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Quantenmechanik II - Theorie der kondensierten Materie - Carl von ...

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Skript zur<br />

<strong>Quantenmechanik</strong> <strong>II</strong><br />

umgesetzt <strong>von</strong> Jan Behrends<br />

Sebastian Meier<br />

Stefan Trotzky<br />

Prof. Dr. Martin Holthaus


Für Bernd.<br />

Das Skript entstand im Laufe <strong>der</strong> Vorlesung ” <strong>Quantenmechanik</strong> <strong>II</strong>“ an <strong>der</strong><br />

<strong>Carl</strong> <strong>von</strong> Ossietzky Universität Oldenburg im Sommersemester 03<br />

aus dem Manuskript des Dozenten und studentischen Vorlesungsmitschriften.<br />

Die Urheberrechte liegen bei dem Dozenten.<br />

0. korrigierte Auflage


INHALTSVERZEICHNIS 3<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

I Spin und Drehimpulsaddition 5<br />

I.1 Spin 1/2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

I.2 Die Pauli-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

I.2.1 Vom Spin erzeugte magnetische Momente . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

I.2.2 Der Zeeman-Effekt am Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

I.2.3 Die Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

I.2.4 Die Pauli-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

I.3 Spinpräzession und Spinresonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

I.4 Das Stern-Gerlach-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

I.5.1 Addition <strong>von</strong> zwei beliebigen Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . 30<br />

I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition . . . . . . . . . . . . . 34<br />

I.6.1 Addition eines Spin 1<br />

2<br />

und eines Bahndrehimpulses l . . . . . . . . . 34<br />

I.6.2 Energieaufspaltung durch die Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . 37<br />

I.6.3 Streuung eines Pions an einem Proton . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

I.6.4 Addition <strong>von</strong> drei Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

I.7 Der Isospin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

<strong>II</strong> Streutheorie 47<br />

<strong>II</strong>.1 Formale Lösung <strong>der</strong> zeitunabh. Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . 47<br />

<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

<strong>II</strong>.3 Bornsche Reihe und Bornsche Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

<strong>II</strong>I Wechselwirkung <strong>von</strong> Strahlung mit <strong>Materie</strong> 72<br />

<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld . . . . . . . . . . . . 72<br />

<strong>II</strong>I.2 Absorption <strong>von</strong> Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

<strong>II</strong>I.3 Heuristische Quantisierung des Strahlungsfeldes . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

<strong>II</strong>I.4 Kanonische Quantisierung in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung . . . . . . . . . . . . . 88<br />

<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105


I Spin und Drehimpulsaddition<br />

I.1 Spin 1/2<br />

Viele Elementarteilchen, wie das Elektron, Proton und das Neutron, besitzen einen in-<br />

”<br />

neren“ Drehimpuls: Bei einer Messung <strong>der</strong> Komponente dieses Drehimpulses in Richtung<br />

irgendeiner vorgegebenen ( Quantisierungs“-) Achse findet man nur entwe<strong>der</strong> den Wert<br />

”<br />

+ �<br />

� o<strong>der</strong> − 2 2 . Einen solchen Drehimpuls, <strong>der</strong> einer halbzahligen“ Drehimpulsquanten-<br />

”<br />

zahl ℓ = 1<br />

2<br />

entspricht, besitzt kein klassisches Analogon. Er kann (im Gegensatz zum<br />

Bahndrehimpuls) nicht mit einer Drehung im Anschauungsraum in Verbindung gebracht<br />

werden. Man bezeichnet ihn kurz als ” Spin 1/2“.<br />

Der Spin wird (wie je<strong>der</strong> Drehimpuls) durch einen Vektoroperator � S beschrieben, dessen<br />

3 Komponenten den Vertauschungsrelationen des Drehimpulses gehorchen:<br />

[Sk, Sl] = i� εklm Sm . (I.1.1)<br />

Die Aussage, dass die Komponente des Spins in einer gegebenen Richtung �n nur die beiden<br />

Werte ± �<br />

2 annehmen kann, bedeutet, dass <strong>der</strong> Operator � S·�n (d.h. die Projektion <strong>von</strong> � S auf<br />

�n) nur die beiden Eigenwerte ± � besitzt. Bezeichnet man die zugehörigen Eigenzustände<br />

2<br />

mit |�n ↑〉 bzw. |�n ↓〉, hat man<br />

�S · �n |�n ↑〉 = �<br />

2 |�n ↑〉 bzw. S �<br />

�<br />

· �n |�n ↓〉 = − |�n ↓〉 . (I.1.2)<br />

2<br />

Bei gegebener Richtung �n bilden die beiden Zustände |�n ↑〉 und |�n ↓〉 eine Basis im<br />

” Spinraum“, ein beliebiger Spinzustand |ψ〉 muss also als Linearkombination dieser beiden<br />

Basiszustände darstellbar sein: Die Komponente 〈�n ↑ |ψ〉 ist die Amplitude dafür,<br />

den Spin in Richtung <strong>von</strong> �n“ zu finden, 〈�n ↓ |ψ〉 die Amplitude dafür, den Spin in<br />

” ”<br />

Gegenrichtung <strong>von</strong> �n“ anzutreffen.<br />

Man verwendet meist die Basis, die aus den Eigenzuständen <strong>von</strong> Sz gebildet wird. In<br />

dieser Basis wird ein Spinzustand |ψ〉 durch den zweikomponentigen Vektor<br />

� �<br />

〈�ez ↑ |ψ〉<br />

〈�ez ↓ |ψ〉<br />

(I.1.3)<br />

dargestellt: Dem ” spin up“ - Zustand |ψ〉 = |�ez ↑〉 entspricht <strong>der</strong> Vektor ( 1 0 ), dem ” spin<br />

down“ - Zustand |�ez ↓〉 <strong>der</strong> Vektor ( 0 1 ). Der Operator Sz erhält in dieser Basis die Dar-<br />

stellung<br />

�<br />

〈�ez ↑ | Sz |�ez ↑〉<br />

�<br />

〈�ez ↑ | Sz |�ez ↓〉<br />

〈�ez ↓ | Sz |�ez ↑〉 〈�ez ↓ | Sz |�ez ↓〉<br />

= �<br />

� �<br />

1 0<br />

2 0 −1<br />

. (I.1.4)<br />

Darstellungen <strong>von</strong> Sx und Sy, die mit den Vertauschungsregeln verträglich sind, lauten<br />

dann<br />

Sx = �<br />

�<br />

0<br />

2 δ<br />

δ<br />

∗ �<br />

0<br />

bzw. Sy = �<br />

�<br />

0<br />

2 iδ<br />

−iδ<br />

∗ �<br />

,<br />

0<br />

sofern |δ| = 1. (I.1.5)<br />

5


I.1 Spin 1/2 6<br />

Zum Beispiel folgt aus [Sx, Sz] = −i� Sy sofort<br />

�<br />

〈�ez ↑ | SxSz − SzSx |�ez ↓〉 = − �<br />

�<br />

�<br />

− 〈�ez ↑ | Sx |�ez ↓〉<br />

2 2<br />

und daher 〈�ez ↑ | Sy |�ez ↓〉 = −i 〈�ez ↑ | Sx |�ez ↓〉 usw.<br />

= −i� 〈�ez ↑ | Sy |�ez ↓〉 (I.1.6)<br />

Die Phase <strong>von</strong> δ hängt <strong>von</strong> <strong>der</strong> relativen Phase <strong>der</strong> Basiszustände |�ez ↑〉 und |�ez ↓〉 ab. Es<br />

ist üblich, diese Phase so zu wählen, dass δ = 1. Dann wird <strong>der</strong> Spin durch den Operator<br />

�S = �<br />

�σ (I.1.7)<br />

2<br />

dargestellt, wobei die Komponenten des Vektoroperators �σ durch die Pauli-Spinmatri-<br />

”<br />

zen“<br />

�<br />

0<br />

σx =<br />

1<br />

�<br />

1<br />

,<br />

0<br />

�<br />

0<br />

σy =<br />

i<br />

�<br />

−i<br />

0<br />

und<br />

�<br />

1<br />

σz =<br />

0<br />

�<br />

0<br />

−1<br />

(I.1.8)<br />

gebildet werden.<br />

Diese Matrizen besitzen eine Reihe nützlicher Eigenschaften: Jede <strong>von</strong> ihnen besitzt die<br />

Eigenwerte ±1. Aus<br />

[Sk, Sl] = �2<br />

4 [σk, σl] = i� εklm Sm = i �2<br />

2 εklm σm<br />

folgt die Vertauschungsrelation<br />

(I.1.9)<br />

[σk, σl] = 2i εklmσm . (I.1.10)<br />

Direkte Rechnung zeigt sofort σxσy = iσz und σyσx = −iσz, bzw. allgemeiner<br />

σkσl = i εklm σm für k �= l . (I.1.11)<br />

Daher ” antikommutieren“ verschiedene σ-Matrizen:<br />

σkσl + σlσk = 0 für k �= l . (I.1.12)<br />

Da die Quadratur gleicher σ-Matrizen die Einheitsmatrix ergibt, σ 2 x = σ 2 y = σ 2 z = 12×2,<br />

gibt die Antivertauschungsregel<br />

σkσl + σlσk = 2 δkl . (I.1.13)<br />

Alle diese algebraischen Eigenschaften lassen sich durch<br />

σkσl = δkl + i εklm σm<br />

(I.1.14)


I.1 Spin 1/2 7<br />

zusammenfassen. Äquivalent dazu ist<br />

SkSl = �2<br />

4 δkl + i �<br />

2 εklm Sm . (I.1.15)<br />

Daraus erhält man z.B.<br />

�S 2 = SkSk = 3�2<br />

4<br />

wie erwartet.<br />

� �<br />

1 1<br />

= �2 + 1<br />

2 2<br />

, (I.1.16)<br />

Häufig wird auch folgende Relation benötigt: Sind �a und � b ” normale“ Vektoren (bzw.<br />

Vektoroperatoren, die mit dem Spin kommutieren), so gilt<br />

(�a · �σ)( � b · �σ) = akbl σkσl = akbl(δkl + i εklm σm) = �a · � b + i(�a × � b) · �σ . (I.1.17)<br />

Wie können nun die Eigenzustände <strong>von</strong> � S · �n in eine Basis bzgl. einer an<strong>der</strong>en Achse<br />

umgerechnet werden? Dazu wird zunächst angenommen, dass <strong>der</strong> Einheitsvektor �n durch<br />

Rotation eines an<strong>der</strong>en Einheitsvektors �m um eine Achse in �α-Richtung mit dem (positiven)<br />

Drehwinkel α = |�α| hervorgeht (siehe Abbildung I.1). Für infinitesimal kleine<br />

Drehwinkel gilt dann<br />

�n = �m + �α × �m . (I.1.18)<br />

�m �α × �m<br />

ϑ<br />

�α<br />

�n<br />

Abbildung I.1: Skizze zur Veranschaulichung <strong>der</strong> Drehung <strong>von</strong> �m<br />

Der Drehwinkel ergibt sich ja zu<br />

Drehwinkel = Bogenlänge<br />

Radius<br />

Also gilt auch<br />

�S · �n = � S · �m + � S · (�α × �m)<br />

= |�α| |�m| sin ϑ<br />

|�m| sin ϑ<br />

= � S · �m + εjkl αjmkSl<br />

= � 1<br />

S · �m + αjmk<br />

i� [Sj, Sk]<br />

= |�α| . (I.1.19)<br />

= � S · �m + i<br />

� [� S · �m, � S · �α] , (I.1.20)


I.1 Spin 1/2 8<br />

in erster Ordnung <strong>von</strong> |�α| ist das äquivalent zu<br />

i<br />

�S<br />

−<br />

· �n = e � � i<br />

S·�α<br />

S � · �m e � � S·�α<br />

. (I.1.21)<br />

Diese Überlegungen erinnern stark an einige Zusammenhänge, die bei <strong>der</strong> Diskussion<br />

des Bahndrehimpulses erhalten werden (siehe <strong>Quantenmechanik</strong> I, Abschnitt <strong>II</strong>I.1). Dort<br />

wurde gezeigt, dass eine infinitesimale Raumdrehung mit Hilfe eines Bahndrehimpulsoperators<br />

� L durch<br />

�r ′ = �r + i<br />

� [�α · � L, �r] (I.1.22)<br />

beschrieben wird. In erster Ordnung <strong>von</strong> |�α| ist das äquivalent zu<br />

�r ′ = e i<br />

� �α·� L �r e − i<br />

� �α·� L . (I.1.23)<br />

Diese Beziehung gilt jedoch auch für endliche (nicht infinitesimale) Drehwinkel. Der Beweis<br />

für diese Aussage beruht nur auf den Vertauschungsrelationen des Drehimpulses und<br />

kann daher sofort auf den Spin übertragen werden: Auch Gleichung I.1.21 gilt für endliche<br />

Drehwinkel. Wendet man nun beide Seiten <strong>von</strong> Gleichung I.1.21 auf den Zustand<br />

i<br />

− e � � S·�α |�m ↑〉 an, erhält man<br />

und daher<br />

i<br />

�S<br />

−<br />

· �n e � � S·�α −<br />

|�m ↑〉 = e i<br />

� � S·�α<br />

S �<br />

�<br />

· �m |�m ↑〉 =<br />

2<br />

e− i<br />

� � S·�α |�m ↑〉 (I.1.24)<br />

i<br />

−<br />

e � � S·�α<br />

|�m ↑〉 = |�n ↑〉. (I.1.25)<br />

i<br />

− Der unitäre Operator e � � S·�α hat die Eigenschaft, Eigenzustände <strong>von</strong> S·�m � in Eigenzustände<br />

<strong>von</strong> � S · �n zu überführen, sofern �n durch �α-Drehung aus �m hervorgeht. Damit wirkt dieser<br />

i<br />

− Operator auf den Spinfreiheitsgraden ganz analog wie <strong>der</strong> Drehoperator e � � L·�α auf den<br />

räumlichen Freiheitsgraden. Die Fähigkeit des Spinoperators, Drehungen im Spinraum“<br />

”<br />

zu erzeugen, ist eine direkte Konsequenz <strong>der</strong> Vertauschungsregeln. Nun ist<br />

i<br />

−<br />

e � � S·�α −i �σ·<br />

= e �α<br />

2 (I.1.26)<br />

und<br />

�<br />

�σ · �α<br />

�<br />

=<br />

2<br />

�α �α<br />

·<br />

2 2 =<br />

so dass<br />

�α<br />

−i �σ·<br />

e 2 =<br />

∞�<br />

n=0<br />

= �<br />

n gerade<br />

�<br />

α<br />

�2 2<br />

� �<br />

�α n<br />

−i �σ · 2<br />

n!<br />

� �<br />

α n<br />

−i 2<br />

n!<br />

, (I.1.27)<br />

+ �<br />

n ungerade<br />

� �<br />

α n<br />

−i 2 �σ · �nα<br />

n!<br />

= cos α<br />

2 · 12×2 − i �σ · �nα sin α<br />

, (I.1.28)<br />

2


I.1 Spin 1/2 9<br />

wobei �nα den Einheitsvektor in �α-Richtung bezeichnet. Ist also �α <strong>der</strong> Drehvektor, <strong>der</strong> �ez<br />

in �n überführt, dann besitzt |�n ↑〉 gemäß<br />

�α<br />

−i �σ·<br />

|�n ↑〉 = e 2 |�ez ↑〉 (I.1.29)<br />

im z-System“ die Darstellung<br />

”<br />

� �<br />

�α<br />

−i �σ· 1<br />

�<br />

e 2 = cos<br />

0<br />

α<br />

2 − i �σ · �nα sin α<br />

�<br />

2<br />

� �<br />

1<br />

0<br />

� �<br />

α αz α<br />

cos − i sin<br />

= � 2 α � 2<br />

αx αy α , (I.1.30)<br />

−i + sin α α 2<br />

wobei natürlich �α =<br />

� � αx<br />

αy und α = (α<br />

αz<br />

2 x + α2 y + α2 z) 1<br />

2 .<br />

An<strong>der</strong>s ausgedrückt: Ist ein Spin entlang <strong>der</strong> �n-Achse polarisiert und �α <strong>der</strong> Drehvektor,<br />

<strong>der</strong> �ez in �n überführt, dann erhält man bei Messung des Spins in z-Richtung mit <strong>der</strong><br />

Wahrscheinlichkeit<br />

P↑ =<br />

�<br />

�<br />

�cos α αz<br />

− i<br />

2 α<br />

α<br />

�<br />

�<br />

sin<br />

2<br />

das Resultat up“, bzw. mit<br />

”<br />

��<br />

�<br />

P↓ = � −i αx<br />

�<br />

αy<br />

+ sin<br />

α α<br />

α<br />

�<br />

�<br />

2<br />

das Resultat ” down“.<br />

� 2<br />

� 2<br />

(I.1.31)<br />

(I.1.32)<br />

Beispiel: Es bezeichne �α = − π<br />

2�ex eine Drehung um α = − π um die x-Achse, durch<br />

2<br />

die also die z-Achse auf die y-Achse abgebildet wird. Man erwartet also, dass dann auch<br />

Sz auf Sy abgebildet wird, bzw. σz auf σy. Das gilt in <strong>der</strong> Tat, man hat<br />

σz (σx) n = (−σx) n σz , bzw. (I.1.33)<br />

σz f(σx) = f(−σx) σz und (I.1.34)<br />

σz h(σx, σy, σz) = h(−σx, −σy, σz) σz<br />

für Funktionen f und h. Gemäß Gleichung I.1.21 hat man daher die Transformation<br />

π<br />

i<br />

e 4 σx π<br />

−i<br />

σz e 4 σx π<br />

i<br />

= e 4 σx π<br />

i<br />

e 4 σx σz<br />

genau wie erwartet.<br />

Die unitären 2 × 2 - Matrizen<br />

(I.1.35)<br />

=<br />

π<br />

i<br />

e 2 σx �<br />

σz = cos π<br />

2 + i σx sin π<br />

�<br />

σz<br />

2<br />

= i σx σz = σy , (I.1.36)<br />

�α<br />

−i �σ·<br />

d(�α) = e 2 (I.1.37)


I.2 Die Pauli-Gleichung 10<br />

liefern eine beson<strong>der</strong>e Darstellung <strong>der</strong> Drehgruppe: Wenn �α die Achse �m in �n überführt,<br />

und dann � β die Achse �n in �o (wobei �m, �n, �o wie üblich Einheitsvektoren sind), so gilt<br />

und<br />

mit<br />

Also gilt<br />

�σ · �n = d(�α) �σ · �m d(�α) †<br />

�σ · �o = d( � β) �σ · �n d( � β) †<br />

(I.1.38)<br />

(I.1.39)<br />

d(�α) † �α<br />

i σ·<br />

= e 2 = d(−�α). (I.1.40)<br />

�σ · �o = d( � β) d(�α) �σ · �m d(�α) † d( � β) †<br />

=<br />

�<br />

d( � �<br />

β) d(�α)<br />

�σ · �m<br />

�<br />

d( � � †<br />

β) d(�α)<br />

, (I.1.41)<br />

d.h. die Hintereinan<strong>der</strong>ausführung <strong>der</strong> Drehungen �α und � β entspricht <strong>der</strong> Matrixmultiplikation<br />

d( � β) d(�α). Diese Spindarstellung <strong>der</strong> Drehgruppe besitzt eine interessante Eigenschaft.<br />

Ein Raumdrehung um den Winkel 2π um eine beliebige Achse �n entspricht gar<br />

keiner Drehung, an<strong>der</strong>erseits ist<br />

−iπ �σ·�n<br />

d(2π�n) = e<br />

= cos π − i �σ · �n sin π = −1. (I.1.42)<br />

Eine Drehung um 2π wird durch −1 dargestellt! Allgemeiner bedeutet das, dass die Drehungen<br />

α�n und (α + 2π)�n physikalisch äquivalent sind, also stellen d(α�n) und auch<br />

d(α�n + 2π�n) = d(α�n) d(2π�n) = −d(α�n) die gleiche Drehung dar. Die Spindarstellung<br />

<strong>der</strong> Drehgruppe ist daher zweiwertig.<br />

I.2 Die Pauli-Gleichung<br />

Der Spin eines Teilchens ist ein ” innerer“ Freiheitsgrad, <strong>der</strong> <strong>von</strong> den räumlichen Freiheitsgraden<br />

völlig unabhängig ist. Der Zustand eines Teilchens mit Spin ist erst dann<br />

vollständig spezifiziert, wenn <strong>der</strong> ” räumliche Zustand“ und <strong>der</strong> Spinzustand angegeben<br />

worden sind. Alle Operatoren, die sich auf räumliche Freiheitsgrade beziehen, kommutieren<br />

mit allen Operatoren, die sich aus Spinfreiheitsgrade beziehen, z.B.<br />

[ � S, �r ] 1 = 0<br />

[ � S, �p ] = 0<br />

[ � S, � L] = 0 . (I.2.1)<br />

Um also den Zustand eines Teilchens vollständig anzugeben, benötigt man<br />

1 Diese Schreibweise ist die kurze Form <strong>von</strong> [Si, rj] = 0 ∀i, j


I.2 Die Pauli-Gleichung 11<br />

(i) die Amplituden dafür, das Teilchen an den verschiedenen Raumpunkten �r zu finden,<br />

und<br />

(ii) für jeden Raumpunkt die Amplituden für die möglichen Spinorientierungen.<br />

Wird also z.B. �ez als Quantisierungsachse“ gewählt, benötigt man für jeden Punkt �r<br />

”<br />

sowohl ψ↑(�r), d.h. die Amplitude dafür, das Teilchen am Ort �r mit spin up“ zu finden<br />

”<br />

(Sz = + �<br />

2 ), als auch ψ↓(�r), d.h. die entsprechende Amplitude für spin down“ (Sz = −<br />

” �<br />

2 ).<br />

Die Gesamtwellenfunktion Ψ(�r) kann daher als<br />

� �<br />

ψ↑(�r)<br />

Ψ(�r) =<br />

(I.2.2)<br />

ψ↓(�r)<br />

geschrieben werden. Dann ist<br />

|ψ↑(�r)| 2 + |ψ↓(�r)| 2<br />

(I.2.3)<br />

die Wahrscheinlichkeitsdichte dafür, das Teilchen (mit beliebiger Spinorientierung) am<br />

Ort �r zu finden.<br />

Die Wahrscheinlichkeit dafür, das Teilchen (irgendwo) mit ” spin up“ zu finden, lautet<br />

dann<br />

�<br />

d 3 r |ψ↑(�r)| 2 . (I.2.4)<br />

Die Normierungsgleichung erhält die Form<br />

�<br />

〈Ψ|Ψ〉 = d 3 r � |ψ↑(�r)| 2 + |ψ↓(�r)| 2� , (I.2.5)<br />

wodurch auch das Skalarprodukt für die zweikomponentigen Wellenfunktionen ( ” Pauli-<br />

Spinoren“) festgelegt wird.<br />

Der Gesamtdrehimpuls � J eines Teilchens ist die Summe seines Bahndrehimpulses und<br />

seines Spins<br />

�J = � L + � S . (I.2.6)<br />

Der Gesamtdrehimpuls erzeugt Drehungen sowohl <strong>der</strong> räumlichen als auch <strong>der</strong> Spinfreiheitsgrade.<br />

Wird �r (im Sinne <strong>der</strong> Abbildung I.1) durch �α in �r ′ gedreht und �m durch<br />

�α in �n, und bezeichnet |�r, �m ↑〉 den (uneigentlichen) Zustand, in dem das Teilchen mit<br />

Sicherheit bei �r mit Spinkomponente + � in Richtung <strong>von</strong> �m zu finden ist, so gilt<br />

2<br />

i<br />

−<br />

e � � J·�α −<br />

|�r, �m ↑〉 = e i<br />

� (� L+ � S)·�α<br />

|�r, �m ↑〉<br />

i<br />

−<br />

= e � � L·�α −<br />

e i<br />

� � S·�α<br />

|�r, �m ↑〉<br />

i<br />

−<br />

= e � � L·�α<br />

|�r, �n ↑〉<br />

= |�r ′ , �n ↑〉. (I.2.7)


I.2 Die Pauli-Gleichung 12<br />

Dabei wurde in <strong>der</strong> zweiten Gleichung [ � L, � S] = 0 benutzt. Für zwei Operatoren A, B gilt<br />

ja<br />

e A+B = e A e B e −[A,B]<br />

2 , (I.2.8)<br />

sofern A und B mit [A, B] kommutieren (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, Aufgabe 17 b.).<br />

Wie beobachtet man den Spin? In <strong>der</strong> Hochenergiephysik kann man den Spin eines Elementarteilchens<br />

häufig aus <strong>der</strong> Erhaltung des Gesamtdrehimpulses erschließen. Z.B. beobachtet<br />

man beim Zerfall<br />

Λ ◦ −→ p + π −<br />

(I.2.9)<br />

die Zerfallsprodukte häufig mit einem <strong>von</strong> Null verschiedenen Relativ-Bahndrehimpuls im<br />

Schwerpunktsystem, <strong>der</strong> Bahndrehimpuls des Λ ◦ in seinem Schwerpunktsystem (in dem<br />

es ja ruht!) verschwindet dagegen. Der Gesamtdrehimpuls kann daher nur dann erhalten<br />

sein, wenn das Λ ◦ (wie auch das Proton) über einen Spinfreiheitsgrad verfügt.<br />

Die For<strong>der</strong>ung nach Erhaltung des Gesamtdrehimpulses war (neben <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach<br />

Energieerhaltung und dem kontinuierlichen Energiespektrum <strong>der</strong> emittierten β-Teilchen)<br />

ein entscheiden<strong>der</strong> Grund, warum W. Pauli die Existenz des Neutrinos postulierte.<br />

Ohne ein solches ” zusätzliches“ Teilchen wären die Erhaltungssätze beim β-Zerfall verletzt!<br />

2<br />

I.2.1 Vom Spin erzeugte magnetische Momente<br />

In <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>energiephysik weist man die Existenz des Spins dagegen durch seine Wechselwirkung<br />

mit einem Magnetfeld nach. Zunächst besitzt eine klassische Ladung e 3 , die<br />

mit einem Drehimpuls � L rotiert, bekanntlich ein magnetisches Moment<br />

�mBahn = e<br />

2m � L . (I.2.10)<br />

Für ein Elektron hat man also<br />

�mBahn = e�<br />

2me<br />

�L<br />

�<br />

= −µB<br />

�L<br />

, (I.2.11)<br />

�<br />

wobei µB = 9, 274·10 −24 Am 2 das Bohrsche Magneton bezeichnet. Dieser klassische Zusammenhang<br />

gilt auch in <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong>. Da dort die drei Komponenten <strong>von</strong> � L nicht<br />

gleichzeitig scharf gemessen werden können, unterliegen die Komponenten <strong>von</strong> �mBahn <strong>der</strong><br />

gleichen Einschränkung. Auch ein Spin � S ruft ein magnetisches Moment hervor, allerdings<br />

mit einem an<strong>der</strong>en Proportionalitätsfaktor. Man schreibt<br />

�mSpin = g e<br />

2m � S , (I.2.12)<br />

2 Beispiel: 60 Co −→ 60 Ni + e − + νe bzw. n −→ p + e − + νe<br />

Ein freies Neutron besitzt eine Halbwertszeit <strong>von</strong> 932 s.<br />

3 Die Ladung e trägt in SI-Einheiten ein negatives Vorzeichen, also e ≈ −1, 6 · 10 −19 C.


I.2 Die Pauli-Gleichung 13<br />

wobei g als Ladéscher g-Faktor, o<strong>der</strong> als gyromagnetischer Faktor bezeichnet wird. Für<br />

ein Elektron erhält man im Rahmen <strong>der</strong> relativistischen <strong>Quantenmechanik</strong> – d.h. aus <strong>der</strong><br />

Dirac-Gleichung – exakt den Wert g = 2. Die darüber hinausgehende Feldtheorie – die<br />

Quantenelektrodynamik (kurz QED) – liefert jedoch systematische Korrekturen zu diesem<br />

Wert:<br />

g − 2 = α<br />

π<br />

wobei α = e2<br />

4πε0�c<br />

+ O<br />

� α 2<br />

π 2<br />

≈ 1<br />

137<br />

�<br />

= 0, 0023193047 . . . , (I.2.13)<br />

die Feinstrukturkonstante bezeichnet. Der führende Term <strong>von</strong><br />

g−2, also α<br />

π ≈ 2, 32 · 10−3 , ist als Schwinger-Term bekannt.<br />

Mit <strong>der</strong> häufig verwendeten Näherung <strong>von</strong> g = 2 für das Elektron ergibt sich für das<br />

gesamte magnetische Moment des Elektrons<br />

�m = �mBahn + �mSpin = e<br />

2me<br />

� �L + 2 � S � . (I.2.14)<br />

Das magnetische Moment ist daher nicht proportional zum Gesamtdrehimpuls � J = � L+ � S.<br />

Für das durch den Spin hervorgerufene magnetische Moment des Protons findet man<br />

�mP = 5, 59 |e|�<br />

2mP<br />

�S<br />

�<br />

≈ 1, 52 · 10 −3 · 2µB<br />

= 5, 59 me<br />

�S<br />

�<br />

mP<br />

µB<br />

�S<br />

�<br />

(mit mP<br />

me<br />

= 1836, 1). (I.2.15)<br />

Das durch den Spin erzeugte magnetische Moment eines Protons ist also um den Faktor<br />

1, 52 · 10 −3 kleiner als das des Elektrons.<br />

Auch neutrale – effektiv ladungsfreie – Teilchen mit Spin haben ein magnetisches Moment.<br />

Für das Neutron gilt<br />

�mN = −3, 83 |e|�<br />

2mN<br />

�S<br />

. (I.2.16)<br />

�<br />

Man kann dieses magnetische Moment als Hinweis auf eine innere Ladungsverteilung<br />

ansehen.<br />

I.2.2 Der Zeeman-Effekt am Wasserstoffatom<br />

Die Energie eines magnetischen Moments �m in einem Magnetfeld � B ist E = −�m · � B.<br />

Daher erhält man für ein Teilchen mit Spin in einem Magnetfeld den Hamilton-Operator<br />

HSpin = −�mSpin · � B(�r, t) . (I.2.17)<br />

Betrachtet man also ein Wasserstoffatom in einem homogenen Magnetfeld und wählt das<br />

Vektorpotential � A = 1<br />

2 � B × �r, so hat man<br />

H = 1<br />

2me<br />

�<br />

�p − e � �2 A − e<br />

me<br />

�S · � B − e2<br />

4πε0<br />

1<br />

, (I.2.18)<br />

r


I.2 Die Pauli-Gleichung 14<br />

also in erster Ordnung <strong>von</strong> � B<br />

H = �p2<br />

−<br />

2me<br />

e2<br />

4πε0<br />

Eine Nebenrechnung führt zu<br />

1 e � �<br />

− �p · A � + �<br />

e<br />

A · �p −<br />

r 2me<br />

me<br />

�p · � A + � A · �p = �p · 1<br />

2 � B × �r + 1<br />

2 � B × �r · �p<br />

�S · � B . (I.2.19)<br />

= − 1<br />

2 �p · �r × � B + 1<br />

2 � B × �r · �p<br />

= − 1<br />

2 �p × �r · � B + 1<br />

2 � B · �r × �p = � L · � B . (I.2.20)<br />

Damit lautet <strong>der</strong> Hamilton-Operator also<br />

H = H0 − e<br />

2me<br />

� �L + 2 � S � · � B , (I.2.21)<br />

wobei H0 <strong>der</strong> Hamilton-Operator des ungestörten Systems ist, also ohne Magnetfeld � B.<br />

Wählt man die z-Achse in Feldrichtung, so lautet <strong>der</strong> Störoperator<br />

Hint = − eB<br />

2me<br />

� �<br />

Lz + 2Sz . (I.2.22)<br />

Gäbe es keinen Spin, hätte man in erster Ordnung die Energieverschiebungen<br />

∆E = 〈nlm|HI|nlm〉 = − e�<br />

Bm = µBBm . (I.2.23)<br />

2me<br />

§<br />

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Abbildung I.2: Aufspaltung des Energienieveaus für l = 1 (unter <strong>der</strong> Annahme s = 0) bei<br />

Anlegen eines Magnetfeldes<br />

Die (2l + 1)-fache Drehimpulsentartung wird somit durch das Magnetfeld aufgehoben<br />

(s. Abbildung I.2). Dieser sogenannte normale Zeeman-Effekt wird hier allerdings nicht<br />

beobachtet, son<strong>der</strong>n nur im Fall eines verschwindenden Gesamtspins. Da hier aber s = 1<br />

2<br />

ist, lautet die tatsächliche Aufspaltung in hinreichend starken“ Fel<strong>der</strong>n<br />

”<br />

∆E = 〈nlmsz|HI|nlmsz〉 = µBB � �<br />

m + 2sz . (I.2.24)<br />

Eine solche ” zusätzliche“ Aufspaltung (s. Abbildung I.3) ist ein direkter Hinweis auf die<br />

Existenz des Elektronenspins. Dieser Effekt wird auch anormaler Zeeman-Effekt genannt.<br />

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I.2 Die Pauli-Gleichung 15<br />

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Abbildung I.3: Aufspaltung des Energienieveaus für l = 1 (unter <strong>der</strong> Annahme s = 0) bei<br />

Anlegen eines Magnetfeldes<br />

I.2.3 Die Spin-Bahn-Kopplung<br />

Allerdings findet man dieses einfache Aufspaltungsschema wie oben bereits angedeutet<br />

nur in starken“ Magnetfel<strong>der</strong>n<br />

” 4 . Bewegt sich nämlich ein Elektron mit Geschwindigkeit<br />

�v durch ein elektrisches Feld � E, erfährt es nach <strong>der</strong> speziellen Relativitätstheorie in niedrigster<br />

Ordnung <strong>von</strong> v<br />

c ein Magnetfeld � Bv = 1<br />

c2�v × � E. Dieses Magnetfeld koppelt an das<br />

magnetische Moment und führt zu <strong>der</strong> zusätzlichen Wechselwirkungsenergie5 |e|<br />

m � S · 1<br />

c2 �v × � E . (I.2.25)<br />

Es gibt allerdings noch eine weitere relativistische Korrektur, die sogenannte Thomas-<br />

Präzession. Sie liefert<br />

− 1<br />

2<br />

|e|<br />

mc 2 � S · �v × � E . (I.2.26)<br />

Wenn das elektrische Feld durch ein Zentralpotenmtial verursacht wird, also<br />

|e| � E = − � ∇ V (�r) = − �r<br />

r<br />

dV (r)<br />

dr<br />

, (I.2.27)<br />

dann lautet <strong>der</strong> Operator dieser Wechselwirkungsenergie<br />

HSpin-Bahn = 1<br />

2mc2 � �<br />

S · �v × − �r<br />

�<br />

dV (r)<br />

=<br />

r dr<br />

1<br />

2m2c2 1 dV (r)<br />

r dr<br />

�L · � S . (I.2.28)<br />

Man hat also eine Spin-Bahn-Kopplung. Damit also das vorher beobachtete Aufspaltungsschema<br />

näherungsweise richtig ist, muss die Energie <strong>der</strong> Wechselwirkung mit dem � B-Feld<br />

sehr groß sein im Vergleich zur Spin-Bahn-Wechselwirkungsenergie.<br />

4Natürlich dürfen diese Fel<strong>der</strong> auch nicht zu stark“ sein, da hier Störungsrechnung in erster Ordnung<br />

”<br />

<strong>von</strong> B betrieben wurde.<br />

5O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s herum: Ein bewegter magnetischer Dipol liefert im Laborsystem einen elektrischen Dipol,<br />

<strong>der</strong> mit � E wechselwirkt.


I.3 Spinpräzession und Spinresonanz 16<br />

I.2.4 Die Pauli-Gleichung<br />

Bei Vernachlässigung <strong>der</strong> Spin-Bahn-Wechselwirkung erhält man somit für den Pauli-<br />

Spinor die Bewegungsgleichung<br />

i� ∂<br />

∂t<br />

� � �<br />

ψ↑(�r, t)<br />

=<br />

ψ↓(�r, t)<br />

1<br />

2m<br />

�<br />

�<br />

i � ∇ − e � �2 A(�r, t) − g<br />

2<br />

e�<br />

2m �σ · � B(�r, t) + V (�r, t)<br />

� �ψ↑(�r,<br />

�<br />

t)<br />

.<br />

ψ↓(�r, t)<br />

(I.2.29)<br />

Diese Gleichung wird als Pauli-Gleichung bezeichnet. Dabei ist<br />

�σ · � �<br />

Bz<br />

B =<br />

Bx + iBy<br />

�<br />

Bx − iBy<br />

.<br />

−Bz<br />

(I.2.30)<br />

Bemerkung: Die Größenordnung <strong>der</strong> Spin-Bahn-Wechselwirkungsenergie für das Wasserstoffatom<br />

erhält man aus<br />

HSpin−Bahn = 1<br />

2m 2 c 2<br />

1<br />

r<br />

dV<br />

dr � L · � S und V (r) = − e2<br />

4πε0<br />

wenn man als charakteristischen Wert für r den Bohrschen Radius<br />

a =<br />

4πε0� 2<br />

me 2<br />

1<br />

r<br />

, (I.2.31)<br />

(I.2.32)<br />

einsetzt. Es ergibt sich<br />

ESpin−Bahn ≈<br />

1<br />

2m2c2 e2 � 2 me<br />

4πε0 4πε0�2 �3 � 2<br />

= m<br />

� � 2 2 � � 2 2<br />

e e<br />

2 4πε0�c 4πε0�<br />

= α 2 |E1| . (I.2.33)<br />

Die Größenordnung <strong>der</strong> durch die Spin-Bahn-Wechselwirkung verursachten ” Feinstruktur“<br />

des Spektrums ist also um einen Faktor α 2 kleiner als Bindungsenergien.<br />

I.3 Spinpräzession und Spinresonanz<br />

Vernachlässigt man die räumliche Bewegung eines Teilchens mit Spin in einem Magnetfeld,<br />

lautet <strong>der</strong> Hamilton-Operator einfach<br />

H = − g<br />

2<br />

e<br />

m � S · � B(t) = − g e�<br />

4 m �σ · � B(t) , (I.3.1)<br />

wobei angenommen wird, dass das Magnetfeld zwar räumlich homogen, aber zeitabhängig<br />

ist. Im Heisenberg-Bild erhält man also für den Spin-Operator die Bewegungsgleichung<br />

i� dSj(t)<br />

dt = [Sj(t), H] = − g<br />

2<br />

e<br />

m [Sj(t), Sk(t)]Bk(t) = −i g e�<br />

2 m εjkl SlBk(t) . (I.3.2)


I.3 Spinpräzession und Spinresonanz 17<br />

Die zeitliche Ableitung <strong>von</strong> � S(t) lässt sich also schreiben als<br />

d � S(t)<br />

dt<br />

= ge<br />

2m � S(t) × � B(t) = �m(t) × � B(t) . (I.3.3)<br />

Auf <strong>der</strong> rechten Seite taucht also gerade das Drehmoment auf, das ein magnetisches<br />

Moment �m in einem Feld � B erfährt. Diese Operatorgleichung besagt also, dass die Än<strong>der</strong>ung<br />

des Spin-Drehimpulses durch das äußere Drehmoment bestimmt wird. Ist � B zeitunabhängig<br />

und entlang <strong>der</strong> z-Achse orientiert, also � B = B0�ez, hat man<br />

dSx(t)<br />

dt<br />

mit <strong>der</strong> Lösung<br />

= geB0<br />

2m Sy(t) ,<br />

dSy(t)<br />

dt<br />

Sx(t) = Sx(0) cos ω0t + Sy(0) sin ω0t<br />

Sy(t) = −Sx(0) sin ω0t + Sy(0) cos ω0t<br />

= −geB0<br />

2m Sx(t) ,<br />

dSz(t)<br />

dt<br />

= 0 (I.3.4)<br />

Sz(t) = Sz(0) . (I.3.5)<br />

Der Spin präzediert also um die Feldrichtung, wobei die Spinpräzessionsfrequenz durch<br />

ω0 = geB0<br />

2m<br />

gegeben wird. Für ein Elektron ist ω0 < 0 und<br />

|ω0|<br />

2πB<br />

(I.3.6)<br />

= g|e|<br />

4πm = 2, 80 · 1010 s −1 /T = 2, 80 MHz/Gauß (1 Gauß = 10 −4 T) . (I.3.7)<br />

Weist also <strong>der</strong> Spin zum Zeitpunkt t = 0 in x-Richtung, d.h. hat man anfangs einen<br />

Eigenzustand Sx mit Eigenwert �<br />

2 ,<br />

ergibt sich<br />

〈Sx(0)〉 = 〈�ex ↑ |Sx(0)|�ex ↑〉 = �<br />

2<br />

〈Sy(0)〉 = 0 〈Sz(0)〉 = 0 , (I.3.8)<br />

〈Sx(t)〉 = �<br />

2 cos ω0t , 〈Sy(t)〉 = − �<br />

2 sin ω0t , 〈Sz(t)〉 = 0 . (I.3.9)<br />

Der Erwartungswert des Spin-Operators rotiert also in mathematisch negativer Drehrichtung<br />

(für e > 0) in <strong>der</strong> x-y-Ebene.<br />

Im Schrödinger-Bild folgt die Zeitentwicklung des Spin-Operators <strong>der</strong> Gleichung<br />

i<br />

−<br />

|Ψ(t)〉 = e � Ht |Ψ(0)〉<br />

= e i geB0 2m<br />

Sz<br />

� t |Ψ(0)〉<br />

= e iω0t σz 2 |Ψ(0)〉<br />

=<br />

� � � � ��<br />

ω0t<br />

ω0t<br />

cos + iσz sin |Ψ(0)〉 . (I.3.10)<br />

2<br />

2


I.3 Spinpräzession und Spinresonanz 18<br />

Der Spin rotiert hier also mit <strong>der</strong> Winkelgeschwindigkeit ω0 um die negative z-Achse.<br />

Diese Spinpräzession wurde zur Messung <strong>von</strong> g−2 für das µ (Myon) ausgenutzt: In einen<br />

Speicherring, <strong>der</strong> senkrecht zu seiner Ebene <strong>von</strong> einem homogenen Magnetfeld durchsetzt<br />

war, wurden in Bewegungsrichtung spinpolarisierte µ gefüllt. Diese kreisen dann mit <strong>der</strong><br />

Zyklotron-Frequenz im Ring, während gleichzeitig <strong>der</strong> Spin präzediert. Da nun g �= 2,<br />

” geht die Spinrichtung (im Vergleich zur Zyklotronbewegung) geringfügig vor“. Das µ<br />

zerfällt im Ring,<br />

µ → e + νµ + ¯νe , (I.3.11)<br />

wobei die Elektronen vorzugsweise in die dem µ-Spin entgegengesetzte Richtung emittiert<br />

werden. Wenn man also die Zahl <strong>der</strong> Zerfallselektronen misst, wobei die Zähler nur einen<br />

begrenzten Öffnugswinkel haben und daher nur Elektronen mit vorgegebener Richtung<br />

registrieren, so wird diese Zahl aufgrund <strong>der</strong> Spinpräzession periodisch moduliert. Aus <strong>der</strong><br />

Modulationsfrequenz kann man g−2 bestimmen. Nach Berücksichtigung aller Korrekturen<br />

findet man eine sehr gute Übereinstimmung mit dem theoretischen Wert. Weitere Informationen<br />

hierzu findet man z.B. in D.H. Perkins: Introduction to High Energy Physics.<br />

Addison-Wesley, Reading 1982.<br />

Da ein Spin in einem Magnetfeld � B0 = B0�ez mit einer Winkelgeschwindigkeit ω0 = geB0<br />

2m<br />

um die negative z-Achse präzediert, scheint er festzustehen, wenn er aus dem ” mitrotierenden“<br />

Bezugssystem betrachtet wird. Man kann das mit Hilfe eines Zusatzfeldes erklären,<br />

das im rotierenden System auftaucht und das das <strong>von</strong> außen angelegte Feld gerade kompensiert:<br />

Rotiert das System mit −ω um �ez, hat man diesem System offensichtlich ein<br />

effektives � B-Feld <strong>der</strong> Stärke<br />

Beff = B0 − 2mω<br />

ge<br />

. (I.3.12)<br />

Wenn man also (zusätzlich zu dem starken“ Feld, in dem <strong>der</strong> Spin präzediert) noch ein<br />

