Missbrauch! Wie geht es mit der Kirche weiter? - Burgenland Express
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06 Top Thema<br />
Kommentar<br />
Quo vadis <strong>Kirche</strong>?<br />
von<br />
Markus<br />
Koller<br />
Eigentlich waren wir schon<br />
mal an di<strong>es</strong>em Punkt. Vor<br />
15 Jahren kam <strong>der</strong> Fall Groer<br />
an die Öffentlichkeit. Die<br />
Installation von <strong>Kirche</strong>nombudsmännern<br />
und ein<br />
Volksbegehren <strong>mit</strong> 500.000<br />
Unterschriften waren die<br />
Folge. Und trotzdem stehen<br />
wir heute wie<strong>der</strong> vor<br />
einer unglaublichen Anzahl<br />
von <strong>Missbrauch</strong>sfällen. Der<br />
Zölibat allein kann und darf<br />
dafür keine Ausrede sein,<br />
obwohl er natürlich durchaus<br />
zu hinterfragen ist.<br />
Warum kommt die <strong>Kirche</strong><br />
nicht zur Ruhe? <strong>Wie</strong> kann<br />
<strong>es</strong> sein, dass immer wie<strong>der</strong><br />
neue <strong>Missbrauch</strong>svorwürfe<br />
auftauchen? Viele di<strong>es</strong>er<br />
Übergriffe liegen mehr als<br />
20, 30 Jahre zurück. Und <strong>es</strong><br />
ist für die Opfer gewiss kein<br />
einfacher Schritt, sich nach<br />
so langer Zeit an die Öffentlichkeit<br />
zu wagen. Doch die<br />
Zeiten und die G<strong>es</strong>ellschaft<br />
haben sich geän<strong>der</strong>t. Hätte<br />
man früher noch <strong>mit</strong> Verachtung<br />
und Unverständnis<br />
reagiert, so werden die<br />
Opfer heute ernstgenommen,<br />
auch wenn die <strong>Missbrauch</strong>sfälle<br />
strafrechtlich<br />
meist längst verjährt sind.<br />
Der Wi<strong>der</strong>spruch zwischen<br />
gelebter und gepredigter<br />
Moral ist in den letzten Wochen<br />
sehr evident geworden.<br />
Für die römisch-katholische<br />
<strong>Kirche</strong> werden die nächsten<br />
Wochen und Monate daher<br />
entscheidend sein.<br />
<strong>Missbrauch</strong> an Kin<strong>der</strong>n ist<br />
kein Kavaliersdelikt son<strong>der</strong>n<br />
ein schwer<strong>es</strong> Verbrechen.<br />
Nun ist die <strong>Kirche</strong> gefor<strong>der</strong>t<br />
di<strong>es</strong>e Verbrechen ohne Wenn<br />
und Aber aufzuklären. Nur<br />
so kann sie ihre Glaubwürdigkeit<br />
zurückgewinnen.<br />
m.koller@burgenlandexpr<strong>es</strong>s.at<br />
Foto: © Margot K<strong>es</strong>sler / PIXELIO<br />
von Manfred Vasik<br />
Die ganze Sache ist nicht neu,<br />
dafür umso unerträglicher. Kind<strong>es</strong>missbrauch<br />
in <strong>der</strong> <strong>Kirche</strong><br />
ist kein Einzelfall, auch nicht<br />
im <strong>Burgenland</strong>. Bischöfe die<br />
wegschauen (o<strong>der</strong> zumind<strong>es</strong>t<br />
wegg<strong>es</strong>chaut haben) scheinbar<br />
auch nicht. Für viele, denen die<br />
<strong>Kirche</strong> den nötigen Halt im Leben<br />
gibt, war und ist das dennoch<br />
unvorstellbar.<br />
Warum?<br />
Sind <strong>es</strong> die hierarchischen<br />
Strukturen <strong>der</strong> (katholischen)<br />
<strong>Kirche</strong>, o<strong>der</strong> ist <strong>es</strong> vielleicht<br />
<strong>der</strong> Pflichtzölibat? Was treibt<br />
einige Pri<strong>es</strong>ter dazu, Kin<strong>der</strong><br />
