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Vorrang haben hingegen die Lehrangebote in den fachdisziplinären Diplom- und Magisterstu-<br />
diengängen bzw. BA/MA-Studiengängen, die für Lehramtsstudierende »geöffnet« werden. Ob-<br />
wohl es die Fachwissenschaften oft über das Instrument der Pflicht offensichtlich geschafft ha-<br />
ben, in der universitären Lehrer(aus)bildung das Zepter zu schwingen, lässt sich nicht daraus<br />
schließen, diese erfolge zu fachbezogen, denn unübersehbar kann festgestellt werden, dass der<br />
Beitrag der fachwissenschaftlichen Anteile für die zukünftige Berufsfähigkeit in mehrerlei Hin-<br />
sicht unbefriedigend ausfällt. 7<br />
Erschwerend hinzu kommt das Mauerblümchen-Dasein, das oft die Fachdidaktiken fristen. 8 Die<br />
Nachwuchslage in den Fachdidaktiken ist defizitär, zunehmend weniger stehen Lehrende mit<br />
der nötigen Doppelqualifikation und beruflichen Erfahrungen in der Schulpraxis zur Verfügung<br />
mit der Konsequenz, dass fachdidaktische Studien immer randständiger werden und an wissen-<br />
schaftlicher Reputation verlieren. Mit einem berufsfeldbezogenen Kerncurriculum kann diesem<br />
hochschulpraktischen Missstand wirkungsvoll begegnet werden, weil mit diesem zugleich zwin-<br />
gend der berufstheoretische und -praktische Stellenwert der Fachdidaktiken verbessert würde.<br />
4. Kerncurriculum als spiralförmiger Bildungsgang<br />
These: Das Kerncurriculum ist als integratives Phasenmodell zu konzipieren, das dem Studie-<br />
renden ermöglicht, neben der Vermittlung professioneller Grundlagenqualifikation sein indi-<br />
viduelles Profil als künftiger Lehrer wie seine Identität als »Lehrerpersönlichkeit« zu entwi-<br />
ckeln. Seine wissenschaftliche Grundhaltung soll die eines »forschend Lernenden« entspre-<br />
chen.<br />
Gemäß dieser Überlegung soll das gesamte Studium als ein kohärenter Bildungs- und Qualifi-<br />
zierungsprozess mit ineinander übergehenden Lernschleifen auf einem stetig steigenden Niveau<br />
der Problemlösung und des Transfers auf das Berufsfeld erfolgen (siehe Abbildung). Denkbar<br />
wären beispielsweise drei Phasen:<br />
– Die erste dient der Orientierung und Erkundung. In dieser sollen insbesondere Studienmoti-<br />
vation und Berufsvorstellungen reflektierend geklärt werden. Zudem soll ein fachspezifisches<br />
Problembewusstsein entwickelt sowie grundlegende fachliche Wissensbestände in enger<br />
Verbindung zu fachdidaktischen Studien angeeignet werden.<br />
– In der zweiten Lernschleife geht es vorrangig um die Bearbeitung fachspezifischer Fragestel-<br />
lungen und deren Umsetzung (Planung, Erprobung und Auswertung) im Berufsfeld. Dabei<br />
7 „Kennzeichnend für die Lehrerausbildung ist eine Dominanz von Fachwissen in der ersten Phase<br />
und von fachbezogener Unterrichtslehre in der zweiten Phase. So wird ein Berufsverständnis begünstigt,<br />
das primär durch die Fähigkeit bestimmt ist, Fachwissen im Unterricht weiterzugeben.“ (Bildungskommission<br />
<strong>NRW</strong>, S. 308; Hervorhebungen – E.J.)<br />
8 „Die Nachwuchslage in den Fachdidaktiken ist schwierig; es stehen hier und in den Erziehungswissenschaften<br />
immer weniger Lehrende zur Verfügung, die neben einer wissenschaftlichen Qualifikation<br />
auch über Erfahrungen in der Schulpraxis verfügen. Die vorgesehenen schulpraktischen Studien können<br />
an Universitäten nicht angemessen realisiert werden.“ (ebenda)<br />
Auch wenn diese Aussage schon 13 Jahre zurückliegt, nach meinen Beobachtungen hat sich die<br />
Lage inzwischen nicht entspannt, sondern noch verschärft.<br />
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