”<br />

” schwaches“ Feld anlegen könnte, das im rotierenden System stationär ist und z.B. in dessen<br />

x-Richtung weist, dann würde <strong>der</strong> Spin im rotierenden System nur dieses schwache<br />

Feld spüren und um dieses präzedieren. Auf diese Weise könnte ein spin up“-Zustand<br />

”<br />

durch das Zusatzfeld in einen spin down“-Zustand transformiert werden.<br />

”<br />

Im Laborsystem müsste das Zusatzfeld zirkular polarisiert sein, also<br />

�B = B1<br />

⎛ ⎞<br />

cos ω0t<br />

⎝−<br />

sin ω0t⎠<br />

, (I.3.13)<br />

2<br />

0<br />

wobei die Frequenz ω0 im Radio-Bereich liegt. Solche Fel<strong>der</strong> sind jedoch nur schwer realisierbar.<br />

Stattdessen verwendet man ein linear polarisiertes Feld<br />

⎛ ⎞<br />

cos ωt<br />

�B = B1 ⎝ 0 ⎠ , (I.3.14)<br />

0


I.3 Spinpräzession und Spinresonanz 19<br />

das ja additiv in zwei entgegengesetzt zirkular polarisierte Fel<strong>der</strong> zerlegt werden kann<br />

�B = B1<br />

⎛ ⎞<br />

cos ωt<br />

⎝−<br />

sin ωt⎠<br />

+<br />

2<br />

0<br />

B1<br />

⎛ ⎞<br />

cos ωt<br />

⎝sin<br />

ωt⎠<br />

. (I.3.15)<br />

2<br />

0<br />

Ein solches Feld erzielt für ω ≈ ω0 den gewünschten Effekt: Transformiert man nämlich<br />

auf das ” mitrotierende“ System des ersten Anteils, erscheint dieser Anteil stationär. Der<br />

zweite Anteil entspricht einer hochfrequent (nämlich mit 2ω) ” gegenrotierenden“ Komponente.<br />

Diese hochfrequente Störung hat im zeitlichen Mittel nur einen geringen Effekt<br />

und kann daher in guter Näherung vernachlässigt werden. Diese Näherung – Zerlegung eines<br />

linear polarisierten Feldes in zwei entgegengesetzt zirkular polarisierte Komponenten,<br />

Transformation in das rotierende System <strong>der</strong> einen Komponente und Vernachlässigung<br />

des an<strong>der</strong>en – wird auch in <strong>der</strong> Quantenoptik häufig angewandt und als “rotating wave<br />

approximation (RWA)” bezeichnet.<br />

Die mathematische Durchführung dieses Gedankens ist nun klar: Ausgangspunkt ist die<br />

Schrödinger-Gleichung für einen Spin in einem statischen Magnetfeld <strong>der</strong> Stärke B0 in<br />

z-Richtung und einem oszillierenden, in x-Richtung linear polarisierten Feld <strong>der</strong> Stärke<br />

B1, also<br />

i� d<br />

|Ψ(t)〉 = −g<br />

dt 2<br />

e�<br />

2m (B0σz + B1 cos ωt σx) |Ψ(t)〉 . (I.3.16)<br />

Die Transformation auf ein mit ω rotierendes Bezugssystem wird geleistet durch die<br />

unitäre Operation<br />

ωt<br />

i<br />

|Ψ(t)〉 = e 2 σz | ˜ Ψ(t)〉 . (I.3.17)<br />

Daraus folgt<br />

und somit<br />

i� d<br />

ωt<br />

|Ψ(t)〉 = ei 2<br />

dt σz<br />

i d<br />

dt | ˜ Ψ(t)〉 =<br />

� ω − ω0<br />

mit ω0 = geB0<br />

2m und ω1 = geB1<br />

4m .<br />

Jetzt ist<br />

2<br />

�<br />

− �ω<br />

2 σz | ˜ Ψ(t)〉 + i� d<br />

dt | ˜ �<br />

Ψ(t)〉<br />

ωt<br />

−i<br />

cos ωt e 2 σz ωt<br />

i<br />

σx e 2 σz = cos ωt σx e iωtσz<br />

(I.3.18)<br />

ωt<br />

−i<br />

σz − ω1 cos ωt e 2 σz ωt<br />

i<br />

σx e 2 σz<br />

�<br />

| ˜ Ψ(t)〉 (I.3.19)<br />

= cos ωt σx(cos ωt + iσz sin ωt)<br />

= σx<br />

σy<br />

(1 + cos 2ωt) + sin 2ωt . (I.3.20)<br />

2 2


I.3 Spinpräzession und Spinresonanz 20<br />

Die Terme mit <strong>der</strong> Kreisfrequenz 2ω entsprechen <strong>der</strong> hochfrequenten“ gegenrotierenden<br />

”<br />

Komponente. Vernachlässigt man sie, bleibt einfach<br />

i d<br />

dt | ˜ �<br />

ω − ω0<br />

Ψ(t)〉 = σz −<br />

2<br />

ω1<br />

2 σx<br />

�<br />

| ˜ Ψ(t)〉 . (I.3.21)<br />

Zerlegt man nun den Operator auf <strong>der</strong> rechten Seite nach Betrag und Richtung, d.h.<br />

schreibt man<br />

(ω − ω0) σz − ω1σx = Ω �σ mit<br />

�<br />

(I.3.22)<br />

Ω = (ω − ω0) 2 + ω2 1 und<br />

�σ =<br />

ω − ω0<br />

Ω σz − ω1<br />

Ω σx,<br />

so dass �σ 2 = 1, erhält man die Lösung sofort in <strong>der</strong> Form<br />

ωt<br />

i<br />

|Ψ(t)〉 = e 2 σz Ωt<br />

−i<br />

e 2 �σ |Ψ(0)〉 . (I.3.23)<br />

Ist also <strong>der</strong> Spin anfangs in Richtung <strong>der</strong> z-Achse polarisiert,<br />

|Ψ(0)〉 = |�ez ↑〉 , (I.3.24)<br />

so erhält man als Amplitude für einen ” Spinflip“<br />

ωt<br />

−i<br />

〈�ez ↓ |Ψ(t)〉 = e 2 〈�ez ↓ | cos Ωt<br />

ωt<br />

−i<br />

= e 2<br />

ωt<br />

−i<br />

= ie 2<br />

− i �σ sin Ωt<br />

2 |�ez ↑〉<br />

Die Wahrscheinlichkeit für ein Spinflip lautet somit<br />

P↓(t) = |〈�ez ↓ |Ψ(t)〉| 2<br />

= ω2 1 2 Ωt<br />

sin<br />

Ω2 2<br />

ω2 1<br />

=<br />

(ω − ω0) 2 + ω 2 1<br />

Der Wert <strong>von</strong> P↓(t) oszilliert also zwischen 0 und<br />

� 2<br />

−i sin Ωt<br />

�<br />

〈�ez ↓ |�σ|�ez ↑〉<br />

2<br />

ω1 Ωt<br />

sin . (I.3.25)<br />

Ω 2<br />

1<br />

(1 − cos Ωt) . (I.3.26)<br />

2<br />

ω 2 1<br />

(ω−ω0) 2 +ω 2 1<br />

mit <strong>der</strong> Frequenz Ω. Vollstän-<br />

dige Inversion (d.h. P↓(t) = 1) ist nur möglich für ein genau resonantes Feld (ω = ω0)<br />

und wird erreicht, wenn Ωt = π. Durch einen solchen π-Puls kann ein Spinzustand also<br />

gezielt ” umgeschaltet“ werden. In ähnlicher Weise führt ein resonanter π/2-Puls einen<br />

polarisierten Anfangszustand |�ez ↑〉 in eine gleichgewichtete Superposition <strong>von</strong> |�ez ↑〉 und<br />

|�ez ↑〉 über. Fasst man also Spins in einem Magnetfeld als ” qubits“ auf (d.h. als quantenmechanische<br />

Zwei-Niveau-Systeme, die in einem noch hypothetischen Quantencomputer<br />

als Träger <strong>von</strong> Information dienen), so lassen sich einzelne qubits durch <strong>der</strong>artige Pulse


I.3 Spinpräzession und Spinresonanz 21<br />

gezielt manipulieren.<br />

Bemerkung: Das Konzept <strong>der</strong> π-Pulse gilt auch für Pulse mit ” langsam“ verän<strong>der</strong>licher<br />

Einhüllenden und kann sogar ohne Benutzung <strong>der</strong> rotating wave approximation auf Mehr-<br />

Niveau-Systeme ausgedehnt werden. 6<br />

Beispiel: Eine wichtige Anwendung <strong>der</strong> Spinresonanz findet man in <strong>der</strong> Atomuhr. Es<br />

soll zunächst eine vereinfachte Anordnung betrachte werden.<br />

Ein Strahl <strong>von</strong> Teilchen mit Spin wird durch zwei hintereinan<strong>der</strong> angeordnete Resonatoren<br />

geschickt, wobei in beiden ein Wechselfeld � B ′ (t) = B1 cos ωt�ex in x-Richtung herrscht.<br />

Außerdem herrscht überall ein konstantes Feld B0 �ez in z-Richtung. Die Teilchen seien<br />

anfangs in x-Richtung polarisiert; gesucht ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass nach<br />

Austritt aus dem zweiten Resonator ein Spinflip erfolgt ist.<br />

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Abbildung I.4: stark vereinfachtes Prinzip einer Atomuhr<br />

Die Schrödingergleichung für einen Elektronenspin (g = 2) lautet dann<br />

i� d e�<br />

|Ψ(t)〉 =<br />

dt 2m (B0σz + B1 cos ωt σx) |Ψ(t)〉 . (I.3.27)<br />

Es wird erneut auf ein rotierendes Bezugssystem“ transformiert.<br />

”<br />

Mit<br />

|Ψ(t)〉 = e i ω0t 2 σz | ˜ �<br />

Ψ(t)〉 ω0 = eB0<br />

�<br />

m<br />

hat man<br />

i� d<br />

dt |Ψ(t)〉 = ei ω 0 t<br />

2 σz<br />

�<br />

− �ω0<br />

2 | ˜ Ψ(t)〉 + i� d<br />

dt | ˜ �<br />

Ψ(t)〉 , also<br />

i d<br />

dt | ˜ Ψ(t)〉 = − eB1<br />

2m cos ωt e−i ω 0 t<br />

2 σz σx e i ω 0 t<br />

2 σz | ˜ Ψ(t)〉<br />

In erster Ordnung <strong>von</strong> B1 also<br />

| ˜ Ψ(t)〉 = | ˜ Ψ(0)〉 + − eB1<br />

2m<br />

�<br />

�<br />

(I.3.28)<br />

= − eB1<br />

2m cos ωt σx e i ω0t σz | ˜ Ψ(t)〉. (I.3.29)<br />

� t<br />

0<br />

dt ′ cos ωt ′ σx e i ω0t ′ σz | ˜ Ψ(0)〉 , (I.3.30)<br />

6 Siehe dazu M. Holthaus, B. Just: ” Generalized π-Pulses“, Phys. Rev. A 49, 1950 (1994)


I.3 Spinpräzession und Spinresonanz 22<br />

wobei <strong>der</strong> Spin zum Zeitpunkt t = 0 in den ersten Resonator eintritt. Dann entspricht<br />

|Ψ(0)〉 = | ˜ Ψ(0)〉 = |�ez ↑〉.<br />

Es sei nun τ <strong>der</strong> Zeitpunkt, an dem <strong>der</strong> Spin aus dem ersten Resonator austritt, und es<br />

seien T bzw. T + τ diejenigen Zeitpunkte, an denen er in den tweiten Resonator ein- bzw.<br />

aus ihm austritt. Die Übergangsamplitude für einen Spinflip lautet dann<br />

da ja<br />

〈�ez ↓ | ˜ Ψ(T + τ)〉 = ieB1<br />

2m<br />

+ ieB1<br />

2m<br />

〈�ez ↓ |σx e iω0t σz |�ez ↑〉 =<br />

� τ<br />

0<br />

� T +τ<br />

T<br />

dt cos ωt e iω0t<br />

dt cos ωt e iω0t , (I.3.31)<br />

� � �<br />

0 0<br />

� �<br />

iω0t −1 e 0<br />

1 1 0 0 eiω0t � � �<br />

1<br />

0<br />

= e iω0t . (I.3.32)<br />

Vernachlässigt man erneut die gegenrotierenden“ (schnell oszillierenden) Terme, findet<br />

”<br />

man<br />

〈�ez ↓ | ˜ Ψ(T + τ)〉 = ieB1<br />

�� τ<br />

dt e<br />

4m 0<br />

i(ω0−ω)t<br />

� T +τ<br />

+ dt e<br />

T<br />

i(ω0−ω)t<br />

�<br />

= ieB1<br />

� i(ω0−ω)τ e − 1<br />

4m ω0 − ω<br />

+ ei(ω0−ω)(T �<br />

+τ) i(ω0−ω)T − e<br />

ω0 − ω<br />

= ieB1 e<br />

4m<br />

i(ω0−ω)τ − 1 � i(ω0−ω)T<br />

1 + e<br />

ω0 − ω<br />

� . (I.3.33)<br />

Das Betragsquadrat diese Ausdrucks ist die gesuchte Spinflipwahrscheinlichkeit<br />

� � � �<br />

2 (ω0−ω)τ<br />

2<br />

ieB1 sin 2<br />

P↓ =<br />

ω0−ω cos<br />

4m<br />

2<br />

2 (ω0 − ω)T<br />

.<br />

2<br />

(I.3.34)<br />

Da nun τ ≪ T , hat P↓ als Funktion <strong>von</strong> ω das Aussehen eines Doppelspalt-Interferenzmusters.<br />

Die Amplitude 〈�ez ↓ | ˜ Ψ(T + τ)〉 beschreibt nämlich eine Interferenz aus zwei Möglichkeiten.<br />

Entwe<strong>der</strong> flippt“ <strong>der</strong> Spin im ersten Resonator o<strong>der</strong> im zweiten; das entspricht<br />

”<br />

den beiden Spalten<br />

� �<br />

im Doppelspaltexperiment. Die langsam“ verän<strong>der</strong>liche Einhüllende,<br />

ω0−ω<br />

”<br />

also sin<br />

2 (ω0−ω)τ<br />

2<br />

2<br />

� 2, entspricht genau dem Beugungsmuster am Einfachspalt. Da<br />

also P↓ sehr empfindlich <strong>von</strong> ω abhängt, lässt sich bei Variation <strong>der</strong> Resonatorfrequenz ω<br />

die durch das statistische Magnetfeld vorgegebene Frequenz ω0 sehr genau einstellen. Die<br />

Empfindlichkeit wird durch T bestimmt.<br />

In einer ” richtigen“ Atomuhr wird allerdings kein Elektronenspin benutzt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Spin eines Atoms (z.B. Cäsium). Der Energieunterschied zwischen ” Spin up“ und ” Spin<br />

down“ wird dann nicht durch ein <strong>von</strong> außen angelegtes Feld B0 bestimmt, son<strong>der</strong>n durch<br />

ein inneratomares Feld. Damit wird ω0 ein durch das Atom selbst bestimmtes (und damit<br />

hervorragend reproduzierbares) ” Frequenznormal“.


I.4 Das Stern-Gerlach-Experiment 23<br />

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Abbildung I.5: Interferenzmuster eines Doppelspaltes<br />

I.4 Das Stern-Gerlach-Experiment<br />

Ein Spin, <strong>der</strong> ein magnetisches Moment �m verursacht, wechselwirkt gemäß dem Hamilton-<br />

Operator<br />

H = −�m · � B(�r, t) (I.4.1)<br />

mit einem Magnetfeld. Ist also das Feld homogen, hat diese Wechselwirkung keinen direkten<br />

Einfluss auf die räumliche Bewegung des Teilchens. Ist � B dagegen �r-abhängig,<br />

bewegt sich das Teilchen jedoch in die Raumbereiche, in denen die Wechselwirkungsenergie<br />

minimiert wird. Ist z.B. �m parallel zu � B orientiert, wird das Teilchen in Bereiche mit<br />

größeren Feldstärken | � B(�r, t)| gezogen. Ist �m antiparallel zu � B orientiert, bewegt es sich<br />

in Bereiche mit kleineren Feldstärken. Die Kraft auf das Teilchen ist also abhängig <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> Spineinstellung<br />

�F = − � ∇ H = + � ∇ � �m · � B(�r, t) � . (I.4.2)<br />

Diese Kraft wird im Stern-Gerlach-Experiment ausgenutzt. Im ursprünglichen Experiment<br />

schossen Stern und Gerlach im Jahre 1922 einen Strahl <strong>von</strong> Silberatomen durch ein in<br />

z-Richtung orientiertes inhomogenes Magnetfeld, wobei <strong>der</strong> Strahl in zwei Komponenten<br />

aufgespalten wurde.<br />

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Abbildung I.6: Schematischer Aufbau des Stern-Gerlach-Experiments<br />

Ein Silberatom hat 47 Elektronen, da<strong>von</strong> koppeln 46 zu einem Zustand mit Spin Null und<br />

Bahndrehimpuls Null. Das verbleibende Elektron befindet sich in einem s-Zustand. Daher<br />

£<br />

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¤<br />

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I.4 Das Stern-Gerlach-Experiment 24<br />

wird das gesamte magnetische Moment des Silberatoms nur durch den Spin des ” letzten“<br />

Elektrons verursacht. Ist <strong>der</strong> Spin im Zustand |�ez ↑〉, ist �m antiparallel zu � B. Das Atom<br />

wird also nach oben abgelenkt (wegen dBz<br />

dz < 0), ein Zustand |�ez ↓〉 liefert dementsprechend<br />

eine Ablenkung nach unten. Ein beliebiger Spinzustand kann als Linearkombination<br />

|Ψ〉 = |�ez ↑〉〈�ez ↑ |Ψ〉 + |�ez ↓〉〈�ez ↓ |Ψ〉 (I.4.3)<br />

geschrieben werden. Das Feld lenkt die up“-Komponente nach oben und die down“-<br />

” ”<br />

Komponente nach unten ab und führt damit zu einer räumlichen Trennung bei<strong>der</strong> Komponenten.<br />

Ein Teilchen, das nach oben abgelenkt worden ist, hat definitiv den Zustand<br />

” up“. Eine Stern-Gerlach-Apparatur kann also zur Präparation eines spinpolarisierten<br />

Atomstrahls verwendet werden7 .<br />

Es wird nun angenommen, dass ein in x-Richtung spinpolarisiertes Teilchen in die Apparatur<br />

eintritt. In <strong>der</strong> z-Basis lautet seine Wellenfunktion dann<br />

Ψ(�r, t) = 1<br />

� �<br />

ψ0(�r, t)<br />

√ . (I.4.4)<br />

2 ψ0(�r, t)<br />

Beim Austritt nach einem Zeitintervall T hat man<br />

Ψ(�r, t + T ) = 1<br />

� �<br />

ψ↑(�r, t + T )<br />

√ . (I.4.5)<br />

2 ψ↓(�r, t + T )<br />

Da die beiden separierten Komponenten praktisch nicht überlappen, ist<br />

ψ↑(�r, t + T ) · ψ↓(�r, t + T ) ≈ 0 , (I.4.6)<br />

und da <strong>der</strong> Spin nicht flipt“, ist<br />

”<br />

�<br />

d 3 r|ψ↑(�r, t + T )| 2 �<br />

= d 3 r|ψ0(�r, t)| 2 �<br />

=<br />

Anfangs findet man für den Spinerwartungswert bei �r<br />

Ψ † (�r, t) ��σ<br />

2<br />

�<br />

Ψ(�r, t) =<br />

2 �ex<br />

�<br />

|ψ0(�r, t)| 2� , also<br />

d 3 r|ψ↓(�r, t + T )| 2 . (I.4.7)<br />

〈 � S〉t = �<br />

2 �ex . (I.4.8)<br />

Beim Austritt aus <strong>der</strong> Apparatur findet man dagegen<br />

Ψ † (�r, t + T ) ��σ<br />

2<br />

Ψ(�r, t + T ) = �<br />

2 �ez<br />

� |ψ↑(�r, t + T )| 2 − |ψ↓(�r, t + T )| 2� , also<br />

〈 � S〉t+T = 0 . (I.4.9)<br />

7 Wird das magnetische Moment durch einen Bahndrehimpuls l verursacht, beobachtet man eine Aufspaltung<br />

in 2l+1 Komponenten. Das Stern-Gerlach-Prinzip kann daher nur zur Messung des magnetischen<br />

Moments <strong>von</strong> Atomen (und Kernen) verwendet werden.


I.4 Das Stern-Gerlach-Experiment 25<br />

Hier geht <strong>der</strong> ” verschwindende Überlapp“ ein. Wäre dagegen das Feld homogen, hätte<br />

man nur die übliche Spinpräzession<br />

〈 � S〉 hom<br />

t+T = �<br />

2 cos ω0T �ex − �<br />

2 sin ω0T �ey , (I.4.10)<br />

d.h. die Spinpolarisationsrichtung wird lediglich gedreht, während die Spinpolarisation<br />

als solche erhalten bleibt. Die Tatsache, dass ein inhomogenes Feld die Spinpolarisation<br />

auslöscht, kann durch die unterschiedlichen Präzessionsfrequenzen erklärt werden. Teilchen,<br />

die den Apparat in Abb.I.6 weiter oben durchlaufen, ” sehen“ ein kleineres Feld, als<br />

Teilchen weiter unten. Ihre Spins präzedieren also langsamer. Die Gleichung (I.4.9) ergibt<br />

sich als Mittel über die lokalen Präzessionsfrequenzen. Ein inhomogenes Feld dephasiert<br />

den Spin.<br />

Damit, wie verlangt, <strong>der</strong> Mittelwert verschwinden kann, muss die Unsicherheit ∆ω0 <strong>der</strong><br />

lokalen Präzessionsfrequenz die Bedingung ∆ω0 · T � 2π erfüllen. Wegen<br />

∆ω0 = ge ge dBz<br />

∆B ≈ ∆z , (I.4.11)<br />

2m 2m dz<br />

muss also gelten:<br />

� �<br />

�<br />

�<br />

ge dBz �<br />

�<br />

2π<br />

�2m<br />

dz � T � . (I.4.12)<br />

∆z<br />

Dabei ist ∆z die Höhe zwischen den Polschuhen (s. Abb.I.6).<br />

Diese Bedingung an die Stern-Gerlach-Apparatur hat eine einleuchtende Interpretation.<br />

Der Ablenkwinkel ϕ des Wellenpakets wird durch den Quotienten <strong>der</strong> Impulskomponenten<br />

pz und py bestimmt (ϕ ≈ pz<br />

py ). Dabei wird <strong>der</strong> Ausgangs-Querimpuls pz durch die<br />

Inhomogenität bestimmt:<br />

� �<br />

�<br />

pz = �<br />

ge dBz �<br />

�<br />

�2m<br />

dz �<br />

� �<br />

�<br />

ϕ ≈ �<br />

ge dBz �<br />

�<br />

�<br />

�2m<br />

dz � 2<br />

�<br />

T , also (I.4.13)<br />

2<br />

T<br />

py<br />

. (I.4.14)<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite tritt beim Durchgang eines Wellenpakets durch einen Spalt <strong>der</strong><br />

breite ∆z ein Beugungseffekt auf. Die dadurch verursachte Winkelaufweitung δϕ beträgt<br />

nach <strong>der</strong> Beugungstheorie<br />

δϕ ≈ λ<br />

∆z<br />

2π�<br />

= , (I.4.15)<br />

py∆z<br />

wobei λ = 2π�/py die de Broglie-Wellenlänge <strong>der</strong> einfliegenden Teilchen bezeichnet. Die<br />

Bedingung dafür, dass die beiden separierten Wellenpakete nicht überlappen, lautet offensichtlich<br />

δϕ � 2ϕ, was nun<br />

2π�<br />

py ∆z<br />

�<br />

�<br />

� 2 �<br />

ge<br />

�2m<br />

dBz<br />

dz<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

2<br />

T<br />

py<br />

(I.4.16)


I.4 Das Stern-Gerlach-Experiment 26<br />

bedeutet, bzw.<br />

2π<br />

∆z �<br />

�<br />

�<br />

�<br />

ge<br />

�2m<br />

dBz<br />

dz<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� T . (I.4.17)<br />

Das ist genau die bereits vorher mit dem Dephasierungsargument gefundene Bedingung.<br />

Der Stern-Gerlach-Effekt kann nicht mit freien Elektronen durchgeführt werden. Ist<br />

∂Bz �= 0, so ist wegen ∂z � ∇ � B = 0 auch ∂Bx<br />

∂x<br />

– aufgrund <strong>der</strong> Symmetrie <strong>der</strong> Stern-Gerlach-Apparatur – ∂By<br />

∂y<br />

Komponente des � B-Feldes in x-Richtung:<br />

∂Bx<br />

∂x<br />

= −∂Bz<br />

∂z<br />

+ ∂By<br />

∂y �= 0. Nimmt man zur Vereinfachung<br />

= 0, dann erhält man eine<br />

. (I.4.18)<br />

Ein Elektron, das sich mit Geschwindigkeit �v in y-Richtung bewegt, erfährt die Lorentz-<br />

Kraft<br />

⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

0 Bx vBz<br />

�FL = e ⎝v⎠<br />

× ⎝By⎠<br />

= e ⎝ 0 ⎠ . (I.4.19)<br />

0 Bz −vBx<br />

Aufgrund <strong>der</strong> z-Komponente dieser Kraft wird das Elektron um den Winkel<br />

ϑ ≈ ∆pz<br />

py<br />

= −evBxT<br />

mv<br />

= − e<br />

m BxT (I.4.20)<br />

in z-Richtung abgelenkt. Eine anfängliche Ortsunsicherheit ∆x führt daher zu einer Winkelunsicherheit<br />

� � � �<br />

�<br />

δϑ ≈ �<br />

e ∂Bx � �<br />

�<br />

�m<br />

∂x � T ∆x = �<br />

e ∂Bz �<br />

�<br />

�m<br />

∂z � T ∆x . (I.4.21)<br />

Damit <strong>der</strong> Apparat die beiden Spinkomponenten trennen kann, benötigt man nun<br />

δϑ � 2ϕ, wobei <strong>der</strong> Ablenkwinkel ϕ wie in (I.4.14) durch die Inhomogenität ∂Bz<br />

∂z gegeben<br />

wird. Für g = 2 hat man also<br />

� �<br />

�<br />

ϕ ≈ �<br />

e ∂Bz �<br />

�<br />

� T<br />

�m<br />

∂z � , (I.4.22)<br />

2<br />

und somit<br />

py<br />

δϑ ≈ 2ϕ py<br />

. (I.4.23)<br />

∆px<br />

Damit <strong>der</strong> Strahl, wie vorrausgesetzt, in y-Richtung fliegt, ist py > px notwendig, also hat<br />

man schließlich δϑ > 2ϕ. Die Winkeaufweitung aufgrund <strong>der</strong> Lorentz-Kraft ist also größer,<br />

als die Winkeltrennung <strong>der</strong> beiden Spin-Komponenten. Die Lorentz-Kraft auf das Elektron<br />

” wischt den Stern-Gerlach-Effekt aus“. Daher wird das Stern-Gerlach-Experiment<br />

entwe<strong>der</strong> mit ungeladenen Atomen, o<strong>der</strong> auch mit Ionen durchgeführt. 8<br />

8 Der Lorentz-Ablenkwinkel δϑ ist umgekehrt proportional zur gesamten Ionenmasse, <strong>der</strong> Seperationswinkel<br />

ϕ dagegen umgekehrt proportional zur Elektronenmasse, sofern das magnetische Moment durch<br />

ein Elektron gegeben wird.


I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen 27<br />

I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen<br />

In <strong>der</strong> klassischen Mechanik entspricht die Drehimpulsaddition <strong>der</strong> üblichen Vektoraddition.<br />

In <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> liegt <strong>der</strong> Drehimpulsaddition eine an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Mathematik<br />

zugrunde, die in den Bereich <strong>der</strong> Gruppentheorie gehört. Das einfache Beispiel <strong>der</strong><br />

Addition zweier ” Spin 1/2“ zeigt bereits alles wesentliche und soll daher ausführlich vorab<br />

behandelt werden.<br />

Betrachtet werden also zwei Teilchen mit Spin 1/2 – z.B. ein Proton und ein Neutron,<br />

die zu einem Deuterium gebunden sind. Der Spinoperator für das erste Teilchen sei � S1,<br />

<strong>der</strong> für das zweite � S2. Dann gilt [ � S1, � S2] = 0, da sich die Operatoren auf verschiedene<br />

Teilchen beziehen. Der Zustandsraum für das Zwei-Spin-System ist <strong>der</strong> Produktraum <strong>der</strong><br />

einzelnen Zustände und damit vierdimensional. Wählt man wie üblich die z-Achse als<br />

Quantisierungsachse, hat man in einprägsamer Schreibweise die Basiszustände |↑ ↑〉, |↑ ↓〉,<br />

| ↓ ↑〉 und | ↓ ↓〉, wobei <strong>der</strong> erste Pfeil den Eigenwert <strong>von</strong> S1z und <strong>der</strong> zweite den <strong>von</strong> S2z<br />

bezeichnte.<br />

Der Gesamtspin des Systems wird nun durch den Operator � S = � S1 + � S2 beschrieben. Die<br />

Komponenten dieses Operators gehorchen den Vertauschungsrelationen<br />

[Sj, Sk] = [S1,j + S2,j, S1,k + S2,k] = [S1,j, S1,k] + [S2,j, S2,k]<br />

= i� εjkl S1,l + i� εjkl S2,l =<br />

� �<br />

i� εjkl S1,l + S2,l<br />

= i� εjkl Sl (I.5.1)<br />

und bilden damit erneut einen Drehimpulsoperator. Es lassen sich daher gemeinsame<br />

Eigenzustände |s, m〉 <strong>der</strong> Operatoren � S 2 und Sz finden (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, I.3):<br />

�S 2 |s, m〉 = � 2 s(s + 1) |s, m〉 und (I.5.2)<br />

�Sz|s, m〉 = � m |s, m〉 . (I.5.3)<br />

Das Problem <strong>der</strong> Addition“ zweier Spins besteht also darin, diese Zustände |s, m〉 als<br />

”<br />

Linearkombination <strong>der</strong> obigen Produktbasis zu finden. Nun gilt<br />

� �<br />

� �<br />

Sz | ↑↑〉 = (S1,z + S2,z) | ↑↑〉 = + | ↑↑〉 = � | ↑↑〉 , (I.5.4)<br />

2 2<br />

analog erhält man<br />

Sz | ↑↓〉 = 0 , Sz | ↓↑〉 = 0 , Sz | ↓↓〉 = −� | ↓↓〉 . (I.5.5)<br />

Damit besitzt Sz die Eigenwerte +�, −� und 0� (zweifach). Man vermutet daher, dass<br />

die beiden Spins entwe<strong>der</strong> zu einem Gesamtspin 1 koppeln können und dann ein Triplett<br />

<strong>von</strong> Zuständen bilden (s = 1, m = +1, 0, −1), o<strong>der</strong> zu einem Gesamtspin 0, <strong>der</strong> einem<br />

Singlett entspricht (s = 0, m = 0). Das wird durch folgende Rechnung bestätigt: Für die<br />

Leiteroperatoren<br />

S1± = S1x ± iS1y<br />

S2± = S2x ± iS2y (I.5.6)


I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen 28<br />

hat man (vgl. Teil I, Abschnitt <strong>II</strong>I.2)<br />

S1+ | ↑↑〉 = 0<br />

S1+ | ↓↑〉 = �<br />

usw. Außerdem gilt<br />

und daher<br />

� � �<br />

1 1<br />

+ 1 +<br />

2 2 1<br />

�<br />

−<br />

2<br />

1<br />

�<br />

+ 1 | ↑↑〉 = � | ↑↑〉 (I.5.7)<br />

2<br />

S1+S2− = S1xS2x − i S1xS2y + i S1yS2x + S1yS2y<br />

S1−S2+ = S1xS2x + i S1xS2y − i S1yS2x + S1yS2y (I.5.8)<br />

�S 2 = ( � S 2 1 + � S 2 2) 2 = � S 2 1 + � S 2 2 + 2 · � S1 · � S2<br />

= 3<br />

2 �2 + 2S1zS2z + S1+S2− + S1−S2+ . (I.5.9)<br />

Daraus folgt sofort<br />

�S 2 �<br />

3<br />

| ↑↑〉 =<br />

2 �2 + 1<br />

2 �2<br />

�<br />

| ↑↑〉 = � 2 1(1 + 1) | ↑↑〉 (I.5.10)<br />

und ebenso<br />

�S 2 | ↓↓〉 = � 2 1(1 + 1) | ↓↓〉 , (I.5.11)<br />

d.h. | ↑↑〉 = |1, 1〉 und | ↓↓〉 = |1, −1〉.<br />

Um auch den dritten Zustand |1, 0〉 des Tripletts s = 1 zu konstruieren, benutzt man die<br />

Leiteroperatoren des Gesamtspins: Es gilt für S− = S1− + S2− bekanntlich<br />

S− |s, m〉 = � � s(s + 1) − m(m − 1) |s, m〉 , (I.5.12)<br />

also erhält man bei Anwendung auf |1, 1〉 = | ↑↑〉<br />

S− | ↑↑〉 = � √ 1 · 2 − 1 · 0 |1, 0〉<br />

= S1− | ↑↑〉 + S2− | ↑↑〉<br />

= �<br />

�<br />

1 3 1<br />

· −<br />

2 2 2<br />

�<br />

− 1<br />

2<br />

Das liefert sofort die gesuchte Beziehung<br />

�<br />

| ↓↑〉 + � √ 1 | ↑↓〉 . (I.5.13)<br />

|1, 0〉 = 1<br />

√ 2 (| ↑↓〉 + | ↓↑〉) . (I.5.14)<br />

Der noch fehlende Singlett-Zustand |0, 0〉 muss dazu orthogonal sein<br />

|0, 0〉 = 1<br />

√ 2 (| ↑↓〉 − | ↓↑〉) . (I.5.15)


I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen 29<br />

Die Triplett-Zustände sind daher symmetrisch unter Teilchenaustausch, <strong>der</strong> Singlett-<br />

Zustand ist antisymmetrisch.<br />

Das wesentliche Resultat – die Kopplung <strong>von</strong> zwei Spin 1/2 liefert entwe<strong>der</strong> einen Gesamtspin<br />

1 o<strong>der</strong> einen Gesamtspin 0 – schreibt man symbolisch in <strong>der</strong> Form<br />

Da ja<br />

1 1<br />

⊗<br />

2 2<br />

= 1 ⊕ 0 . (I.5.16)<br />

�S1 · � S2 = 1<br />

2 (� S 2 − � S 2 1 − � S 2 2) = 1<br />

2 � S 2 − 3<br />

4 �2 , (I.5.17)<br />

sind die Zustände |s, m〉 auch Eigenzustände <strong>von</strong> � S1 · � S2.<br />

Für einen Triplett-Zustand gilt<br />

�S1 · � S2 |1, m〉 = 1<br />

4 �2 |1, m〉 , (I.5.18)<br />

für das Singlett dagegen<br />

Also ist<br />

�S1 · � S2 |0, 0〉 = − 3<br />

4 �2 |0, 0〉 . (I.5.19)<br />

P1 = 3<br />

4 �2 + � S1 · � S2<br />

ein Projektor auf den Triplett-Anteil,<br />

P0 = 1<br />

4 �2 − � S1 · � S2 = 1 − P1<br />

ein Projektor auf den Singlett-Anteil des Zustandsraums.<br />

Wirkt schließlich zwischen zwei Spin 1/2-Teilchen ein Spin-Potential <strong>der</strong> Form<br />

(I.5.20)<br />

(I.5.21)<br />

V = v0 � S1 · � S2 , (I.5.22)<br />

und ist es in einem Triplett-Zustand attraktiv (v0 < 0), so ist die Wechselwirkung im<br />

Singlett-Zustand dreifach stärker, jedoch repulsiv.


I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen 30<br />

I.5.1 Addition <strong>von</strong> zwei beliebigen Drehimpulsen<br />

Jetzt soll <strong>der</strong> allgemeine Fall behandelt werden: Ausgangspunkt sind zwei kontinuierliche<br />

Drehimpulsoperatoren � J1, � J2 mit den zugehörigen Eigenzuständen |ji mi〉<br />

�J 2<br />

i |ji mi〉 = � 2 ji(ji + 1) |ji mi〉<br />

Jiz |ji mi〉 = �mi |ji mi〉 (i = 1, 2) . (I.5.23)<br />

Da [ � J1, � J2] = 0, erfüllt <strong>der</strong> Operator<br />

�J = � J1 + � J2<br />

erneut die Vertauschungsregeln des Drehimpulses<br />

(I.5.24)<br />

[Jk, Jl] = i� εklm Jm . (I.5.25)<br />

Weiterhin kommutieren auch � J 2<br />

1 und � J 2<br />

2 mit � J: Z.B.<br />

[ � J 2<br />

1 , Jx] = [J 2 1x + J 2 1y + J 2 1z, J1x + J2x]<br />

= [J 2 1y + J 2 1z, J1x]<br />

= 9 J1y[J1y, J1x] + [J1y, J1x]J1y + J1z[J1z, J1x] + [J1z, J1x]J1z<br />

= i� (−J1yJ1z − J1zJ1y + J1zJ1y + J1yJ1z)<br />

= 0 . (I.5.26)<br />

Es lassen sich daher gemeinsame Eigenzustände <strong>von</strong> � J 2 , � Jz, � J 2<br />

1 und � J 2<br />

2 angeben. Diese<br />

Zustände sollen als<br />

|j m j1 j2〉 (I.5.27)<br />

bezeichnet werden<br />

�J 2 |j m j1 j2〉 = � 2 j(j + 1) |j m j1 j2〉<br />

Jz |j m j1 j2〉 = �m |j m j1 j2〉<br />

�J 2<br />

1 |j m j1 j2〉 = � 2 j1(j1 + 1) |j m j1 j2〉<br />

�J 2<br />

2 |j m j1 j2〉 = � 2 j2(j2 + 1) |j m j1 j2〉 . (I.5.28)<br />

Man beachte, dass zwar [ � J 2 , Jz] = 0, aber [ � J 2 , J1z] �= 0. Wenn j eine ” gute Quantenzahl“<br />

ist, dann auch m, nicht jedoch m1 und m2.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite hat man die Produktzustände<br />

|j1 m1 j2 m2〉 = |j1 m1〉 |j2 m2〉 , (I.5.29)<br />

9 Hierbei wurde die bekannte Kommutatorbeziehung [AB, C] = A[B, C] + [A, C]B verwendet.


I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen 31<br />

die den (2j1 + 1) · (2j2 + 1)-dimensionalen Zustandsraum für den Gesamtdrehimpuls aufspannen.<br />

Das Problem <strong>der</strong> Drehimpulsaddition“ besteht nun darin, die möglichen Wer-<br />

”<br />

te <strong>von</strong> j, m zu finden und die Zustände |j m j1 j2〉 als Linearkombination <strong>der</strong> Elemente<br />

|j1 m1 j2 m2〉 <strong>der</strong> Produktbasis anzugeben. Dafür hat man zunächst die Vollständigkeitsrelation<br />

|j m j1 j2〉 = �<br />

|j ′ 1 m1 j ′ 2 m2〉〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2 | j m j1 j2〉 . (I.5.30)<br />

j ′ 1 m1<br />

j ′ 2 m2<br />

Die in <strong>der</strong> Vollständigkeitsrelation auftretenden Entwicklungskoeffizienten, d.h. die Skalarprodukte<br />

〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2|j m j1 j2〉, werden als Clebsch-Gordan-Koeffizienten bezeichnet.<br />

Wegen<br />

und<br />

〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2| J 2 1 |j m j1 j2〉 = � 2 j ′ 1(j ′ 1 + 1)〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2 | j m j1 j2〉<br />

= � 2 j1(j1 + 1)〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2 | j m j1 j2〉 (I.5.31)<br />

〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2| Jz |j m j1 j2〉 = �(m1 + m2)〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2 | j m j1 j2〉<br />

= �m 〈j ′ 1 m1 j ′ 2 m2 | j m j1 j2〉 (I.5.32)<br />

sind diese Koeffizienten nur dann <strong>von</strong> Null verschieden, wenn j ′ 1 = j1, j ′ 2 = j2 und zusätz-<br />

lich m = m1 + m2. Die obige Entwicklung reduziert sich daher auf<br />

|j m j1 j2〉 =<br />

�<br />

|j1 m1 j2 m2〉〈j1 m1 j2 m2 | j m j1 j2〉 . (I.5.33)<br />

m1, m2<br />

(m1+m2=m)<br />

Man beachte: Der maximal mögliche Wert <strong>von</strong> m ist j1 + j2. Er tritt genau einmal auf<br />

(m1 = j1, m2 = j2). Der nächstkleinere Wert, m = j1 + j2 − 1, kommt zweimal vor<br />

(m1 = j1, m2 = j2 − 1 o<strong>der</strong> m1 = j1 − 1, m2 = j2). Es gibt daher stets soviele Zustände<br />

mit gegebenem m wie Zerlegungen <strong>der</strong> Form m = m1 + m2. Hat man z.B. j1 = 2 und<br />

j2 = 1, findet man das folgende Schema.<br />

Allgemeiner gilt<br />

m m1, m2<br />

3 2,1<br />

2 2,0 1,1<br />

1 2,-1 1,0 0,1<br />

0 1,-1 0,0 -1,1<br />

-1 0,-1 -1, 0 -2,1<br />

-2 -1,-1 -2,0<br />

-3 -2,-1<br />

Wert <strong>von</strong> m Anzahl <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />

m ≥ |j1 − j2| j1 + j2 + 1 − m<br />

−|j1 − j2| < m < |j1 − j2| j1 + j2 + 1 − |j1 − j2|<br />

m ≤ −|j1 − j2| j1 + j2 + 1 − |m|


I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen 32<br />

Um die möglichen Werte <strong>von</strong> j zu finden, kann man sich an den Werten <strong>von</strong> m orientieren.<br />

Offensichtlich ist j = j1 + j2 <strong>der</strong> maximal mögliche Wert des Gesamtdrehimpulses. Gäbe<br />

es einen größeren Wert <strong>von</strong> j, müsste auch das zugehörige m auftreten. Damit findet<br />

man im (2j1 + 1) · (2j2 + 1)-dimensionalen Zustandsraum genau ein ” Multiplett“ zum<br />

Drehimpuls j = j1 + j2, bestehend aus 2(j1 + j2) + 1 Zuständen. Der höchste verbleibende<br />

m-Wert ist nun m = j1 + j2 − 1. Er liefert genau ein Multiplett zu j = j1 + j2 − 1. Dieses<br />

Argument kann bis zu m = |j1 − j2| fortgesetzt werden und liefert jeweils ein Multiplett.<br />

Man sieht also: Ber <strong>der</strong> Kopplung zweier Drehimpulse j1 und j2 kann <strong>der</strong> resultierende<br />

Gesamtdrehimpuls j einen <strong>der</strong> Werte j1 + j2, j1 + j2 − 1, . . ., |j1 − j2| annehmen, also<br />

|j1 − j2| ≤ j ≤ j1 + j2 . (I.5.34)<br />

Jedes Multiplett tritt dabei genau einmal auf<br />

j1 ⊗ j2 =<br />

j1+j2 �<br />

|j1−j2|<br />

j . (I.5.35)<br />

Tatsächlich wird <strong>der</strong> Zustandsraum so vollständig in Teilräume zu festen j zerlegt. Da<br />

je<strong>der</strong> dieser Teilräume die Dimension (2j + 1) besitzt, hat man insgesamt<br />

�<br />

|j1−j2|<br />

j1+j2<br />

(2j + 1) = 2 j1 + j2 + |j1 − j2|<br />

2<br />

(j1 + j2 − |j1 − j2| + 1) + (j1 + j2 − |j1 − j2| + 1)<br />

= 2max (2min + 1) + 2min + 1 = (2max + 1)(2min + 1)<br />

j1,j2 j1,j2<br />

j1,j2<br />

j1,j2<br />

j1,j2<br />

= (2j1 + 1)(2j2 + 1) . (I.5.36)<br />

Der Zustandsraum wird also durch diese Zerlegung vollständig ausgeschöpft.<br />

Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten erfüllen einfache Orthogonalitätsrelationen. Da auch<br />

die Zustände |j m j1 j2〉 eine Basis bilden,hat man zunächst<br />

|j1 m1 j2 m2〉 = �<br />

|j m j1 j2〉〈j m j1 j2|j1 m1 j2 m2〉 . (I.5.37)<br />

j<br />

m=m1+m2<br />

Multiplikation <strong>von</strong> links mit 〈j1 m ′ 1 j2 m ′ 2| liefert dann sofort<br />

�<br />

j,m<br />

〈j1 m ′ 1 j2 m ′ 2|j m j1 j2〉〈j m j1 j2|j1 m1 j2 m2〉 = δm1m ′ 1 δm2m ′ 2<br />

. (I.5.38)<br />

Ebenso erhält man aus <strong>der</strong> schon benutzten Entwicklung aus Gleichung I.5.33<br />

|j m j1 j2〉 =<br />

�<br />

|j1 m1 j2 m2〉〈j1 m1 j2 m2 | j m j1 j2〉 (I.5.39)<br />

m1, m2<br />

(m1+m2=m)<br />

die Orthogonalitätsrelation<br />

�<br />

m1,m2<br />

〈j ′ m ′ j1 j2|j1 m1 j2 m2〉〈j1 m1 j2 m2|j m j1 j2〉 = δj j ′ δm m ′ . (I.5.40)


I.5 Addition <strong>von</strong> Drehimpulsen 33<br />

Da die Clebsch-Gordan-Koeffizienten reell gewählt werden können, folgt daraus für j = j ′ ,<br />

m = m ′<br />

�<br />

〈j m j1 j2|j1 m1 j2 m2〉 2 = 1 . (I.5.41)<br />

m1,m2<br />

Um die Clebsch-Gordan-Koeffizienten konkret zu berechnen, benutzt man die Leiteroperatoren<br />

J± = J1± + J2±. Durch ” Anwendung nach rechts“ findet man<br />

〈j1 m1 j2 m2|J±|j m j1 j2〉 = � � j(j + 1) − m(m ± 1) 〈j1 m1 j2 m2|j m±1 j1 j2〉 . (I.5.42)<br />

An<strong>der</strong>erseits ist J + ± = J∓ = J1∓ + J2∓. Durch ” Anwendung nach links“ ergibt sich daher<br />

〈j1 m1 j2 m2|J1∓ + J2∓|j m j1 j2〉<br />

= � � j1(j1 + 1) − m1(m1 ∓ 1) 〈j1 m1∓1 j2 m2|j m j1 j2〉<br />

+ � � j2(j2 + 1) − m2(m2 ∓ 1) 〈j1 m1 j2 m2∓1|j m j1 j2〉 . (I.5.43)<br />

Gleichsetzen bei<strong>der</strong> Ausdrücke liefert die Rekursionsrelation<br />

� j(j + 1) − m(m ± 1) 〈j1 m1 j2 m2|j m±1 j1 j2〉<br />

= � j1(j1 + 1) − m1(m1 ∓ 1) 〈j1 m1∓1 j2 m2|j m j1 j2〉<br />

+ � j2(j2 + 1) − m2(m2 ∓ 1) 〈j1 m1 j2 m2∓1|j m j1 j2〉 , (I.5.44)<br />

mit <strong>der</strong>en Hilfe man alle Koeffizienten bestimmen kann, wenn man zusätzlich noch die<br />

Normierungsrelation (vgl. Gleichung I.5.41) berücksichtig.<br />

Beispiel: Für j1 = 4 und j2 = 3 sind die Clebsch-Gordan-Koeffizienten zu j = 5<br />

gesucht. Die möglichen Werte <strong>von</strong> m1 und m2 bilden dann das Gitter in Abbildung I.7.<br />

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�<br />

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Abbildung I.7: Gitter <strong>der</strong> möglichen Werte <strong>von</strong> m1 und m2<br />

Die beiden Ecken in dieser Abbildung müssen ausgespart werden, da sonst m1 + m2 nicht<br />

mit j = 5 verträglich wäre!<br />

Auf diesem Gitter verbinden die obigen Rekursionsrelationen Punkte auf Dreiecken in <strong>der</strong><br />

Form, wie in Abbildung I.8 dargestellt.