zu missbrauchen? Tatsache<br />
ist, dass <strong>der</strong> Zölibat für viele<br />
Geistliche ein nicht lebbar<strong>es</strong><br />
Gebot darstellt. Angeborene<br />
Triebe wegzuleugnen ist eben<br />
nur schwer möglich. Schlimm<br />
wird <strong>es</strong> aber dann, wenn sich<br />
Menschen für das Pri<strong>es</strong>teramt<br />
entscheiden, die <strong>mit</strong> ihren<br />
krankhaften sexuellen Neigungen<br />
nicht fertig werden.<br />
Noch schlimmer, wenn jahrzehntelang<br />
über Verbrechen<br />
das Siegel <strong>der</strong> Verschwiegenheit<br />
g<strong>es</strong>tülpt wird. Verleugnung<br />
<strong>der</strong> Problematik seitens<br />
<strong>der</strong> <strong>Kirche</strong> und <strong>der</strong> Zölibat als<br />
Deckmantel machten di<strong>es</strong>e<br />
offensichtlich ri<strong>es</strong>ige Zahl an<br />
<strong>Missbrauch</strong>sfällen erst möglich.<br />
Die Darstellung <strong>der</strong> „perfekten“<br />
<strong>Kirche</strong> nach außen<br />
und die innerkirchlich extrem<br />
strenge Sexualmoral trugen<br />
ebenso dazu bei.<br />
Vertuschungen<br />
Viele von uns erinnern sich<br />
noch an den „Fall Groër“. Vor<br />
fast genau 15 Jahren wurde<br />
dem damaligen <strong>Wie</strong>ner Erzbischof<br />
von einem ehemaligen<br />
Schüler sexueller <strong>Missbrauch</strong><br />
von Jugendlichen vorgeworfen.<br />
Nachdem mehrere Bischöfe<br />
die Vorwürfe als „im W<strong>es</strong>entlichen<br />
zutreffend“ bezeichnet<br />
hatten, bat Groër unter di<strong>es</strong>em<br />
Druck um Vergebung „wenn<br />
ich Schuld auf mich geladen<br />
<strong>Burgenland</strong> Expr<strong>es</strong>s ▪ Nr. 06, 25. März 2010<br />
Wohin <strong>geht</strong> di<br />
THEMA. Kaum ein Tag ver<strong>geht</strong>, ohne dass neue Fälle von Kind<strong>es</strong>missbrauch in<br />
<strong>der</strong> katholischen <strong>Kirche</strong> bekannt werden. Jetzt sind Konsequenzen unumgänglich.<br />
habe“. Schließlich zog er sich<br />
im Herbst 1998 nach Marienfeld<br />
zurück, wo er 2003 verstarb.<br />
Von 1995 bis heute wäre<br />
für die <strong>Kirche</strong> Zeit gew<strong>es</strong>en, ihr<br />
Umgehen <strong>mit</strong> di<strong>es</strong>en Verbrechen<br />
zu überdenken. Entschuldigungen<br />
und die Bitte um<br />
Vergebung sind zwar wichtig<br />
und selbstverständlich, reichen<br />
aber niemals aus. Schließlich<br />
leiden die betroffenen Kin<strong>der</strong><br />
meist ihr ganz<strong>es</strong> Leben unter<br />
den schweren psychischen<br />
Folgen. Dass so lange einfach<br />
wegg<strong>es</strong>chaut wurde, ist <strong>der</strong> eigentliche<br />
Skandal. Versetzungen<br />
von Schwerverbrechern in<br />
an<strong>der</strong>e Pfarrgemeinden (und zu<br />
neuen Opfern) waren durchaus<br />
üblich. Stellen wir uns das im<br />
außerkirchlichen Leben vor:<br />
Der Vergewaltiger ein<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong><br />
wird zur „Strafe“ nicht<br />
eing<strong>es</strong>perrt, son<strong>der</strong>n ihm wird<br />
eine Wohnung in einer an<strong>der</strong>en<br />
Stadt angeboten. Ein einzigartiger<br />
Skandal wäre <strong>mit</strong> großer<br />
Wahrscheinlichkeit die Folge.