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tisch-konzeptuelle Durchdringung und Analyse beobachteter oder selbst erfahrener Praxis“ (S.<br />

8; Hervorhebungen – E.J.)<br />

Anders würde die Situation, wenn die Kultus- und Wissenschaftsminister den Mut hätten, die 1.<br />

und 2. Ausbildungsphase in einem echten »integrativen Bildungsgang« zusammenzuführen.<br />

Bisher konnte sich die Idee und Wirksamkeit des Modells des forschenden Lernens in der uni-<br />

versitären Lehrerausbildung noch wenig entfalten, weil der Stellenwert empirischer Forschung<br />

einschließlich der Analyse und der Interpretation ihrer Ergebnisse für die Entwicklung berufli-<br />

cher Professionalität von Lehrkräften von der erziehungswissenschaftlichen Disziplin selbst un-<br />

terschätzt wurde. Es sollte deshalb zu einem schnellen Bewusstseinswandel kommen, damit<br />

nicht das eintritt, was der Hamburger Bildungsforscher Wilfried Bos unter den gegenwärtigen<br />

Berufsbedingungen der Lehrerschaft als ernsthaften Vorschlag öffentlich präsentiert hat, näm-<br />

lich Moderatoren auszubilden, die den Lehrern die Testergebnisse von PISA etc. erklären und<br />

mögliche Konsequenzen aufzeigen können (Süddeutsche Zeitung 01.07.2002).<br />

6. Berufsmotivationsklärung und Abschied von der Schülerrolle<br />

These: Die erste Lernschleife des Kerncurriculums soll als eine einjährige gemeinsame Orien-<br />

tierungs- und Grundausbildungsphase für alle Lehrämter allgemein bildender Schulen gestal-<br />

tet werden.<br />

Diese Eingangsphase dient drei Zielsetzungen:<br />

(1) Die eigene Schülerkarriere und den Findungsprozess der Berufswahl kritisch zu reflektieren.<br />

(2) Das künftige Berufsfeld in seiner Anforderungsvielfalt kennen zu lernen und<br />

(3) Praktika in verschiedenen Schulstufen bzw. Schulformen durchzuführen, um eine an neuen<br />

eigenen Erfahrungen gespiegelte Entscheidung über die eigene Berufstauglichkeit und<br />

Schulformwahl treffen zu können.<br />

Überlegenswert scheint die Fragestellung, ob nicht jeder an einer Lehramtsausbildung Interes-<br />

sierte vor Beginn des Studiums eine mindestens halbjährige, wahrscheinlich noch besser, eine<br />

einjährige Praxiserkundungsphase in einem anderen als dem angestrebten Berufsfeld absol-<br />

vieren sollte. Hintergrund dieses Gedankens ist die vielfach beklagte lebensweltliche und gesell-<br />

schaftliche Erfahrungsarmut der Lehrerschaft, die dadurch entsteht, dass der weitaus größte<br />

Teil der Lehrerinnen und Lehrer das System Schule/Hochschule nie verlassen hat. 9 Damit Schu-<br />

le ihren selbst gestellten Anspruch, die Schülerinnen und Schüler würden nicht für die Schule,<br />

sondern das Leben lernen, zumindest in Ansätzen einhalten kann, sollten allerdings die Reprä-<br />

9 Pointiert schreibt Mönninghoff (1992) zu dieser Problematik:<br />

„Lehrer sind sich selten der Tatsache bewusst, dass sie – von wenigen Ausnahmen abgesehen –<br />

ihr gesamtes Leben (zumindest einen großen Teil davon – Ergänzung E.J.) vom 6. bis etwa 65. Lebensjahr<br />

in der Schule verbringen, in einer Institution, deren vornehmstes Ziel seit Generationen in der »Vorbereitung<br />

auf das Leben« besteht. (…) Dreizehn Jahre im Normalfall als Schüler, dann 5-7 Jahr Ausbildung<br />

an einem schulischen oder schulähnlichen Ort, der Universität und dem Seminar, dann übergangsloser<br />

Tausch der Rollen – es sei denn, man will das Zwitterdasein des Referendars als Übergang bezeichnen.<br />

Zwanzig Jahre wird er auf das Leben vorbereitet, dann bereitet er andere darauf vor.“ (S. 13)<br />

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