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 34<br />

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�¡� ©¨ ¢¡���¥§ ©¨<br />

Abbildung I.8: Dreiecke zur Bestimmung <strong>der</strong> Punkte des Gitters mittels Rekursionsrelationen<br />

Sind zwei <strong>der</strong> Eckpunkte bekannt, kann man den dritten berechnen.<br />

Wählt man die Phase <strong>von</strong> |j j j1 j2〉 geeignet, kann <strong>der</strong> ” Startpunkt“ 〈j1 j1 j2 j−j1|j j j1 j2〉<br />

als positiv vorausgesetzt werden. Auf dem rechten Rand des Gitters gilt dann m1 = j1.<br />

Ausgehend vom Startpunkt kann man die rechte Spalte des Gitter mit<br />

� j(j + 1) − m(m − 1) 〈j1 j1 j2 m2|j m−1 j1 j2〉<br />

= � j2(j2 + 1) − m2(m2 − 1) 〈j1 j1 j2 m2+1|j m j1 j2〉 (I.5.45)<br />

erhalten. Mit Hilfe <strong>der</strong> vollen Rekursionsrelationen lassen sich dann alle Gitterpunkte auf<br />

den Startpunkt zurückführen. Um schließlich den Startpunkt selbst festzulegen, <strong>der</strong> per<br />

Konvention reell und positiv sein soll, benutzt man schließlich die Normierungsrelation<br />

aus Gleichung I.5.41, d.h.<br />

�<br />

〈j m j1 j2|j1 m1 j2 m2〉 2 = 1 . (I.5.46)<br />

m1,m2<br />

Da die Berechnung <strong>der</strong> Clebsch-Gordan-Koeffizienten offensichtlich meist sehr mühsam<br />

ist, sind sie in tabellierter Form zu finden. Anstelle dieser Koeffizienten verwendet man<br />

häufig auch das Wignersche 3j-Symbol<br />

� j1 j2 j3<br />

m1 m2 m3<br />

�<br />

= (−1)j1−j2−m3<br />

√<br />

2j3 + 1 〈j1 m1 j2 m2|j3 −m3 j1 j2〉 . (I.5.47)<br />

I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition<br />

I.6.1 Addition eines Spin 1<br />

2<br />

und eines Bahndrehimpulses l<br />

Ein überschaubares (und wichtiges) Beispiel für die Drehimpulsgymnastik“ liefert die<br />

”<br />

Addition eines Spin 1 und eines Bahndrehimpulses l.<br />

2<br />

Der einfachste Fall ergibt sich für l = 0: Für j1 = 1<br />

2 , j2 = l = 0 ist nur j = 1 möglich, und<br />

2<br />

Für j1 = 1<br />

〈 1<br />

2 m1 0 0| 1<br />

2<br />

m 1<br />

2 0〉 = δm1 m . (I.6.1)<br />

2 , j2 = l �= 0 hat man die beiden Möglichkeiten j = l ± 1.<br />

Offensichtlich ist<br />

2<br />

| 1<br />

2 m1 = 1<br />

2 l m2 =l〉 = |l+ 1<br />

2<br />

l+ 1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

l〉 . (I.6.2)


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 35<br />

Um nun den Zustand |l+ 1 1 m l〉 in <strong>der</strong> Produktbasis darzustellen (d.h. um die Clebsch-<br />

2 2<br />

Gordan-Koeffizienten dieses Zustands zu berechnen), wird auf diese Gleichung <strong>der</strong> Leite-<br />

− m)-fach angewandt. Dabei benutzt man<br />

roperator L− + S− = J− (l + 1<br />

2<br />

J−|j m〉 = � � j(j + 1) − m(m − 1) |j m−1〉<br />

Das liefert nun<br />

= � � (j + 1 − m)(j + m) |j m−1〉 . (I.6.3)<br />

1<br />

l+<br />

(J−) 2 −m |l+ 1<br />

2<br />

1<br />

l+<br />

= � 2 −m<br />

1<br />

l+<br />

= � 2 −m<br />

�<br />

�<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist<br />

l+ 1<br />

2<br />

1<br />

2 l〉<br />

(l + 1<br />

(2l + 1)!<br />

− m)! 2 (2l + 1 − l − 1<br />

1 |l+ 2 + m)! 2<br />

(2l + 1)!<br />

1 (l + − m)! 2<br />

(l + 1<br />

2<br />

+ m)! |l+ 1<br />

2<br />

m 1<br />

2<br />

m 1<br />

2 l〉<br />

l〉 . (I.6.4)<br />

J n − = (L− + S−) n = L n − + nL n−1<br />

− S− , (I.6.5)<br />

da ja S2 − = 0. Daher ist zunächst L− (l − 1 − m)-fach anzuwenden:<br />

2<br />

1<br />

l−<br />

(L−) 2 −m | 1<br />

1<br />

l−<br />

= � 2 −m<br />

1<br />

l−<br />

= � 2 −m<br />

Nun ist schließlich<br />

und<br />

S− | 1<br />

2<br />

L−| 1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

�<br />

�<br />

2<br />

1<br />

2<br />

l l〉<br />

(l − 1 − m)! 2<br />

(2l)!<br />

1 l m+ 〉 = �<br />

2<br />

1 (l − − m)! 2<br />

(l + 1<br />

2<br />

= � | 1<br />

2<br />

(2l)!<br />

(2l − l + 1<br />

1 | 2 + m)! 2<br />

+ m)! | 1<br />

2<br />

�<br />

1 3 1 · − 2 2 2<br />

− 1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

l m+ 1<br />

2 〉<br />

1 l m+ 〉 . (I.6.6)<br />

2<br />

1 1 · (− ) | 2 2<br />

− 1<br />

2<br />

�<br />

1 l m+ 〉 = � (l + 2 1<br />

1 1<br />

− m)(l + + m) | 2 2 2<br />

l m+ 1<br />

2 〉<br />

1 l m+ 〉 (I.6.7)<br />

2<br />

Die Zusammenfassung aller Beiträge liefert daher<br />

|l+ 1 1 m l〉 2 2 =<br />

�<br />

1<br />

(2l + 1)(l + 1<br />

�<br />

(l +<br />

− m) 2 1 1 − m) | 2 2<br />

�<br />

+ (l + 1<br />

1 1<br />

− m)(l + + m) | 2 2 2<br />

1 1 l m− 2 2 〉<br />

�<br />

1<br />

2<br />

1 l m− 〉 . (I.6.8)<br />

2<br />

− 1<br />

2<br />

l m+ 1<br />

2 〉<br />

(I.6.9)


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 36<br />

o<strong>der</strong><br />

|l+ 1<br />

2<br />

m 1<br />

2<br />

l〉 =<br />

+<br />

�<br />

l + 1 − m 2<br />

2l + 1<br />

| 1<br />

2<br />

�<br />

l + 1 + m 2 |<br />

2l + 1<br />

1<br />

2<br />

− 1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

l m+ 1<br />

2 〉<br />

1 l m− 〉 . (I.6.10)<br />

2<br />

Diese Zustandsvektoren spannen das (2l + 2)-dimensionale Multiplett zu j = l + 1<br />

2 auf.<br />

Das orthogonale Komplement im (4l+2)-dimensionalen Zustandsraum wird offensichtlich<br />

<strong>von</strong> den 2l Zuständen<br />

�<br />

l + 1 + m 2 |<br />

2l + 1<br />

1<br />

2<br />

− 1<br />

2<br />

1 l m+ 〉 − 2<br />

�<br />

l + 1 − m 2 |<br />

2l + 1<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

1 l m− 〉 (I.6.11)<br />

2<br />

aufgespannt. Diese Zustände bilden das Multiplett zu j = l − 1 und können daher mit<br />

2<br />

den Zuständen<br />

|l− 1<br />

2<br />

m 1<br />

2<br />

l〉 (I.6.12)<br />

identifiziert werden. Die Anwendung <strong>von</strong><br />

�J 2 = � L 2 + � S 2 + 2LzSz + L+S− + L−S+<br />

liefert nämlich nach Division durch � 2<br />

�<br />

l + 1 + m 2<br />

2l + 1<br />

�<br />

l + 1<br />

2<br />

� l(l + 1) + 3<br />

4<br />

�<br />

1 1 − m − | 2 2<br />

− 1<br />

2<br />

l m+ 1<br />

2 〉<br />

(I.6.13)<br />

+<br />

+ m<br />

�<br />

l(l + 1) − (m +<br />

2l + 1<br />

1 1 1 1 1<br />

)(m − ) | l m− 2 2 2 2 2 〉<br />

�<br />

−<br />

l + 1 − m � �<br />

2 3<br />

1 1 1 1<br />

l(l + 1) + + m − | l m− 4 2 2 2 2 2l + 1<br />

〉<br />

−<br />

�<br />

l + 1 − m<br />

�<br />

2 l(l + 1) − (m −<br />

2l + 1<br />

1 1 1 1 1<br />

)(m + ) | − l m+ 〉 . 2 2 2 2 2 (I.6.14)<br />

Die Zusammenfassung <strong>der</strong> 1. und 4. Zeile ergibt<br />

| 1<br />

2<br />

= | 1<br />

2<br />

− 1<br />

2<br />

1 l m+ 2 〉<br />

�<br />

l + 1 + m 2<br />

�<br />

· l 2 + l − m + 1<br />

4 −<br />

− 1<br />

2<br />

l m+ 1<br />

2 〉<br />

2l + 1<br />

�<br />

l + 1 − m 2<br />

l + 1<br />

2<br />

�<br />

l + 1 + m 2<br />

+ m<br />

�<br />

(l + 1<br />

�<br />

1 + m)(l + − m)<br />

2 2<br />

2l + 1 (l2 − 1)<br />

. (I.6.15)<br />

4


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 37<br />

Die Zusammenfassung <strong>der</strong> 2. und 3. Zeile liefert<br />

−| 1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

1 l m− 2 〉<br />

�<br />

l + 1 − m 2<br />

�<br />

· l 2 + l + m + 1<br />

4 −<br />

= −| 1<br />

2<br />

− 1<br />

2<br />

l m− 1<br />

2 〉<br />

2l + 1<br />

�<br />

l + 1 + m 2<br />

l + 1<br />

2<br />

− m<br />

�<br />

l + 1 − m 2<br />

�<br />

(l + 1<br />

�<br />

1 + m)(l + − m)<br />

2 2<br />

2l + 1 (l2 − 1)<br />

. (I.6.16)<br />

4<br />

Damit ist die angegebene Linearkombination die Eigenfunktion <strong>von</strong> � J 2 zum Eigenwert<br />

�2 (l2 − 1<br />

4 ) = �2 (l − 1 1<br />

1<br />

)(l + ), beschreibt also das Multiplett zu j = l − 2 2 2 .<br />

Damit sind nun auch alle Clebsch-Gordan-Koeffizienten für j1 = 1<br />

2 und j2 = l bekannt.<br />

l + 1<br />

2<br />

l − 1<br />

2<br />

m1 = − 1<br />

� 2<br />

1<br />

l+ 2 −m<br />

2l+1<br />

�<br />

1<br />

l+ 2 +m<br />

2l+1<br />

m1 = + 1<br />

� 2<br />

1<br />

l+ 2 +m<br />

2l+1<br />

�<br />

1<br />

l+ 2 −<br />

−m<br />

2l+1<br />

I.6.2 Energieaufspaltung durch die Spin-Bahn-Kopplung<br />

Die Eigenfunktionen |j m l 1<br />

2 〉 zum Gesamtdrehimpuls � J = � L + � S sind auch Eigenfunktionen<br />

<strong>von</strong> � L · � S, denn<br />

�J 2 = � L 2 + � S 2 + 2 � L · � S ⇒ � L · � S = � J 2 − � L 2 − � S 2 . (I.6.17)<br />

Das bedeutet<br />

�L · � S |j m l 1<br />

2<br />

für j = l + 1<br />

2 also<br />

〉 = �2<br />

2<br />

�L · � S |j m l 1<br />

2 〉 = �2 l<br />

2<br />

für j = l − 1<br />

2 dagegen<br />

�L · � S |j m l 1<br />

2 〉 = −�2 (l + 1)<br />

2<br />

� j(j + 1) − l(l + 1) − 3<br />

4<br />

�<br />

1 |j m l 〉 , (I.6.18)<br />

2<br />

1 |j m l 〉 , (I.6.19)<br />

2<br />

|j m l 1〉<br />

. (I.6.20)<br />

2<br />

Damit läßt sich nun eine Voraussage über die Spin-Bahn-Aufspaltung beim Wasserstoffatom<br />

machen. Der Operator (vgl. Gleichung (I.2.28))<br />

HSpin-Bahn = 1<br />

2mc 2<br />

1<br />

r<br />

dV<br />

dr � L · � S = 1<br />

2mc 2<br />

e 2<br />

4πε0<br />

1<br />

r 3 � L · � S (I.6.21)


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 38<br />

führt in erster Ordnung auf die in Abbildung I.9 dargestellten Energiekorrekturen<br />

∆E l+ 1<br />

2<br />

= l ζnl bzw. ∆E l− 1<br />

2<br />

0<br />

= −(l + 1) ζnl , (I.6.22)<br />

wobei <strong>der</strong> Spin-Bahn-Parameter<br />

ζnl = �2<br />

2mc2 e2 4πε0<br />

� ∞<br />

Rnl(r) 1<br />

r3 Rnl(r) r 2 dr (I.6.23)<br />

durch die Radialfunktionen Rnl(r) des Waserstoffatoms gegeben wird (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong><br />

I, <strong>II</strong>I.5).<br />

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Abbildung I.9: Aufspaltung <strong>der</strong> Energieniveaus in erster Ordnung durch die Spin-Bahn-<br />

Kopplung gemäß Gleichung (I.6.22)<br />

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Abbildung I.10: Spin-Bahn-Aufspaltung <strong>der</strong> 2p-Niveaus im Wasserstoffatom<br />

Abbildung I.10 zeigt die konkrete Aufspaltung <strong>der</strong> 2p-Zustände beim Wasserstoffatom.<br />

Ohne angelegtes Magnetfeld sind die Zustände (2j + 1)-fach entartet.<br />

Dieses Beispiel verdeutlicht einen allgemeinen Zusammenhang. Der ” Linienschwerpunkt“<br />

wird durch die Aufspaltung nicht verschoben, d.h. <strong>der</strong> mit dem Grad <strong>der</strong> Entartung<br />

gewichtetet Mittelwert <strong>der</strong> Aufspaltungsenergien ∆Ej ist Null:<br />

l � 2(l + 1<br />

2 ) + 1� − (l + 1) � 2(l − 1<br />

2 ) + 1� = l(2l + 2) − (l + 1)2l = 0 . (I.6.24)<br />

Dieser Zusammenhang ist ein Beispiel für eine Summenregel


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 39<br />

Allerdings sieht das tatsächliche Niveauschema an<strong>der</strong>s aus, da die Spin-Bahn-Energie die<br />

gleiche Größenordnung besitzt, wie die weiteren relativistischen Korrekturen. Die Dirac-<br />

Gleichung liefert für die Energie eines Zustandes mit den Quantenzahlen n und j den<br />

Ausdruck<br />

Enj = En<br />

�<br />

1 + α2<br />

�<br />

1<br />

n j + 1<br />

2<br />

− 3<br />

��<br />

4n<br />

(I.6.25)<br />

2 α2<br />

mit En = −mc 2n2 (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, <strong>II</strong>I.5). Insbeson<strong>der</strong>e sind dann nach <strong>der</strong><br />

Dirac-<strong>Theorie</strong> Zustände mit gleichem j entartet. Für die Wasserstoffzustände mit n = 2<br />

erhält man ein Feinstrukturschema wie in Abbildung I.11.<br />

Auch die Quantenelektrodynamik hinterläßt im Wasserstoff-Spektrum ihre Spuren. Die<br />

Vakuumpolarisation, die einer Schwächung des Coulomb-Feldes entspricht, ist in Kernnähe<br />

am größten. Daher ist <strong>der</strong> 2s1/2-Zustand tatsächlich weniger stark gebunden, als <strong>der</strong><br />

2p1/2-Zustand – die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in Kernnähe ist schließlich größer. Die<br />

resultierende Aufspaltung des Zustandspaares 2s1/2 − 2p1/2 beträgt 4, 4 · 10 −6 eV (siehe<br />

letzte Aufspaltung in Abbildung I.11). Die Präzisionsmessung dieses Lamb-Shift ist neben<br />

<strong>der</strong> Messung <strong>von</strong> g−2 die wichtigste experimentelle Stütze <strong>der</strong> Quantenelektrodynamik.<br />

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Abbildung I.11: Absenkung <strong>der</strong> Niveaus im Wasserstoff durch relativistische Korrekturen<br />

und Lamb-Shift für das Zustandspaar 2s1/2-2p1/2<br />

I.6.3 Streuung eines Pions an einem Proton<br />

Eine weitere Anwendung <strong>der</strong> Addition eines Spin 1 und eines Bahndrehimpulses ergibt<br />

2<br />

sich bei <strong>der</strong> Streuung eines spinlosen Teilchens an einem Teilchen mit Spin 1,<br />

also z.B. bei<br />

2<br />

<strong>der</strong> Streuung eines π (Spin 0) an einem Proton (Spin 1).<br />

Der Bahndrehimpuls wird dann<br />

2<br />

durch die Relativbewegung <strong>der</strong> beiden Stoßpartner bestimmt. Die ein- und auslaufenden<br />

Streuzustände (d.h. die Zustände des π-p-Systems lange vor“ bzw. lange nach“ dem<br />

” ”<br />

Stoß) beschreibt man am einfachsten in <strong>der</strong> Produktbasis als |s ms l ml〉. Der Hamilton-<br />

Operator HI im Wechselwirkungsbild, <strong>der</strong> die starke Wechselwirkung und damit den eigentlichen<br />

Streuprozeß beschreibt, ist rotationsinvariant und kommutiert daher mit dem


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 40<br />

Gesamtdrehimpuls � J = � L + � S:<br />

[HI, � J] = 0 , (I.6.26)<br />

so dass <strong>der</strong> Gesamtdrehimpuls erhalten bleibt. Der Spin des Protons kann sich dagegen<br />

umkehren, wenn sich gleichzeitig <strong>der</strong> Bahndrehimpuls än<strong>der</strong>t. Daher beschreibt man den<br />

Streuprozeß in <strong>der</strong> Summenbasis |j m s l〉 mit Hilfe <strong>der</strong> Matrixelemente<br />

〈j ′ m ′ s l ′ | HI |j m s l〉 . (I.6.27)<br />

Da HI mit Jz vertauscht, hat man<br />

0 = 〈j ′ m ′ s l ′ | HI Jz − Jz HI |j m s l〉<br />

= �(m − m ′ ) 〈j ′ m ′ s l ′ | HI |j m s l〉 (I.6.28)<br />

und daher m = m ′ . Ebenso folgt j = j ′ aus [HI, � J 2 ] = 0. Die Wechselwirkung ” verbindet“<br />

also nur Zustände mit gleichem m und j.<br />

Schließlich führt ein gegebener Anfangsimpuls l auf j = l ± 1.<br />

Ein gegebener Wert <strong>von</strong><br />

2<br />

j führt auf einen Ausgangsdrehimpuls l ′ = j ± 1.<br />

Daher sind nur Streuprozesse mit<br />

2<br />

l ′ = l − 1, l, l + 1 möglich. Ein Zustand mit Relativ-Bahndrehimpuls l hat jedoch die<br />

Parität (−1) l , so dass die Prozesse l → l ± 1 einem Paritätswechsel entsprechen. Da aber<br />

die starke Wechselwirkung paritätsinvariant ist, können diese Prozesse nicht auftreten.<br />

Die einzigen nichtverschwindenden Matrixelemente in <strong>der</strong> Summenbasis sind damit die<br />

Diagonalelemente 〈j m s l| HI |j m s l〉. Da diese Matrixelemente wegeb <strong>der</strong> Rotationsinvarianz<br />

<strong>von</strong> HI nicht <strong>von</strong> <strong>der</strong> orientierung des Koordinatensystems und damit <strong>von</strong> m<br />

abhängen können, haben sie die Form<br />

〈j m s l| HI |j m s l〉 = R(j, l) . (I.6.29)<br />

Um nun einen Übergang vom anfangs präparierten Produktzustand |s ms l ml〉 in einen<br />

ausgangsseitig gemessenen Endzustand |s m ′ s l ′ m ′ Matrixelemente<br />

l 〉 zu beschreiben, benötigt man die<br />

= �<br />

〈s m ′ s l ′ m ′ l| HI |s ms l ml〉<br />

j,m<br />

j ′ ,m ′<br />

〈s m ′ s l ′ m ′ l|j ′ m ′ s l ′ 〉〈j ′ m ′ s l ′ | HI |j m s l〉〈j m s l|s ms l ml〉<br />

= δl,l ′ δml+ms,m ′ l +m′ s<br />

�<br />

j=l± 1<br />

2<br />

〈s m ′ s l m ′ l|j ′ m s l〉〈j m s l|s ms l ml〉 · R(j, l) . (I.6.30)<br />

Für gegebenen Drehimpuls l enthält das Streumatrixelement einen dynamischen“ An-<br />

”<br />

teil, <strong>der</strong> lediglich Clebsch-Gordan-Koeffizienten und damit keine Informationen über HI<br />

enthält, sowie die beiden Zahlen R(j, l), die die Wechselwirkung für die beiden Kanäle<br />

j = l± 1 beschreiben. Um also aus den gemessenen Matrixelementen tatsächlich Aufschluß<br />

2<br />

über die starke Wechselwirkung zu erhalten, muß diese eigentlich relevante Information<br />

<strong>von</strong> den – letztlich trivialen – Clebsch-Gordan-Koeffizienten absepariert werden.


I.6 Verschiedene Anwendungen <strong>der</strong> Drehimpulsaddition 41<br />

I.6.4 Addition <strong>von</strong> drei Drehimpulsen<br />

Schließlich soll noch die Addition <strong>von</strong> drei Drehimpulsen behandelt werden. Gegeben sind<br />

die Drehimpulsoperatoren � J1, � J2 und � J3 mit ihren Eigenzuständen |ji mi〉 (i = 1, 2, 3).<br />

Gesucht sind gemeinsame Eigenzustände <strong>von</strong> � J 2 = ( � J1 + � J2 + � J3) 2 und Jz = J1z +J2z +J3z.<br />

Ausgangspunkt ist die Produktbasis<br />

|j1 m1 j2 m2 j3 m3〉 = |j1 m1〉|j2 m2〉|j3 m3〉 . (I.6.31)<br />

Koppelt man zunächst wie üblich � J1 und � J2 zu einem Zwischenwert � J12 – wobei � J3 unbeteiligter<br />

” Zuschauer“ ist – so hat man<br />

=<br />

=<br />

|j12 m12 j1 j2 ; j3 m3〉<br />

�<br />

|j1 m1 j2 m2 j3 m3〉〈j1 m1 j2 m2 j3 m3|j12 m12 j1 j2 ; j3 m3〉<br />

m 1 ,m 2<br />

m 1 +m 2 =m 12<br />

�<br />

m 1 ,m 2<br />

m 1 +m 2 =m 12<br />

|j1 m1 j2 m2 j3 m3〉〈j1 m1 j2 m2|j12 m12 j1 j2〉 . (I.6.32)<br />

Im zweiten Schritt werden dann � J12 und � J3 gekoppelt. Man erhält dann die Zustände<br />

=<br />

|j m (j1 j2) j3 j12〉<br />

�<br />

|j12 m12 j1 j2 ; j3 m3〉〈j12 m12 j3 m3|j m j3 j12〉 (I.6.33)<br />

m 12 ,m 3<br />

m 12 +m 3 =m<br />

mit den Eltern j3 und j12 und den Großeltern j1 und j2. Insgesamt hat man daher<br />

|j m (j1 j2) j3 j12〉 = �<br />

|j1 m1 j2 m2 j3 m3〉<br />

m1,m2,m3<br />

· �<br />

〈j1 m1 j2 m2|j12 m12 j1 j2〉 〈j12 m12 j3 m3|j m j3 j12〉 . (I.6.34)<br />

m12<br />

Die Additionskoeffizienten sind also hier Summen über Produkte <strong>von</strong> Clebsch-Gordan-<br />

Koeffizienten.<br />

Die Tatsache, dass j12 im Resultat als gute Quantenzahl“ auftaucht, zeigt, dass die<br />

”<br />

Reihenfolge <strong>der</strong> Kopplungen wesentlich ist. Die quantenmechanische Drehimpulsaddition<br />

ist nicht assoziativ.<br />

Koppelt man z.B. zuerst � J2 und � J3, wird das Resultat durch die Drehimpulsquantenzahl<br />

j23 zu � J2 + � J3 charakterisiert:<br />

|j m j1 (j2 j3) j23〉 = �<br />

|j1 m1 j2 m2 j3 m3〉<br />

m1,m2,m3<br />

· �<br />

〈j2 m2 j3 m3|j23 m23 j2 j3〉 〈j1 m1 j23 m23|j m j1 j23〉 . (I.6.35)<br />

m23


I.7 Der Isospin 42<br />

Um die beiden Typen <strong>von</strong> Zuständen ineinan<strong>der</strong> umzurechnen (also ” die Drehimpulse<br />

umzukoppeln“), benötigt man die Koeffizienten 〈j m (j1 j2) j3 j12|j m j1 (j2 j3) j23〉,<br />

die sich offenbar durch Summen über Produkte <strong>von</strong> vier Clebsch-Gordan-Koeffizienten<br />

ausdrücken lassen. Diese ” Umkoppelungskoeffizienten“ sind (mit kleinen Än<strong>der</strong>ungen) als<br />

Racah-Koeffizienten bzw. als Wignersche 6j-Symbole tabelliert worden.<br />

Diese grundsätzlichen Überlegungen sind in <strong>der</strong> Atomphysik <strong>von</strong> erheblicher Bedeutung:<br />

Ist nämlich in einem Mehrelektronen-Atom die Coulomb-Wechselverschiebung viel größer<br />

als die Spin-Bahn-Wechselwirkung, koppeln zunächst alle Bahndrehimpulse,<br />

�L = �<br />

�Li<br />

(I.6.36)<br />

i<br />

und alle Spins,<br />

�S = �<br />

�Si , (I.6.37)<br />

i<br />

so dass dann die Gesamtdrehimpulsquantenzahl l und <strong>der</strong> Gesamtspin s gute Quantenzahlen<br />

sind. Dieser Fall ist in leichten Atomen realisiert und wird als L-S-Kopplung o<strong>der</strong><br />

auch als Russel-Saun<strong>der</strong>s-Kopplung bezeichnet. Wenn dagegen die Spin-Bahn-Kopplung<br />

die L- und S-abhängigen Teile <strong>der</strong> Coulomb-Energie dominiert, koppeln Bahndrehimpuls<br />

und Spin eines jeden einzelnen Elektrons zu<br />

�Ji = � Li · � Si . (I.6.38)<br />

Der Gesamtdrehimpuls des Atoms wird dann aus den � Ji zusammengesetzt. In diesem Fall<br />

spricht man <strong>von</strong> j-j-Kopplung, diese ist in schweren Atomen näherungsweise realisiert.<br />

I.7 Der Isospin<br />

Zwar verhalten sich das positive Proton und das elektrisch neutrale Neutron im Hinblick<br />

auf die elektronmagnetische Wechselwirkung sehr verschieden, im Hinblick auf die starke<br />

Wechselwirkung, die bei kleinen Abständen um Größenordnungen überwiegt, jedoch<br />

praktisch gleich. Man kann daher – zunächst hypotetisch – Proton und Neutron als zwei<br />

verschiedene Zustände ein- und desselben Teilchen auffassen, das Nukleon. Das Nukleon<br />

muss demnach über einen inneren Freiheitsgrad verfügen, <strong>der</strong> wie <strong>der</strong> Spin nur zwei Werte<br />

annehmen kann und daher als Isospin bezeichnet wird. Der Isospin up“-Zustand des<br />

”<br />

Nukleons sei das Proton |p〉, <strong>der</strong> Isospin down“-Zustand das Neutron |n〉.<br />

”<br />

Der Hypothese nach ist <strong>der</strong> Isospin-Operator � I(N) ein Vektoroperator, dessen drei Komponentenden<br />

Drehimpuls-Vertauschungsrelationen gehorchen<br />

� �<br />

I(N), k, I(N), l = iεklmI(N), m . (I.7.1)


I.7 Der Isospin 43<br />

Da dem Nukleon die Isospin-Quantenzahl i = 1<br />

2<br />

�I 2<br />

(N) |p〉 = 1<br />

2<br />

� 1<br />

2 + 1� |p〉<br />

2 |p〉<br />

zugeordnet ist, hat man weiter<br />

I(N), 3 |p〉 = 1<br />

�I 2<br />

(N) |n〉 = 1<br />

�<br />

1<br />

2 2 + 1� |n〉<br />

I(N), 3 |n〉 = 1 |n〉 2 (I.7.2)<br />

Für die üblichen Leiteroperatoren � I(N), ± = � I(N), 1 ± i � I(N), 2 gilt folglich<br />

I(N), + |p〉 = 0<br />

I(N), + |n〉 = |p〉<br />

I(N), − |p〉 = |n〉<br />

I(N), − |n〉 = 0 . (I.7.3)<br />

Schließlich kann man den Ladungsoperator Q(N) = I(N), 3 + 1<br />

2 einführen<br />

Q(N) |p〉 = |p〉<br />

Q(N) |n〉 = 0 . (I.7.4)<br />

Bis hierher sind diese Definitionen jedoch rein formaler Natur. Noch ist es unklar, ob die<br />

Größe ” Isospin“ auch physikalische Bedeutung besitzt. Um diese Frage zu beantworten,<br />

werden jetzt neben dem Isospin-Dublett ” Nukleon“ die drei Pionen betrachtet, die in<br />

konsequenter Fortsetzung des Isospin-Gedankens ein Isospin-Triplett bilden müssen. Man<br />

beschreibt also die drei Teilchen π + , π 0 , π − durch drei Zustände |π + 〉, |π 0 〉 und |π − 〉, die<br />

gemeinsame Eigenzustände <strong>der</strong> Isospin-Operatoren � I 2<br />

(π) und � I(N), 3 sein sollen:<br />

�I 2<br />

+ +<br />

0<br />

0<br />

(π) |π − 〉 = 1(1 + 1) |π − 〉<br />

�I(π), 3 |π + 〉 = + |π + 〉<br />

�I(π), 3 |π 0 〉 = 0<br />

�I(π), 3 |π − 〉 = − |π + 〉 . (I.7.5)<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> Leiteroperatoren � I(π), ± = � I(π), 1±i � I(π), 2 lassen sich diese Zustände ineinan<strong>der</strong><br />

überführen. Z.B. ist<br />

�I(π), ±|π 0 〉 = � 1(1 + 1) − 0(0 ± 1) |π ± 〉 = √ 2|π ± 〉 . (I.7.6)<br />

In einem Pion-Nukleon-Streuexperiment wirkt die starke Wechselwirkung, beschrieben<br />

durch einen Hamilton-Operator HI zwischen den beiden Teilchen. Die Experimente zeigen<br />

die Ladungsunabhängigkeit <strong>der</strong> starken Wechselwirkung: Wenn die starke Wechselwirkung<br />

zwischen Teilchen wirkt, die sich in einem Zustand mit definiertem Gesamt-Isospin<br />

befinden, dann ist sie unabhängig <strong>von</strong> <strong>der</strong> Ladung des Zustandes und erhält den Gesamt-<br />

Isospin<br />

[HI, � I] = 0 . (I.7.7)


I.7 Der Isospin 44<br />

Man wird daher die asymptotischen Zustände in einem solchen Streuexperiment in <strong>der</strong><br />

Produktbasis |1 , i(π), 3〉| 1<br />

2 , i(N), 3〉 beschrieben, den eigentlichen Wechselwirkungsprozess<br />

dagegen in einer Summenbasis zum Gesamt-Isospin<br />

�I = � I(π) � I(N) . (I.7.8)<br />

Da � I(π) und � I(N) Drehimpuls-Eigenschaften besitzen sollen, lässt sich die Summenbasis<br />

sofort mit Hilfe <strong>der</strong> Clebsch-Gordan-Koeffizienten konstruieren<br />

|i i3〉 =<br />

�<br />

〉 . (I.7.9)<br />

i (π), 3 , i (N), 3<br />

|1 i(π), 3 1<br />

2 i(N), 3〉〈1 i(π), 3 1<br />

2 i(N), 3|i i3 1 1<br />

2<br />

Schreibt man kurz |π + p〉 für |1 i(π), 3 = 1 1<br />

Clebsch-Gordan-Koeffizienten für i = 3<br />

2 sofort<br />

| 3<br />

2<br />

| 3<br />

2<br />

| 3<br />

2<br />

| 3<br />

2<br />

3<br />

2 〉 = |π+ p〉<br />

1〉<br />

= 2<br />

1 − 〉 = 2<br />

� 1<br />

� 2<br />

3 |π+ n〉 + 3 |π0 p〉<br />

�<br />

1<br />

3 |π− �<br />

2 p〉 + 3 |π0 n〉<br />

2 i(N), 3 = 1<br />

2<br />

〉, usw., liefert die Auswertung <strong>der</strong><br />

− 3<br />

2 〉 = |π− n〉 , (I.7.10)<br />

für den an<strong>der</strong>en möglichen Wert i = 1<br />

2<br />

| 1<br />

2<br />

| 1<br />

2<br />

1〉<br />

= 2<br />

1 − 〉 = 2<br />

� 2<br />

� 2<br />

findet man<br />

3 |π+ n〉 + 3 |π0 p〉<br />

�<br />

1<br />

3 |π0 �<br />

2 n〉 + 3 |π− p〉 . (I.7.11)<br />

Dabei entspricht z.B. | 3 1〉<br />

einem Zustand, in dem man mit einer Wahrscheinlichkeit<br />

2 2<br />

<strong>von</strong> 1<br />

3 ein π+ und ein n und mit einer Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> 2<br />

3 ein π0 und ein p findet.<br />

Die Inversion dieser Beziehungen erlaubt es dann, Zustände mit festem Teilchengehalt“<br />

”<br />

durch Zustände mit festem Isospin auszudrücken:<br />

|π + p〉 = | 3<br />

|π 0 p〉 =<br />

|π − p〉 =<br />

|π + n〉 =<br />

|π 0 n〉 =<br />

|π − n〉 = | 3<br />

2<br />

3<br />

2 2 〉<br />

�<br />

2 3 | 3 2<br />

�<br />

1 3 | 3 2<br />

�<br />

1 3 | 3 2<br />

�<br />

2 3 | 3 2<br />

�<br />

1 1 〉 − 2 3<br />

− 1<br />

2<br />

1〉<br />

+ 2<br />

〉 −<br />

1 − 〉 + 2<br />

1 | 2<br />

1<br />

2 〉<br />

�<br />

2 1 | 3 2<br />

�<br />

2 1 | 3 2<br />

1<br />

2 〉<br />

�<br />

1 1 | 3 2<br />

− 1<br />

2 〉<br />

− 1<br />

2 〉<br />

3 − 〉 . (I.7.12)<br />

2<br />

Die vorausgesetzte Ladungs- (bzw. Isospin-) Invarianz <strong>der</strong> starken Wechselwirkung bedeutet<br />

nun<br />

〈i i3|HI|i ′ i ′ 3〉 = δii ′ δi3i ′ 3<br />

R(i) . (I.7.13)


I.7 Der Isospin 45<br />

Die Wechselwirkung än<strong>der</strong>t den Isospin nicht, die Matrixelemente werden allein durch<br />

den Wert <strong>von</strong> i bestimmt. Aus dieser Annahme folgen nun konkrete Voraussagen über die<br />

Pion-Nukleon-Streuung. Dazu werden<br />

π + + p −→ π + + p (a)<br />

π − + p −→ π − + p (b)<br />

π − + p −→ π 0 + n (c) (I.7.14)<br />

betrachtet, wobei (a) und (b) Streuprozesse sind und (c) die Ladungsaustausch-Streuung<br />

beschreibt.<br />

In allen Fällen sei das Proton anfangs in Ruhe, die Energie des eingeschossenen Pions<br />

sei stets gleich. Gesucht wird <strong>der</strong> differentielle Wirkungsquerschnitt für den jeweiligen<br />

Prozess. Im Falle (a) hat man einen Anfangszustand mit i = 3<br />

2 , i3 = 3.<br />

Diese Isospin-<br />

2<br />

Quantenzahlen werden durch die Wechselwirkung nicht geän<strong>der</strong>t. Die Amplitude Aa für<br />

diesen Prozess besitzt also nur einen Beitrag aus dem Kanal“ zu i =<br />

” 3<br />

2<br />

Aa = a3/2 . (I.7.15)<br />

Im Fall (b) lautet <strong>der</strong> Anfangszustand dagegen<br />

|π − p〉 =<br />

�<br />

1 3 | 3 2<br />

�<br />

1 2 1<br />

− 〉 − | 2 3 2<br />

1 − 〉 . (I.7.16)<br />

2<br />

Die Amplitude dafür, dass die Streuung durch den i =<br />

” 3-Kanal<br />

geht“, <strong>der</strong> Endzustand<br />

also i = 3<br />

2<br />

wie<strong>der</strong><br />

| 3<br />

2<br />

besitzt, lautet daher<br />

� 1<br />

3 a3/2, die Amplitude für i = 1<br />

2<br />

2<br />

ist −<br />

�<br />

2<br />

3 a1/2. Nun ist<br />

�<br />

1 1 − 〉 = 2 3 |π− �<br />

2 p〉 + 3 |π0 n〉 , (I.7.17)<br />

im i = 3<br />

�<br />

1<br />

-Kanal erhält man daher die Amplitude<br />

2 3 a3/2<br />

�<br />

1<br />

3<br />

und ein π− zu beobachten. Wegen<br />

| 1<br />

2<br />

1 − 〉 = 2<br />

� 1<br />

3 |π0 n〉 −<br />

trägt <strong>der</strong> i = 1<br />

2-Kanal �<br />

−<br />

�<br />

2<br />

3<br />

dafür, im Endzustand ein p<br />

� 2<br />

3 |π− p〉 (I.7.18)<br />

�<br />

a1/2<br />

�<br />

−<br />

�<br />

2<br />

3<br />

�<br />

zur Gesamtamplitude bei<br />

Ab = 1<br />

3 a3/2 + 2<br />

3 a1/2 . (I.7.19)<br />

Für den Prozess (c) ergibt sich auf die gleiche Weise<br />

�<br />

1<br />

Ac = 3 a3/2<br />

�<br />

2<br />

3 +<br />

� � �<br />

2 − a1/2 3<br />

� 1<br />

3 = √ 2<br />

3 (a3/2 − a1/2) . (I.7.20)


I.7 Der Isospin 46<br />

Da die jeweiligen Wirkungsquerschnitte proportional zu den Quadraten <strong>der</strong> Amplituden<br />

sind (siehe <strong>Quantenmechanik</strong> I, Abschnitt IV.7), findet man das Verhältnis<br />

σa : σb : σc = |a3/2| 2 : 1<br />

9 |a3/2 + 2 a1/2| 2 : 2<br />

9 |a3/2 − a1/2| 2 . (I.7.21)<br />

Bei <strong>der</strong> resonanten“ Schwerpunktsenergie <strong>von</strong> 154 MeV verläuft <strong>der</strong> Streuprozess vorwie-<br />

”<br />

gend durch den i = 3<br />

3<br />

-Kanal (j = 2 2 , ℓ = 1), so dass a3/2 ≫ a1/2. Dann hat man<br />

σa : σb : σc = 9 : 1 : 2 , (I.7.22)<br />

was im Experiment gut bestätigt wird. Es bleibt also festzuhalten:<br />

Die Einführung einer drehimpulsartigen Größe Isospin“, die ein Elementarteilchen cha-<br />

”<br />

rakterisiert, führt in Verbindung mit <strong>der</strong> vorausgesetzten Isospininvarianz <strong>der</strong> starken<br />

Wechselwirkung zu einfachen, aber gut bestätigten Relationen zwischen den relativen<br />

Stärken verschiedener Streuprozesse.<br />

Der Isospin führt in Verbindung mit <strong>der</strong> sogenannten Hyperladung“ zu einer Einordnung<br />

”<br />

<strong>der</strong> Baryonen in bestimmte Mulitpletts (z.B. das Dekuplett <strong>der</strong> Baryonen mit j = 3<br />

2 ).<br />

Die Existenz dieser Mulitpletts ist ein direkter Hinweis auf die Existenz <strong>von</strong> Quarks.


