlei Auskunft, ob es sich bei dem so Benannten um das Wildpferd oderdas gezähmte Pferd handelt, ob der Ausdruck für das Wildpferd auf das gezähmtePferd überging oder ob das Wort neu gebildet wurde, eben für das gezähmtePferd". J. Untermann (1985, 153) argumentiert: "Das Wort * ekuos beweist nur,daß es in voreinzelsprachlicher Zeit ein Tier gab, das man so benennen konnte unddas seitdem bekannt blieb und seinen Namen behielt; es beweist nicht, daß die'<strong>Indogermanen</strong>' das domestizierte Tier gekannt oder gar besessen haben, und sosind alle Versuche eitel, mit dem Pferd die <strong>Indogermanen</strong> in den Bodenfunden ausvorgeschichtlicher Zeit wiederfinden zu wollen" (vgl. auch Hamp 1990). B.Schlerath (1992b, 138) folgert, "daß man aus dem Wort für das Pferd nichts überseine Zähmung schließen kann". "Es ist also von der Sprache her gar nicht auszuschließen,daß das Pferd bei den <strong>Indogermanen</strong> reines Fleischtier war" (Jankuhn1969, 270). Zur Diskussion des rekonstruierten idg. Pferdewortes vgl. P. Raulwing(1994a, b; 1995; 2000, 102 ff.; Meier-Brügger 2000, 50 ff.). AllerdingsMitteilungen des <strong>SFB</strong> <strong>586</strong> „Differenz und Integration“ 3
38ZUR FORSCHUNGSGESCHICHTEspricht nichts für die Ansicht von B. Forssman (vgl. Meier Brügger 2000, 61),dass innerhalb einer von manchen Indogermanisten rekonstruierten "Urkultur derIdg." das Pferd bereits einen Streitwagen gezogen hätte, da der Streitwagen erstAnfang des 2. Jahrt.s v. Chr. anscheinend in Kleinasien und ohne Mitwirkung vonIdg. sprechenden Bevölkerungsgruppen entwickelt wurde (vgl. w. u.).Neuere Untersuchungen (Untermann 1985; Schlerath 1981; 1987) haben gezeigt,wie riskant es ist, von der Existenz eines rekonstruierten idg. Wortes auchauf den Besitz oder die Kenntnis dieses Gegenstandes oder Begriffs bei den "Idg."zu schließen. Gegen die Einengung einer hypothetischen "Urheimat" (Keimzelle)der Idg. in einem von (archäologisch nicht nachgewiesenen) <strong>Nomaden</strong> besiedeltenSteppenareal zwischen Ural und Dnepr spricht auch der sprachwissenschaftlicheBefund: Alles, was sich auf das Indogermanische an Wörtern für Haus, Dorf,Acker, Wald, Unwegsamkeit, Fremde erschließen lässt, "paßt nicht recht zu einerallseits offenen Steppenlandschaft mit ungehindert umherschweifenden <strong>Nomaden</strong>scharen"(Untermann 1985, 161) (zur "Urkultur der Idg." vgl. Anhang 1).Fassen wir die bisherigen Ausführungen zusammen, so wird deutlich, woraufdie <strong>Nomaden</strong>hypothese bei der Lösung der Idg.-Frage beruht. Ein uraltes, auf einerAuslegung der Bibel beruhendes Dogma, Vorderasien sei die Urheimat derMenschheit gewesen (vgl. Much 1902; Hirt 1905, 176 ff.) – man hatte sich die Idg.als Nachfahren des Japhet vorgestellt –, wurde erst von einem hebräischen Mythos,seit dem 17. Jh. von einer Skythenfaszination, dann von einer Sanskritfaszinationabgelöst (Schrader 1906; Mayrhofer 1983; Muller 1986). Diese uraltenVorstellungen haben sich später mit der Überlagerungstheorie des Ibn Chaldun,der Dreistufentheorie über die Abfolge der Wirtschaftsstufen sowie der Lehre derWiener Schule der Kulturkreislehre zu einem schwer entwirrbaren Knäuel verwobenund werden seitdem als Topos weitergetragen. Für seine Propagierung sindeher irrationale Gründe, nationale Empfindlichkeiten und ideologisch motivierteGedankengänge maßgeblich als eine streng wissenschaftliche Beweisführung.Die Rolle von Pferd und Wagen in der Diskussion überöstliche Eroberer und <strong>Nomaden</strong>Hier spielen die Fragen der ursprünglichen Domestikation des Pferdes sowie derErfindung und Verbreitung des Wagens eine wichtige Rolle. Zu diesem Themawww.nomadsed.de/publications.html
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