<strong>II</strong> Streutheorie<br />

<strong>II</strong>.1 Formale Lösung <strong>der</strong> zeitunabh. Schrödinger-Gleichung<br />

Streuexperimente werden in vielen Bereichen <strong>der</strong> Physik durchgeführt. In <strong>der</strong> Hochenergiephysik<br />

erhält man durch Streuung <strong>von</strong> Elementarteilchen Aufschlüsse über die fundamentalen<br />

Wechselwirkungen. In <strong>der</strong> Festkörperphysik liefert z.B. die Neutronenstreuung<br />

Informationen über den Gitteraufbau o<strong>der</strong> die Streuung <strong>von</strong> nie<strong>der</strong>energetischen Elektronen<br />

Informationen über die Struktur <strong>von</strong> Oberflächen.<br />

Bei <strong>der</strong> quantenmechanischen Beschreibung eines solchen Streuexperimentes wird da<strong>von</strong><br />

ausgegangen, dass das einlaufende Wellenpaket groß ist im Vergleich zu Ausdehnung des<br />

” Targets“, aber klein im Vergleich zu den übrigen Ausdehnungen, so dass es insbeson<strong>der</strong>e<br />

nicht gleichzeitig mit dem Target und dem Detektor überlappt. Das Target wird durch<br />

ein raumfestes Potential V (�r) beschrieben, das im Koordinatenursprung lokalisiert sein<br />

soll. Das einlaufende Wellenpaket kann nach ebenen Wellen entwickelt werden<br />

� 3 d k<br />

ψ(�r, t0) =<br />

(2π) 3 a(�k) e i�k·�r . (<strong>II</strong>.1.1)<br />

Dabei sei t0 ein Zeitpunkt lange vor <strong>der</strong> Wechselwirkung. Außerdem sei die (glatte) Amplitudenfunktion<br />

a( � k) um � k0 herum zentriert, so dass sich das Paket mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />

�v = �� k0<br />

m bewegt.<br />

Um nun die Zeitentwicklung des Wellenpaketes in Gegenwart des Streupotentials V (�r)<br />

und damit den Streuprozess zu beschreiben, muss ψ(�r, t0) jedoch nach Eigenzuständen<br />

ϕ� k (�r) <strong>der</strong> vollen zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung entwickelt werden:<br />

Setzt man voraus, dass das Potential im Unendlichen verschwindet, d.h. V (�r) → 0 für<br />

|�r| → ∞, so erhält man (abgesehen <strong>von</strong> eventuellen quadratintegrablen Eigenzuständen<br />

zu negativen Energieeigenwerten) zu jedem nichtnegativen Eigenwert<br />

E� k = �2� k 2<br />

2m<br />

≥ 0 (<strong>II</strong>.1.2)<br />

eine uneigentliche Eigenfunktion ϕ� k (�r) durch Lösung des Eigenwertproblems<br />

�<br />

− �2<br />

�<br />

∆ + V (�r)<br />

2m<br />

bzw. <strong>der</strong> inhomogenen Helmholtz-Gleichung<br />

ϕ� k (�r) = E� k ϕ� k (�r) , (<strong>II</strong>.1.3)<br />

(∆ + k 2 ) ϕ� k (�r) = 2m<br />

� 2 V (�r) ϕ� k (�r) , (<strong>II</strong>.1.4)<br />

ergänzt um die notwendigen Randbedingungen. Sind diese uneigentlichen Eigenfunktionen<br />

bekannt, hat man eine zweite Entwicklung des einlaufenden Paketes,<br />

� 3 d k<br />

ψ(�r, t0) =<br />

(2π) 3 A(�k) ϕ�k (�r) , (<strong>II</strong>.1.5)<br />

47


<strong>II</strong>.1 Formale Lösung <strong>der</strong> zeitunabh. Schrödinger-Gleichung 48<br />

so dass seine Zeitentwicklung nun sofort angegeben werden kann<br />

ψ(�r, t) =<br />

� 3 d k<br />

(2π) 3 A(� i<br />

−<br />

k) ϕ�k (�r) e � E� (t−t0) k . (<strong>II</strong>.1.6)<br />

(Falls <strong>der</strong> Schrödinger-Operator auch Bindungszustände besitzt, tauchen diese in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

des Streuzustandes ψ(�r, t0) natürlich nicht auf.) Um nun zunächst die inhomogene<br />

Helmholtz-Gleichung lösen zu können, müssen die physikalisch richtigen Randbedingungen<br />

gestellt werden: Eine Lösung <strong>der</strong> stationären Schrödinger-Gleichung zum Eigenwert<br />

E� k , die zur Beschreibung des Streuprozesses herangezogen werden kann, muss<br />

asymptotisch (d.h. für große Abstände r <strong>von</strong> Streuzentrum) übergehen in die Überlagerung<br />

einer ebenen Welle, die den einlaufenden Anteil beschreibt, und einer auslaufenden<br />

Kugelwelle (siehe Abbildung <strong>II</strong>.1)<br />

ϕ� k (�r) ∼ e i� k·�r + f� k (ϑ, ϕ) eikr<br />

r<br />

für r → ∞ . (<strong>II</strong>.1.7)<br />

Abbildung <strong>II</strong>.1: Skizze zur Veranschaulichung des Streuprozesses, einlaufende ebene Welle<br />

und auslaufende Kugelwelle<br />

Dabei gibt die Streuamplitude f� k (ϑ, ϕ) die Richtungsabhängigkeit des gestreuten Anteils<br />

an. Die Polarkoodinaten ϑ und ϕ werden bezüglich <strong>der</strong> durch � k festgelegten Vorwärtsrichtung<br />

definiert.<br />

Nun wird eine Greensche Funktion des Helmholtz-Operators benötigt, die diese Randbedingung<br />

respektiert, d.h. eine Lösung <strong>der</strong> Helmholtz-Gleichung mit ” Punktinhomogenität“,<br />

(∆ + k 2 ) G(�r) = δ(�r) , (<strong>II</strong>.1.8)<br />

die keine einlaufende Kugelwelle enthält. Ist nämlich eine solche Greensche Funktion bekannt,<br />

so ist die Faltung<br />

2m<br />

�2 �<br />

�r<br />

d 3 r ′ G(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) ϕ� k (�r ′ ) (<strong>II</strong>.1.9)


<strong>II</strong>.1 Formale Lösung <strong>der</strong> zeitunabh. Schrödinger-Gleichung 49<br />

eine formale Lösung <strong>der</strong> Helmholtz-Gleichung <strong>II</strong>.1.4<br />

(∆ + k 2 ) 2m<br />

�2 �<br />

d 3 r ′ G(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) ϕ�k (�r ′ )<br />

= 2m<br />

�2 �<br />

d 3 r ′ δ(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) ϕ�k (�r ′ )<br />

= 2m<br />

� 2 V (�r) ϕ� k (�r) . (<strong>II</strong>.1.10)<br />

Die Berechnung <strong>der</strong> Greenschen Funktion erfolgt durch Fouriertransformation: Mit<br />

�<br />

G(�r) =<br />

d3q (2π) 3 � G(�q) e i�q·�r<br />

und<br />

�<br />

δ(�r) =<br />

d3q ei�q·�r<br />

(2π) 3 (<strong>II</strong>.1.11)<br />

hat man<br />

�G(�q) =<br />

1<br />

k2 . (<strong>II</strong>.1.12)<br />

− q2 Daraus folgt dann<br />

�<br />

G(�r) =<br />

d3q (2π) 3<br />

ei�q·�r k2 .<br />

− q2 (<strong>II</strong>.1.13)<br />

Führt man nun Polarkoordinaten q, ϑ, ϕ bezüglich <strong>der</strong> durch �r festgelegten Richtung ein,<br />

ergibt sich<br />

1<br />

G(�r) =<br />

(2π) 3<br />

� ∞<br />

dq q<br />

0<br />

2<br />

k2 − q2 � 2π � π<br />

iqr cos ϑ<br />

dϕ sin ϑ dϑ e<br />

0 0<br />

1<br />

=<br />

(2π) 2<br />

� ∞<br />

dq q<br />

0<br />

2<br />

k2 − q2 � 1<br />

iqr cos ϑ<br />

d cos ϕ e<br />

−1<br />

1<br />

=<br />

(2π) 2 � ∞<br />

dq q<br />

ir 0 k2 − q2 � iqr −iqr<br />

e − e �<br />

1<br />

=<br />

(2π) 2 � ∞<br />

dq q e<br />

ir<br />

iqr<br />

k2 . (<strong>II</strong>.1.14)<br />

− q2 −∞<br />

Das verbleibende Integral kann mit dem Residuensatz ausgewertet werden, da <strong>der</strong> Integrand<br />

wegen r > 0 in <strong>der</strong> oberen komplexen q-Halbebene geschlossen werden kann. Der<br />

Integrand besitzt einfache Pole auf <strong>der</strong> reellen Achse bei q = ±k:<br />

Res<br />

q=±k<br />

q e iqr<br />

(k − q)(k + q)<br />

= ± 1<br />

2 e±ikr . (<strong>II</strong>.1.15)<br />

Da verlangt wird, dass die gesuchte Lösung <strong>der</strong> Helmholtz-Gleichung keine Beitträge<br />

enthält, die einlaufenden Kugelwellen entsprechen, muss <strong>der</strong> Integrationsweg C so gewählt<br />

werden, dass nur <strong>der</strong> Pol bei q = +k eingeschlossen wird (s. Abbildung <strong>II</strong>.2).


<strong>II</strong>.1 Formale Lösung <strong>der</strong> zeitunabh. Schrödinger-Gleichung 50<br />

��� ¥¨§�©<br />

¢¤£¦¥¨§�©<br />

¡<br />

Abbildung <strong>II</strong>.2: Wahl des Integrationsweg zur Lösung des Integrals in <strong>II</strong>.1.14<br />

Die diesem Integrationsweg entsprechende Greensche Funktion G(�r) wird als retadierte<br />

Greensche Funktion G+(�r) bezeichnet. Sie ergibt sich abgesehen <strong>von</strong> Vorfaktoren aus dem<br />

Residuum des Integranden (<strong>II</strong>.1.15) bei <strong>der</strong> Polstelle q = +k:<br />

G+(�r) = − eikr<br />

. (<strong>II</strong>.1.16)<br />

4πr<br />

Wenn dagegen nur <strong>der</strong> Pol bei q = −k eingeschlossen wird, erhält man eine Greensche<br />

Funktion, die einer einlaufenden Kugelwelle entspricht. Diese wird als avancierte Greensche<br />

Funktion G−(�r) bezeichnet:<br />

G−(�r) = − e−ikr<br />

4πr<br />

. (<strong>II</strong>.1.17)<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Randbedingungen ist nur die retardierte Greensche Funktion zur Konstruktion<br />

<strong>von</strong> Streulösungen <strong>der</strong> Helmholtz-Gleichung (<strong>II</strong>.1.4) brauchbar. Da die allgemeine<br />

Lösung dieser Gleichung aus <strong>der</strong> Summe einer ” homogenen“ Lösung und <strong>der</strong> durch Faltung<br />

mit <strong>der</strong> Greenschen Funktion erhaltenen ” inhomogenen“ Lösung (<strong>II</strong>.1.9) besteht und<br />

die einzige mit den Randbedingungen verträgliche homogene Lösung die ebene Welle e i� k�r<br />

ist, hat man schließlich<br />

ϕ� k (�r) = e i� k�r + 2m<br />

� 2<br />

�<br />

= e i� k�r − 2m<br />

4π� 2<br />

�<br />

d 3 r ′ G+(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) ϕ� k (�r ′ )<br />

�<br />

d 3 r ′ eik|�r−�r ′ |<br />

|�r − �r ′ | V (�r ′ ) ϕ� k (�r ′ ) . (<strong>II</strong>.1.18)<br />

Diese Integralgleichung, bei <strong>der</strong> die gesuchte Streulösung wie<strong>der</strong> unter dem Integral auftaucht,<br />

wird auch als Lippmann-Schwinger-Gleichung bezeichnet. Im Unterschied zur ursprünglichen<br />

Differentialgleichung enthält sie bereits die physikalisch richtigen Randbedingungen.<br />

Durch Betrachtung <strong>der</strong> Asymptotik (|�r → ∞|) erhält man daraus sofort eine exakte


<strong>II</strong>.1 Formale Lösung <strong>der</strong> zeitunabh. Schrödinger-Gleichung 51<br />

Gleichung für die Streuamplitude f� k (ϑ, ϕ). Es gilt dann<br />

|�r − �r ′ | = � r 2 − 2�r�r ′ �<br />

1<br />

+ r<br />

′2� 2 = r<br />

≈ r<br />

�<br />

1 − �e�r<br />

�r ′<br />

r<br />

r′2<br />

+<br />

r2 � 1<br />

2<br />

1 − 2 �e�r �r ′<br />

r<br />

�<br />

= r − �e�r · �r ′ , (<strong>II</strong>.1.19)<br />

wobei �e�r den Einheitsvektor in �r-Richtung bezeichnet. Es ist also<br />

�<br />

ϕ� k (�r) ∼ e i� k�r − 2m<br />

4π� 2<br />

für große r. Daraus folgt sofort die exakte Darstellung<br />

f�k (ϑ, ϕ) = − 2m<br />

4π�2 �<br />

d 3 r ′ e ik�e �r·�r ′<br />

d 3 r ′ e −ik�e �r·�r ′<br />

V (�r ′ ) ϕ�k (�r ′ ) (<strong>II</strong>.1.20)<br />

V (�r ′ ) ϕ� k (�r ′ ) . (<strong>II</strong>.1.21)<br />

Nachdem nun die stationären Streulösungen ϕ�k (�r) gegeben sind, müssen die Koeffizienten<br />

A( �k) für die Entwicklung nach diesen Zuständen durch die Koeffizienten a( �k) ausgedrückt<br />

werden. Zum Zeitpunkt t0 lange vor dem Streuereignis hat man<br />

� 3 d k<br />

ψ(�r, t0) =<br />

=<br />

(2π) 3 a(� k) e i� k�r<br />

� d 3 k<br />

(2π) 3 a(� k)<br />

�<br />

ϕ� k (�r) + 2m<br />

4π� 2<br />

�<br />

d 3 r ′ eik|�r−�r ′ |<br />

|�r − �r ′ | V (�r ′ ) ϕ�k (�r ′ �<br />

) . (<strong>II</strong>.1.22)<br />

Da a( � k) scharf um ein k0 herum zentriert sein soll, sind unter dem Integral nur kleine<br />

Werte <strong>von</strong> | � k − � k0| relevant. Für ein mit � k0 einlaufendes Wellenpaket hat man also<br />

k =<br />

���k0 + �k − � � � 1<br />

2 2<br />

k0<br />

≈ k0<br />

�<br />

1 + 1<br />

k2 �k0( 0<br />

�k − � �<br />

k0) = �n0 · �k , (<strong>II</strong>.1.23)<br />

wobei �n0 = � k0<br />

k0 den Einheitsvektor in � k0-Richtung beschreibt. Damit stößt man bei <strong>der</strong><br />

Berechnung <strong>von</strong> ψ(�r, t0) auf das Integral<br />

� d 3 k<br />

≈<br />

(2π) 3 a(� k) e i� k|�r−�r ′ | ϕ� k (�r ′ )<br />

� d 3 k<br />

(2π) 3 a(� k) e i� k�n0|�r−�r ′ | ϕ� k (�r ′ )<br />

= ψ(�n0|�r − �r ′ |, t0) ϕ� k0 (�r ′ ) (<strong>II</strong>.1.24)<br />

Zum Zeitpunkt t0 ist jedoch wie in Abbildung <strong>II</strong>.3 das einlaufende Wellenpaket ψ(�r, t0)<br />

noch weit vom ” Wirkungsbereich“ des Potentials entfernt. Für kurzreichweitige Potentiale<br />

ist daher in sehr guter Näherung<br />

ψ(�n0|�r − �r ′ |, t0)V (�r ′ ) ≈ 0 (<strong>II</strong>.1.25)


<strong>II</strong>.1 Formale Lösung <strong>der</strong> zeitunabh. Schrödinger-Gleichung 52<br />

¢<br />

¥§¦ ¤<br />

Abbildung <strong>II</strong>.3: Skizze des einlaufenden Wellenpakets vor dem Streuzentrum.<br />

für alle �r ′ . Damit folgt<br />

�<br />

ψ(�r, t0) =<br />

3 d k<br />

(2π) 3 a(�k) ϕ�k (�r) , (<strong>II</strong>.1.26)<br />

was gleichbedeutend ist mit A( �k) = a( �k). Die benötigten Entwicklungskoeffizienten lassen<br />

sich daher – bei vorrausgesetzter Kurzreichweitigkeit des Potentials – durch eine einfache<br />

Fouriertransformation berechnen, ohne die komplizierten Streulösungen ϕ�k (�r) heranziehen<br />

zu müssen. Damit kann auch die Zeitentwicklung des Wellenpakets angegeben werden:<br />

� 3 d k<br />

ψ(�r, t) =<br />

(2π) 3 a(� i<br />

−<br />

k) ϕ�k (�r) e � E� (t−t0) k<br />

� 3 d k<br />

∼<br />

(2π) 3 a(� �<br />

k) e i�k�r + f�k (ϑ, ϕ) eikr<br />

�<br />

r<br />

Hier beschreibt <strong>der</strong> erste Summand<br />

¡<br />

£<br />

i<br />

−<br />

e � E� (t−t0) k . (<strong>II</strong>.1.27)<br />

� d 3 k<br />

(2π) 3 a(� k) e i(� k�r− �k2<br />

2m (t−t0)) ≡ ψ(�r, t) (<strong>II</strong>.1.28)<br />

lediglich ein ungestreut durchlaufendes Wellenpaket. Der zweite Summand wird genähert,<br />

indem unter dem Integral f�k (ϑ, ϕ) durch f� (ϑ, ϕ) ersetzt wird:<br />

k0<br />

� 3 d k<br />

(2π) 3 a(�k) f�k (ϑ, ϕ) eikr i<br />

e− �<br />

r E� (t−t0) k<br />

(ϑ, ϕ)<br />

≈ f� k0<br />

� d 3 k<br />

(2π) 3 a(� k)e i(� k�n0r− �k2<br />

2m (t−t0))<br />

=<br />

r<br />

f� (ϑ, ϕ) k0 ψ0(�n0r, t) .<br />

r<br />

(<strong>II</strong>.1.29)<br />

Auch <strong>der</strong> gestreute Anteil erthält also in radialer Richtung die Form des einlaufenden<br />

Pakets1 . Die wesentliche Information über den Streuprozeß ist daher bereits in <strong>der</strong> Streuamplitude<br />

f�k (ϑ, ϕ) enthalten.<br />

1 Das gilt nicht im Falle <strong>von</strong> Resonanzstreuung. In diesem Fall wird die Streuamplitude singulär und<br />

kann nicht aus dem Integral herausgezogen werden. Das Paket wird dann stark verzerrt.


<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse 53<br />

Schließlich soll noch <strong>der</strong> differentielle Wirkungsquerschnitt für die Streuung berechnet<br />

werden. Dazu wird <strong>von</strong> einer stationären Streulösung<br />

ϕ� k (�r) ∼ e i� k�r + f� k (ϑ, ϕ) eikr<br />

r<br />

(<strong>II</strong>.1.30)<br />

ausgegangen, die die Streuung eines Stroms <strong>von</strong> Teilchen mit scharfer Energie E�k = �2k2 2m<br />

beschreibt. Die einlaufende Stromdichte hat dann den Betrag<br />

�<br />

�<br />

jin = �<br />

�<br />

�2im<br />

�<br />

e −i�k�r ∇e � i�k�r i<br />

− e �k�r ∇e � −i� �<br />

k�r<br />

� �<br />

�� = �k<br />

. (<strong>II</strong>.1.31)<br />

m<br />

Die radial auslaufende Stromdichte ist entsprechend<br />

jr = �k<br />

m<br />

|f� k (ϑ, ϕ)| 2<br />

r 2<br />

+ O( 1<br />

r 3 ) . (<strong>II</strong>.1.32)<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> je Zeiteinheit nach dΩ gestreuten Teilchen, normiert auf den einfallenden<br />

Strom, ist daher<br />

jr r<br />

dσ = lim<br />

r→∞<br />

2 dΩ<br />

jin<br />

= |f� k (ϑ, ϕ)| 2 dΩ bzw.<br />

dσ<br />

dΩ = |f� k (ϑ, ϕ)| 2 . (<strong>II</strong>.1.33)<br />

<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse<br />

” Weit weg vom Streuzentrum“ wird das Wellenpaket durch die freie Schrödinger-Gleichung<br />

beschrieben. Gemeinsame Eigenfunktionen <strong>von</strong> H0 = − �2<br />

2m∆, � L2 und Lz haben<br />

bekanntlich die Form<br />

(αℓ jℓ(kr) + βℓ nℓ(kr)) Yℓm(ϑ, ϕ) (<strong>II</strong>.2.1)<br />

mit beliebigen Konstanten αℓ, βℓ und den sphärischen Bessel- und Neumann-Funktionen<br />

jℓ(kr) und nℓ(kr) (siehe <strong>Quantenmechanik</strong> I, Abschnitt <strong>II</strong>I.4). Da die sphärischen Neumann-Funktionen<br />

für r → 0 singulär werden, bilden die Funktionen<br />

⎧<br />

⎪⎨ 0 ≤ k < +∞<br />

jℓ(kr) Yℓm(ϑ, ϕ) mit ℓ = 0, 1, 2, 3, . . .<br />

(<strong>II</strong>.2.2)<br />

⎪⎩<br />

m = −ℓ, −ℓ+1, . . . , ℓ<br />

ein vollständiges System für die Entwicklung regulärer Funktionen. Insbeson<strong>der</strong>e kann<br />

eine ebene Welle nach diesem System entwickelt werden: Betrachtet man zunächst eine<br />

ebene Welle in z-Richtung, hat man wegen <strong>der</strong> Azimutalsymmetrie einen Ansatz<br />

e ikz = e ikr cos ϑ =<br />

∞�<br />

αℓ jℓ(kr) Yℓ,0(ϑ, ϕ) , (<strong>II</strong>.2.3)<br />

ℓ=0


<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse 54<br />

bzw.<br />

� π<br />

αℓ jℓ(kr) = 2π dϑ sin ϑ e<br />

0<br />

ikr cos ϑ Yℓ,0(ϑ, ϕ) . (<strong>II</strong>.2.4)<br />

Die noch unbekannten Koeffizienten αℓ können jetzt durch Vergleich des asymptotischen<br />

Verhaltens bestimmt werden: Auf <strong>der</strong> linken Seite hat man<br />

αℓ jℓ(kr) → αℓ<br />

sin(kr − ℓ π<br />

2 )<br />

kr<br />

= αℓ � i(kr−ℓ<br />

e<br />

2ikr<br />

π<br />

2 ) π<br />

−i(kr−ℓ<br />

− e 2 )�<br />

für r → ∞. Auf <strong>der</strong> rechten Seite liefert eine partielle Integration<br />

2π<br />

ikr eikr cos ϑ �cos<br />

ϑ=+1 �<br />

Yℓ,0(ϑ, ϕ) � −<br />

cos ϑ=−1<br />

2π<br />

� 1<br />

ikr<br />

−1<br />

d cos ϑ e ikr cos ϑ dYℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

d cos ϑ<br />

Nun ist weiterhin (siehe <strong>Quantenmechanik</strong> I, Abschnitt <strong>II</strong>I.3)<br />

mit<br />

Yℓm(ϑ, ϕ) = (−1) m+|m|<br />

2<br />

�<br />

2ℓ + 1 (ℓ − |m|)!<br />

4π (ℓ + |m|)!<br />

P |m|<br />

ℓ (cos ϑ) e imϕ<br />

(<strong>II</strong>.2.5)<br />

. (<strong>II</strong>.2.6)<br />

(<strong>II</strong>.2.7)<br />

P m ℓ (cos ϑ) = (−1)ℓ<br />

2ℓ � �ℓ+m d<br />

(sin ϑ)m<br />

(sin ϑ)<br />

ℓ! d cos ϑ<br />

2ℓ . (<strong>II</strong>.2.8)<br />

Daher gilt für ℓ = 0<br />

�<br />

2ℓ + 1<br />

Yℓ,0(ϑ, ϕ) =<br />

4π Pℓ(cos ϑ) (<strong>II</strong>.2.9)<br />

mit dem Legendre-Polynom<br />

Pℓ(cos ϑ) = (−1)ℓ<br />

2 ℓ ℓ!<br />

� �ℓ d<br />

(sin ϑ)<br />

d cos ϑ<br />

2ℓ . (<strong>II</strong>.2.10)<br />

Da nun Pℓ(±1) = (±1) ℓ , findet man für Gleichung <strong>II</strong>.2.6<br />

�<br />

4π(2ℓ + 1) � ikr ℓ −ikr<br />

e − (−1) e<br />

2ikr<br />

� �<br />

1<br />

+ O<br />

(kr) 2<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>.2.11)<br />

Daraus folgt nun durch Vergleich<br />

αℓ i −ℓ = � 4π(2ℓ + 1) , (<strong>II</strong>.2.12)<br />

also hat man für die in z-Richtung laufende ebene Welle die Entwicklung<br />

e ikz =<br />

∞�<br />

i ℓ� 4π(2ℓ + 1) jℓ(kr) Yℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

=<br />

ℓ=0<br />

∞�<br />

i ℓ (2ℓ + 1) jℓ(kr) Pℓ(cos ϑ) . (<strong>II</strong>.2.13)<br />

ℓ=0


<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse 55<br />

Für eine ebene Welle mit beliebiger Richtung gilt dann zunächst<br />

e i� ∞�<br />

k·�r<br />

= i ℓ (2ℓ + 1) jℓ(kr) Pℓ(cos ˜ ϑ) , wobei ϑ ˜ = ∢( �k, �r) . (<strong>II</strong>.2.14)<br />

ℓ=0<br />

Dann lässt sich mit Pℓ(cos ˜ ϑ) mit Hilfe des Additionstheorems“ für Kugelflächenfunk-<br />

”<br />

tionen ausdrücken als<br />

Pℓ(cos ˜ ϑ) = 4π<br />

2ℓ + 1<br />

ℓ�<br />

Y ∗<br />

ℓm(ϑk, ϕk) Yℓm(ϑ, ϕ) , (<strong>II</strong>.2.15)<br />

m=−ℓ<br />

wobei ϑk und ϕk die zu � k gehörigen Polarwinkel sind. Somit lautet die gesuchte Entwicklung<br />

<strong>der</strong> ebenen Welle nach Kugelwellen schließlich<br />

e i� k·�r = 4π �<br />

ℓ,m<br />

i ℓ jℓ(kr) Y ∗<br />

ℓm(ϑk, ϕk) Yℓm(ϑ, ϕ) . (<strong>II</strong>.2.16)<br />

Wenn nun das Streupotential zentralsymmetrisch ist, also kurz V (�r) = V (r), kommutiert<br />

auch H = − �2<br />

2m∆ + V (r) mit � L2 und Lz. Dann können auch die Streulösungen als gemeinsame<br />

Eigenfunktionen <strong>von</strong> H, � L2 und Lz gewählt werden. Sofern das Potential im<br />

Unendlichen hinreichend schnell verschwindet (genauer: V (r) < const · r−α für große r<br />

mit α > 1; für das Coulomb-Potential gelten die folgenden Aussagen also nicht), macht<br />

man für die Streulösungen einen Partialwellenansatz <strong>der</strong> Form<br />

∞� uℓ(r)<br />

ϕ�k (�r) =<br />

r Yℓ,0(ϑ, ϕ) (<strong>II</strong>.2.17)<br />

ℓ=0<br />

mit dem asymptotischen Verhalten<br />

uℓ(r) ∼ γℓ sin(kr − ℓ π<br />

2 + δℓ) . (<strong>II</strong>.2.18)<br />

Wegen <strong>der</strong> vorausgesetzten Zentralsymmetrie des Potentials ist ϕ� k (�r) unabhängig vom<br />

Azimutalwinkel, so dass die Summation über m entfällt. Ohne das streuende Potential<br />

hätte man lediglich eine ” durchlaufende“ ebene Welle und daher<br />

uℓ(r)<br />

r = cℓ<br />

sin(kr − ℓ<br />

jℓ(kr) ∼ cℓ<br />

π<br />

2 )<br />

, (<strong>II</strong>.2.19)<br />

kr<br />

die im Ansatz eingführten Streuphasen δℓ beschreiben daher für jede einzelne Partialwelle<br />

die durch das Potential verursachte Phasenverschiebung gegenüber einer freien Kugelwelle.<br />

Diese Streuphasen sind natürlich nicht nur vom Potential, son<strong>der</strong>n auch <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Energie abhängig, also δℓ = δℓ(k). Damit erhält man also aus dem Partialwellenansatz<br />

das asymptotische Verhalten<br />

ϕ�k (�r) ∼ eikr<br />

∞�<br />

π<br />

e−iℓ 2<br />

iδℓ<br />

γℓ e<br />

r<br />

2i Yℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

− e−ikr<br />

r<br />

ℓ=0<br />

∞�<br />

ℓ=0<br />

γℓ e −iδℓ e+iℓ π<br />

2<br />

2i Yℓ,0(ϑ, ϕ) (<strong>II</strong>.2.20)


<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse 56<br />

mit aus- und einlaufenden Kugelwellen. An<strong>der</strong>erseits muss die übliche Streurandbedingung<br />

eingehalten werden. Legt man nun das Koordinatensystem so, dass die Richtung<br />

<strong>der</strong> einlaufenden ebenen Welle mit <strong>der</strong> Richtung <strong>der</strong> z-Achse übereinstimmt, hat man<br />

ebenso<br />

ϕ� k (�r) ∼ e ikz + f� k (ϑ) eikr<br />

∼ eikr<br />

r<br />

− e−ikr<br />

r<br />

�<br />

r<br />

∞�<br />

i ℓ� 4π(2ℓ + 1)<br />

ℓ=0<br />

∞�<br />

i ℓ� 4π(2ℓ + 1)<br />

ℓ=0<br />

π<br />

e−iℓ 2<br />

2ik Yℓ,0(ϑ,<br />

�<br />

ϕ) + f�k (ϑ)<br />

e+iℓ π<br />

2<br />

2ik Yℓ,0(ϑ, ϕ) . (<strong>II</strong>.2.21)<br />

Nun müssen die Koeffizienten <strong>der</strong> ein- und auslaufenden Kugelwellen in beiden Entwicklungen<br />

übereinstimmen. Ein Vergleich <strong>der</strong> einlaufenden Anteile liefert sofort die Koeffizienten<br />

γℓ<br />

γℓ = iℓ �<br />

iδℓ 4π(2ℓ + 1) e . (<strong>II</strong>.2.22)<br />

k<br />

Durch Vergleich <strong>der</strong> auslaufenden Anteile erhält man dann einen Ausdruck für die Streuamplitude<br />

f� k (ϑ) =−<br />

+<br />

= 1<br />

k<br />

= 1<br />

k<br />

∞�<br />

ℓ=0<br />

ℓ=0<br />

ℓ=0<br />

iℓ π<br />

� −iℓ<br />

e 2<br />

4π(2ℓ + 1)<br />

k<br />

2i Yℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

∞� iℓ π<br />

� e−iℓ 2<br />

2iδℓ 4π(2ℓ + 1) e<br />

k<br />

2i Yℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

∞� e2iδℓ − 1�<br />

4π(2ℓ + 1) Yℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

2i<br />

∞�<br />

e iδℓ sin δℓ (2ℓ + 1) Pℓ(cos ϑ) . (<strong>II</strong>.2.23)<br />

ℓ=0<br />

Damit ist die Streuamplitude vollständig durch die Streuphasen δℓ bzw. durch die Partialwellenamplituden<br />

Tℓ(k) = e iδℓ sin δℓ (<strong>II</strong>.2.24)<br />

festgelegt. Damit kann auch <strong>der</strong> differentielle Wirkungsquerschnitt durch die Streuphasen<br />

ausgedrückt werden<br />

dσ<br />

dΩ = |f�k (ϑ)| 2<br />

= 1<br />

k 2<br />

+ 1<br />

k 2<br />

∞�<br />

(2ℓ + 1) 2 sin 2 δℓ P 2 ℓ (cos ϑ)<br />

ℓ=0<br />

�<br />

(2ℓ + 1)(2ℓ ′ + 1) sin δℓ sin δℓ ′ 2 cos(δℓ − δℓ ′) PℓPℓ ′ . (<strong>II</strong>.2.25)<br />


<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse 57<br />

Während also im differentiellen Wirkungsquerschnitt Interferenzterme <strong>von</strong> Beiträgen verschiedener<br />

Partialwellen auftreten, ist das für den totalen Wirkungsquerschnitt nicht <strong>der</strong><br />

Fall. Wegen<br />

�<br />

findet man<br />

�<br />

σ =<br />

4π<br />

dΩ PℓPℓ ′ = δℓℓ ′ (<strong>II</strong>.2.26)<br />

2ℓ + 1<br />

dΩ dσ<br />

dΩ<br />

= 4π<br />

k 2<br />

∞�<br />

(2ℓ + 1) sin 2 δℓ . (<strong>II</strong>.2.27)<br />

ℓ=0<br />

Wegen e iδℓ = cos δℓ + i sin δℓ und Pℓ(1) = 1 besteht daher ein interessanter Zusammenhang<br />

zwischen dem totalen Wirkungsquerschnitt und dem Imaginärteil <strong>der</strong> Vorwärts-<br />

Streuamplitude<br />

σ = 4π<br />

k Im f� k (ϑ = 0) . (<strong>II</strong>.2.28)<br />

Dieser Zusammenhang ist als optisches Theorem bekannt. Er beruht darauf, dass durch<br />

Interferenz <strong>der</strong> durchlaufenden und <strong>der</strong> nach vorne gestreuten Welle die Stromdichte im<br />

Vorwärtsrichtung verringert wird. Diese Verringerung entspricht einer Streuung <strong>der</strong> Teilchen<br />

” nach irgendwohin“ und ist damit proportional zum totalen Wirkungsquerschnitt.<br />

Die zuvor gefundene Darstellung <strong>der</strong> Streulösungen (vgl. Gl. <strong>II</strong>.2.20)<br />

ϕ� k (�r) ∼ eikr<br />

kr<br />

∞�<br />

ℓ=0<br />

i ℓ� π<br />

e−iℓ 2<br />

2iδℓ 4π(2ℓ + 1) e<br />

2i Yℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

− e−ikr<br />

∞�<br />

i<br />

kr<br />

ℓ=0<br />

ℓ� 4π(2ℓ + 1)<br />

∞�<br />

= i ℓ �<br />

(2ℓ + 1) e<br />

2ikr<br />

ℓ=0<br />

e−iℓ π<br />

2<br />

2i Yℓ,0(ϑ, ϕ)<br />

π<br />

ei(kr−ℓ 2<br />

2iδℓ )<br />

π<br />

e−i(kr−ℓ 2<br />

− )<br />

2ikr<br />

�<br />

Pℓ(cos ϑ) (<strong>II</strong>.2.29)<br />

wird beson<strong>der</strong>s einleuchtend, wenn sie auf die sphärischen Hankel-Funktionen<br />

h (1)<br />

ℓ (kr) = jℓ(kr) + inℓ(kr) ≡ hℓ(kr) und<br />

h (2)<br />

ℓ (kr) = jℓ(kr) − inℓ(kr) = h ∗ ℓ(kr) (<strong>II</strong>.2.30)<br />

zurückgeführt wird. Diese Funktionen entsprechen asymptotisch aus- und einlaufenden<br />

Kugelwellen (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, Abschnitt <strong>II</strong>I.4)<br />

hℓ(kr) ∼<br />

ei(kr−ℓ π<br />

2 )<br />

ikr<br />

. (<strong>II</strong>.2.31)<br />

Man hat daher<br />

∞�<br />

i ℓ (2ℓ + 1) Rℓ(kr) Pℓ(cos ϑ) (<strong>II</strong>.2.32)<br />

ϕ� k (�r) =<br />

ℓ=0


<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse 58<br />

mit<br />

Rℓ(kr) = 1 � ∗<br />

h<br />

2<br />

ℓ(kr) + e 2iδℓhℓ(kr) � . (<strong>II</strong>.2.33)<br />

Zum Vergleich: Ohne ein Streupotential hätte man einfach die Entwicklung <strong>der</strong> ebenen<br />

Welle nach Kugelwellen<br />

ϕ� k (�r) = e ikz =<br />

∞�<br />

i ℓ (2ℓ + 1)jℓ(kr) Pℓ(cos ϑ) , (<strong>II</strong>.2.34)<br />

ℓ=0<br />

d.h. hier<br />

Rℓ(kr) = jℓ(kr) = 1 � ∗<br />

h<br />

2<br />

ℓ(kr) + hℓ(kr) � . (<strong>II</strong>.2.35)<br />

Der gesamte Streuprozeß wird also dadurch beschrieben, dass die auslaufenden (nicht aber<br />

die einlaufenden!) Kugelwellen mit einem Phasenfaktor multipliziert werden. Das bedeutet<br />

auch, dass die gesamte einlaufende Stromdichte gleich <strong>der</strong> gesamten auslaufenden ist,<br />

d.h. die Potentialstreuung ist elastisch.<br />

Es ist dann jedoch einfach, auch inelastische Streuprozesse zu beschreiben, also Prozesse,<br />

bei denen einlaufende Teilchen absorbiert werden bzw. Teilchenumwandlungsprozesse<br />

auftreten. Man schreibt dann<br />

Rℓ(kr) = 1 � ∗<br />

h<br />

2<br />

ℓ(kr) + Sℓ hℓ(kr) � , (<strong>II</strong>.2.36)<br />

wobei<br />

Sℓ = Sℓ(E) = sℓ(E) e 2iδℓ(E)<br />

(<strong>II</strong>.2.37)<br />

mit 0 ≤ sℓ(E) ≤ 1.<br />

In dem Ausdruck für die Partialwellenamplituden ist dann e 2iδℓ durch Sℓ zu ersetzen:<br />

Tℓ(k) = Sℓ − 1<br />

2i<br />

= 1 �<br />

sℓ cos 2δℓ + isℓ sin 2δℓ − 1<br />

2i<br />

�<br />

= 1 �<br />

sℓ sin 2δℓ + i(1 − sℓ cos 2δℓ)<br />

2i<br />

� . (<strong>II</strong>.2.38)<br />

Der gesamte Wirkungsquerschnitt σtot setzt sich nun aus einem elastischen Anteil σel und<br />

einem inelastischen Anteil σinel zusammen. Der elastische Wirkungsquerschnitt kann wie<br />

vorher auf die Partialwellenamplituden zurückgeführt werden:<br />

σel = 4π<br />

k2 ∞�<br />

(2ℓ + 1)|Tℓ(k)|<br />

ℓ=0<br />

2<br />

∞�<br />

(2ℓ + 1) � s 2 �<br />

ℓ + 1 − 2sℓ cos 2δℓ . (<strong>II</strong>.2.39)<br />

= π<br />

k 2<br />

ℓ=0


<strong>II</strong>.2 Partialwellenanalyse 59<br />

Für die Berechnung des inelastischen Wirkungsquerschnitts betrachtet man zunächst den<br />

gesamten Strom durch eine hinreichend große Kugeloberfläche um das Streuzentrum. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> Teilchenabsorbtion ist <strong>der</strong> einlaufende Strom größer als <strong>der</strong> auslaufende, <strong>der</strong><br />

Gesamtstrom ist also negativ:<br />

Mit<br />

=<br />

�<br />

�<br />

2 �<br />

dΩ r<br />

2im<br />

dΩ r<br />

2 �<br />

ℓ,ℓ ′<br />

� ϕ ∗ �k<br />

∂<br />

∂<br />

∂r ϕ�k − ϕ�k ∂r ϕ∗ �k i ℓ′ −ℓ ′<br />

(2ℓ + 1)(2ℓ + 1) Pℓ(cos ϑ)Pℓ ′(cos ϑ)<br />

�<br />

· � � ∗ d d<br />

Rℓ Rℓ ′ − Rℓ<br />

2im dr dr R∗ ℓ ′<br />

�<br />

�<br />

2<br />

= 4πr (2ℓ + 1) · �<br />

m Im R∗ d<br />

ℓ<br />

dr Rℓ . (<strong>II</strong>.2.40)<br />

ℓ<br />

Rℓ(kr) = 1 � ∗<br />

h<br />

2<br />

ℓ(kr) + Sℓ hℓ(kr) �<br />

∼ 1<br />

2<br />

�<br />

−<br />

e−i(kr−ℓ π<br />

2 )<br />

ikr<br />

+ Sℓ<br />

π<br />

i(kr−ℓ<br />

e 2 )<br />

folgt, da für die ” große“ Kugel nur <strong>der</strong> Zähler differenziert zu werden braucht,<br />

∼ Im 1<br />

4<br />

d<br />

ikr<br />

Im R ∗ ℓ<br />

dr Rℓ<br />

� i(kr−ℓ<br />

e π<br />

2 )<br />

ikr − S∗ π<br />

−i(kr−ℓ<br />

e 2<br />

ℓ<br />

) � � −i(kr−ℓ<br />

e<br />

· ik<br />

ikr<br />

π<br />

2 )<br />

ikr<br />

� ikr −ℓ ∗<br />

e i − Sℓ e −ikr i ℓ�� e −ikr i ℓ + Sℓ e ikr i −ℓ�<br />

= Im 1<br />

4ikr2 = Im −i<br />

4kr2 �<br />

+ Sℓ<br />

� 1 − |Sℓ| 2 + Sℓ e 2ikr (−1) ℓ − S ∗ ℓ e −2ikr (−1) ℓ�<br />

� �� �<br />

(−1) ℓ 2i Im Sℓ e 2ikr<br />

= − 1<br />

4πkr2 Das ergibt für den gesuchten Gesamtstrom schließlich den Ausdruck<br />

− π<br />

k<br />

= �k<br />

m<br />

π<br />

i(kr−ℓ<br />

e 2 )<br />

ikr<br />

�<br />

(<strong>II</strong>.2.41)<br />

� 1 − |Sℓ| 2� . (<strong>II</strong>.2.42)<br />

�<br />

(2ℓ + 1)<br />

ℓ<br />

� �<br />

1 − |Sℓ|<br />

m<br />

2�<br />

π<br />

k2 �<br />

(2ℓ + 1) � 1 − |Sℓ| 2� . (<strong>II</strong>.2.43)<br />

ℓ<br />

Wegen |Sℓ| 2 ≤ 1 ist er negativ für echt inelastische Prozesse und verschwindet für elastische<br />

Streuung. Der gesamte absorbeirte Fluss ist daher<br />

+ �k<br />

m<br />

π<br />

k 2<br />

�<br />

(2ℓ + 1) � 1 − s 2� ℓ , (<strong>II</strong>.2.44)<br />


<strong>II</strong>.3 Bornsche Reihe und Bornsche Näherung 60<br />

was nach Normierung auf den einlaufenden Fluss jin = �k<br />

m<br />

querschnitt<br />

σinel = π<br />

k 2<br />

�<br />

(2ℓ + 1) � 1 − s 2� ℓ<br />

ℓ<br />

den inelastischen Wirkungs-<br />

(<strong>II</strong>.2.45)<br />

liefert. Der totale Wirkungsquerschnitt erhält daher die Form<br />

σtot = σel + σinel = 2π<br />

k2 ∞�<br />

(2ℓ + 1) � �<br />

1 − sℓ cos 2δℓ . (<strong>II</strong>.2.46)<br />

ℓ=0<br />

Da die Vorwärts-Streuamplitude im inelastischen Fall durch<br />

f�k (ϑ = 0) = 1<br />

∞�<br />

Tℓ(k) (2ℓ + 1)Pℓ(1)<br />

k<br />

ℓ=0<br />

= 1<br />

∞� �<br />

sℓ sin 2δℓ + i(1 − sℓ cos 2δℓ)<br />

2k<br />

� (2ℓ + 1) (<strong>II</strong>.2.47)<br />

ℓ=0<br />

gegeben wird (vgl. Gleichung <strong>II</strong>.2.38), hat man erneut den Zusammenhang<br />

σtot = 4π<br />

k Im f� k (ϑ = 0) . (<strong>II</strong>.2.48)<br />

D.h. das optische Theorem gilt auch bei inelastischer Streuung!<br />

Im Extremfall eines total absorbierenden Targets hat man sℓ = 0 für alle ℓ, also<br />

σinel = π<br />

k2 �<br />

(2ℓ + 1) und (<strong>II</strong>.2.49)<br />

ℓ<br />

σel = π<br />

k2 �<br />

(2ℓ + 1) . (<strong>II</strong>.2.50)<br />

ℓ<br />

Auch für ein vollkommen absorbierendes Target gibt es elastische Streuung ( ” Schattenstreuung“).<br />

Der elastische Wirkungsquerschnitt ist daher ebenso groß wie <strong>der</strong> inelastische.<br />

<strong>II</strong>.3 Bornsche Reihe und Bornsche Näherung<br />

Die Lippmann-Schwinger-Gleichung für die stationären Streulösungen<br />

ϕ�k (�r) = e i�k�r 2m<br />

+<br />

�2 �<br />

d 3 r ′ G+(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) ϕ�k (�r ′ )<br />

= e i�k�r 2m<br />

−<br />

4π�2 �<br />

d 3 r ′ eik|�r−�r ′ |<br />

|�r − �r ′ | V (�r ′ ) ϕ�k (�r ′ ) (<strong>II</strong>.3.1)<br />

legt eine symmetrische Konstruktion dieser Lösungen nahe: Sofern entwe<strong>der</strong> das Potential<br />

” schwach“ ist, o<strong>der</strong> das einfallende Teilchen sehr energiereich, wird die einlaufende ebene<br />

Welle durch das Potential nur wenig verzerrt. Man hat dann in nullter Näherung“ einfach<br />

”<br />

ϕ (0)<br />

� k (�r) = e i� k�r<br />

(<strong>II</strong>.3.2)


<strong>II</strong>.3 Bornsche Reihe und Bornsche Näherung 61<br />

und erhält eine verbesserte erste Näherung, indem man diese nullte Näherung unter dem<br />

Integral einsetzt:<br />

ϕ (1)<br />

� = e<br />

k i�k�r 2m<br />

+<br />

�2 �<br />

d 3 r ′ G+(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) e i�k�r ′<br />

. (<strong>II</strong>.3.3)<br />

Dieses Verfahren lässt sich offensichtlich iterieren. Schreibt man die Lippmann-Schwinger-<br />

Gleichung (<strong>II</strong>.3.1) formal als<br />

ϕ� k = ϕ (0)<br />

� k + GV ϕ� k (<strong>II</strong>.3.4)<br />

mit dem Integraloperator<br />

GV ϕ�k (�r) = 2m<br />

�2 �<br />

d 3 r ′ G+(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) ϕ� k (�r ′ ) , (<strong>II</strong>.3.5)<br />

so erhält man schließlich die sogenannte Bornsche Reihe<br />

ϕ� k = ϕ (0)<br />

� k + GV ϕ 0 � k + GV (GV ϕ (0)<br />

� k ) + . . .<br />

=<br />

∞�<br />

n=0<br />

(GV ) n ϕ (0)<br />

� k<br />

. (<strong>II</strong>.3.6)<br />

Diese Reihe hängt formal eng mit <strong>der</strong> geometrischen Reihe zusammen. Aus <strong>der</strong> Lippmann-<br />

Schwinger-Gleichung folgt nämlich<br />

ϕ� k = (1 − GV ) −1 ϕ (0)<br />

� k<br />

n=0<br />

(GV ) n ϕ (0)<br />

� k<br />

(<strong>II</strong>.3.7)<br />

mit <strong>der</strong> formalen Lösung<br />

∞�<br />

ϕ�k =<br />

, (<strong>II</strong>.3.8)<br />

sofern ||GV || < 1, also die Operatornorm des Integraloperator GV klein genug ist. Diese<br />

Reihe hat eine einfache ” graphische Struktur“: Es bezeichne<br />

�r<br />

die in Gegenwart des Potentials propagierende ” volle“ Lösung <strong>der</strong> freien Schrödinger-Gleichung<br />

ϕ� k<br />

eine Lösung <strong>der</strong> freien Schrödinger-Gleichung,<br />

ein Wechselwirkungsereignis ( ” Vertex“) mit dem Potential V (�r).<br />

da auch die Greensche Funktion G+ die Propagation einer freien Lösung beschreibt, hat<br />

man symbolisch<br />

=<br />

+<br />

+<br />

+<br />

�r ′<br />

�r ′′ �r ′<br />

�r ′′′ �r ′′ �r ′<br />

+ (. . .) . (<strong>II</strong>.3.9)


<strong>II</strong>.3 Bornsche Reihe und Bornsche Näherung 62<br />

Um diese Symbole in eine Gleichung zu übersetzen, muß je<strong>der</strong> Vertex durch einen Faktor<br />

2m<br />

� 2 berücksichtigt werden. Über jede Vertexkoordinate ist zu integrieren.<br />

In <strong>der</strong> Praxis beschränkt man sich häufig auf die 1. Bornsche Näherung ϕ (1)<br />

� k . Diese Näherung<br />

ist auch wichtig für die Berechnung <strong>der</strong> Streuamplitude. Gemäß (<strong>II</strong>.1.21) hat man<br />

die Integralgleichung<br />

f� k (ϑ, ϕ) = − 2m<br />

4π� 2<br />

�<br />

d 3 r ′ e −i�k ′ �r ′<br />

V (�r ′ ) ϕ(�r ′ ) (<strong>II</strong>.3.10)<br />

mit � k ′ = k �r<br />

r , <strong>der</strong>en Auswertung die Kenntnis <strong>der</strong> exakten Streulösung ϕ� k (�r ′ ) vorraussetzt.<br />

Ersetzt man jedoch unter dem Integral ϕ�k (�r ′ ) durch ϕ�k (�r ′ ) (0) = ei�k�r ′<br />

, so erhält man die<br />

einfach auszurechnende 1. Bornsche Näherung für die (elastische) Streuamplitude<br />

f�k (ϑ, ϕ) ≈ − 2m<br />

4π�2 �<br />

d 3 r ′ e −i�k ′ �r ′<br />

V (�r ′ = −<br />

)<br />

2m<br />

4π�2 �<br />

d 3 r ′ e i(�k− �k ′ )�r ′<br />

V (�r ′ ) . (<strong>II</strong>.3.11)<br />

In dieser Näherung ist die Streuamplitude lediglich die Fouriertransformierte des Potentials<br />

bzgl. des Differenzenvektors �k − �k ′ .<br />

Die Bedingung dafür, daß diese Näherung anwendbar ist, lautet offensichtlich<br />

�<br />

� (1)<br />

ϕ � (�r) − ϕ<br />

k (0)<br />

� (, �r)<br />

k � �<br />

� ≪ �ϕ (0)<br />

� (�r)<br />

k � � , also (<strong>II</strong>.3.12)<br />

2m<br />

� 2<br />

��<br />

�<br />

�<br />

�<br />

d 3 r ′ G+(�r − �r ′ ) V (�r ′ ) e i�k�r ′<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� ≪ 1 . (<strong>II</strong>.3.13)<br />

Für ein zentralsymmetrisches Potential hat man<br />

�<br />

d 3 r ′ G+(�r − �r ′ ) V (r ′ ) e i� k ′ �r ′<br />

�<br />

= 2π<br />

≈ − 1<br />

� ∞<br />

2<br />

� ∞<br />

= −<br />

0<br />

�<br />

dϑ sin ϑ − 1<br />

4π<br />

eik|�r−�r ′ |<br />

|�r − �r ′ �<br />

V (r<br />

|<br />

′ ) e ikr′ cos ϑ<br />

dr ′ r ′2<br />

� 1<br />

0<br />

−1<br />

dr ′ r ′2<br />

� 1<br />

d cos ϑ<br />

−1<br />

eikr′<br />

r ′ V (r′ ) e ikr′ cos ϑ<br />

dr ′ eikr′ ′2<br />

r<br />

r ′ V (r′ sin kr′<br />

)<br />

kr ′ , (<strong>II</strong>.3.14)<br />

wobei vorrausgesetzt wurde, daß �r = 0 für das Integral charakteristisch ist. Damit erhält<br />

man das Gültigkeitskriterium für die 1. Bornsche Näherung in <strong>der</strong> häufig benutzen Form<br />

m<br />

�2 ��<br />

� ∞<br />

�<br />

k � dr V (r) � e 2ikr − 1 ��� �� ≪ 1 . (<strong>II</strong>.3.15)<br />

0<br />

Wie erwartet kann diese Kriterium entwe<strong>der</strong> für schwache Potentiale o<strong>der</strong> für hochenergetische<br />

Teilchen erfüllt werden.


<strong>II</strong>.3 Bornsche Reihe und Bornsche Näherung 63<br />

Beispiel: Es soll nun die Streuamplitude für die Streuung an einem abgeschirmten<br />

Coulomb-Potential (Yukawa-Potential, vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, IV.7) berechnet werden:<br />

also<br />

V (r) = − κ<br />

r e−µr , (<strong>II</strong>.3.16)<br />

f�k (ϑ) = 2kκ<br />

4π�2 �<br />

d 3 r e−µr<br />

r<br />

e i(,� k− � k ′ )�r . (<strong>II</strong>.3.17)<br />

Führt man jetzt Polarkoordinaten r, θ, φ bzgl. <strong>der</strong> durch die Richtung <strong>von</strong> �k − �k ′ gegebenene<br />

z-Achse ein, erhält man<br />

f�k (ϑ) = mκ<br />

�2 � ∞<br />

dr r e<br />

0<br />

−µr<br />

� 1<br />

d cos θ e<br />

−1<br />

i|�k− �k ′ =<br />

|t cos θ<br />

mκ<br />

�2 � ∞<br />

dr r e<br />

0<br />

−µr ei|� k−�k ′ |r −i| − e �k− �k ′ |r<br />

i| �k − �k ′ =<br />

|r<br />

mκ<br />

�2 1<br />

i| �k − �k ′ � ∞ �<br />

dr e<br />

| 0<br />

−(µ−i|�k− �k ′ |)r (µ+i|<br />

− e �k− �k ′ �<br />

|)r<br />

= mκ<br />

�2 1<br />

i| �k − �k ′ �<br />

|<br />

1<br />

µ − i| �k − �k ′ | −<br />

1<br />

µ + i| �k − �k ′ �<br />

|<br />

= 2mκ<br />

�2 1<br />

| �k − �k ′ | 2 .<br />

+ µ 2<br />

(<strong>II</strong>.3.18)<br />

Für die Streuung am Yukawa-Potential erhält man also mit | �k − �k ′ | = 2k sin(ϑ/2) den<br />

differentiellen Wirkungsquerschnitt in 1. Bornscher Näherung in <strong>der</strong> Form<br />

dσ<br />

dΩ = |f�k (ϑ)| 2 �<br />

2mκ<br />

=<br />

4�2k2 �<br />

1<br />

�<br />

2 ϑ µ2<br />

sin + 2 4k2 � . (<strong>II</strong>.3.19)<br />

Im Grenzfall µ → 0 folgt mit E = �2 k 2<br />

2m dann<br />

dσ<br />

dΩ =<br />

�<br />

κ<br />

4E<br />

�2 1<br />

. (<strong>II</strong>.3.20)<br />

4 ϑ sin 2<br />

Das ist genau <strong>der</strong> klassische Rutherford-Wirkungsquerschnitt. Dieses Produkt wurde bereits<br />

in <strong>Quantenmechanik</strong> I, IV.7 erhalten – dort auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> zeitabhängigen<br />

Störungsrechnung in erster Ordnung (bzw. <strong>der</strong> ” Goldenen Regel“). Ein Vergleich bei<strong>der</strong><br />

Argumentationsketten lohnt sich.<br />

Schließlich soll noch die 1. Bornsche Näherung für die Streuphasen angegeben werden. Im<br />

Partialwellenansatz<br />

∞� uℓ(r)<br />

ϕ�k (�r) =<br />

r Yℓ,0(ϑ, ϕ) (<strong>II</strong>.3.21)<br />

n=0


<strong>II</strong>.3 Bornsche Reihe und Bornsche Näherung 64<br />

gehorchen die Funktionen uℓ(r) <strong>der</strong> Anfangsbedingung uℓ(0) = 0 und besitzen das asymptotische<br />

Verhalten<br />

uℓ(r) ∼ γℓ sin(kr − ℓπ/2 + δℓ) . (<strong>II</strong>.3.22)<br />

Sie ergeben sich durch exakte Lösung <strong>der</strong> radialen Schrödinger-Gleichung<br />

u ′′<br />

�<br />

ℓ (r) + k 2 ℓ(ℓ + 1)<br />

−<br />

r2 − 2m<br />

�<br />

V (r) uℓ(r) = 0 . (<strong>II</strong>.3.23)<br />

�2 Ohne Streupotential hat man dagegen<br />

v ′′<br />

ℓ (r) +<br />

�<br />

k 2 −<br />

ℓ(ℓ + 1)<br />

r 2<br />

�<br />

vℓ(r) = 0 (<strong>II</strong>.3.24)<br />

mit vℓ(0) = 0. Lösungen sind die Funktionen vℓ(r) = ˜γℓ kr jℓ(kr) mit dem asymptotischen<br />

Verhalten<br />

vℓ(r) ∼ ˜γℓ sin(kr − ℓπ/2) . (<strong>II</strong>.3.25)<br />

Multipliziert man nun die Gleichung (<strong>II</strong>.3.23) mit vℓ, sowie (<strong>II</strong>.3.24) mit uℓ, subtrahiert<br />

beide und integriert über r, so erhält man, wenn man den Potentialterm auf die rechte<br />

Seite bringt<br />

� ∞<br />

0<br />

Nun ist<br />

dr � vℓu ′′<br />

ℓ − uℓv ′′ � �<br />

ℓ = vℓu ′ ℓ − uℓv ′ �<br />

ℓ<br />

�∞ �<br />

� =<br />

0<br />

2m<br />

�2 vℓ(r) u ′ ℓ(r) − uℓ(r) v ′ ℓ(r)<br />

� ∞<br />

dr V uℓvℓ . (<strong>II</strong>.3.26)<br />

�<br />

∼ γℓ ˜γℓ k sin � kr − ℓπ/2 � cos � � � � � �<br />

kr − ℓπ/2 + δℓ − cos kr − ℓπ/2 sin kr − ℓπ/2 + δℓ<br />

�<br />

= −γℓ ˜γℓ k sin δℓ . (<strong>II</strong>.3.27)<br />

Somit hat man die exakte Integralgleichung<br />

sin δℓ = − 2m<br />

�2 � ∞<br />

dr V (r) uℓ(r) r jℓ(kr) , (<strong>II</strong>.3.28)<br />

γℓ<br />

0<br />

<strong>der</strong>en Auswertung wie<strong>der</strong> die Kenntnis <strong>der</strong> vollen Radialfunktionen uℓ(r) vorraussetzt.<br />

Wenn die Streulösungen jedoch durch das Potential nur wenig modifiziert werden, hat<br />

man näherungsweise<br />

uℓ(r) ≈ γℓ kr jℓ(kr) und damit (<strong>II</strong>.3.29)<br />

sin δℓ ≈ − 2m<br />

�2 � ∞<br />

dr V (r)<br />

k<br />

� kr jℓ(kr) �2 . (<strong>II</strong>.3.30)<br />

0<br />

Das ist die 1. Bornsche Näherung für die Streuphasen. Diese Näherung ist ” gut“, wenn<br />

die rechte Seite <strong>der</strong> Gleichung klein gegen Eins ist. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten.<br />

0


<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite 65<br />

• Ist K klein, so muß vℓ(r) ∼ kr jℓ(kr) klein im Potentialbereich bleiben. Nun wächst<br />

vℓ(r) für kleine r wie (kr) ℓ+1 . Wegen<br />

�<br />

vℓ(r) + k 2 ℓ(ℓ + 1)<br />

−<br />

r2 �<br />

vℓ(r) = 0 (<strong>II</strong>.3.31)<br />

besitzt diese Funktion einen Wendepunkt für kr = � ℓ(ℓ + 1). Die obige Näherung<br />

für die Streuphasen ist also anwendbar, wenn die Potentialreichweite r0 die Bedingung<br />

r0 ≪ �� ℓ(ℓ + 1)<br />

�k<br />

(<strong>II</strong>.3.32)<br />

erfüllt. Das entspricht <strong>der</strong> Bedingung, daß <strong>der</strong> klassische Stoßparameter (d.h. <strong>der</strong><br />

Quotient aus Drehimpuls und Impuls) groß im Vergleich zur Potentialreichweite sein<br />

soll.<br />

• Bei hochenergetischen Projektilen mit großer Wellenzahl k lautet das Gültigkeitskriterium<br />

wegen <strong>der</strong> Beschränktheit <strong>von</strong> kr jℓ(kr) einfach<br />

2m<br />

�2 � ∞<br />

dr |V (r)| ≪ 1 , (<strong>II</strong>.3.33)<br />

k<br />

0<br />

sofern das Integral existiert.<br />

<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite<br />

Es wird nun vorausgesetzt, dass V (r) = 0 für r > a. In diesem Fall werden die Partialwellen<br />

für r > a durch<br />

R > ℓ<br />

1 � ∗<br />

(r) = h<br />

2<br />

ℓ(kr) + e 2iδℓ hℓ(kr) �<br />

(<strong>II</strong>.4.1)<br />

gegeben. Für den Fall r < a müssen die Partialwellen R < ℓ<br />

Gleichung bestimmt werden. Um R > ℓ<br />

man die Stetigkeit <strong>von</strong> Rℓ(r) und d<br />

drRℓ(r), also auch die <strong>der</strong> logarithmischen Ableitung<br />

d ln R < ℓ (r)<br />

dr<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� r=a<br />

�<br />

d ∗ h dr ℓ + e<br />

= cℓ =<br />

2iδℓ<br />

��<br />

�<br />

hℓ �<br />

�<br />

h ∗ ℓ + e2iδℓ hℓ<br />

Mit hℓ(kr) = jℓ(kr) + inℓ(kr) ergibt das<br />

�<br />

d<br />

jℓ − inℓ + e dr<br />

2iδℓ (jℓ + inℓ) �<br />

jℓ − inℓ + e2iδℓ �<br />

�<br />

�<br />

� = cℓ<br />

(jℓ + inℓ)<br />

bzw.<br />

(r) aus <strong>der</strong> radialen Schrödinger-<br />

(r) bei r = a richtig anschließen zu können, benötigt<br />

� r=a<br />

� r=a<br />

. (<strong>II</strong>.4.2)<br />

�� � 2iδℓ 1 + e jℓ + i � e 2iδℓ<br />

� �<br />

− 1 nℓ cℓ = � 1 + e 2iδℓ<br />

� djℓ<br />

dr + i � e 2iδℓ<br />

� dnℓ<br />

− 1<br />

dr<br />

(<strong>II</strong>.4.3)<br />

(<strong>II</strong>.4.4)


<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite 66<br />

o<strong>der</strong><br />

� � 2iδℓ 1 + e � �<br />

djℓ<br />

− cℓjℓ + i<br />

dr � e 2iδℓ<br />

�<br />

− 1 � �<br />

dnℓ<br />

− cℓnℓ = 0 . (<strong>II</strong>.4.5)<br />

dr<br />

Division liefert schließlich<br />

1 + e2iδℓ<br />

−<br />

i (e2iδℓ − 1) = cot δℓ =<br />

dnℓ − cℓnℓ<br />

dr<br />

djℓ − cℓjℓ<br />

dr<br />

, (<strong>II</strong>.4.6)<br />

wobei alle Funktionen an <strong>der</strong> ” Nahtstelle“ r = a auszuwerten sind.<br />

Betrachtet man als Beispiel ein Hartkugelpotential, d.h.<br />

�<br />

∞ , r ≤ a<br />

V (r) =<br />

0 , r > a ,<br />

so ist Rℓ(a) = 0 und folglich cℓ = ∞. Das ergibt<br />

cot δℓ = nℓ(ka)<br />

jℓ(ka)<br />

Wegen j0(z) =<br />

(<strong>II</strong>.4.7)<br />

. (<strong>II</strong>.4.8)<br />

sin z<br />

z und n0(z) cos z = − folgt speziell für ℓ = 0<br />

z<br />

cot δ0 = − cot ka , d.h.<br />

δ0 = −ka (mod π) . (<strong>II</strong>.4.9)<br />

Im allgemeinen Fall hat man<br />

jℓ(z) ∼<br />

z ℓ<br />

(2ℓ + 1)!!<br />

(2ℓ − 1)!!<br />

und nℓ(z) ∼ −<br />

zℓ+1 (<strong>II</strong>.4.10)<br />

für |z| ≪ 1. Damit erhält man für ka ≪ 1 aus <strong>der</strong> in Gleichung <strong>II</strong>.4.6 angegebenen<br />

Anschlussbedingung<br />

�<br />

1<br />

ℓ−1 kℓ(ka) − cℓ(ka) (2ℓ+1)!!<br />

tan δℓ ≈<br />

ℓ�<br />

�<br />

�<br />

1<br />

1<br />

−(2ℓ − 1)!! −k(ℓ + 1)<br />

Damit folgt<br />

=<br />

δℓ ∼ (ka) 2ℓ+1<br />

2ℓ + 1<br />

[(2ℓ + 1)!!] 2 (ka)2ℓ+1 ℓ − cℓa<br />

ℓ + 1 + cℓa<br />

(ka) ℓ+2 − cℓ (ka) ℓ+1<br />

. (<strong>II</strong>.4.11)<br />

für k → 0 . (<strong>II</strong>.4.12)<br />

Bei nie<strong>der</strong>energetischen Streuprozessen werden die Partialwellen mit ℓ ≥ 1 stark unterdrückt.<br />

Daher hat man im Grenzfall E → 0 reine s-Wellen-Streuung; die Streuung wird<br />

dann isotrop<br />

dσ<br />

dΩ = sin2 δ0<br />

k 2 . (<strong>II</strong>.4.13)


<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite 67<br />

Für das Hartkugelpotential ergibt sich wegen δ0 = −ka dann<br />

σ = 4πa 2 , (<strong>II</strong>.4.14)<br />

d.h. <strong>der</strong> totale Wirkungsquerschnitt für die Streuung an einem Harkugelpotential beträgt<br />

im Nie<strong>der</strong>energie-Grenzfall das vierfache des geometrischen Querschnitts.<br />

Es wird nun die Streuung an einem sphärischen Potentialtopf behandelt, also<br />

�<br />

−V0 , r ≤ a<br />

V (r) =<br />

0 , r > a ,<br />

(<strong>II</strong>.4.15)<br />

wobei V0 > 0. Die hier gewonnenen Resultate können auf alle kurzreichweitig-attraktiven<br />

Potentiale übertragen werden. Die Partialwellen im ” Innenraum“ lauten dann<br />

R < ℓ (r) = jℓ(qr) mit q = 1�<br />

2m(V0 + E) , (<strong>II</strong>.4.16)<br />

�<br />

also erhält man die Anschlusskoeffizienten<br />

cℓ = q j′ ℓ (qa)<br />

jℓ(qa)<br />

. (<strong>II</strong>.4.17)<br />

Die für ka ≪ 1 hergeleitete Näherung für die Streuphasen in Gleichung <strong>II</strong>.4.11 zeigt, dass<br />

), sofern<br />

tan δℓ singulär wird, also δℓ = (n + 1<br />

2<br />

ℓ + 1 + cℓa = 0 . (<strong>II</strong>.4.18)<br />

Dann wird <strong>der</strong> Beitrag σℓ <strong>der</strong> ℓ-ten Partialwelle zum totalen Wirkungsquerschnitt maximal,<br />

nämlich<br />

σℓ = 4π<br />

k2 (2ℓ + 1) sin2 � (n + 1<br />

2 )π� = 4π<br />

(2ℓ + 1) . (<strong>II</strong>.4.19)<br />

k2 Um dieses Maximum zu verstehen, betrachte die Bedingung für das Auftreten <strong>von</strong> Bindungszuständen<br />

im sphärischen Potentialtopf<br />

q j′ ℓ (qa)<br />

jℓ(qa) = iκ h′ ℓ (iκa)<br />

hℓ(iκa)<br />

, (<strong>II</strong>.4.20)<br />

wobei<br />

q = 1�<br />

2m(V0 + E)<br />

�<br />

E<br />

κ<br />

<<br />

=<br />

0<br />

1�<br />

2m(−E) .<br />

�<br />

(<strong>II</strong>.4.21)<br />

Für einen schwach gebundenen Zustand mit κa ≪ 1 gilt in guter Näherung die Vereinfachung<br />

hℓ(iκa) = jℓ(iκa) + inℓ(iκa) ≈ inℓ(iκa). Wegen<br />

(2ℓ − 1)!!<br />

nℓ(z) ∼ −<br />

zℓ+1 und n ′ (2ℓ − 1)!!(ℓ + 1)<br />

ℓ(z) ∼ +<br />

zℓ+1 (<strong>II</strong>.4.22)


<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite 68<br />

tritt ein Bindungszustand mit kleiner Bindungsenergie auf für<br />

q j′ ℓ (qa)<br />

jℓ(qa)<br />

≈ −iκ (ℓ + 1)<br />

iκa<br />

. (<strong>II</strong>.4.23)<br />

Das ist genau die Bedingung für das Auftreten des Maximums <strong>von</strong> σℓ, sofern E > 0: Der<br />

partielle Wirkungsquerschnitt σℓ wird maximal, wenn die Energie des streuenden Teilchens<br />

mit <strong>der</strong> Enregie einer Kontinuumsresonanz zum Drehimpuls ℓ übereinstimmt. Man<br />

spricht dann <strong>von</strong> Resonanzstreuung.<br />

Entwickelt man<br />

ℓ + 1 + cℓ(E)a = 0 + (E − ER)c ′ ℓ(ER)a + . . . , (<strong>II</strong>.4.24)<br />

erhält man die Streuphasen in Resonanznähe in <strong>der</strong> Form (vergleiche Gleichung <strong>II</strong>.4.11)<br />

tan δℓ ≈ −γ (ka)2ℓ+1<br />

E − ER<br />

wobei die Konstante γ durch<br />

2ℓ + 1<br />

γ = −<br />

[(2ℓ + 1)!!] 2<br />

+ O � (ka) 2ℓ+1� , (<strong>II</strong>.4.25)<br />

ℓ − cℓ(ER)a<br />

c ′ ℓ (ER)a<br />

(<strong>II</strong>.4.26)<br />

gegeben wird und ER die Resonanzenergie bezeichnet. Schreibt man jetzt die Partialwellenamplituden<br />

in <strong>der</strong> Form<br />

Tℓ(k) = e2iδℓ − 1<br />

2i<br />

und berücksichtigt<br />

= 1 e<br />

2i<br />

2iδℓ − 1<br />

e2iδℓ � �<br />

2iδℓ e + 1<br />

+ 1<br />

1 − i tan δℓ = e2iδℓ + 1<br />

e 2iδℓ + 1 − e2iδℓ − 1<br />

e 2iδℓ + 1 =<br />

so ergibt sich<br />

Tℓ(k) =<br />

tan δℓ<br />

1 − i tan δℓ<br />

≈<br />

2<br />

e 2iδℓ + 1<br />

(<strong>II</strong>.4.27)<br />

, (<strong>II</strong>.4.28)<br />

−γ(ka) 2ℓ+1<br />

. (<strong>II</strong>.4.29)<br />

E − ER + iγ(ka) 2ℓ+1<br />

Daraus folgt für den partiellen Wirkungsquerschnitt<br />

σℓ = 4π<br />

k2 (2ℓ + 1) |Tℓ(k)| 2 = 4π<br />

�<br />

2ℓ+1 γ(ka)<br />

(2ℓ + 1)<br />

k2 �2 (E − ER) 2 + [γ(ka) 2ℓ+1 2 . (<strong>II</strong>.4.30)<br />

]<br />

Das ist die Breit-Wigner-Formel für Resonanzstreuung. Die Maxima im partiellen Wirkungsquerschnitt<br />

entsprechen also Polen <strong>der</strong> Partialwellenamplituden bei<br />

E = ER − iγ(ka) 2ℓ+1<br />

(<strong>II</strong>.4.31)


<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite 69<br />

in <strong>der</strong> komplexen Energieebene.<br />

Schließlich soll noch die s-Wellen-Streuung am Potentialtopf behandelt werden: Für ℓ = 0<br />

ist<br />

R < 0 (r) = j0(qr) = sin(qr)<br />

qr<br />

das ergibt<br />

�<br />

cos(qr)<br />

c0 = −<br />

r<br />

sin(qr)<br />

qr2 � �<br />

qr<br />

�<br />

�<br />

�<br />

sin(qr)<br />

, (<strong>II</strong>.4.32)<br />

� r=a<br />

= q cot(qa) − 1<br />

a<br />

. (<strong>II</strong>.4.33)<br />

Daraus folgt für die Streuphase δ0 nach Gleichung <strong>II</strong>.4.6 <strong>der</strong> Ausdruck<br />

�<br />

dj0(kr)<br />

− c0j0(kr)<br />

�<br />

dr<br />

�<br />

tan δ0 =<br />

� , (<strong>II</strong>.4.34)<br />

− c0n0(kr)<br />

dn0(kr)<br />

dr<br />

also mit n0(kr) = − cos(kr)<br />

kr<br />

tan δ0 =<br />

= cos(ka) − q<br />

=<br />

cos(ka) sin(ka)<br />

− a ka2 sin(ka) cos(ka)<br />

+ a ka2 k<br />

� r=a<br />

− � q cot(qa) − 1<br />

+ � q cot(qa) − 1<br />

a<br />

cot(qa) sin(ka)<br />

sin(ka) + q<br />

cot(ka) cos(ka)<br />

k<br />

q<br />

k<br />

tan(qa) − tan(ka)<br />

1 + k tan(qa) tan(ka)<br />

q<br />

= 2 � �<br />

k<br />

tan arctan q tan(qa)<br />

�<br />

�<br />

− ka<br />

� sin(ka)<br />

a ka<br />

� cos(ka)<br />

ka<br />

. (<strong>II</strong>.4.35)<br />

Daraus folgt für die s-Wellen-Streuphase<br />

�<br />

k<br />

δ0 = arctan q tan(qa)<br />

�<br />

− ka mod π . (<strong>II</strong>.4.36)<br />

Falls tan(qa) endlich bleibt (d.h. falls qa �= (2n + 1) π,<br />

d.h. falls die Topftiefe nicht so<br />

2<br />

gewählt ist, dass ein neuer Bindungszustand an <strong>der</strong> Kontinuumskante auftritt), findet<br />

man also für kleine Energien des einfallenden Teilchens<br />

tan(qa) − ka mod π<br />

�<br />

= −ka 1 − tan(qa)<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>.4.37)<br />

qa<br />

δ0 ≈ k<br />

q<br />

Mit σ = 4π<br />

k2 sin2 δ0 erhält man den totalen Wirkunsquerschnitt<br />

σ ≈ 4πa 2<br />

�<br />

1 − tan(qa)<br />

�2 . (<strong>II</strong>.4.38)<br />

qa<br />

2 Hier wird das Additionstheorem des Tangens benutzt: tan(x − y) = tan x−tan y<br />

1+tan x tan y


<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite 70<br />

Also gilt σ = 0 wenn tan(qa)<br />

= 1. Dieses gegenintuitive Verschwinden des totalen Wirkungs-<br />

qa<br />

querschnitts entspricht dem Ramsauer-Effekt: Streut man Elektronen an Edelgasatomen,<br />

so beobachtet man bei E = 0.7 eV einen extrem niedrigen totalen Wirkungsquerschnitt.<br />

Da das Wechselwirkungspotential zwischen einem Elektron und einem Edelgasatom sehr<br />

schnell abfällt, kann es durch ein Topfpotential modelliert werden. Die obige Überlegung<br />

liefert daher eine qualitative Erklärung dieses Phänomens.<br />

Da die Energie <strong>der</strong> Bindungszustände mit ℓ = 0 aus<br />

q cot(qa) = − 1�<br />

2m|E| (<strong>II</strong>.4.39)<br />

�<br />

bestimmt wird, taucht bei Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Topftiefe ein neuer s-Bindungszustand auf,<br />

wenn<br />

qa = a�<br />

2m(0 + V0) = (2n + 1)<br />

�<br />

π<br />

. (<strong>II</strong>.4.40)<br />

2<br />

Dann ist tan(qa) = ∞ und daher für k → 0<br />

δ0 = π<br />

2<br />

mod π . (<strong>II</strong>.4.41)<br />

Beim Auftauchen eines neuen Bindungszustandes geht δ0 durch ein ungeradzahliges Vielfaches<br />

<strong>von</strong> π<br />

2 und wächst um π. Im Grenzfall k → 0 wird daher δ0, in Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> Topftiefe betrachtet, zu einer Stufenfunktion<br />

δ0(0) = Nπ , (<strong>II</strong>.4.42)<br />

wobei N die Zahl <strong>der</strong> s-Bindungszustände angibt. Das ist ein Beispiel für das Levinson-<br />

Theorem. Für kleine k variiert δ0 linear mit k. Man findet<br />

δ0 = −ka0 + O � k 3�<br />

mod π . (<strong>II</strong>.4.43)<br />

Die Größe a0 wird als s-Wellen-Streulänge bezeichnet. Für das Topfpotential kann a0<br />

sofort aus dem Resultat <strong>von</strong> Gleichung <strong>II</strong>.4.35 abgelesen werden:<br />

� �<br />

tan q0a<br />

a0 = a 1 −<br />

q0a<br />

mit q0 = 1�<br />

2mV0 .<br />

�<br />

(<strong>II</strong>.4.44)<br />

Dann ist sin 2 δ0 = (ka0) 2 + O (k 4 ), so dass <strong>der</strong> totale Wirkungsquerschnitt für kleine<br />

Energien durch die s-Wellen-Streulänge bestimmt wird:<br />

σ = 4πa 2 0 + O � k 2� . (<strong>II</strong>.4.45)<br />

Entsprechend gilt für die Streuamplitude<br />

f� k (ϑ) ≈ 1<br />

k<br />

e 2iδ0 − 1<br />

2i<br />

−→ − a0<br />

(<strong>II</strong>.4.46)


<strong>II</strong>.4 Streuung an Potentialen endlicher Reichweite 71<br />

für k → 0. Eine genauere Näherung erhält man, wenn man <strong>von</strong> dem bereits in Gleichung<br />

<strong>II</strong>.4.29 benutzten Ausdruck für die Partialwellenamplitude ausgeht:<br />

T0(k) =<br />

tan δ0<br />

1 − i tan δ0<br />

≈ −ka0<br />

1 + i ka0<br />

für ka0 ≪ 1 . (<strong>II</strong>.4.47)<br />

Die Partialwellenamplitude besitzt also einen Pol bei k = i . Dieser entspricht einem<br />

a0<br />

Bindungszustand mit <strong>der</strong> Energie EB = − �2<br />

2ma 2 0<br />

dann<br />

σ ≈ 4π<br />

k2 |T0(k)| 2 ≈ 4π<br />

k2 = 2π�2 /m<br />

E − EB<br />

k 2 a 2 0<br />

1 + k 2 a 2 0<br />

= 4πa2 0<br />

1 + k 2 a 2 0<br />

. Für den Wirkungsquerschnitt ergibt sich<br />

=<br />

� 2 k 2<br />

2m<br />

4π �2<br />

2m<br />

+ �2<br />

2ma 2 0<br />

. (<strong>II</strong>.4.48)<br />

Damit hängt die Streulänge bzw. <strong>der</strong> Wirkungsquerschnitt sehr empfindlich <strong>von</strong> einem<br />

Bindungszustand nahe <strong>der</strong> Kontinuumskante ab.<br />

Eine graphische Interpretation <strong>der</strong> Streulänge erhält man durch Betrachtung <strong>der</strong> Wellen-<br />

funktion. Man hat<br />

R > 0 = 1<br />

2<br />

�<br />

h ∗ 0 + e 2iδ0 h0<br />

�<br />

= 1<br />

2 eiδ0<br />

�� �� � � �� �<br />

cos δ0 − i sin δ0 j0 − in0 + cos δ0 + i sin δ0 j0 + in0<br />

�<br />

= 1<br />

2 eiδ0<br />

�<br />

cos δ0j0 − i cos δ0n0 − i sin δ0j0 − sin δ0n0<br />

�<br />

+ cos δ0j0 + i cos δ0n0 + i sin δ0j0 − sin δ0n0<br />

= e iδ0 � cos δ0j0(kr) − sin δ0n0(kr) � . (<strong>II</strong>.4.49)<br />

Das ergibt für kleine k mit<br />

e iδ0 cos δ0 = 1�<br />

� 2iδ0 e + 1 ≈ 1 (<strong>II</strong>.4.50)<br />

2<br />

e iδ0 sin δ0 = 1�<br />

� 2iδ0 e − 1 ≈ δ0 ≈ −ka0<br />

(<strong>II</strong>.4.51)<br />

2<br />

und nicht zu große r dann für u > 0 = rR > 0 die Näherung<br />

u > 0 ≈<br />

sin kr<br />

k<br />

− ka0<br />

cos kr<br />

k ≈ r − a0 . (<strong>II</strong>.4.52)<br />

Also beschreibt die Streulänge den Ort, an dem die ” äußere“ (potentialfreie) Radialfunktion<br />

u > 0 die Achse schneiden würde, wenn man sie ohne Berücksichtigung des Potentials<br />

nach ” Innen“ fortsetzen würde. Für lediglich schwach attraktive Potentiale ohne Bindungszustand<br />

ist a0 negativ (vgl. Abbildung <strong>II</strong>.4(A)), beim Auftauchen eines Bindungszustandes<br />

an <strong>der</strong> Kontinuumskante wird a0 singulär (vgl. Abbildung <strong>II</strong>.4(B)). Weitere<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Potentialstärke führt dann zunächst zu einer positiven Streulänge (vgl.<br />

Abbildung <strong>II</strong>.4(C)).


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¤¦��§ ¤���§<br />

¢¡<br />

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� ¡ � ¡<br />

£<br />

Abbildung <strong>II</strong>.4:<br />

<strong>II</strong>I Wechselwirkung <strong>von</strong> Strahlung mit <strong>Materie</strong><br />

<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld<br />

In <strong>der</strong> klassischen Elektrodynamik gehorchen die Fel<strong>der</strong> � E(�r, t) und � B(�r, t) den Maxwell-<br />

Gleichungen<br />

�∇ · � E(�r, t) = 1<br />

ε0<br />

ϱ(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.1)<br />

�∇ · � B(�r, t) = 0 (<strong>II</strong>I.1.2)<br />

�∇ × � E(�r, t) = − ∂<br />

∂t � B(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.3)<br />

�∇ × � B(�r, t) = 1<br />

c2 ∂<br />

∂t � E(�r, t) + 1<br />

ε0c2 �j(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.4)<br />

8 m<br />

mit <strong>der</strong> Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c = 2, 99792 · 10 und <strong>der</strong> dielektrischen Kon-<br />

s<br />

−12 AS<br />

stanten ε0 = 8, 8542 · 10 . Nach einer räumlichen Fouriertransformation, also<br />

�E(�r, t) =<br />

usw., wird daraus<br />

1<br />

(2π) 3/2<br />

�<br />

i � k · � E 1 ( � k, t) = 1<br />

ε0<br />

V m<br />

d 3 k � E( � k, t) e i� k·�r , (<strong>II</strong>I.1.5)<br />

ϱ( � k, t) (<strong>II</strong>I.1.6)<br />

i�k · � B( �k, t) = 0 (<strong>II</strong>I.1.7)<br />

i�k × � E( �k, t) = − ∂<br />

∂t � B( �k, t) (<strong>II</strong>I.1.8)<br />

i � k × � B( � k, t) = 1<br />

c 2<br />

∂<br />

∂t � E( �k, t) + 1<br />

ε0c2 �j( �k, t) . (<strong>II</strong>I.1.9)<br />

1 Um <strong>der</strong> einfacheren Schreibweise willen werden hier die Feldgrößen im Orts- und im Fourierraum<br />

durch ihr Argument unterschieden.<br />

¢¡<br />

£<br />

72


<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld 73<br />

Die ersten beiden dieser Gleichungen legen die longitudinalen Komponenten � E||( � k, t) und<br />

�B||( � k, t) <strong>der</strong> elektrischen und magnetischen Fel<strong>der</strong> fest, d.h. die Projektion <strong>von</strong> � E( � k, t)<br />

und � B( � k, t) auf � k<br />

k :<br />

�E||( � k, t) = − i� k<br />

ε0k 2 ϱ(� k, t) (<strong>II</strong>I.1.10)<br />

�B||( � k, t) = 0 . (<strong>II</strong>I.1.11)<br />

Diese Gleichungen lassen sich mit den üblichen Fourier-Techniken sofort in den Ortsraum<br />

übertragen. Zunächst gilt, dass<br />

1<br />

(2π) 3/2<br />

�<br />

d 3 k 1<br />

k2 ei� k·�r 1<br />

=<br />

(2π) 1/2<br />

� ∞ � 1<br />

ikr cos ϑ<br />

dk d cos ϑ e<br />

0 −1<br />

1<br />

=<br />

(2π) 1/2<br />

� ∞<br />

dk<br />

0<br />

eikr − e−ikr ikr<br />

� � � ∞<br />

2 1 sin z π 1<br />

=<br />

dz = , (<strong>II</strong>I.1.12)<br />

π r 0 z 2 r<br />

� �� �<br />

also auch<br />

�∇<br />

� π<br />

2<br />

1<br />

r =<br />

1<br />

(2π) 3/2<br />

�<br />

π<br />

2<br />

d 3 k i� k<br />

k 2 ei� k·�r . (<strong>II</strong>I.1.13)<br />

Daher ist � π<br />

2 � ∇ 1<br />

r die Fouriertransformierte <strong>von</strong> i�k k2 . Weiterhin hat man das Faltungstheorem:<br />

Sind F ( �k) und G( �k) die Fouriertransformierten <strong>von</strong> f(�r) und g(�r), so ist<br />

F ( �k) · G( �k) =<br />

1<br />

(2π) 3/2<br />

�<br />

d 3 r f(�r) e −i�k·�r 1<br />

(2π) 3/2<br />

�<br />

d 3 r ′ g(�r ′ ) e −i�k·�r ′<br />

=<br />

1<br />

(2π) 3<br />

�<br />

d 3 r f(�r − �r ′ ) e −i�k·(�r−�r ′ �<br />

)<br />

d 3 r ′ g(�r ′ ) e −i�k·�r ′<br />

=<br />

1<br />

(2π) 3<br />

�<br />

d 3 �<br />

r d 3 r ′ f(�r − �r ′ ) g(�r ′ ) e −i�k·�r , (<strong>II</strong>I.1.14)<br />

folglich ist das Produkt F ( �k)G( � 1<br />

k) die Fouriertransformierte <strong>der</strong> Faltung (2π) 3/2<br />

�<br />

3 ′ d r f(�r−<br />

�r ′ )g(�r ′ ). Da nun � E||( �k, t) = − i�k k2 · 1<br />

ε0 ϱ(�k, t), findet man sofort<br />

�E||( � 1<br />

k, t) =<br />

(2π) 3/2<br />

�<br />

d 3 r ′<br />

� �<br />

π<br />

−<br />

2 � 1<br />

∇r<br />

|�r − �r ′ �<br />

1<br />

ϱ(�r, t)<br />

| ε0<br />

= − 1<br />

�<br />

d<br />

4πε0<br />

3 r ′ ϱ(�r, t) � 1<br />

∇r<br />

|�r − �r ′ |<br />

(<strong>II</strong>I.1.15)<br />

sowie<br />

�B||(�r, t) = �0 . (<strong>II</strong>I.1.16)


<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld 74<br />

Das magnetische Feld ist also rein transversal. Das longitudinale elektrische Feld stimmt<br />

mit dem Coulomb-Feld überein, das durch die Ladungsverteilung ϱ(�r, t) ohne Retardierung<br />

(d.h. ” instantan“) hervorgerufen wird. Daher bilden die longitudinalen Fel<strong>der</strong> keine<br />

unabhängigen Freiheitsgrade. Sie sind entwe<strong>der</strong> Null o<strong>der</strong> können durch ϱ ausgedrückt<br />

werden. Im Unterschied dazu beschreiben die Transversalfel<strong>der</strong> � E⊥ und � B⊥ = � B, d.h. die<br />

Projektionen <strong>von</strong> � E( � k, t) und � B( � k, t) in die zu � k senkrechte Ebene, echte unabhängige<br />

Freiheitsgrade mit den Bewegungsgleichungen<br />

∂<br />

∂t � B( �k, t) = −i�kx � E⊥( �k, t) (<strong>II</strong>I.1.17)<br />

∂<br />

∂t � E⊥( �k, t) = c 2 i�kx � B( �k, t) − 1<br />

�j⊥( �k, t) . (<strong>II</strong>I.1.18)<br />

ε0<br />

Bekanntlich lässt sich ein elektromagnetisches Feld auch mit Hilfe <strong>von</strong> Potentialen � A(�r, t)<br />

und φ(�r, t) beschreiben, die mit den tatsächlichen beobachtbaren Fel<strong>der</strong>n gemäß<br />

�E(�r, t) = − � ∇ φ(�r, t) − ∂<br />

∂t � A(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.19)<br />

�B(�r, t) = � ∇ × � A(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.20)<br />

zusammenhängen. Im reziproken Raum wird daraus<br />

�E( � k, t) = −i � k φ( � k, t) − ∂<br />

∂t � A( � k, t) (<strong>II</strong>I.1.21)<br />

�B( � k, t) = i � k × � A( � k, t) . (<strong>II</strong>I.1.22)<br />

Diese Potentiale sind nicht eindeutig. Die Fel<strong>der</strong> � E(�r, t) und � B(�r, t) bleiben invariant,<br />

wenn die Potentiale mit Hilfe einer Eichfunktion χ(�r, t) gemäß<br />

�A(�r, t) −→ � A ′ (�r, t) = � A(�r, t) + � ∇ χ(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.23)<br />

φ(�r, t) −→ φ ′ (�r, t) = φ(�r, t) − ∂<br />

χ(�r, t)<br />

∂t<br />

(<strong>II</strong>I.1.24)<br />

” umgeeicht werden“ (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, Abschnitt I.5). Die Fourier-Darstellung<br />

�A( �k, t) −→ � A ′ ( �k, t) = � A( �k, t) + i�k χ( �k, t) (<strong>II</strong>I.1.25)<br />

φ( �k, t) −→ φ ′ ( �k, t) = φ( �k, t) − ∂<br />

∂t χ(�k, t) (<strong>II</strong>I.1.26)<br />

zeigt, dass bei einer solchen Eichtransformation nur � A||( � k, t) und φ( � k, t), nicht aber das<br />

transversale Vektorpotential � A⊥ verän<strong>der</strong>t werden:<br />

�A ′ ⊥( � k, t) = � A⊥( � k, t) . (<strong>II</strong>I.1.27)<br />

Ferner zeigen die beiden Gleichungen (<strong>II</strong>I.1.21) und (<strong>II</strong>I.1.22), dass die transversalen<br />

Fel<strong>der</strong> � E⊥( � k, t) und � B( � k, t) nur <strong>von</strong> dieser invarianten Komponente des Vektorpotentials<br />

abhängen:<br />

�E⊥( � k, t) = − ∂<br />

∂t � A⊥( � k, t) (<strong>II</strong>I.1.28)


<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld 75<br />

�B( � k, t) = i � k × � A⊥( � k, t) . (<strong>II</strong>I.1.29)<br />

Die Eichfreiheit lässt sich ausnutzen, um ein Problem durch geschickte Wahl <strong>der</strong> Eichung<br />

zu vereinfachen. Zur Beschreibung <strong>der</strong> Wechselwirkung <strong>von</strong> Strahlung mit <strong>Materie</strong> benutzt<br />

man häufig die sogenannte Coulomb-Eichung, in <strong>der</strong> die Identität<br />

�∇ · � A( � k, t) = 0 (<strong>II</strong>I.1.30)<br />

erfüllt ist, also insbeson<strong>der</strong>e auch � A||( � k, t) = 0. In <strong>der</strong> Coulomb-Eichung ist also das<br />

Vektorpotential ” rein transversal“, so dass diese Eichung auch als transversale Eichung<br />

bezeichnet wird.<br />

Aus <strong>der</strong> Gleichung (<strong>II</strong>I.1.21) folgt in dieser Eichung<br />

�E||( � k, t) = −i � k φ( � k, t) . (<strong>II</strong>I.1.31)<br />

An<strong>der</strong>erseits hat man (<strong>II</strong>I.1.10), also insgesamt für die Coulomb-Eichung<br />

�E||( � k, t) = −i � k<br />

ε0k 2 ϱ(� k, t) , (<strong>II</strong>I.1.32)<br />

bzw. mit Hilfe des Faltungssatzes<br />

1<br />

φ(�r, t) =<br />

(2π) 3/2<br />

�<br />

d 3 r ′<br />

�<br />

π 1<br />

2 |�r − �r ′ ϱ(�r<br />

|<br />

′ , t)<br />

ε0<br />

�<br />

1<br />

= d<br />

4πε0<br />

3 r ′ ϱ(�r ′ , t)<br />

|�r − �r ′ . (<strong>II</strong>I.1.33)<br />

|<br />

Also verschwindet in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung das longitudinale Vektorpotential. Das skalare<br />

Potential stimmt mit dem Coulomb-Potential <strong>der</strong> gleichzeitigen Ladungsverteilung ϱ(�r, t)<br />

aus <strong>der</strong> Elektrostatik überein. Die unabhängigen Feldvariablen dieser Eichung sind also<br />

das transversale Vektorpotential � A⊥( �k, t) und seine Geschwindigkeit“<br />

”<br />

˙�A⊥( � k, t) = − � E⊥( � k, t) . (<strong>II</strong>I.1.34)<br />

Die Energie des Strahlungsfeldes ist<br />

E = ε0<br />

�<br />

d<br />

2<br />

3 r � �<br />

E( � � 2<br />

k, t) + c B� 2<br />

(�r, t) , (<strong>II</strong>I.1.35)<br />

wobei hier zunächst noch das gesamte elektrische Feld � E = � E⊥ + � E|| eingeht 2 . Die Ener-<br />

2 Zur Orientierung ein Überblick über die Dimensionen. Man hat<br />

� �<br />

�E<br />

Kraft<br />

=<br />

Ladung<br />

� � Ladung<br />

ε0 =<br />

2<br />

, also<br />

Arbeit · Länge<br />

� �B � =<br />

Kraft<br />

Ladung · Geschwindigkeit<br />

�<br />

ε0 � E � Ladung<br />

=<br />

2 � �2 Kraft<br />

=<br />

Arbeit · Länge Ladung<br />

Arbeit<br />

Volumen<br />

�<br />

ε0c 2 B� 2� = Arbeit � � 2<br />

εc E � × B� Arbeit · Länge<br />

=<br />

Volumen<br />

Volumen · Zeit =<br />

Arbeit<br />

Fläche · Zeit .


<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld 76<br />

giestromdichte wird gegeben durch den Poynting-Vektor<br />

�S(�r, t) = ε0c 2 � E(�r, t) × � B(�r, t) . (<strong>II</strong>I.1.36)<br />

Mit � B(�r, t) = � ∇(�r, t) hat man<br />

�∇ × ( � ∇ × � A) = � ∇( � ∇ · � A) − ∆ � A = 1<br />

c 2<br />

in transversaler Eichung also<br />

−∆ � A = 1<br />

c 2<br />

∂<br />

∂t � E + 1<br />

ε0c 2 �j , (<strong>II</strong>I.1.37)<br />

∂<br />

∂t � E⊥ + 1<br />

ε0c2 �j⊥ . (<strong>II</strong>I.1.38)<br />

Da weiter � E⊥ = − ∂<br />

∂t � A⊥ ist, ergibt sich die inhomogene Wellengleichung<br />

�<br />

∆ − 1<br />

c 2<br />

∂ 2<br />

∂t 2<br />

�<br />

�A = − 1<br />

ε0c 2 �j ⊥ , (<strong>II</strong>I.1.39)<br />

<strong>der</strong>en Lösung das Strahlungsfeld bestimmt, das <strong>von</strong> einer klassischen Stromdichte �j(�r, t)<br />

erzeugt wird. In die Inhomogenität geht nur <strong>der</strong> transversale (divergenzfreie) Anteil ein.<br />

In einem Raumbereich mit �j = �0 wird diese Gleichung durch ebene Wellen gelöst:<br />

�A(�r, t) = α �ε e i(� k�r−ωt) + α ∗ �ε ∗ e −i( � k�r−ωt) . (<strong>II</strong>I.1.40)<br />

Die Gleichung (<strong>II</strong>I.1.39) mit �j = �0 for<strong>der</strong>t −k 2 + ω2<br />

c 2 = 0, also ω = kc. Die Transversalität<br />

�∇· � A = 0 erzwingt die Orthogonalität des Ausbreitungsvektors � k und des Polarisationsvektors<br />

�ε. Es darf ohne Einschränkung |�ε| 2 = 1 vorrausgesetzt werden. Für linear polarisierte<br />

Strahlung ist �ε reell.<br />

Die Energiedichte dieser ebenen Welle berechnet sich aus<br />

und 3<br />

�E = − ∂<br />

∂t � A = iω α �ε e i(� k�r−ωt) − iω α ∗ �ε ∗ e −i( � k�r−ωt)<br />

�B = � ∇ × � A = iα � k × �ε e i(� k�r−ωt) − iα ∗ � k × �ε ∗ e −i( � k�r−ωt)<br />

�E 2 = 2ω 2 |α| 2 − 2ω 2 Re � α 2 �ε 2 e 2i(� k�r−ωt) �<br />

�B 2 = 2k 2 |α| 2 − 2k 2 Re � α 2 �ε 2 e 2i(� k�r−ωt) �<br />

(<strong>II</strong>I.1.41)<br />

(<strong>II</strong>I.1.42)<br />

im Zeitmittel zu<br />

¯w = ε0<br />

� �<br />

�E 2 2<br />

+ c B� 2 = 2ε0ω<br />

2<br />

2 |α| 2 . (<strong>II</strong>I.1.43)<br />

3 Beachte ( � k × �ε) · � k × �ε ∗ = − � k × ( � k × �ε) · �ε ∗ = −(−k 2 �ε) · �ε ∗ = k 2 .


<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld 77<br />

Da sich die Welle mit Lichtgeschwindigkeit in � k-Richtung ausbreitet, lautet <strong>der</strong> zeitgemittelte<br />

Poynting-Vektor<br />

�S = 2ε0ω 2 C|α| 2�k . (<strong>II</strong>I.1.44)<br />

k<br />

Eine beliebige Lösung � A(�r, t) kann nun als Linearkombination ebener Wellen dargestellt<br />

werden, besitzt also die Form<br />

�A(�r, t) = �<br />

�<br />

A�k,λ √V �ελ e i(� A<br />

k�r−ωt)<br />

+ ∗ �k,λ √V �ελ ∗ e −i(� �<br />

k�r−ωt)<br />

(<strong>II</strong>I.1.45)<br />

� k,λ<br />

mit den Amplituden A� k,λ . Hier wird ein großes ” Quantisierungsvolumen“ V = L 3 vorausgesetzt.<br />

Außerdem werden periodische Randbedingungen gestellt:<br />

� k = 2π<br />

L<br />

�n , (<strong>II</strong>I.1.46)<br />

wobei die Komponenten <strong>von</strong> �n ganzzahlig sind. Die Summe über λ erstreckt sich für jedes<br />

� k über zwei zu � k orthogonale Polarisationsrichtungen. Die mittlere Energiedichte lautet<br />

dann<br />

¯w = �<br />

2ε0ω 2 |A�k,λ | 2<br />

. (<strong>II</strong>I.1.47)<br />

V<br />

� k,λ<br />

Um nun die Wechselwirkung eines klassischen elektromagnetischen Strahlungsfeldes mit<br />

einem quantenmechanischen Teilchen zu beschreiben, soll zunächst noch keine Eichung<br />

festgelegt werden. Der Hamiltonoperator für ein Teilchen <strong>der</strong> Ladung e in einem elektromagnetischen<br />

Feld lautet (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, I.5.3)<br />

H = 1 � �<br />

�p − eA(�r, � 2<br />

t) + eφ(�r, t) + V (�r, t) , (<strong>II</strong>I.1.48)<br />

2m<br />

wobei V (�r, t) alle an<strong>der</strong>en Potentiale zusammenfasst, die auf das Teilchen einwirken. Die<br />

Schrödingergleichung<br />

i� ∂<br />

� �<br />

1 �<br />

ψ(�r, t) =<br />

∂t 2m i � ∇ − e � � �<br />

2<br />

A + eφ + V ψ(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.49)<br />

bleibt dann invariant unter einer kombinierten Phasen-Eich-Transformation (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong><br />

I, I.5.3): Transformiert man die Fel<strong>der</strong> gemäß<br />

�A ′ = � A + � ∇χ φ ′ = φ − ∂<br />

χ , (<strong>II</strong>I.1.50)<br />

∂t<br />

so entspricht dem die neue Wellenfunktion<br />

ψ ′ = e i<br />

� e χ ψ . (<strong>II</strong>I.1.51)


<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld 78<br />

Man beachte, dass z.B <strong>der</strong> Impuls �p keine eichinvariante Größe ist: Die Matrixelemente<br />

des Impulsoperators besitzen für transformierte Wellenfunktionen die Form<br />

�<br />

d 3 r ψ ′ ∗ �<br />

1<br />

i � ∇ ψ ′ �<br />

2 = d 3 �<br />

r e i<br />

� e χ �∗ �<br />

ψ1<br />

i � �<br />

∇ e i<br />

� e χ �<br />

ψ2<br />

�<br />

= d 3 r ψ ∗ �<br />

�<br />

1<br />

i � ∇ ψ2 + e� �<br />

∇χ ψ2 . (<strong>II</strong>I.1.52)<br />

Dagegen besitzt die Kombination �p − e � A offensichtlich eichinvariante Matrixelemente.<br />

In <strong>der</strong> klassischen Mechanik entspricht diese Kombination dem Produkt aus Masse und<br />

Geschwindigkeit des Teilchens. In <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> entspricht dem die Heisenberg-<br />

Bewegungsgleichung (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, IV.6)<br />

also<br />

i� d�r(t)<br />

dt<br />

= [�r(t), H]<br />

=<br />

�<br />

�r(t), 1<br />

=<br />

� � �<br />

2<br />

�p(t) − eA(�r, � t) + eφ(�r, t) + V (�r, t)<br />

2m<br />

1<br />

� �<br />

�p(t) − A(�r, � 1<br />

t) [�r(t), �p(t)] + 2m<br />

2m [�r(t), �p(t)]��p(t) − � A(�r, t) �<br />

� �<br />

�p(t) − eA(�r, � t) , (<strong>II</strong>I.1.53)<br />

= i�<br />

m<br />

m d�r(t)<br />

dt = �p(t) − e � A(�r, t) . (<strong>II</strong>I.1.54)<br />

Generell müssen alle physikalisch beobachtbaren Größen eichinvariant sein. Der Hamilton-<br />

Operator H wird nun in zwei Anteile zerlegt<br />

wobei<br />

H = H0 + Hint , (<strong>II</strong>I.1.55)<br />

H0 = �p2<br />

+ V (�r, t) (<strong>II</strong>I.1.56)<br />

2m<br />

den Hamilton-Operator ohne Strahlungsfeld bezeichnet, und<br />

Hint = − e<br />

2m (�p · � A(�r, t) + � A(�r, t) · �p) + e2<br />

2m � A 2 (�r, t) + eφ(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.57)<br />

den Operator für die Wechselwirkung. Wegen<br />

�p · � A ψ = �<br />

i ∂jAjψ = �<br />

i (∂jAj)ψ + �<br />

i Aj∂jψ = �<br />

i (� ∇ · � A)ψ + � A · �p ψ (<strong>II</strong>I.1.58)<br />

ist im allgemeinen �p · � A �= � A · �p, nur in <strong>der</strong> transversalen Eichung gilt �p · � A = � A · �p.


<strong>II</strong>I.1 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld 79<br />

Für ein System <strong>von</strong> N Teilchen, das mit dem Strahlungsfeld wechselwirkt, hat man dann<br />

H =<br />

N�<br />

j=1<br />

also erhält man<br />

Hint =<br />

N�<br />

j=1<br />

1<br />

2mj<br />

�<br />

�pj − ej � �2 A(�rj, t) +<br />

N�<br />

ejφ(�rj, t) + V , (<strong>II</strong>I.1.59)<br />

j=1<br />

�<br />

− ej<br />

�<br />

�pj ·<br />

2mj<br />

� A(�rj, t) + � �<br />

A(�rj, t) · �pj + e2j �A<br />

2mj<br />

2 �<br />

(�rj, t) + ejφ(�rj, t)<br />

Wenn alle Teilchen die gleiche Ladung e und die gleiche Masse m haben, so ist<br />

wobei<br />

N�<br />

eφ(�rj, t) =<br />

j=1<br />

ϱ(�r) =<br />

N�<br />

�<br />

j=1<br />

d 3 �<br />

r eδ(�r − �rj) φ(�r, t) =<br />

. (<strong>II</strong>I.1.60)<br />

d 3 r eϱ(�r) φ(�r, t) , (<strong>II</strong>I.1.61)<br />

N�<br />

δ(�r − �rj) (<strong>II</strong>I.1.62)<br />

j=1<br />

als Operator <strong>der</strong> Teilchendichte aufgefasst werden kann. (Beachte: φ(�r, t) ist kein Operator<br />

mehr, da alle Ortsvektoren �rj in ϱ(�r) auftauchen.) Ebenso schreibt man<br />

N�<br />

j=1<br />

− e<br />

�<br />

�pj ·<br />

2m<br />

� A(�rj, t) + � � �<br />

A(�rj, t) · �pj = −e<br />

mit dem Stromdichteoperator<br />

�j(�r) = 1<br />

2<br />

N�<br />

j=1<br />

�<br />

�pj<br />

m δ(�r − �rj) + δ(�r − �rj) �pj<br />

�<br />

m<br />

d 3 r�j(�r) · � A(�r, t) (<strong>II</strong>I.1.63)<br />

. (<strong>II</strong>I.1.64)<br />

Die symmetrische Form dieses Operators garantiert seine Hermitizität. Da jedoch �pj<br />

m nicht<br />

<strong>der</strong> richtige“ Geschwindigkeitsoperator ist, ist auch �j(�r) nicht <strong>der</strong> eigentliche Stromdich-<br />

” �<br />

�pj − e � �<br />

A(�rj, t) , erhält man stattdessen<br />

teoperator: Ersetzt man �pj<br />

m<br />

durch 1<br />

m<br />

�J(�r) = �j(�r) − e<br />

m � A(�r, t)ϱ(�r) . (<strong>II</strong>I.1.65)<br />

In dieser Gleichung wird <strong>der</strong> erste Term als paramagnetische Stromdichte und <strong>der</strong> zweite<br />

als diamagnetische Stromdichte bezeichnet.<br />

Der Wechselwirkungsoperator lautet nun<br />

�<br />

Hint = d 3 �<br />

r −e�j(�r) · � A(�r, t) + e2<br />

2m ϱ(�r) � A 2 �<br />

(�r, t) + eϱ(�r) φ(�r, t) . (<strong>II</strong>I.1.66)


<strong>II</strong>I.2 Absorption <strong>von</strong> Licht 80<br />

Geht man nun zur transversalen Eichung über, so ist nach Gleichung <strong>II</strong>I.1.33 φ(�r, t) = 0,<br />

sofern sich in dem betrachteten Volumen keine fel<strong>der</strong>zeugenden Ladungen befinden. Weiter<br />

sind typische inneratomare Fel<strong>der</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> Größenordnung<br />

Ea.u. = 1<br />

4πε0<br />

e<br />

a 2 B<br />

11 V<br />

≈ 5.142 · 10<br />

m<br />

. (<strong>II</strong>I.1.67)<br />

Das ist die Feldstärke, die ein Elektron im Abstand <strong>von</strong> einem Bohrschen Radius aB<br />

<strong>von</strong> einem Proton erfährt. (Diese Größe ist die atomare Einheit“ <strong>der</strong> Feldstärke; sie<br />

”<br />

entspricht einer Laserintensität <strong>von</strong> Ia.u. = 1<br />

2ε0E 2 20 W<br />

a.u.c ≈ 3.51 · 10 m2 .) Für Fel<strong>der</strong>, die im<br />

Vergleich dazu klein sind, ist <strong>der</strong> zu � A2 proportionale Term meist gegenüber dem �j· � A-Term<br />

vernachlässigbar. Der wesentliche“ Wechselwirkungsoperator lautet daher einfach<br />

”<br />

�<br />

Hint = −e d 3 r�j(�r) · � A(�r, t) . (<strong>II</strong>I.1.68)<br />

<strong>II</strong>I.2 Absorption <strong>von</strong> Licht<br />

Mit <strong>der</strong> in Gleichung <strong>II</strong>I.1.45 angegebenen Modenzerlegung des Vektorpotentials erhält<br />

man<br />

�<br />

Hint = −e d 3 r�j(�r) · �<br />

�<br />

A�k,λ √V �ελ · e i(� A<br />

k·�r−ωt)<br />

+ ∗ �k,λ √V �ε ∗ λ · e −i(� �<br />

k·�r−ωt)<br />

= −e �<br />

� k,λ<br />

� A� k,λ<br />

√V<br />

� k,λ<br />

�j − � k · �ελ e −iωt + A∗ � k,λ<br />

√V<br />

�j� k · �ε ∗ λ e iωt<br />

Dabei bezeichnet �j� k die Fouriertransformierte des Stromdichteoperators<br />

�<br />

�j� k =<br />

d 3 r e −i� k·�r �j(�r) = 1<br />

2<br />

�<br />

j<br />

�<br />

�pj<br />

m e−i� k·�rj −i<br />

+ e �k·�rj �pj<br />

�<br />

m<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>I.2.1)<br />

. (<strong>II</strong>I.2.2)<br />

Es soll nun die Absorptionsrate für ein Atom berechnet werden, das sich anfangs in einem<br />

beliebigen Zustand |i〉 befindet. Der Lichtstrahl sei inkohärent in dem Sinne, dass<br />

keine Korrelationen zwischen den Phasen <strong>der</strong> verschiedenen Fourier-Komponenten bestehen.<br />

Das ist <strong>der</strong> Fall für das Licht gewöhnlicher Lampen, das <strong>von</strong> vielen verschiedenen<br />

Atomen erzeugt wird. Die Phasenbeziehungen <strong>der</strong> einzelnen Beiträge zum Lichtfeld sind<br />

dann rein zufällig. Unter dieser Voraussetzung gibt es bei <strong>der</strong> Wechselwirkung des Lichtes<br />

mit den Atomen keine Interferenzeffekte zwischen den Fourier-Komponenten. Daher kann<br />

<strong>der</strong> Effekt je<strong>der</strong> Komponente einzeln betrachtet und schließlich über alle Komponenten<br />

aufsummiert werden.<br />

Sofern das Licht nicht zu intensiv ist, kann seine Wechselwirkung mit dem Atom störungstheoretisch<br />

in erster Ordnung berechnet werden. Da die möglichen Endzustände für das


<strong>II</strong>I.2 Absorption <strong>von</strong> Licht 81<br />

Gesamtsystem ” Atom + Lichtfeld“ ein Kontinuum bilden, dann selbst dann die ” goldene<br />

Regel“ benutzt werden, wenn <strong>der</strong> Endzustand |f〉 des Atoms ein diskreter Bindungszustand<br />

ist. Gemäß <strong>Quantenmechanik</strong> I, Abschnitt IV.7 erhält man für eine perodisch<br />

zeitabhängige Störung mit <strong>der</strong> Kreisfrequenz ω Übergänge in ” beide Richtun-<br />

gen“: Positive Frequenzkomponenten <strong>der</strong> Störung, also Terme proportional zu e −iωt , liefern<br />

zunächst einen Phasenfaktor e i<br />

� (Ef −Ei−�ω)t und führen schließlich auf eine δ-Funktion<br />

δ(Ef − Ei − �ω), die ” Aufwärts“-Übergänge mit Ef = Ei + �ω beschreibt. Negative<br />

Frequenzkomponenten proportional zu e +iωt führen auf e i<br />

� (Ef −Ei+�ω)t und ergeben<br />

δ(Ef − Ei + �ω) für ” Abwärts“-Übergänge mit Ef = Ei − �ω. Die goldene Regel liefert<br />

daher für eine einzige Komponente des Lichtfeldes die Absorptionsrate<br />

Γ (abs)<br />

i→f, � 2π<br />

=<br />

k,λ � δ(Ef − Ei − �ω) e2<br />

V |A�k,λ | 2 |〈f|�j −�k · �ελ|i〉| 2 . (<strong>II</strong>I.2.3)<br />

Summation über alle � k und die beiden Polarisationsrichtungen, die zu jedem � k gehören,<br />

ergibt die gesamte Absorptionsrate<br />

Γ (abs)<br />

i→f<br />

= 1<br />

V<br />

�<br />

� k,λ<br />

2π<br />

� δ(Ef − Ei − �ω) e 2 |A� k,λ | 2 |〈f|�j − � k · �ελ|i〉| 2 . (<strong>II</strong>I.2.4)<br />

Wandelt man die Summe über �k mit <strong>der</strong> bekannten Vorschrift<br />

1 �<br />

� 2 k dk dΩ<br />

→<br />

V<br />

(2π) 3 = ω2 dω dΩ<br />

(2πc) 3<br />

� k<br />

(<strong>II</strong>I.2.5)<br />

in ein Integral über ω um und benutzt δ(Ef − Ei − �ω) = 1<br />

�δ(ωif − ω) mit ωif = Ef −Ei<br />

, �<br />

so folgt daraus<br />

Γ (abs) 2πe2<br />

i→f =<br />

�2 ω2 if<br />

(2πc) 3<br />

�<br />

dΩ �<br />

|A�k,λ | 2 |〈f|�j −�k · �ελ|i〉| 2 . (<strong>II</strong>I.2.6)<br />

λ<br />

Wenn nun <strong>der</strong> Lichtstrahl einen Raumwinkel dΩ aufspannt und eine feste Polarisation λ<br />

besitzt, lautet seine Intensität nach Gleichung <strong>II</strong>I.1.47<br />

| � S| = ¯wc = 1 �<br />

2ε0ω<br />

V<br />

2 c |A�k,λ | 2 �<br />

= dΩ dω ω4<br />

(2πc) 3 2ε0c |A�k,λ | 2 . (<strong>II</strong>I.2.7)<br />

Damit ist<br />

I(ω) = 2ε0c dΩ ω 4 |A� k,λ | 2<br />

(2πc) 3<br />

� k<br />

(<strong>II</strong>I.2.8)<br />

die spektrale Intensität (d.h. die Intensität pro Frequenzintervall). Für die Absorptionsrate<br />

erhält man dann<br />

Γ (abs)<br />

i→f<br />

= 2πe2<br />

� 2<br />

I(ωif)<br />

2ε0c ω2 if<br />

|〈f|�j − � k · �ελ|i〉| 2 . (<strong>II</strong>I.2.9)


<strong>II</strong>I.2 Absorption <strong>von</strong> Licht 82<br />

In gleicher Weise induziert die negative Frequenzkomponente des Wechselwirkungsoperators<br />

Übergänge f → i. Wenn man den durch Γ (abs)<br />

f→i beschriebenen Prozeß als Absorption<br />

eines Energiequants“ <strong>der</strong> Größe �ωif aus dem Strahlungsfeld deutet, wird man diesen<br />

”<br />

umgekehrten Prozeß als durch das Strahlungsfeld induzierte Emission eines solchen Energiequants<br />

auffassen. Die dazugehörige Rate ist<br />

Γ (ind.em.)<br />

f→i = 1<br />

V<br />

= 2πe2<br />

� 2<br />

�<br />

� k,λ<br />

2π<br />

� δ(Ef − Ei − �ω) e 2 |A� k,λ | 2 |〈f|�j� k · �ε ∗ λ |i〉| 2<br />

I(ωif)<br />

2ε0c ω2 if<br />

|〈f|�j� k · �ε ∗ λ |i〉| 2 . (<strong>II</strong>I.2.10)<br />

Offensichtlich sind die beiden ” entgegengesetzten“ Raten gleich,<br />

da ja<br />

Γ (abs)<br />

i→f<br />

= Γ(ind.em.)<br />

f→i , (<strong>II</strong>I.2.11)<br />

|〈f|�j − � k · �ελ|i〉| = |〈i|�j� k · �ε ∗ λ |f〉| ∗ . (<strong>II</strong>I.2.12)<br />

Die Annahme eines inkohärenten Strahlungsfeldes ist also eng verbunden mit einem Energieaustausch<br />

zwischen Atom und Feld, <strong>der</strong> nur in Vielfachen <strong>von</strong> �ωif vor sich geht. Deutet<br />

man – obwohl das Feld bisher rein klassisch behandelt wurde! – diese Energieportion als<br />

die Energie eines Photons, d.h. eines Anregungszustandes des Feldes, und nimmt weiterhin<br />

an, dass N� k,λ solcher Photonen zum Vektorpotential mit <strong>der</strong> Amplitude A� k,λ gehören,<br />

erhält man für die Gesamtenergie<br />

�<br />

N�k,λ = �<br />

2ε0ω 2 |A�k,λ | 2 ,<br />

� k,λ<br />

|A� k,λ | 2 =<br />

� k,λ<br />

�<br />

2ε0ω N� k,λ . (<strong>II</strong>I.2.13)<br />

Die Raten für Absorption und induzierte Emission lauten dann<br />

Γ (abs)<br />

i→f<br />

= 1<br />

V<br />

�<br />

� k,λ<br />

πe 2<br />

ε0ω δ(Ef − Ei − �ω) |〈f|�j − � k · �ελ|i〉| 2 · N� k,λ<br />

= Γ (ind.em.)<br />

f→i . (<strong>II</strong>I.2.14)<br />

Damit sind die Raten für die Absorption eines Photons aus einer Mode heraus bzw. für<br />

die induzierte Emission eines Photons in einer Mode hinein proportional zur Anzahl <strong>der</strong><br />

Photonen, die in dieser Mode vorhanden sind.<br />

Man erkennt, dass zuvor <strong>der</strong> Betrag, nicht aber die Phase <strong>der</strong> Amplitude A� k,λ durch N� k,λ<br />

ausgedrückt werden kann. Die Annahme eines inkohärenten Strahlungsfeldes ist gleichbedeutend<br />

mit dem Verlust aller Informationen über die Phasenbeziehungen zwischen<br />

verschiedenen Moden. Die Berechnung <strong>der</strong> Raten zunächst für die einzelnen Fourierkomponenten<br />

und ihre anschließende Aufsummation entspricht einer Mittelung über alle


<strong>II</strong>I.3 Heuristische Quantisierung des Strahlungsfeldes 83<br />

möglichen Phasen, bei <strong>der</strong> nur die Diagonalterme übrig bleiben. Also wird ein inkohärentes<br />

Strahlungsfeld vollkommen durch die Angabe <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Photonen in je<strong>der</strong> Mode<br />

spezifiziert. Wenn man umgekehrt die Besetzungszahlen N� k,λ kennt, hat man keine Informationen<br />

über die Phasenbeziehungen zwischen den einzelnen Moden. In diesem Sinne<br />

sind ” Photonenzahl“ und ” Phase“ komplementäre Größen.<br />

<strong>II</strong>I.3 Heuristische Quantisierung des Strahlungsfeldes<br />

Die mathematische Bahandlung <strong>der</strong> Wechselwirkung eines Atoms mit einem klassischen<br />

Strahlungsfeld im Rahmen <strong>der</strong> goldenen Regel“ zeigt, dass <strong>der</strong> Energieaustausch zwi-<br />

”<br />

schen dem Atom und dem Feld in Vielfachen einer Energiemenge �ωif vor sich geht.<br />

Dieses Quantum“ wird durch den Abstand Ef − Ei <strong>der</strong> atomaren Niveaus bestimmt. Die<br />

”<br />

Deutung dieses Quantums als ein Teilchen mit einer eingenen Indentität – als Photon –<br />

impliziert, dass nicht nur <strong>der</strong> Energieaustausch mit dem Feld, son<strong>der</strong>n auch das Feld selbst<br />

” quantisiert“ ist, also aus Photonen besteht. Wenn man diese Hypothese akzeptiert, wird<br />

man in Fortführung <strong>der</strong> Gedanken des letzten Abschnittes einen inkohärenten Lichtstrahl<br />

dadurch spezifizieren, dass man angibt, wieviele Photonen N�k,λ die durch �k, λ indizierte<br />

Schwingungsmode besetzen“. In dieser Besetzungszahldarstellung“ erhält ein Zustand<br />

” ”<br />

des elektromagnetischen Feldes die Form<br />

|N� k1,λ1 , N� k2,λ2 , . . . , N� k,λ . . .〉 . (<strong>II</strong>I.3.1)<br />

Ein solcher Zustand wird (in Abgrenzung zu einem kohärenten Zustand) als Fock-Zustand<br />

bezeichnet. Den dazugehörigen Zustandsraum, <strong>der</strong> <strong>von</strong> diesen Fock-Zuständen aufgespannt<br />

wird, bezeichnet man als Fock-Raum. Zwei Fock-Zustände, die nicht in je<strong>der</strong> Mode<br />

die gleiche Photonenzahl besitzen, sind orthogonal. Wenn nun aus <strong>der</strong> Mode � k, λ ein Photon<br />

absorbiert wird, geht das Feld in den Zustand<br />

|N� k1,λ1 , N� k2,λ2 , . . . , N� k,λ −1 . . .〉 (<strong>II</strong>I.3.2)<br />

über, während gleichzeitig das Atom <strong>von</strong> |i〉 nach |f〉 angeregt wird. Dieser Übergang wird<br />

durch den Operator � Hint beschrieben, <strong>der</strong> das Strahlungsfeld an die <strong>Materie</strong> ” ankoppelt“.<br />

Von diesem Operator muss verlangt werden, dass die hier zu entwickelnde quantenmechanische<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Absorption <strong>von</strong> Licht zumindest für starke inkohärente Fel<strong>der</strong><br />

(d.h. für große Photonenzahlen) die Resultate <strong>der</strong> vorherigen ” semiklassischen“ <strong>Theorie</strong><br />

reproduziert.<br />

Betrachtet man das kombinierte System ” Atom + Strahlungsfeld“, so verursacht � Hint<br />

Übergänge zwischen dem Anfangszustand<br />

|i; N� k1,λ1 , N� k2,λ2 , . . . , N� k,λ . . .〉 (<strong>II</strong>I.3.3)<br />

mit <strong>der</strong> Energie<br />

Ei + �<br />

� k,λ<br />

�ck N� k,λ<br />

(<strong>II</strong>I.3.4)


<strong>II</strong>I.3 Heuristische Quantisierung des Strahlungsfeldes 84<br />

und dem Endzustand<br />

|f; N� k1,λ1 , N� k2,λ2 , . . . , N� k,λ −1 . . .〉 (<strong>II</strong>I.3.5)<br />

mit <strong>der</strong> Energie<br />

Ef + �<br />

� k ′ ,λ ′<br />

�ck ′ N� k ′ ,λ ′ − �ck . (<strong>II</strong>I.3.6)<br />

Die goldene Regel liefert dann die Übergangsrate in <strong>der</strong> Form<br />

Γ (abs)<br />

i→f, � 2π<br />

=<br />

k,λ � δ(Ef − Ei − �ck) � � 〈f; . . . N�k,λ−1 . . . | � Hint|i; . . . N�k,λ . . .〉 � �2 . (<strong>II</strong>I.3.7)<br />

Damit das mit dem semiklassischen Resultat übereinstimmt, for<strong>der</strong>t man<br />

�<br />

� 〈f; . . . N� k,λ −1 . . . | � Hint|i; . . . N� k,λ . . .〉 � � 2<br />

= e2<br />

V |A� k,λ | 2 |〈f|�j − � k · �ελ|i〉| 2<br />

= e2<br />

V<br />

�<br />

2ε0ω N� k,λ |〈f|�j − � k · �ελ|i〉| 2 , (<strong>II</strong>I.3.8)<br />

wobei im zweiten Schritt die Gleichung <strong>II</strong>I.2.13 benutzt wurde, die das Betragsquadrat <strong>der</strong><br />

Amplitude des klassischen Vektorpotentials mit <strong>der</strong> Photonenzahl in Verbindung bringt.<br />

Der noch unekannte Operator � Hint ist daher ein Produkt aus dem Faktor �j − � k · �ελ, <strong>der</strong> auf<br />

dem <strong>Materie</strong>-“Sektor“ operiert, und einem weiteren Faktor, <strong>der</strong> (wegen <strong>der</strong> Orthogonalität<br />

<strong>der</strong> Fock-Zustände) die Photonenzahl in <strong>der</strong> Mode � k, λ um eins reduziert. Der Vergleich<br />

mit dem klassischen Ausdruck (siehe Gleichung <strong>II</strong>I.2.1)<br />

Hint = −e<br />

√ V<br />

� �<br />

� k,λ<br />

A� k,λ �j − � k · �ελ e −iωt + A ∗ � k,λ �j� k · �ε ∗ λ e iωt<br />

legt nahe, das quantenmechanische Gegenstück � Hint <strong>von</strong> Hint in <strong>der</strong> Form<br />

�Hint = −e<br />

√ V<br />

�<br />

� k,λ<br />

�<br />

�A� �j k,λ −�k · �ελ + � A † �j� �k,λ k · �ε ∗ �<br />

λ<br />

�<br />

(<strong>II</strong>I.3.9)<br />

(<strong>II</strong>I.3.10)<br />

zu schreiben, wobei <strong>der</strong> Operator � A�k,λ die Photonenzahl in <strong>der</strong> Mode �k, λ um eins erniedrigt.<br />

Der Operator � A †<br />

� ist <strong>der</strong> zu<br />

k,λ � A�k,λ adjungierte. Die Quantisierung“ des Strahlungs-<br />

”<br />

feldes besteht damit in <strong>der</strong> Ersetzung <strong>der</strong> klassischen Amplitude A�k,λ des Vektorpotentials<br />

durch Operatoren � A� k,λ , die die Photonenzahl än<strong>der</strong>n. Der Vergleich mit Gleichung <strong>II</strong>I.3.8<br />

zeigt nun sofort<br />

�<br />

�〈. . . N� k,λ −1 . . . | � A� k,λ | . . . N� k,λ . . .〉 � � 2 = �<br />

2ε0ω N� k,λ , (<strong>II</strong>I.3.11)


<strong>II</strong>I.3 Heuristische Quantisierung des Strahlungsfeldes 85<br />

also<br />

〈. . . N� k,λ −1 . . . | � A� k,λ | . . . N� k,λ . . .〉 =<br />

�<br />

� �<br />

N�k,λ 2ε0ω<br />

(<strong>II</strong>I.3.12)<br />

bis auf einen Phasenfaktor. Da jedoch auch in <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> Fock-Zustände eine Phase<br />

offen bleibt, kann dieser Faktor mit Eins identifiziert werden. Damit tritt dann das<br />

Matrixelement 〈. . . N� k,λ −1 . . . | � A� k,λ | . . . N� k,λ . . .〉 an die Stelle <strong>der</strong> klassischen Amplitude<br />

A� k,λ .<br />

Postuliert man jetzt, dass die Fock-Zustände nicht nur orthogonal, son<strong>der</strong>n auch normiert<br />

sind, findet man<br />

�<br />

� �<br />

�A� k,λ | . . . N�k,λ... 〉 = N�k,λ | . . . N�k,λ−1... 〉 . (<strong>II</strong>I.3.13)<br />

2ε0ω<br />

Betrachtet man das Konjugierte des obigen Matrixelementes, ergibt sich weiter<br />

also auch<br />

〈. . . N� k,λ −1 . . . | � A� k,λ | . . . N� k,λ . . .〉 ∗<br />

= 〈. . . N� k,λ . . . | � A †<br />

� k,λ | . . . N� k,λ −1 . . .〉 =<br />

�A †<br />

� k,λ | . . . N� k,λ . . .〉 =<br />

�<br />

� �<br />

N�k,λ , (<strong>II</strong>I.3.14)<br />

2ε0ω<br />

�<br />

� �<br />

N�k,λ | . . . N�k,λ +1 . . .〉 . (<strong>II</strong>I.3.15)<br />

2ε0ω<br />

Damit wirken die Operatoren � A †<br />

� und<br />

k,λ � �<br />

�<br />

A�k,λ (bis auf den Faktor , <strong>der</strong> aber sofort<br />

2ε0ω<br />

durch Umnormierung beseitigt werden kann) genau wie die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren<br />

a † und a eines harmonischen Oszillators. Also entspricht ein quantisier-<br />

”<br />

tes“ Strahlungsfeld einer unendlich großen Anzahl harmonischer Oszillatoren (ein Oszillator<br />

für jede Mode �k, λ). Die Anregungsquanten“ dieser Feldoszillatoren entsprechen<br />

”<br />

den Photonen. Diese Überlegungen haben eine unmitelbare, experimentell nachprüfbare<br />

Konsequenz, die die Wechselwirkung mit einem quantenmechanischen Strahlungsfeld<br />

deutlich <strong>von</strong> <strong>der</strong> mit einem klassischen Feld unterscheidet. Berechnet man nämlich die<br />

Emissionsrate für den Übergang <strong>von</strong> einem Zustand<br />

|f; . . . N� k,λ . . .〉 (<strong>II</strong>I.3.16)<br />

mit <strong>der</strong> Energie<br />

Ef + �<br />

� k ′ ,λ ′<br />

in den Zustand<br />

�ck ′ N� k ′ ,λ ′<br />

(<strong>II</strong>I.3.17)<br />

|i; . . . N� k,λ +1 . . .〉 (<strong>II</strong>I.3.18)


<strong>II</strong>I.3 Heuristische Quantisierung des Strahlungsfeldes 86<br />

mit einem Photon mehr in <strong>der</strong> Mode �k, λ und <strong>der</strong> Energie<br />

Ei + �<br />

� k ′ ,λ ′<br />

so erhält man<br />

Γ (em.)<br />

f→i, � kλ<br />

�ck ′ N� k ′ ,λ ′ + �ck , (<strong>II</strong>I.3.19)<br />

= 2π<br />

� δ(Ef − Ei − �ck) · |〈i; . . . N� k,λ +1 . . . | � Hint|f; . . . N� k,λ . . .〉| 2<br />

= 2π<br />

� δ(Ef − Ei − �ck) · e2<br />

V |〈. . . N�k,λ +1 . . . | � A †<br />

� | . . . N�<br />

k,λ k,λ . . .〉| 2 |〈i|�j� k,λ·ε∗ |f〉|<br />

λ<br />

2<br />

= 2π<br />

� δ(Ef − Ei − �ck) · e2<br />

V<br />

�<br />

2ε0ω (N� k,λ + 1) |〈f|�j − � k,λ·ελ |i〉|2 . (<strong>II</strong>I.3.20)<br />

Das stimmt nicht genau mit dem klassischen Resultat überein. Zwar liefert <strong>der</strong> zur Photonenanzahl<br />

N� k,λ proportionale Anteil nach Summation über alle Moden genau die in<br />

Gleichung <strong>II</strong>I.2.14 gefundene Rate für die induzierte Emission,<br />

Γ (ind.em.)<br />

f→i<br />

= 1<br />

V<br />

�<br />

� k,λ<br />

πe 2<br />

ε0ω δ(Ef − Ei − �ω) |〈f|�j − � k · �ελ|i〉| 2 · N� k,λ . (<strong>II</strong>I.3.21)<br />

Zusätzlich gibt es jedoch einen Beitrag, <strong>der</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> Photonenzahl unabhängig ist und<br />

daher selbst dann auftritt, wenn kein äußeres Feld vorhanden ist. Dieser Beitrag entspricht<br />

einer spontanen Emission (d.h. nicht <strong>von</strong> außen induziert) eines Photons<br />

Γ (sp.em.)<br />

f→i, � kλ<br />

= 1<br />

V<br />

�<br />

� k,λ<br />

πe 2<br />

ε0ω δ(Ef − Ei − �ω) |〈f|�j − � k · �ελ|i〉| 2 . (<strong>II</strong>I.3.22)<br />

Die gesamte Emissionsrate ist dann die Summe aus <strong>der</strong> ” induzierten“ und <strong>der</strong> ” spontanen“<br />

Rate<br />

Γ (em.)<br />

f→i<br />

= Γ(ind.em.)<br />

f→i<br />

+ Γ (sp.em.)<br />

f→i . (<strong>II</strong>I.3.23)<br />

Für große Photonenzahlen N� k,λ ist N� k,λ +1 ≈ N� k,λ , so dass die spontanen Prozesse <strong>von</strong> den<br />

induzierten verdeckt werden und die Gesamtrate praktisch mit <strong>der</strong> induzierten Rate übereinstimmt,<br />

wie es <strong>der</strong> semiklasssische Grenzfall verlangt. Trotzdem führt die Quantisierung<br />

<strong>der</strong> Strahlungsfeldes aufgrund <strong>der</strong> Algebra <strong>der</strong> Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren<br />

zwingend auf einen nichtklassischen Prozess, <strong>der</strong> z.B. den ” Zerfall“ eines angeregten Atoms<br />

beschreibt. Die Frage, ob die hier entwickelte <strong>Theorie</strong> ” richtig“ ist, kann also experimentell<br />

geprüft werden, in dem die gemessenen Lebensdauern angeregter Zustände mit den<br />

theoretisch berechneten Lebensdauern, die sich aus den jeweiligen spontanen Zerfallsraten<br />

ergeben, verglichen werden.<br />

Auch ohne auf eine Quantenfeldtheorie zurückzugreifen, konnte Einstein die Rate <strong>der</strong><br />

spontanen Emission mit Hilfe eines einfachen statistischen Arguments bestimmen. Einstein<br />

betrachtete die Photonen in einem Hohlraum, dessen Wände die Temperatur T<br />

besitzen. Wenn sich das ” Photonengas“ im Hohlraum im thermischen Gleichgewicht mit


<strong>II</strong>I.3 Heuristische Quantisierung des Strahlungsfeldes 87<br />

den Wänden befindet, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Mode � k, λ mit N� k,λ<br />

Photonen besetzt ist – dass sich also <strong>der</strong> zugehörige Feldoszillator im N� k,λ -ten angeregten<br />

Zustand befindet – gemäß dem Boltzmannschen Prinzip proportional zu<br />

e − N � k,λ ·�ck<br />

k B T , (<strong>II</strong>I.3.24)<br />

wobei kB die Boltzmann-Konstante bezeichnet. Die mittlere Photonenzahl in <strong>der</strong> Mode<br />

� k, λ ergibt sich daher zu<br />

¯N� k,λ =<br />

�∞ N�k,λ =0 N�k,λe − N� ·�ck<br />

k,λ<br />

kB T<br />

�∞ N�k,λ =0 e− N� ·�ck<br />

k,λ<br />

kB T<br />

= − ∂<br />

∂( �ck ln<br />

) kBT<br />

=<br />

=<br />

1<br />

�ck<br />

− k 1 − e B T<br />

∂<br />

∂( �ck<br />

kBT ) ln � �ck<br />

− k 1 − e B T<br />

1<br />

e �ck<br />

k B T − 1<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>I.3.25)<br />

Nun werden die Photonen im Hohlraum ständig <strong>von</strong> den Wänden absorbiert, während<br />

gleichzeitig ” neue“ Photonen emittiert werden. Damit sich im Gleichgewicht genau die<br />

mittlere Photonenzahl ¯ N� k,λ in je<strong>der</strong> Mode einstellen kann, müssen Absorptions- und Emissionsrate<br />

in einer ganz bestimmten Beziehung zueinan<strong>der</strong> stehen.<br />

Der Einfachheit halber soll angenommen werden, dass die Wandatome nur zwei Energieniveaus<br />

Ei und Ef > Ei besitzen. Die Wahrscheinlichkeit Pf dafür, das Atom im angeregten<br />

Zustand anzutreffen, ist dann proportional zu e − E f<br />

k B T . Damit ergibt sich<br />

Pf<br />

Pi<br />

= e − E f −E i<br />

k B T . (<strong>II</strong>I.3.26)<br />

Wenn die Wandatome mit den Photonen <strong>der</strong> Frequenz ωif = Ef −Ei<br />

im Gleichgewicht sind,<br />

�<br />

stimmen ihre Temperaturen überein. Die Absorptionsrate für Photonen <strong>der</strong> Frequenz<br />

ωif ist proportional zur Anzahl N dieser Photonen und zur Wahrscheinlichkeit dafür,<br />

absorptionsbereite Atome (d.h. Atome im Grundzustand) zu finden:<br />

� �<br />

dN<br />

= −BNPi . (<strong>II</strong>I.3.27)<br />

dt<br />

abs<br />

Umgekehrt wird es eine zu N proportionale, induzierte Emission geben, die durch den<br />

gleichen B-Koeffizienten“ beschrieben wird<br />

”<br />

� �<br />

dN<br />

= +BNPf . (<strong>II</strong>I.3.28)<br />

dt<br />

ind.em.


<strong>II</strong>I.4 Kanonische Quantisierung in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung 88<br />

Wenn das die beiden einzigen Prozesse wären, die Einfluss auf die Photonenzahl haben,<br />

wären im Gleichgewicht keine Photonen vorhanden, da ja Pf < Pi. Es muss also einen<br />

weiteren, spontanen“ Emissionsprozess geben, dessen Rate<br />

� ” �<br />

dN<br />

= APf<br />

dt<br />

(<strong>II</strong>I.3.29)<br />

sp.em.<br />

<strong>von</strong> N unabhängig ist. Die Aufgabe besteht nun darin, den zugehörigen ” A-Koeffizienten“<br />

durch den ” B-Koeffizienten“ auszudrücken. Da im Gleichgewicht dN<br />

dt = 0 und N = ¯ N,<br />

findet man durch Addition aller drei Raten sofort<br />

also<br />

B ¯ N(Pf − Pi) + APf = 0 , (<strong>II</strong>I.3.30)<br />

A = B ¯ N<br />

Da an<strong>der</strong>erseits<br />

¯N<br />

1<br />

=<br />

folgt<br />

� Pi<br />

Pf<br />

�ωif k e B T − 1<br />

�<br />

− 1 = B ¯ �<br />

N e<br />

�ωif kB T − 1<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>I.3.31)<br />

, (<strong>II</strong>I.3.32)<br />

A = B , (<strong>II</strong>I.3.33)<br />

bzw. für beide Emissionsprozesse zusammen<br />

� �<br />

dN<br />

= B(N + 1)Pf . (<strong>II</strong>I.3.34)<br />

dt<br />

em.<br />

Die ” (N + 1)-Abhängigkeit“ <strong>von</strong> <strong>der</strong> Photonenzahl stimmt genau mit <strong>der</strong> Vorhersage <strong>der</strong><br />

Quantenfeldtheorie überein.<br />

<strong>II</strong>I.4 Kanonische Quantisierung in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung<br />

Bevor nun die Raten für die spontane Emission konkret berechnet werden, soll zunächst<br />

<strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Feldquantisierung auf formaler Ebene zusammengefast werden.<br />

” Kanonische Quantisierung“ bedeutet die Identifizierung <strong>von</strong> Paaren konjugierter dynamischer<br />

Variablen und ihre Ersetzung durch Operatoren, <strong>der</strong>en Kommutator den Wert i�<br />

annimmt. Diese Prozedur kann für das elektromagnetische Feld auch unabhängig <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Eichung durchgeführt werden. Allerdings wird die Quantisierung beson<strong>der</strong>s einfach, wenn<br />

man <strong>von</strong> Anfang an die Coulomb-Eichung voraussetzt: Unabhängige klassische Feldvariablen<br />

sind dann das transversale Vektorpotential � A( �k, t) = � A⊥( �k, t) und seine Geschwin-<br />

”<br />

digkeit“ ˙ A( � �k, t) = −E⊥( � �k, t). Man hat nun bei vorausgesetzter Box-Normierung<br />

�A(�r, t) = �<br />

�<br />

� k,λ<br />

= �<br />

� k<br />

� A� k,λ<br />

√V �ελe i(� k·�r−ωt) + A ∗ � k,λ<br />

√V �ελe −i(� k·�r−ωt)<br />

1<br />

√ V<br />

� �<br />

λ<br />

A� k,λ e −iωt + A ∗<br />

− � k,λ eiωt<br />

�<br />

�ελe i� k·�r , (<strong>II</strong>I.4.1)


<strong>II</strong>I.4 Kanonische Quantisierung in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung 89<br />

wobei die Polarisationsvektoren <strong>der</strong> Einfachheit halber reell gewählt wurden. Damit ist<br />

�A( �k, t) = � �<br />

�<br />

�ελ . (<strong>II</strong>I.4.2)<br />

Ebenso<br />

˙�A(�r, t) = �<br />

�<br />

bzw.<br />

λ<br />

� k,λ<br />

= �<br />

˙�A( � k, t) = �<br />

λ<br />

� k<br />

A� k,λ e −iωt + A ∗<br />

− � k,λ eiωt<br />

−iω A�k,λ √V �ελe i(� A<br />

k·�r−ωt)<br />

+ iω ∗ �k,λ √V �ελe −i(�k·�r−ωt) 1<br />

√ V<br />

�<br />

λ<br />

�<br />

−iωA�k,λe −iωt + iωA ∗<br />

−�k,λ eiωt<br />

�<br />

�ελe i�k·�r �<br />

(<strong>II</strong>I.4.3)<br />

�<br />

−iωA�k,λe −iωt + iωA ∗<br />

−�k,λ eiωt<br />

�<br />

�ελ . (<strong>II</strong>I.4.4)<br />

Unabhängige klassische Variablen sind nun die zu den jeweiligen Polarisationen gehörigen<br />

Amplituden<br />

�A( �k, t) · ελ = A�k,λe −iωt<br />

+ A ∗<br />

−�k,λ eiωt<br />

˙�A( �k, t) · ελ = −iωA�k,λe −iωt + iωA ∗<br />

−�k,λ eiωt . (<strong>II</strong>I.4.5)<br />

Das Vektorpotential � A(�r, t) trägt die Einheit Kraft·Zeit,<br />

daher ist<br />

Ladung<br />

[ � A( �k, t)] = √ Kraft · Zeit<br />

Volumen ·<br />

Ladung<br />

[ ˙ √<br />

A( � �<br />

Kraft<br />

k, t)] = Volumen · . (<strong>II</strong>I.4.6)<br />

Ladung<br />

Das Produkt aus <strong>der</strong> Feldvariablen � A( � k, t)·�ελ und seiner Geschwindigkeit ˙ � A( � k, t)·�ελ trägt<br />

daher die Dimension<br />

� �A( � k, t) · �ελ ·<br />

˙�A( � � Energie<br />

k, t) · �ελ = 2 · Länge · Zeit<br />

Ladung 2 . (<strong>II</strong>I.4.7)<br />

Definiert man also als zu � A( � k, t) · �ελ kanonisch konjugierte Impulsvariable die Größe<br />

�Π( � k, t) · �ελ = ε0<br />

˙�A( � k, t) · �ελ , (<strong>II</strong>I.4.8)<br />

so trägt wegen [ε0] = Ladung2<br />

das Produkt dieser beiden Variablen die Dimension einer<br />

Energie·Länge<br />

Wirkung. Quantisierung“ bedeutet nun die Ersetzung dieser klassischen konjugierten<br />

”<br />

Variablen durch Operatoren<br />

� �A( � k) · �ελ = � A� k,λ + � A †<br />

− � k,λ<br />

(<strong>II</strong>I.4.9)


<strong>II</strong>I.4 Kanonische Quantisierung in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung 90<br />

und<br />

��Π( � �<br />

k) · �ελ = ε0 − iω A� �<br />

k,λ + iω � A †<br />

−� �<br />

, (<strong>II</strong>I.4.10)<br />

k,λ<br />

für die die Vertauschungsrelation<br />

�<br />

� ��A( � k) · �ελ, � � Π †<br />

( � k ′ ) · �ε ′ λ<br />

= i� δ�k �k ′ δλλ ′ (<strong>II</strong>I.4.11)<br />

gefor<strong>der</strong>t wird. (Im Schrödingerbild sind die Operatoren zeitunabhängig. Die Zeitabhängigkeit<br />

wird <strong>von</strong> den Zustandsvektoren getragen.) Diese For<strong>der</strong>ung ergibt<br />

�<br />

�A�<br />

kλ + � A †<br />

�<br />

−�kλ , iω′ A �† �k ′ λ ′ − iω′ A− � �k ′ λ ′<br />

= iω ′� A� �<br />

kλ , � A † � ′<br />

� − iω<br />

k ′ λ ′<br />

� A �† −�kλ , � A−�k ′ λ ′<br />

= 2iω ′� � A� kλ , � A †<br />

� k ′ λ ′<br />

= i �<br />

ε0<br />

�<br />

�<br />

δ�k �k ′ δλλ ′ , (<strong>II</strong>I.4.12)<br />

wobei<br />

�<br />

�A�<br />

kλ , � � �<br />

A�k ′ λ ′ = �A †<br />

� ,<br />

kλ � A † �<br />

� = 0 (<strong>II</strong>I.4.13)<br />

k ′ λ ′<br />

benutzt wurde 4 . Damit hat man für die Operatoren � A� kλ die Vertauschungsrelationen<br />

�<br />

�A�<br />

kλ , � A † � �<br />

� =<br />

k ′ λ ′<br />

2ε0ω δ�k �k ′ δλλ ′ . (<strong>II</strong>I.4.14)<br />

Definiert man schließlich<br />

�<br />

�<br />

�A� kλ =<br />

2ε0ω �a� kλ und<br />

�A †<br />

�<br />

�<br />

� =<br />

kλ 2ε0ω �a† � ,<br />

kλ<br />

(<strong>II</strong>I.4.15)<br />

so erfüllen die (dimensionslosen) Operatoren �a� kλ und �a †<br />

� kλ genau die Algebra <strong>der</strong> Erzeugungs-<br />

und Vernichtungsoperatoren eines Systems harmonischer Operatoren (vgl Quan-<br />

tenmechanik I, <strong>II</strong>.2):<br />

� �<br />

�a� kλ , �a� k ′ λ ′ = 0<br />

� †<br />

�a � , �a<br />

kλ † �<br />

� = 0<br />

k ′ λ ′<br />

� �a� kλ , �a †<br />

� k ′ λ ′<br />

�<br />

= δ�k �k ′ δλλ ′ . (<strong>II</strong>I.4.16)<br />

�<br />

4 ��A(<br />

Ebenso gilt �k) · �ελ , � A( � � ′ k ) · �ελ ′<br />

� ���Π( = 0 und �k) · ελ , � Π( � � ′ k ) · ελ ′<br />


<strong>II</strong>I.4 Kanonische Quantisierung in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung 91<br />

Mit diesen Operatoren erhalten die Quantenfel<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung nun die Form<br />

��A(�r) = �<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�a� kλ�ελ e<br />

2ε0ωV<br />

�k,λ i�k�r †<br />

+ �a � �ελ e<br />

kλ −i� ��E⊥(�r) =<br />

�<br />

k�r<br />

(<strong>II</strong>I.4.17)<br />

�<br />

�<br />

�ω<br />

�<br />

i �a� kλ�ελ e<br />

2ε0V<br />

�kλ i�k�r †<br />

− �a � �ελ e<br />

kλ −i� ��B(�r) =<br />

�<br />

k�r<br />

(<strong>II</strong>I.4.18)<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

i �a� �<br />

kλ k × �ελ e<br />

2ε0ωV<br />

i�k�r †<br />

− �a �<br />

� k × �ελ e<br />

kλ<br />

−i� �<br />

k�r<br />

. (<strong>II</strong>I.4.19)<br />

� kλ<br />

In <strong>der</strong> Coulomb-Eichung wird also nur <strong>der</strong> transversale Anteil des Feldes quantisiert“.<br />

”<br />

Der longitudinale Anteil wird nach wie vor durch den klassischen Ausdruck<br />

�E||(�r, t) = − 1<br />

�<br />

d<br />

4πε0<br />

3 r ′ ϱ(�r, t) � 1<br />

∇r<br />

|�r − �r ′ (<strong>II</strong>I.4.20)<br />

|<br />

gegeben. (Es ist nun noch zu zeigen, dass die obige Quantisierungsvorschrift für alle Observablen<br />

zu eichinvarianten Resultaten führt, obwohl für die Quantisierung eine spezielle<br />

Eichung verwendet wurde. Das allerdings ist Gegenstand einer Vorlesung ” Quantenfeldtheorie“.)<br />

Da für jeden Wellenvektor � k die beiden zugehörigen Polarisationsvektoren gemeinsam<br />

mit � k/k eine Orthogonalbasis bilden, gilt (Produkte <strong>von</strong> Vektoren sind hier als äußere<br />

Produkte und nicht als Skalarprodukte aufzufassen)<br />

�<br />

λ<br />

�ελ �ελ + � k � k<br />

k 2 = 13×3 , (<strong>II</strong>I.4.21)<br />

also für die Komponenten α, β<br />

�<br />

λ<br />

ελα ελβ = δαβ − kαkβ<br />

k 2 . (<strong>II</strong>I.4.22)<br />

Damit erhält man für die ortsabhängigen Fel<strong>der</strong> den Kommutator<br />

� �Aα(�r) , � E⊥β(�r ′ ) �<br />

= �<br />

� kλ<br />

� k ′ λ ′<br />

= �<br />

� kλ<br />

= − i�<br />

ε0<br />

i�<br />

2ε0V<br />

− i�<br />

2ε0V<br />

1<br />

V<br />

�<br />

� k<br />

� ω ′<br />

ω<br />

�<br />

− � �a� kλ , �a † � i(<br />

� e<br />

k ′ λ ′<br />

�k�r− � � k�r) †<br />

+ �a � , �a� kλ k ′ λ ′e −i(�k�r− �k�r) ��<br />

εαλ εβλ<br />

�<br />

e i�k(�r−�r ′ ) −i<br />

+ e �k(�r−�r ′ �<br />

)<br />

εαλ εβλ<br />

e i�k(�r−�r ′ �<br />

)<br />

δαβ − kαkβ<br />

k2 �<br />

≡ − i�<br />

δ⊥,αβ(�r − �r ′ ) . (<strong>II</strong>I.4.23)<br />

ε0


<strong>II</strong>I.4 Kanonische Quantisierung in <strong>der</strong> Coulomb-Eichung 92<br />

Dabei sichert die sogenannte transversale δ-Funktion, d.h. die Fouriertransformierte des<br />

Projektors δαβ − kαkβ<br />

k 2 , die Einhaltung <strong>der</strong> Eichbedingung � ∇ · � � A(�r) = 0:<br />

∂α<br />

= − i�<br />

� �Aα(�r) , � E⊥β(�r ′ ) � = 0<br />

ε0<br />

1<br />

V<br />

�<br />

� k<br />

e i�k(�r−�r ′ �<br />

)<br />

i kαδαβ − kαkαkβ<br />

k2 �<br />

. (<strong>II</strong>I.4.24)<br />

Die Gesamtenergie des Feldes setzt sich zusammen aus <strong>der</strong> Coulomb-Energie des longitudinalen<br />

Feldes<br />

ECoul = ε0<br />

�<br />

d<br />

2<br />

3 r � E 2 =<br />

||(�r, t)<br />

ε0<br />

�<br />

d<br />

2<br />

3 k | � E||( �k, t)| 2<br />

= 1<br />

�<br />

d<br />

2ε0<br />

3 k ϱ∗ ( �k, t) ϱ( �k, t)<br />

k2 (<strong>II</strong>I.4.25)<br />

(wegen � E⊥( � �k k, t) = −i ε0k2 ϱ( �k, t)) und <strong>der</strong> Energie des eigentlichen, d.h. des quantisierten<br />

transversalen Strahlungsfeldes:<br />

ERad = ε0<br />

�<br />

d<br />

2<br />

3 �<br />

2<br />

��E<br />

r ⊥(�r) + c 2 �<br />

2<br />

��B (�r)<br />

= �<br />

�<br />

�ω �a †<br />

� �a� kλ kλ + 1<br />

�<br />

2<br />

� kλ<br />

≡ � HRad . (<strong>II</strong>I.4.26)<br />

Dieser Ausdruck ist <strong>der</strong> Hamiltonoperator für das freie“ Strahlungsfeld. Mit Hilfe dieses<br />

”<br />

Operators können z.B. die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren für Photonen leicht<br />

in das Wechselwirkungsbild umgerechnet werden: Es ist<br />

�a� kλ (t) = e i � HRadt/�<br />

�a� kλ e −i � �<br />

HRadt/�<br />

= exp iω�a †<br />

� �<br />

� �a� kλ kλt �a� kλ exp −iω�a †<br />

�<br />

� �a� kλ kλt . (<strong>II</strong>I.4.27)<br />

Nun gilt<br />

�<br />

�a� kλ , �a † � �<br />

�<br />

a�<br />

kλ kλ = �a� kλ , �a † �<br />

� �a� kλ kλ = �a� kλ , d.h. (<strong>II</strong>I.4.28)<br />

�a� kλ �a †<br />

� kλ �a� kλ = �a †<br />

� kλ �a� kλ �a� kλ + �a� kλ =<br />

Ebenso zeigt man<br />

�a� kλ f(�a †<br />

� kλ ) = f(�a †<br />

� kλ �a� kλ + 1)�a� kλ<br />

�<br />

�a †<br />

�<br />

� �a� kλ kλ + 1 �a� kλ . (<strong>II</strong>I.4.29)<br />

für eine analytische Funktion f. Das bedeutet angewendet auf (<strong>II</strong>I.4.27)<br />

�a� kλ (t) =<br />

�<br />

exp iω�a †<br />

� � �<br />

� �a� kλ kλt exp −iω �a †<br />

� �<br />

� �a� kλ kλ + 1 t<br />

= �a� kλ e −iωt<br />

�a� kλ<br />

(<strong>II</strong>I.4.30)<br />

(<strong>II</strong>I.4.31)


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 93<br />

und analog<br />

�a� kλ (t) = �a� kλ e +iωt . (<strong>II</strong>I.4.32)<br />

Im Wechselwirkungsbild ” propagieren“ die Vernichtungsoperatoren mit einem Phasenfaktor<br />

e −iωt , die Erzeugungsoperatoren mit e +iωt . Daher lautet z.B. <strong>der</strong> Operator des<br />

Vektorpotentials im Wechselwirkungsbild<br />

� �A(�r, t) = �<br />

� kλ<br />

� �<br />

2ε0ωV<br />

analog für � � E⊥(�r, t) und � � B(�r, t).<br />

�<br />

�a� kλ �ελ e i(�k�r−ωt) †<br />

+ �a � �ελ e<br />

kλ i(� �<br />

k�r−ωt)<br />

, (<strong>II</strong>I.4.33)<br />

Die ” Quantisierung“ des elektromagnetischen Feldes hat eine weitere wichtige Konsequenz.<br />

Es bezeichne |0, 0, 0, . . .〉 ≡ |0〉 den Grundzustand des Feldes, d.h. den Fockzustand,<br />

für den alle Besetzungszahlen gleich Null sind. Dieser Zustand wird als Vakuum<br />

identifiziert. Offensichtlich verschwindet z.B. <strong>der</strong> Vakuumerwartungswert des elektrischen<br />

Feldoperators<br />

〈0| � � E⊥(�r)|0〉 = �0 , (<strong>II</strong>I.4.34)<br />

aber trotzdem gibt es Fluktuationen. Man hat<br />

〈0| � E⊥α(�r) � E⊥β(�r ′ )|0〉<br />

= �<br />

− �<br />

2ε0V<br />

� kλ<br />

� k ′ λ ′<br />

= �<br />

� kλ<br />

= �c<br />

2ε0<br />

√ ωω ′ � − 〈0|�a� kλ �a †<br />

� kλ |0〉<br />

� �� �<br />

δ �k � k ′ δ λλ ′<br />

�ω<br />

2ε0V ei� k(�r−�r ′ ) ελαελβ<br />

1<br />

V<br />

�<br />

� k<br />

k e i� k(�r−�r ′ )<br />

�<br />

δαβ − kαkβ<br />

k 2<br />

� e i( � k�r− � k ′ �r ′ ) ελαελ ′ β<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>I.4.35)<br />

Der Vakuumserwartungswert des Produkts <strong>von</strong> zwei (transversalen) elektrischen Feldoperatoren<br />

an zwei verschiedenen Punkten verschwindet also nicht. Diese Vakuumfluktuationen<br />

des Feldes sind das Analogon <strong>der</strong> Nullpunktsbewegung des harmonischen Oszillators.<br />

Man kann daher die spontane Emission auch als ” durch die Vakuumfluktuation induzierte<br />

Emission“ auffassen.<br />

<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten<br />

Es wird nun die in Gleichung <strong>II</strong>I.3.22 angegebene Rate für die spontane Emission eines<br />

Photons in die Mode � k, λ wie<strong>der</strong> aufgenommen<br />

(sp. em.)<br />

Γ<br />

f→i, � 1<br />

=<br />

k,λ V<br />

πe 2<br />

ε0ω δ(Ef − Ei − �ω) |〈i|�j� k · �ε ∗ λ |f〉| 2 . (<strong>II</strong>I.5.1)


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 94<br />

Summation über alle Endzustände mit � k-Vektoren in einem Raumwinkelelement dΩ liefert<br />

für die in dieses Raumwinkelelement abgestrahlte Leistung bei fester Polarisation λ<br />

dP = �<br />

� k in dΩ<br />

(sp. em.)<br />

�ω Γ<br />

f→i, �k,λ � 2 ω dω πe2<br />

= dΩ<br />

3 �ω<br />

(2πc) ε0ω δ(Ef − Ei − �ω) |〈i|�j� k · �ε ∗ λ |f〉| 2 , (<strong>II</strong>I.5.2)<br />

die Leistung pro Raumwinkelelement ist also<br />

dP<br />

dΩ = ω2 if e2<br />

8π2c3 |〈i|�j� k · �ε<br />

ε0<br />

∗ λ |f〉| 2 . (<strong>II</strong>I.5.3)<br />

Es ist interessant, diesen Ausdruck mit dem klassischen Resultat für die <strong>von</strong> einem transversalen<br />

Strom mit <strong>der</strong> Frequenz ω abgestrahlte Leistung zu vergleichen: Es sei<br />

�j(�r, t) = �j(�r) e −iωt + �j ∗ (�r) e iωt<br />

(<strong>II</strong>I.5.4)<br />

eine klassische transversale Stromdichte. Die in Gleichung <strong>II</strong>I.1.39 angegebene inhomogene<br />

Wellengleichung<br />

�<br />

∆ − 1<br />

c2 ∂2 ∂t2 �<br />

�A(�r, t) = − 1<br />

ε0c2 �j(�r, t) (<strong>II</strong>I.5.5)<br />

wird wie üblich mit Hilfe <strong>der</strong> retardierten Greenschen Funktion gelöst<br />

�<br />

∆ − 1<br />

c2 ∂2 ∂t2 �<br />

für<br />

G±(�r, t; �r ′ , t ′ ) = − 1<br />

4π<br />

Also hat man<br />

�A(�r, t) =<br />

1<br />

4πε0c2 �<br />

Im Fernfeld erhält man daraus mit<br />

|�r − �r ′ �<br />

′ 2�r · �r<br />

| = r 1 −<br />

r2 die Näherung<br />

�A(�r, t) =<br />

=<br />

G±(�r, t; �r ′ , t ′ ) = δ(�r − �r ′ ) δ(t − t ′ ) (<strong>II</strong>I.5.6)<br />

1<br />

4πε0c 2<br />

1<br />

4πε0c 2<br />

�<br />

δ t ′ �<br />

− t ∓ |�r−�r ′ |<br />

c<br />

|�r − �r ′ |<br />

d 3 r ′ �j(�r ′ , t − |�r−�r ′ |<br />

c )<br />

|�r − �r ′ |<br />

�<br />

1<br />

r<br />

r′2<br />

+<br />

r2 � 1<br />

2<br />

d 3 r ′�j(�r ′ ) e −iω<br />

�<br />

��<br />

. (<strong>II</strong>I.5.7)<br />

. (<strong>II</strong>I.5.8)<br />

≈ r − �r ′<br />

· �r<br />

r<br />

t− r<br />

c<br />

+ �r<br />

r<br />

�<br />

�r<br />

′<br />

· c + c.c.<br />

(<strong>II</strong>I.5.9)<br />

r<br />

−iω(t−<br />

e c)<br />

�j� k,cl + c.c. , (<strong>II</strong>I.5.10)<br />

r


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 95<br />

wobei<br />

�<br />

�j� k,cl =<br />

d 3 r ′�j(�r ′ ) e −i�k·�r ′<br />

. (<strong>II</strong>I.5.11)<br />

Der Wellenvektor des Fernfeldes ist �k = ω<br />

c<br />

lauten<br />

�E(�r, t) = − ∂<br />

∂t � A(�r, t) =<br />

�B(�r, t) = � ∇ × � A(�r, t) =<br />

1<br />

4πε0c 2<br />

1<br />

4πε0c 2<br />

Das ergibt für das Zeitmittel des Poynting-Vektors<br />

�S(�r, t) = ε0c 2 � E(�r, t) × � B(�r, t) =<br />

�r . Die physikalisch beobachtbaren Fernfel<strong>der</strong><br />

r<br />

r<br />

−iω(t−<br />

e c)<br />

iω�j� k,cl r<br />

+ c.c. (<strong>II</strong>I.5.12)<br />

r<br />

−iω(t−<br />

e c)<br />

i<br />

r<br />

ω �r<br />

c r × �j� k,cl + c.c. . (<strong>II</strong>I.5.13)<br />

1<br />

(4π) 2 ε0c 2<br />

ω 2<br />

c |�j� k,cl |<br />

Die gesamte pro Raumwinkelelement abgestrahlte Leistung ist daher<br />

dPcl<br />

dΩ<br />

2 1 �r<br />

· 2 . (<strong>II</strong>I.5.14)<br />

r2 r<br />

= ω2<br />

8π 2 ε0c 3 |�j� k,cl | 2 ; (<strong>II</strong>I.5.15)<br />

wenn nur die Polarisation �eλ berücksichtigt wird, ist |�j� k,cl | 2 durch |�j� k,cl · �e ∗ λ |2 zu ersetzen.<br />

Vergleicht man das mit dem entsprechenden Ausdruck für spontane Emission, wird deutlich,<br />

dass dort das Matrixelement e 〈i|�j� k · �e ∗ λ |f〉 die gleiche Rolle spielt wie �j� k,cl · �e ∗ λ in <strong>der</strong><br />

klassichen <strong>Theorie</strong>.<br />

Der ” emittierende“ Zustand |f〉 <strong>der</strong> <strong>Materie</strong> sei nun ein Impulseigenzustand mit Impuls<br />

��qf. Gesucht wird die Übergangsrate für einen Impulszustand |i〉 mit Impuls ��qi. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> Impulserhaltung sollte das emittierende Photon den Impuls �(�qf − �qi) tragen. Ist die<br />

emittierende <strong>Materie</strong> lediglich ein einzelnes Teilchen mit Ladung e, so erhält man mit<br />

Gleichung <strong>II</strong>I.2.2<br />

�<br />

�j� k =<br />

d 3 r e −i� k·�r �j(�r) = 1<br />

2<br />

Das liefert das Matrixelement<br />

�<br />

〈�qi|�j� k |�qf〉 = d 3 r e−i�qi·�r<br />

�<br />

�<br />

√<br />

V<br />

=<br />

�<br />

2im (i�qi + i�qf) 1<br />

V<br />

�<br />

�p<br />

m e−i� k·�r −i<br />

+ e �k·�r �p<br />

�<br />

m<br />

2im � ∇e −i� k·�r + e −i � k·�r �<br />

�<br />

d 3 r e i(�qf −�qi− � k)·�r<br />

. (<strong>II</strong>I.5.16)<br />

2im � � i�qf ·�r e<br />

∇ √<br />

V<br />

= �<br />

2m (�qi − �qf) δ�k, , (<strong>II</strong>I.5.17)<br />

�qf −�qi<br />

wobei das erste � ∇-Symbol ” nach links“ und das zweite ” nach rechts“ angewandt wurde.<br />

Allerdings kann ein freies Teilchen nicht gleichzeitig die Impulsbilanz<br />

� � k = ��qf − ��qi<br />

(<strong>II</strong>I.5.18)


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 96<br />

und die Energiebilanz<br />

�ck = �2<br />

2m<br />

� 2<br />

�q f − �q 2�<br />

i<br />

(<strong>II</strong>I.5.19)<br />

erfüllen, d.h. ein freies (unbeschleunigtes) Teilchen kann nicht strahlen. Trotzdem muss<br />

<strong>der</strong> Wellenvektor des abgestrahlten Photons immer <strong>der</strong> Beziehung � k = �qf − �qi gehorchen:<br />

Bekanntlich gilt für einen Verschiebevektor �a die Beziehung (siehe <strong>Quantenmechanik</strong> I,<br />

Aufgabe 17)<br />

e i<br />

� �pj·�a<br />

i<br />

−<br />

�rj e � �pj·�a<br />

= �rj + �a . (<strong>II</strong>I.5.20)<br />

Ist also � P = �<br />

j �pj <strong>der</strong> Operator des Gesamtimpulses eines Vielteilchensystems, hat man<br />

auch<br />

e i<br />

� � i<br />

P ·�a −<br />

�rj e � � P ·�a<br />

= �rj + �a (<strong>II</strong>I.5.21)<br />

bzw. allgemeiner<br />

e i<br />

� � i<br />

P ·�a −<br />

f(�r1, . . . , �rN; �p1, . . . , �pN) e � � P ·�a<br />

= f(�r1 + �a, . . . , �rN + �a; �p1, . . . , �pN) . (<strong>II</strong>I.5.22)<br />

Insbeson<strong>der</strong>e bedeutet das für den Operator <strong>der</strong> Stromdichte<br />

o<strong>der</strong><br />

e i<br />

� � i<br />

P ·�a�j(�r)<br />

−<br />

e � � P ·�a 1<br />

=<br />

2<br />

N�<br />

j=1<br />

�<br />

�pj<br />

m δ(�r − �rj − �a) + δ(�r − �rj − �a) �pj<br />

�<br />

m<br />

= �j(�r − a) (<strong>II</strong>I.5.23)<br />

i<br />

�j(�r)<br />

−<br />

= e � � P ·�r �j(�r = �0) e i<br />

� � P ·�r<br />

. (<strong>II</strong>I.5.24)<br />

(Hier ist natürlich �r kein Operator, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Punkt, an dem <strong>der</strong> Strom betrachtet<br />

wird.) Also gilt auch<br />

�<br />

〈i|�j� k |f〉 =<br />

d 3 r e −i� k·�r 〈i|e − i<br />

� � P ·�r �j(�0) e i<br />

� � P ·�r |f〉 . (<strong>II</strong>I.5.25)<br />

Sind nun |i〉 und |f〉 Eigenzustände des Gesamtimpulses mit Eigenwerten ��qi und ��qf, so<br />

erhält man daraus<br />

�<br />

〈i|�j� k |f〉 =<br />

. (<strong>II</strong>I.5.26)<br />

d 3 r e −i� k·�r 〈i|e −i�qi·�r �j(�0) e i�qf ·�r |f〉 = 〈i|�j(�0)|f〉 V δ� k, �qf −�qi<br />

Wird also ein System in einem Impulseigenzustand präpariert und nach einer spontanen<br />

Emission in einem an<strong>der</strong>en Impulseigenzustand beobachtet, liegt die Richtung des<br />

Photons fest: Hat <strong>der</strong> Anfangszustand den Impuls ��qf, so ist <strong>der</strong> Endzustand eine Superposition<br />

aller Zustände mit einem ” <strong>Materie</strong>“-Impuls ��qi und einem Photonenimpuls


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 97<br />

�(�qf − �qi). Messung <strong>von</strong> einem <strong>der</strong> beiden Impulse determiniert also den an<strong>der</strong>en.<br />

Es soll jetzt die <strong>von</strong> einem angeregten Atom ausgesandte Strahlung betrachtet werden. Die<br />

Wellenlängen des emittierten Lichtes sind meist deutlich größer als die Ausdehnung <strong>der</strong><br />

elektrischen Ladungswolke. Also ist es sinnvoll, bei <strong>der</strong> Berechnung des Matrixelementes<br />

�<br />

〈i|�j� k |f〉 = d 3 r e −i�k·�r 〈i|�j(�r)|f〉 (<strong>II</strong>I.5.27)<br />

die Exponentialfunktion um den Ort �r0 des Kerns zu entwickeln. Der Einfachheit halber<br />

sei �r0 = �0. Dann hat man<br />

�<br />

〈i|�j� k |f〉 = d 3 r (1 − i�k · �r + . . .) 〈i|�j(�r)|f〉<br />

�<br />

= 〈i|�j0|f〉 − i 〈i| d 3 r ( �k · �r)�j(�r)|f〉 + . . . . (<strong>II</strong>I.5.28)<br />

Nun gilt nach Definition des Stromdichteoperators<br />

�j0 = � P<br />

m<br />

= 1<br />

i� [ � R, H0] , (<strong>II</strong>I.5.29)<br />

wobei � P <strong>der</strong> Operator des Gesamtimpulses ist und<br />

�R =<br />

N�<br />

�ri . (<strong>II</strong>I.5.30)<br />

i=1<br />

H0 ist <strong>der</strong> Hamilton-Operator des Atoms (ohne Strahlungsfeld). Die Beschränkung auf den<br />

führenden Term 〈i|�j0|f〉 des Strommatrixelementes wird als Dipolnäherung bezeichnet.<br />

Man hat<br />

wobei<br />

〈i|�j0|f〉 = 1<br />

i� 〈i| � RH0 − H0 � R|f〉 = 1<br />

i� (Ef − Ei) 〈i| � R|f〉 = −iωif � dif , (<strong>II</strong>I.5.31)<br />

�dif = 〈i| � R|f〉 (<strong>II</strong>I.5.32)<br />

als Dipolmatrixelement bezeichnet wird. Die Übergänge, die durch dieses Matrixelement<br />

beschrieben werden, heißen elektrische Dipolübergänge. In <strong>der</strong> Dipolnäherung erhält man<br />

also für die spontan emittierte Leistung nach Gleichung <strong>II</strong>I.5.3 bei gegebener Polarisation<br />

dP<br />

dΩ = ω4 if e2<br />

8π2c3 |<br />

ε0<br />

� dif · �ε ∗ λ | 2 , (<strong>II</strong>I.5.33)<br />

wobei wie<strong>der</strong> �ελ einen Polarisationsvektor bezeichnet. Die beiden Zustände |f〉 und |i〉<br />

sollen nun die Eigenzustände |ℓ m〉 und |ℓ ′ k ′ 〉 des Quadrats und <strong>der</strong> z-Komponente des<br />

Gesamtdrehimpulses<br />

�L =<br />

N�<br />

�ri × �pi<br />

i=1<br />

(<strong>II</strong>I.5.34)


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 98<br />

sein. Dann ist [Lz, Rz] = 0, also auch<br />

〈ℓ ′ m ′ |[Lz, Rz]|ℓ m〉 = �(m ′ − m)〈ℓ ′ m ′ |Rz|ℓ m〉 = 0 . (<strong>II</strong>I.5.35)<br />

Damit hat man für einen Dipolübergang |ℓ m〉 → |ℓ ′ m ′ 〉 die Auswahlregel<br />

〈ℓ ′ m ′ |Rz|ℓ m〉 = 0 für m �= m ′ . (<strong>II</strong>I.5.36)<br />

Weiterhin ist [Lz, Rx] = i�Ry und [Lz, Ry] = −i�Rx, daher ergibt sich ebenso<br />

〈ℓ ′ m ′ |[Lz, Rx]|ℓ m〉 = �(m ′ − m)〈ℓ ′ m ′ |Rx|ℓ m〉 = i�〈ℓ ′ m ′ |Ry|ℓ m〉 und<br />

〈ℓ ′ m ′ |[Lz, Ry]|ℓ m〉 = �(m ′ − m)〈ℓ ′ m ′ |Ry|ℓ m〉 = −i�〈ℓ ′ m ′ |Rx|ℓ m〉 . (<strong>II</strong>I.5.37)<br />

Daraus folgt<br />

(m ′ − m)〈ℓ ′ m ′ |Rx|ℓ m〉 = i〈ℓ ′ m ′ |Ry|ℓ m〉 = 1<br />

m ′ −m 〈ℓ′ m ′ |Ry|ℓ m〉 o<strong>der</strong><br />

(m ′ − m) 2 〈ℓ ′ m ′ |Rx|ℓ m〉 = 〈ℓ ′ m ′ |Rx|ℓ m〉 . (<strong>II</strong>I.5.38)<br />

Damit hat man die weiteren Auswahlregeln<br />

〈ℓ ′ m ′ |Rx|ℓ m〉 = 0 für m ′ �= m ± 1 und<br />

〈ℓ ′ m ′ |Ry|ℓ m〉 = 0 für m ′ �= m ± 1 . (<strong>II</strong>I.5.39)<br />

Elektrische Dipolübergänge sind daher nur möglich für m ′ = m o<strong>der</strong> m ′ = m ± 1:<br />

(i) Fall m = m ′ , zeigt das Dipolmoment � d in z-Richtung. Der Polarisationsvektor �ελ<br />

des in � k-Richtung emittierten Lichtes ist orthogonal zum Wellenvektor � k. Wegen<br />

dP<br />

dΩ ∼ |� d·�ελ| 2 liegt �ελ in <strong>der</strong> <strong>von</strong> � k und � d aufgespannten Ebene, zeigt also in Richtung<br />

des zu � k senkrechten Anteils � d⊥ <strong>von</strong> � d (siehe Abbildung <strong>II</strong>I.1):<br />

�d⊥ = � d − � d · � k<br />

k 2 � k . (<strong>II</strong>I.5.40)<br />

¥<br />

¨<br />

¡£¢<br />

¥§¦<br />

Abbildung <strong>II</strong>I.1: Lage <strong>der</strong> Vektoren für den Fall m = m ′<br />

Das Photon ist also in <strong>der</strong> durch � d und � k aufgespannten Ebene linear polarisiert.<br />

Die Emissionsrate ist proportional zu | � d⊥| 2 und damit zu sin 2 ϑ.<br />

¤


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 99<br />

(ii) Falls m ′ = m − 1, liegt <strong>der</strong> Vektor � d des Dipolmatrixelementes in <strong>der</strong> xy-Ebene.<br />

Wegen 〈ℓ ′ m ′ |Ry|ℓ m〉 = i〈ℓ ′ m ′ |Rx|ℓ m〉 hat man<br />

⎛ ⎞<br />

1<br />

�d ∼ ⎝i⎠<br />

. (<strong>II</strong>I.5.41)<br />

0<br />

Für die entlang <strong>der</strong> positiven z-Achse ausgesandte Strahlung mit m ′ = m − 1 gilt<br />

�d⊥ = � d. Wegen<br />

Re e i(� ⎛ ⎞<br />

1<br />

k�r−ωt) ⎝i⎠<br />

0<br />

=<br />

⎛<br />

exp(i(<br />

Re ⎝<br />

�k�r − ωt))<br />

exp(i( �k�r − ωt + π<br />

2 ))<br />

⎞<br />

⎠<br />

0<br />

⎛<br />

cos(<br />

= ⎝<br />

�k�r − ωt)<br />

− sin( � ⎞<br />

k�r − ωt) ⎠<br />

0<br />

(<strong>II</strong>I.5.42)<br />

ist dieses Licht rechtszirkular polarisiert (d.h. es besitzt positive Helizität). Für alle<br />

an<strong>der</strong>en � k-Richtungen erhält man elliptische Polarisation.<br />

(iii) Für m ′ = m + 1 findet man auf die gleiche Weise<br />

⎛ ⎞<br />

1<br />

�d ∼ ⎝−i⎠<br />

(<strong>II</strong>I.5.43)<br />

0<br />

und daher linkszirkular polarisiertes Licht entlang <strong>der</strong> positiven z-Achse, sowie elliptisch<br />

polarisiertes Licht für die an<strong>der</strong>en Richtungen.<br />

Schließlich soll die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Drehimpulsquantenzahl ℓ bei einem Dipolübergang ermittelt<br />

werden. Dazu betrachte<br />

[ � L 2 , Rk] = �<br />

[L 2 j, Rk]<br />

j<br />

= �<br />

j<br />

�<br />

�<br />

Lj[Lj, Rk] + [Lj, Rk]Lj<br />

= i� εjkl(LjRl + RlLj) , (<strong>II</strong>I.5.44)<br />

wobei die Einsteinsche Summenkonvention benutzt wurde. Daraus folgt dann<br />

[ � L 2 , [ � L 2 , Rk]] = � � �<br />

2<br />

i� εjkl L − m , LjRl + RlLj<br />

m<br />

= i� εjkl<br />

= −� 2 εjkl<br />

� �<br />

Lm[Lm, LjRl + RlLj] + [Lm, LjRl + RlLj]Lm<br />

�<br />

LmLjεmlnRn + LmεmjnLnRl + LmRlεmjnLn + LmεmlnRnLj<br />

+LjεmlnRnLm + εmjnLnRlLm + RlεmjnLnLm + εmlnRnLjLm<br />

�<br />

.<br />

(<strong>II</strong>I.5.45)


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 100<br />

Nun ist<br />

εjklεmln = εjklεnml = δjnδkm − δjmδkn ,<br />

εjklεmjn = εjklεjnm = δknδlm − δkmδln . (<strong>II</strong>I.5.46)<br />

Der Kommutator [ � L2 , [ � L2 , Rk]] führt daher zunächst auf<br />

−� 2� �� �<br />

δjnδkm − δjmδkn LmLjRn + LmRnLj + LjRnLm + RnLjLm<br />

−� 2� �� �<br />

δknδlm − δkmδln LmLnRl + LmRlLn + LnRlLm + RlLnLm<br />

= −� 2� LkLjRj − � L 2 Rk + LkRjLj − LjRkLj + LjRjLk − LjRkLj + RjLjLk − Rk � L 2<br />

+LmLkRm − LkLmRm + LmRmLk − LkRmLm<br />

�<br />

+LkRmLm − LmRmLk + RmLkLm − RmLmLk . (<strong>II</strong>I.5.47)<br />

Hier heben sich nun einige Terme gegeneinan<strong>der</strong> weg. Mit � L · � R = LmRm = 0 bleibt noch<br />

−� 2� −2� L 2 Rk+i� εjklLjRl−2Rk � L 2 �<br />

−i� εjklRlLj+i� εkmlLmRl+i� εkmlRmLl . (<strong>II</strong>I.5.48)<br />

Wegen <strong>der</strong> Antisymmetrie des ε-Tensors heben sich die Terme, die zu εjkl proportional<br />

sind, weg. Man hat also<br />

[ � L 2 , [ � L 2 , Rk]] = 2� 2 ( � L 2 Rn + Rk � L 2 ) bzw<br />

[ � L 2 , [ � L 2 , � R]] = 2� 2 ( � L 2 � R + � R � L 2 ) . (<strong>II</strong>I.5.49)<br />

Bildet man die Matrixelemente dieser Operatorgleichung mit Drehimpulseigenfunktionen,<br />

ergibt sich<br />

� ℓ ′ (ℓ ′ + 1) − ℓ(ℓ + 1) � 2 〈ℓ ′ m ′ | � R|ℓ m〉 = 2 � ℓ ′ (ℓ ′ + 1) + ℓ(ℓ + 1) � 〈ℓ ′ m ′ | � R|ℓ m〉 (<strong>II</strong>I.5.50)<br />

und daraus nach kurzer Zwischenrechnung<br />

(ℓ + ℓ ′ )(ℓ + ℓ ′ + 2)((ℓ − ℓ ′ ) 2 − 1)〈ℓ ′ m ′ | � R|ℓ m〉 = 0 . (<strong>II</strong>I.5.51)<br />

Da ℓ und ℓ ′ nicht negativ sind, können nichtverschwindende Dipolmatrixelemente daher<br />

nur auftreten, falls ℓ = ℓ ′ = 0 o<strong>der</strong> ℓ ′ = ℓ ± 1 . Im ersten Fall ist allerdings 〈0 0| � R|0 0〉 = �0,<br />

da <strong>der</strong> Dipoloperator nur Zustände verschiedener Parität verbindet. Die Dipolauswahlregel<br />

für die Drehimpulsquantenzahl lautet daher<br />

ℓ ′ = ℓ ± 1 . (<strong>II</strong>I.5.52)<br />

Da <strong>der</strong> Gesamtdrehimpuls erhalten ist, muss <strong>der</strong> bei einer spontanen Emission vom<br />

Atom ” verlorene“ Drehimpuls vom Photon aufgenommen werden. Die Dipolauswahlregeln<br />

∆ℓ = ±1, ∆m = 0, ±1 zeigen daher, dass das Photon den Spin 1 besitzt. Die Überlegungen<br />

zur Polarisation des emittierten Lichtes (rechtszirkular polarisiertes Licht entlang<br />

er positiven z-Achse für ∆m = −1) zeigen weiter, dass ein rechtszirkular polarisiertes<br />

Photon den Drehimpuls +� in Bewegungsrichtung trägt, ein linkszirkular polarisiertes


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 101<br />

den Drehimpuls −�.<br />

Die Berechnung <strong>der</strong> Übergangsrate für einen Dipolübergang folgt nun genau den vorherigen<br />

Überlegungen. Die Rate, die mit <strong>der</strong> Emission eines Photons <strong>der</strong> Polarisation λ in<br />

das Raumwinkelelement dΩ verbunden ist, lautet<br />

dR = �<br />

� k in dΩ<br />

(sp. em.)<br />

Γ<br />

f→i, �kλ � 2 ω dω<br />

= dΩ<br />

(2πc) 3<br />

ωife 2<br />

= dΩ<br />

8π2�c3ε0 πe 2<br />

ε0ω δ(Ef − Ei − �ω) |〈i|�j� k · �ελ ∗ |f〉| 2<br />

In <strong>der</strong> Dipolentwicklung (〈i|�j� k |f〉 ≈ −iωif � dif) also<br />

ωife 2<br />

dR = dΩ<br />

8π2�c3ε0 ωife 2<br />

|〈i|�j� k · �ελ ∗ |f〉| 2 . (<strong>II</strong>I.5.53)<br />

| � dif · �ελ ∗ | 2<br />

= dΩ<br />

8π2�c3 |<br />

ε0<br />

� dif| 2 cos 2 ϑλ , (<strong>II</strong>I.5.54)<br />

wobei ϑλ den <strong>von</strong> � dif und �ελ ∗ eingeschlossenen Winkel bezeichnet (siehe Abbildung <strong>II</strong>I.2).<br />

Bezeichnen θ und φ die üblichen Polarwinkel <strong>von</strong> � dif in dem <strong>von</strong> � k, �ε1 und �ε2 gebildeten<br />

(orientierten) Dreibein, so ist<br />

cos ϑ1 = sin θ cos φ und cos ϑ2 = sin θ sin φ . (<strong>II</strong>I.5.55)<br />

¡¥¤<br />

¨ ¤<br />

§<br />

Abbildung <strong>II</strong>I.2: Lage des Vektors � dif im <strong>von</strong> � k, �ε1 und �ε2 gebildeten Dreibein<br />

Summation über beide Polarisationsrichtungen und Integration über alle Richtungen des<br />

emittierten Photons ergibt daher den Faktor<br />

�<br />

dΩ (cos 2 ϑ1 + cos 2 � π<br />

ϑ2) = 2π dθ sin 3 � π<br />

θ = 2π dθ (1 − cos 2 θ) sin θ<br />

0<br />

©<br />

¦<br />

¨ ¢<br />

�����<br />

0<br />

= 2π � − cos θ + 1<br />

3 cos3 θ �π 8π<br />

= . (<strong>II</strong>I.5.56)<br />

0 3<br />

¡£¢


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 102<br />

Daraus erhält man schließlich die Rate für den Übergang f → i:<br />

Rif = ω3 ife2 3π�c3 |<br />

ε0<br />

� dif| 2 . (<strong>II</strong>I.5.57)<br />

Die Summe <strong>der</strong> Raten für alle möglichen atomaren Endzustände |i〉 ergibt die inverse<br />

Lebensdauer τ −1 des angeregten Zustandes |f〉<br />

τ −1 = �<br />

Rif . (<strong>II</strong>I.5.58)<br />

i<br />

Betrachtet man z.B. ein Wasserstoffatom in einem angeregten Zustand mit <strong>der</strong> Hauptquantenzahl<br />

n = 2, so ist <strong>der</strong> Übergang 2s → 1s ” dipolverboten“ (d.h. <strong>der</strong> Zustand<br />

kann nicht durch den Dipoloperator, son<strong>der</strong>n erst durch höhere Terme in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

des Strommatrixelementes vermittelt werden). Ein 2p-Zustand kann dagegen durch<br />

einen Dipolübergang ” zerfallen“. Aus Symmetriegründen reicht es, z.B. den Zerfall des<br />

2p-Zustandes mit m = 0 zu behandeln. Die benötigten Wasserstoffwellenfunktionen sind<br />

ψ100(�r) = 2 r<br />

e− a Y00(ϑ, ϕ)<br />

a3/2 ψ210(�r) = 1<br />

√ 3<br />

1<br />

(2a) 3/2<br />

mit den Kugelflächenfunktionen<br />

Da<br />

Y00(ϑ, ϕ) = 1<br />

√ 4π<br />

x = r sin ϑ cos ϕ<br />

y = r sin ϑ sin ϕ<br />

r r<br />

e− 2a Y10(ϑ, ϕ) (<strong>II</strong>I.5.59)<br />

a<br />

und Y10(ϑ, ϕ) =<br />

�<br />

3<br />

cos ϑ . (<strong>II</strong>I.5.60)<br />

4π<br />

z = r cos ϑ , (<strong>II</strong>I.5.61)<br />

erkennt man sofort, dass die x- und y-Komponenten des Dipolvektors verschwinden, wie<br />

es für einen Übergang mit ∆m = 0 sein muss. Für die z-Komponente findet man das<br />

Winkelintegral<br />

�<br />

√ � π<br />

3<br />

dΩ Y00(ϑ, ϕ) cos ϑ Y10(ϑ, ϕ) = 2π dϑ sin ϑ cos 2 ϑ<br />

=<br />

√ 3<br />

2<br />

= 1<br />

√ 3<br />

4π<br />

0<br />

�<br />

− 1<br />

3 cos3 �<br />

ϑ<br />

�π �<br />

���<br />

0<br />

(<strong>II</strong>I.5.62)


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 103<br />

und das Radialintegral<br />

� ∞<br />

dr r<br />

0<br />

2 R10(r) r R21(r) = a � ∞<br />

dr r<br />

√<br />

6 0<br />

2<br />

a3 =<br />

�<br />

r<br />

�2 3r<br />

−<br />

e 2a<br />

a<br />

a � ∞<br />

√ dx x<br />

6 0<br />

4 3<br />

−<br />

e 2 x<br />

= a � �5 2<br />

√ 4!<br />

6 3<br />

=<br />

28 √ a .<br />

6 · 34 (<strong>II</strong>I.5.63)<br />

Damit hat die z-Komponente des Dipolvektors den Wert<br />

dz = 28 256<br />

√ · a = √ · a ≈ 0, 75 a , (<strong>II</strong>I.5.64)<br />

2 · 35 2 · 243<br />

ist also <strong>von</strong> <strong>der</strong> Größenordnung des Bohrschen Radius a. Daraus erhält man in <strong>der</strong> Dipolnäherung<br />

für die inverse Lebensdauer eines 2p-Zustandes den Wert<br />

τ −1 = ω3 e 2 a 2<br />

3π�c 3 ε0<br />

2 15<br />

3 10 ≈ 0, 555 ω3 (ea) 2<br />

3π�c 3 ε0<br />

Damit folgt für die Lebensdauer<br />

τ ≈ 1, 595 · 10 −9 s , wobei ω = E2 − E1<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>I.5.65)<br />

≈ 1, 55 · 10 16 s −1<br />

(<strong>II</strong>I.5.66)<br />

benutzt wurde. ” Übergänge höherer Ordnung“, die in <strong>der</strong> Dipolnäherung vernachlässigt<br />

wurden, liefern Korrekturen <strong>der</strong> Ordnung O( a<br />

λ ) ≈ 10−2 zur Übergangsamplitude. Da die<br />

endliche Lebensdauer eines angeregten Atoms eine Konsequenz <strong>der</strong> Wechselwirkung mit<br />

dem Vakuum des quantisierten Strahlungsfeldes ist, liefern Präzisionsmessungen <strong>der</strong> Lebensdauer<br />

eine wichtige Möglichkeit zur Prüfung <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong>.<br />

Wenn ein Übergang (wie <strong>der</strong> Übergang 2s → 1s im Wasserstoffatom) dipolverboten“ ist,<br />

”<br />

kann er immer noch durch die höheren Terme <strong>der</strong> Entwicklung des Strommatrixelementes<br />

ermöglicht werden: Gemäß Gleichung <strong>II</strong>I.5.28 und <strong>II</strong>I.5.31 ist<br />

〈i|�j� k · �ε ∗ λ |f〉 = −iωif 〈i| � �<br />

R|f〉 − i 〈i| d 3 � � �<br />

r �k · �r �j(�r) · �ε ∗ �<br />

λ |f〉 . (<strong>II</strong>I.5.67)<br />

Um das zweite Matrixelement zu interpretieren, schreibe zunächst<br />

�<br />

�<br />

( � k · �r)(�j · �ε ∗ λ ) = 1<br />

2<br />

+ 1<br />

�<br />

2<br />

( � k · �r)(�j · �ε ∗ λ ) − (�ε ∗ λ · �r)(�j · � k)<br />

( � k · �r)(�j · �ε ∗ λ ) + (�ε ∗ λ · �r)(�j · � k)<br />

= 5 1<br />

2 (�k × �ε ∗ λ )(�r × �j) + 1<br />

2<br />

�<br />

�<br />

ε ∗ λαkβ(jαrβ + rαjβ) . (<strong>II</strong>I.5.68)<br />

α,β


<strong>II</strong>I.5 Berechnung spontaner Emissionsraten 104<br />

Mit <strong>der</strong> Definition des Stromdichteoperators<br />

�j(�r) = 1<br />

2<br />

N�<br />

j=1<br />

�<br />

�pj<br />

m δ(�r − �rj) + δ(�r − �rj) �pj<br />

�<br />

m<br />

führt <strong>der</strong> erste Term dieser Zerlegung auf<br />

�<br />

d 3 r �r × �j(�r) = 1<br />

2m<br />

N�<br />

j=1<br />

und damit auf das Matrixelement<br />

(−�pj × �rj + �rj × �pj) = 1<br />

m<br />

N�<br />

j=1<br />

(<strong>II</strong>I.5.69)<br />

�rj × �pj = 1<br />

m � L (<strong>II</strong>I.5.70)<br />

1<br />

2m (� k × �ε ∗ λ )〈i| � L|f〉 . (<strong>II</strong>I.5.71)<br />

Da �mBahn = e<br />

2m � L den Operator des magnetischen Momentes bezeichnet, werden Übergänge,<br />

die durch dieses Matrixelement beschrieben werden, als magnetische Dipolübergänge<br />

bezeichnet. Während elektrische Dipolmatrixelemente normalerweise <strong>von</strong> <strong>der</strong> Ordnung ωa<br />

4πε0�2 sind (a = me2 Ordnung �k<br />

m<br />

�k<br />

mωa<br />

ist <strong>der</strong> Bohrsche Radius), sind magnetische Dipolmatrixelemente <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

. Das Verhältnis<br />

= �k<br />

mω<br />

me2 1<br />

=<br />

4πε0�2 4πε0<br />

e 2<br />

�c<br />

= α (<strong>II</strong>I.5.72)<br />

zeigt an, dass magnetische Dipolübergangsamplituden üblicherweise um zwei Größenordnungen<br />

gegenüber den elektrischen unterdrückt sind.<br />

Der zweite Term in <strong>der</strong> Zerlegung in Gleichung <strong>II</strong>I.5.68 führt auf<br />

�<br />

d 3 r (jαrβ + rαjβ) = 1<br />

2m<br />

Nun ist weiterhin<br />

N�<br />

j=1<br />

(pjα rjβ + rjβ pjα + rjα pjβ + pjβ rjα) . (<strong>II</strong>I.5.73)<br />

[rjα rjβ, H0] = 1 �<br />

rjα[rjβ, �p<br />

2m<br />

2 ] + [rjα, �p 2 � i�<br />

]rjβ =<br />

m (rjα pjβ + pjα rjβ) , (<strong>II</strong>I.5.74)<br />

also findet man schließlich<br />

�<br />

〈i| d 3 r (jαrβ + rαjβ)|f〉 = 1<br />

i� (Ef<br />

N�<br />

− Ei) 〈i| rjα rjβ|f〉 (<strong>II</strong>I.5.75)<br />

und damit<br />

1<br />

2<br />

�<br />

α,β<br />

ε ∗ �<br />

λα kβ 〈i|<br />

j=1<br />

d 3 r (jαrβ + rαjβ)|f〉 = −i ωif<br />

2 〈i|<br />

N�<br />

j=1<br />

( � k · �rj)(�ε ∗ λ · �rj)|f〉 . (<strong>II</strong>I.5.76)<br />

5 Benutze hier (�a × � b)(�c × � d) = εijk ajbk εilm cldm = (δjlδkm − δjmδkl)ajbkcldm = albmcldm − amblcldm.


<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 105<br />

Da <strong>der</strong> Operator e � N<br />

j=1 rjα rjβ die elektrischen Quadrupolmomente liefert, heißen die<br />

Übergänge, die diesem Matrixelement entsprechen, elektrische Quadrupolübergänge. Ihre<br />

Amplituden sind offensichtlich um den Faktor ka = O(10 −2 ) gegenüber denen <strong>der</strong> elektrischen<br />

Dipolübergänge unterdrückt.<br />

Falls das gesamte Matrixelement 〈i|�j� k |f〉 (in allen Ordnungen <strong>der</strong> Entwicklung <strong>von</strong> �j� k )<br />

verschwindet, heißt <strong>der</strong> Übergang f → i ” streng verboten“. Er kann dann jedoch immer<br />

noch in höheren Ordnungen <strong>der</strong> Störungstheorie auftauchen. Solche Prozesse höherer<br />

Ordnung sind mit <strong>der</strong> Emission o<strong>der</strong> Absorption <strong>von</strong> mehreren Photonen verbunden und<br />

werden daher als Multiphotonenprozesse bezeichnet. Sie können insbeson<strong>der</strong>e in starken<br />

Laserfel<strong>der</strong>n eine große Rolle spielen.<br />

<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen<br />

Ein Laser ist eine Vorrichtung, in dem die stimulierte Emission zur Lichtverstärkung<br />

ausgenutzt wird. Ein einfaches Modell für das ” aktive“ (lichtverstärkende) Medium erhält<br />

man, wenn man ” Drei-Niveau-Atome“ mit den in Abbildung <strong>II</strong>I.3 dargestellten Übergängen<br />

betrachtet:<br />

����� �����<br />

¡£¢¥¤§¦©¨��<br />

Abbildung <strong>II</strong>I.3: Übergänge beim ” Drei-Niveau-Atom“<br />

Der ” lasende Übergang“ ist hier <strong>der</strong> Übergang |1〉 ↔ |2〉. Das Niveau |2〉 wird vom Niveau<br />

|3〉 aus durch ” optisches Pumpen“ besetzt. Die Wahrscheinlichkeit je Atom und Zeit für<br />

einen solchen Übergang |3〉 → |2〉 sei r. Die Zustände |2〉 und |1〉 zerfallen spontan mit<br />

den Raten 2γ2 bzw. 2γ1 in den Grundzustand |3〉. (Der Faktor 2 entspricht den beiden<br />

Polarisationsrichtungen <strong>der</strong> emittierten Photonen.)<br />

Die Atome befinden sich in einem optischen Resonator mit dem Volumen V . Für einen<br />

” single mode“-Laser ist nur die Wechselwirkung <strong>der</strong> Atome mit den Photonen in einer<br />

einzigen Resonatormode <strong>der</strong> Frequenz ω0 = (E2 − E1)/� ausschlaggebend. Bezeichnet<br />

n die Anzahl <strong>der</strong> Photonen in dieser Mode, so hat man für ein einzelnes Atom gemäß<br />

Gleichung <strong>II</strong>I.2.14 zunächst die Aborptionsrate<br />

Γ (abs) = 2π<br />

� δ(E2 − E1 − �ω) �e2<br />

2ε0ωV |〈2|�j − � k · �ε |1〉| 2 · n<br />

= πe2 ω0<br />

�ε0V δ(ω − ω0) | � d| 2 cos 2 ϑ · n , (<strong>II</strong>I.6.1)<br />

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� � �<br />

� ¨ �<br />

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<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 106<br />

wobei die Dipolnäherung |〈2|�j − � k ·�ε |1〉| 2 = ω 2 0| � d·�ε | 2 benutzt wurde und ϑ den Winkel zwischen<br />

� d und dem Polarisationsvektor �ε bezeichnet. Da die Dipolmomente <strong>der</strong> laseraktiven<br />

Atome zufällig orientiert sind, muss über alle Orientierungen gemittelt werden<br />

cos2 ϑ = 1<br />

� 2π<br />

dϕ<br />

4π 0<br />

� π<br />

0<br />

dϑ sin ϑ cos 2 ϑ = 1 1<br />

·<br />

2 3 cos3 �<br />

�<br />

ϑ<br />

� π<br />

0<br />

= 1<br />

3<br />

. (<strong>II</strong>I.6.2)<br />

Die endliche Lebensdauer <strong>der</strong> angeregten Niveaus aufgrund <strong>der</strong> Zerfälle nach |3〉 führt<br />

zu einer ” Linienverbreiterung“. Diese wird dadurch berücksichtigt, dass man die scharfe<br />

δ-Funktion durch eine verschmierte Funktion mit <strong>der</strong> Breite γ = γ1 + γ2 ersetzt<br />

δ(ω − ω0) →<br />

γ/π<br />

(ω − ω0) 2 + γ 2 mit γ = γ1 + γ2 . (<strong>II</strong>I.6.3)<br />

Man hat also für den Übergang |1〉 ↔ |2〉 bei gegebener Polarisation insgesamt<br />

Γ (abs) =<br />

e2ω0 | � d| 2<br />

· n . (<strong>II</strong>I.6.4)<br />

3ε0�V (γ1 + γ2)<br />

Die beim Zerfall |2〉 → |1〉 spontan emittierten Photonen werden in alle Raumrichtungen<br />

ausgesandt, besetzen also nicht unbedingt die Lasermode. Dem entspricht die Verlustrate<br />

(vgl. Gleichung <strong>II</strong>I.5.57)<br />

γ21 = e2ω3 0 | � d| 2<br />

. (<strong>II</strong>I.6.5)<br />

6πε0�c3 Daher findet man schließlich<br />

Γ (abs) = 2πc3<br />

V ω 2 0<br />

γ21<br />

γ1 + γ2<br />

Ebenso erhält man für die Emission in die Lasermode<br />

· n ≡ G · n . (<strong>II</strong>I.6.6)<br />

Γ (em) = G(n + 1) . (<strong>II</strong>I.6.7)<br />

Damit Laseraktivität einsetzen kann, muss <strong>der</strong> spontane Zerfall |2〉 → |1〉 langsamer<br />

erfolgen als <strong>der</strong> Übergang |1〉 → |3〉, also<br />

γ12 < γ1 . (<strong>II</strong>I.6.8)<br />

Die Laserschwelle wird erreicht, wenn die Produktionsrate für Photonen in <strong>der</strong> Lasermode<br />

genau die Resonatorverlustrate (Auskopplungsrate) C ausgleicht. Solange die Zahl n <strong>der</strong><br />

Photonen in <strong>der</strong> Lasermode noch klein ist, zerfällt das Niveau |2〉 hauptsächlich spontan<br />

nach |3〉 mit <strong>der</strong> Rate 2γ2. Die mittlere Zahl <strong>der</strong> Atome im Zustand |2〉, bezeichnet als<br />

N2, ist im Gleichgewicht <strong>von</strong> Pumpen und Zerfall unterhalb <strong>der</strong> Schwelle gegeben durch<br />

N2 · 2γ2 = Nr , (<strong>II</strong>I.6.9)


<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 107<br />

wobei N die Gesamtzahl <strong>der</strong> Atome angibt. Die Produktionsrate für Laserphotonen, bedingt<br />

durch den spontanen Zerfall |2〉 → |1〉, ist daher<br />

N2 G =<br />

Nr G<br />

2γ2<br />

≡ α . (<strong>II</strong>I.6.10)<br />

An <strong>der</strong> Laserschwelle ist dieser Parameter α gleich <strong>der</strong> Verlustrate, d.h.<br />

α = C . (<strong>II</strong>I.6.11)<br />

Zur Abschätzung sollen einige typische Größenordnungen herangezogen werden:<br />

Zerfallskonstanten 2γ ≈ 3 · 10 7 s −1<br />

Teilchenzahlen N ≈ 2 · 10 20<br />

Volumina V ≈ 2 · 10 −5 m 3<br />

Frequenzen ω0 ≈ 4 · 10 15 s −1 .<br />

Damit erhält man<br />

G ≈ 2πc3<br />

V ω 2 0<br />

≈ 0, 5 s −1 . (<strong>II</strong>I.6.12)<br />

Typische Resonatorverlustraten sind C ≈ 10 6 s −1 , d.h. ein Resonator <strong>der</strong> Länge 20 cm wird<br />

ca. 1500 mal durchlaufen, bevor ein Photon nach außen gelangt. An <strong>der</strong> Laserschwelle hat<br />

man daher die Pumprate<br />

also<br />

Nr = 2γ2<br />

C<br />

G ≈ 6 · 1013 s −1 , (<strong>II</strong>I.6.13)<br />

r ≈ 3 · 10 −7 s −1 . (<strong>II</strong>I.6.14)<br />

Es ist nun entscheidend wichtig, dass die atomare Dynamik ” schnell“ ist im Vergleich zu<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> Photonen, da ja γ ≫ C. Daher können sich die atomaren Besetzungszahlen an<br />

das instantane Lichtfeld anpassen, so dass eine ” adiabatische Trennung <strong>der</strong> Zeitskalen“<br />

möglich wird.<br />

Schritt 1: Atomare Besetzungszahlen bei gegebener Photonenverteilung<br />

Sei R1 n die Wahrscheinlichkeit dafür, ein beliebiges Atom im Zustand |1〉 und n Photonen<br />

in <strong>der</strong> Lasermode zu finden. Sei weiter Pn die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten <strong>von</strong> n<br />

Laserphotonen. Dann ist R1 �<br />

n Pn die bedingte Wahrscheinlichkeit dafür, ein Atom in |1〉<br />

zu finden, wenn n Photonen vorhanden sind. Weiterhin gelten<br />

�<br />

n<br />

R 1 n = N1<br />

N<br />

(<strong>II</strong>I.6.15)


<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 108<br />

und<br />

�<br />

n<br />

R 2 n = N2<br />

N<br />

. (<strong>II</strong>I.6.16)<br />

Betrachtet man alle Übergänge, an denen die Niveaus |2〉 und |1〉 beteiligt sind, erhält<br />

man folgende Ratengleichungen:<br />

dR 2 n<br />

dt<br />

= rPn+R 1 n+1G(n + 1) − R 2 nG(n + 1)−2γ2R 2 n<br />

dR1 n+1<br />

dt = −R1 n+1G(n + 1) + R 2 nG(n + 1)−2γ1R 1 n+1 . (<strong>II</strong>I.6.17)<br />

Auf Zeitskalen, die groß gegenüber den atomaren Lebensdauern, aber klein im Vergleich<br />

zur ” Lebensdauer“ <strong>der</strong> Photonen im Resonator sind, erreichen die atomaren Besetzungszahlen<br />

ein Gleichgewicht mit <strong>der</strong> quasistatischen Photonenverteilung:<br />

0 = rPn+R 1 n+1G(n + 1) − R 2 nG(n + 1)−2γ2R 2 n<br />

0 = −R 1 n+1G(n + 1) + R 2 nG(n + 1)−2γ1R 1 n+1 . (<strong>II</strong>I.6.18)<br />

Addition bei<strong>der</strong> Gleichungen liefert<br />

rPn = 2γ2R 2 n + 2γ1R 1 n . (<strong>II</strong>I.6.19)<br />

Summation über alle n ergibt wegen Gleichung <strong>II</strong>I.6.16<br />

N2 N1<br />

r = 2γ2 + 2γ1<br />

N N<br />

. (<strong>II</strong>I.6.20)<br />

Diese Gleichung ist klar: Im ” steady state“ werden genau so viele Atome aus |3〉 abgepumpt<br />

wie sie auch zurückfallen. Es können nun die Gleichgewichtswerte <strong>der</strong> Wahrschein-<br />

lichkeiten R 1 n+1 und R 2 n bestimmt werden. Man hat<br />

R 2 n<br />

R 1 n+1<br />

R 2 n<br />

�<br />

2γ1 + G(n + 1) � = R 2 nG(n + 1)<br />

�<br />

2γ2 + G(n + 1) � = R 2 n+1G(n + 1) + rPn . (<strong>II</strong>I.6.21)<br />

Multiplikation bei<strong>der</strong> Gleichungen ergibt<br />

�<br />

2γ1 +G(n+1) �� 2γ2 +G(n+1) � = R 2� �2 �<br />

n G(n+1) +rPn 2γ1 +G(n+1) � (<strong>II</strong>I.6.22)<br />

o<strong>der</strong><br />

R 2� n 4γ1γ2 + 2(γ1 + γ2)G(n + 1) � �<br />

= rPn 2γ1 + G(n + 1) � . (<strong>II</strong>I.6.23)<br />

Daraus folgen sofort die gesuchten Ausdrücke<br />

R 2 n = rPn<br />

�<br />

2γ1 + G(n + 1) �<br />

4γ1γ2 + 2(γ1 + γ2)G(n + 1)<br />

R 1 rPnG(n + 1)<br />

n+1=<br />

.<br />

4γ1γ2 + 2(γ1 + γ2)G(n + 1)<br />

(<strong>II</strong>I.6.24)


<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 109<br />

Entscheidend ist die relative Größe <strong>der</strong> beiden Terme im Nenner. Der ” Umschlag“ geschieht<br />

bei einer Photonenzahl <strong>von</strong><br />

β =<br />

2γ1γ2<br />

, (<strong>II</strong>I.6.25)<br />

(γ1 + γ2)G<br />

unter typischen Bedingungen (2γ1 ≈ 2γ2 ≈ 3 · 10 7 s −1 , G ≈ 0, 5 s −1 ) erhält man für diese<br />

Photonenzahl<br />

β ≈ 3 · 10 7 . (<strong>II</strong>I.6.26)<br />

Es sind also zwei Fälle zu unterscheiden:<br />

(i) n ≪ β : R 2 n ≈ rPn<br />

2γ2<br />

R 1 n+1 ≈ rPnG(n + 1)<br />

4γ1γ2<br />

(ii) n ≫ β : R 2 n ≈ R 1 n+1 ≈<br />

Schritt 2: Bestimmung <strong>der</strong> Photonenverteilung<br />

≈ R2 nG(n + 1)<br />

2γ1<br />

rPn<br />

2(γ1 + γ2)<br />

Die Än<strong>der</strong>ung <strong>von</strong> Pn wird durch drei Prozesse bedingt:<br />

(<strong>II</strong>I.6.27)<br />

. (<strong>II</strong>I.6.28)<br />

(a) Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Photonenzahl <strong>von</strong> n nach n + 1:<br />

�<br />

dPn �<br />

�<br />

dt<br />

= N � R 1 n+1 − R 2� n G(n + 1) (<strong>II</strong>I.6.29)<br />

� n,n+1<br />

(b) Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Photonenzahl <strong>von</strong> n nach n − 1:<br />

�<br />

dPn �<br />

�<br />

dt<br />

= N � R 2 n−1 − R 1� n Gn (<strong>II</strong>I.6.30)<br />

� n,n−1<br />

(c) Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Photonenzahl aufgrund <strong>von</strong> Resonatorverlusten:<br />

�<br />

dPn �<br />

�<br />

dt<br />

= −CnPn + C(n + 1)Pn+1 . (<strong>II</strong>I.6.31)<br />

� loss<br />

Die Gesamtrate dPn<br />

dt ist die Summe dieser drei Beiträge.<br />

Man hat nun<br />

R 1 n+1 − R 2 n = −<br />

= −<br />

rPn2γ1<br />

4γ1γ2 + 2 (γ1 + γ2) G(n + 1)<br />

2rPnγ1<br />

2β (γ1 + γ2) G + 2(γ1 + γ2) G(n + 1)<br />

γ1<br />

(γ1+γ2) G<br />

= − 2rPn<br />

β + n + 1<br />

=<br />

r<br />

2γ2<br />

−<br />

βPn<br />

.<br />

β + n + 1<br />

(<strong>II</strong>I.6.32)


<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 110<br />

Mit dem schon in Gleichung <strong>II</strong>I.6.10 eingeführten Pumpparameter“ α =<br />

”<br />

also für die Photonenverteilung die Ratengleichung<br />

dPn<br />

dt<br />

Nr G<br />

2γ2<br />

ergibt sich<br />

αβ(n + 1)<br />

= −<br />

β + n + 1 Pn<br />

αβ n<br />

+<br />

β + n Pn−1 − Cn Pn + C(n + 1) Pn+1 . (<strong>II</strong>I.6.33)<br />

Diese Gleichung muss numerisch gelöst werden.<br />

Im Gleichgewicht wird die Situation einfacher, da dann sogar die Rate für jeden einzelnen<br />

<strong>der</strong> Übergänge n ←→ n − 1 verschwinden muss ( detailed balance“)<br />

”<br />

�<br />

Gn − Cn Pn = 0 , (<strong>II</strong>I.6.34)<br />

also<br />

N � R 2 n−1 − R 1 n<br />

αβ<br />

β + n Pn−1 − C Pn = 0 . (<strong>II</strong>I.6.35)<br />

Mittels dieser Rekursionsformel lässt sich nun Pn auf P0 zurückführen<br />

o<strong>der</strong><br />

Pn = αβ/C<br />

β + n Pn−1<br />

� �n αβ/C<br />

Pn =<br />

=<br />

(β + n) . . . (β + 2)(β + 1) P0<br />

(<strong>II</strong>I.6.36)<br />

� αβ/C � n β!<br />

(β + n)! P0 . (<strong>II</strong>I.6.37)<br />

Die noch verbleibende Konstante P0 iat aus <strong>der</strong> Normierung zu bestimmen<br />

∞�<br />

� �n αβ/C β!<br />

P0<br />

= 1 . (<strong>II</strong>I.6.38)<br />

(β + n)!<br />

n=0<br />

Hier taucht genau die konfluente hypergeometrische Reihe auf. Man hat (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong><br />

I, Aufgabe 24)<br />

also gilt<br />

M(a, b; x) =<br />

∞�<br />

n=0<br />

M � 1, 1 + β; αβ � 1<br />

= C<br />

P0<br />

(a + n − 1)! (b − 1)! x<br />

(a − 1)! (b + n − 1)!<br />

n<br />

, (<strong>II</strong>I.6.39)<br />

n!<br />

. (<strong>II</strong>I.6.40)<br />

Die Wahrscheinlichkeit Pn hängt somit bei gegebenem β nur vom Quotienten α<br />

C ab.


<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 111<br />

Eine beson<strong>der</strong>s wichtige Größe ist nun die mittlere Zahl <strong>der</strong> Photonen in <strong>der</strong> Lasermode<br />

∞�<br />

n = nPn<br />

n=0<br />

∞� n<br />

=<br />

n=0<br />

� αβ/C �n β! P0<br />

(β + n)!<br />

∞�<br />

� �n αβ/C β! P0<br />

= (β + n − β)<br />

(β + n)!<br />

n=1<br />

= αβ<br />

∞�<br />

� �n−1 αβ/C β! P0<br />

− β(1 − P0)<br />

C (β + n − 1)!<br />

n=1<br />

= αβ<br />

C − β(1 − P0) . (<strong>II</strong>I.6.41)<br />

Damit kann jetzt das Verhalten <strong>der</strong> Photonenverteilung in verschiedenen Bereichen untersucht<br />

werden:<br />

(i) Verhalten unterhalb <strong>der</strong> Schwelle, α/C < 1:<br />

Man hat die Näherung<br />

M � 1, 1 + β; αβ �<br />

= C<br />

1<br />

1 − α/C<br />

�<br />

α/C<br />

1 −<br />

β(1 − α/C) 2 + O � β −2��<br />

Das ergibt bei Vernachlässigung <strong>von</strong> Termen <strong>der</strong> Ordnung O (β −2 )<br />

P0 = 1 − α<br />

C +<br />

α/C<br />

β(1 − α/C)<br />

. (<strong>II</strong>I.6.42)<br />

. (<strong>II</strong>I.6.43)<br />

Daraus folgt die mittlere Photonenzahl<br />

n = αβ<br />

�<br />

− β + β 1 −<br />

C α<br />

C +<br />

�<br />

α/C<br />

β(1 − α/C)<br />

=<br />

α/C<br />

.<br />

1 − α/C<br />

(<strong>II</strong>I.6.44)<br />

Da unterhalb <strong>der</strong> Schwelle β ≫ n, gilt (β + n)! ≈ β!βn . Mit dieser Näherung findet<br />

man<br />

Pn ≈ (αβ/C)n β!<br />

β!βn �<br />

α<br />

�2 P0 = P0 .<br />

C<br />

(<strong>II</strong>I.6.45)<br />

Da � ∞<br />

n=0<br />

Pn =<br />

� �<br />

α n 1 = C<br />

=<br />

=<br />

1−α/C , ist P0 = 1 − α<br />

C<br />

. Also ist<br />

�<br />

α<br />

�n �<br />

1 −<br />

C<br />

α<br />

�<br />

C<br />

�<br />

α<br />

�n �<br />

1 −<br />

C<br />

α<br />

�−n+1+n C<br />

nn . (<strong>II</strong>I.6.46)<br />

(1 + n) 1+n


<strong>II</strong>I.6 Aus <strong>der</strong> Lasertheorie: Ratengleichungen 112<br />

Das ist eine geometrische Verteilung (monoton fallend, Maximum bei n = 0), wie<br />

sie für chaotisches (Lampen-) Licht charakterisiert ist.<br />

(ii) Verhalten an <strong>der</strong> Schwelle, α/C = 1:<br />

Hier gilt<br />

�<br />

πβ<br />

M(1, 1 + β; β) ≈ ,<br />

2<br />

(<strong>II</strong>I.6.47)<br />

also<br />

�<br />

2<br />

P0 ≈<br />

πβ<br />

(<strong>II</strong>I.6.48)<br />

und<br />

n ≈<br />

� 2β<br />

π<br />

. (<strong>II</strong>I.6.49)<br />

Die Photonenverteilung an <strong>der</strong> Schwelle ergibt sich daraus ohne weitere Näherung<br />

Pn ≈ βn β!<br />

(β + n)!<br />

� 2<br />

πβ<br />

. (<strong>II</strong>I.6.50)<br />

(iii) Verhalten oberhalb <strong>der</strong> Schwelle, α/C > 1:<br />

Jetzt hat man<br />

M � 1, 1 + β; αβ � �<br />

αβ/C −β<br />

= β!e (αβ/C) 1 + O C<br />

� �<br />

C<br />

αβ<br />

�<br />

. (<strong>II</strong>I.6.51)<br />

Da diese Zahl sehr groß ist, ist P0 ≈ 0 vernachlässigbar. Es folgt die mittlere Zahl<br />

<strong>der</strong> Laserphotonen<br />

� �<br />

α<br />

n ≈ β − 1<br />

(<strong>II</strong>I.6.52)<br />

C<br />

und die Photonenverteilung wird<br />

Pn ≈ (αβ/C)n β!<br />

(β + n)!<br />

= (αβ/C)β+n<br />

(β + n)!<br />

= (β + n)β+n<br />

(β + n)!<br />

(αβ/C) β<br />

β! exp(αβ/C)<br />

exp(−αβ/C)<br />

exp(−β − n) . (<strong>II</strong>I.6.53)<br />

Für α/C = 2 ist n = β; für α/C ≫ 2 hat man daher n ≫ β. In diesem Fall reduziert<br />

sich die Photonenverteilung auf eine Poissonverteilung<br />

exp(−n) , (<strong>II</strong>I.6.54)<br />

n!<br />

die eine Signatur für kohärentes (Laser-) Licht ist. (vgl. <strong>Quantenmechanik</strong> I, Aufgabe<br />

25, zu den kohärenten Zuständen)<br />

Pn ≈ nn


Index<br />

π-Puls, 20<br />

s-Wellen-Streuung, 66, 69<br />

Absorption, 82<br />

Bohrsches Magneton, 12<br />

Bornsche Näherung, 62<br />

Bornsche Reihe, 61<br />

Breit-Wigner-Formel, 68<br />

Clebsch-Gordan-Koeffizienten, 31<br />

Coulomb-Eichung, 75<br />

Dipolübergang<br />

elektrischer, 97<br />

Dipolmatrixelement, 97<br />

Dipolnäherung, 97<br />

Drehimpulsaddition, 27, 31<br />

Eichtransformation, 74<br />

elektrischer Quadrupolübergang, 105<br />

Emission<br />

induzierte, 82<br />

spontane, 86<br />

Energie eines Strahlungsfeldes, 75<br />

Faltungstheorem, 73<br />

Feinstruktur, 16<br />

Fock-Raum, 83<br />

Fock-Zustand, 83<br />

Gesamtdrehimpuls, 11<br />

goldene Regel, 81<br />

Greensche Funktion, 48, 94<br />

Gyromagnetischer Faktor, 13<br />

Hankel-Funktion<br />

sphärische, 57<br />

Hartkugelpotential, 66<br />

Helmholtz-Gleichung<br />

inhomogene, 47<br />

Hyperladung, 46<br />

Isospin, 42<br />

113<br />

j-j-Kopplung, 42<br />

L-S-Kopplung, 42<br />

Lamb-Shift, 39<br />

Laserschwelle, 106<br />

Levinson-Theorem, 70<br />

Lippmann-Schwinger-Gleichung, 50<br />

magnetischer Dipolübergang, 104<br />

Maxwell-Gleichungen, 72<br />

Multiphotonenprozesse, 105<br />

Partialwellenamplituden, 56<br />

Partialwellenansatz, 55<br />

Pauli-Gleichung, 16<br />

Pauli-Spinmatrizen, 6<br />

Pauli-Spinoren, 11<br />

Photonenzahl<br />

mittlere, 111<br />

Poissonverteilung, 112<br />

Poynting-Vektor, 76<br />

Quark, 46<br />

Racah-Koeffizienten, 42<br />

Ramsauer-Effekt, 70<br />

Ratengleichungen, 108<br />

Resonanzstreuung, 68<br />

Russel-Saun<strong>der</strong>s-Kopplung, 42<br />

Rutherford-Wirkungsquerschnitt, 63<br />

s-Wellen-Streulänge, 70<br />

Schwinger-Term, 13<br />

Singlett, 27<br />

sphärischer Potentialtopf, 67<br />

Spin-Bahn-Kopplung, 15<br />

Spindarstellung, 10<br />

Spinraum, 5<br />

Streuamplitude, 48<br />

Streuphasen, 55<br />

Stromdichte<br />

diamagnetische, 79<br />

paramagnetische, 79


INDEX 114<br />

Stromdichteoperator, 79<br />

Theorem<br />

optisches, 57<br />

Thomas-Präzession, 15<br />

Transversale Eichung, 75<br />

Triplett, 27<br />

Vakuumfluktuation, 93<br />

Vorwärts-Streuamplitude, 57<br />

Wignersche 3j-Symbol, 34<br />

Wignersches 6j-Symbol, 42<br />

Wirkugsquerschnitt<br />

inelastischer, 60<br />

Wirkungsquerschnitt<br />

differentieller, 53<br />

elastischer, 58<br />

totaler, 57<br />

Zeeman-Effekt<br />

anormaler, 14<br />

normaler, 14

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