2. Das deutsche Konzept derpsycho-sozialenTruppenbetreuung imAuslandseinsatzSoldaten der deutschen Bundeswehr sind seit vielenJahren an internationalen Friedensmissionen beteiligt.Die gewachsene Verantwortung der BundesrepublikDeutschland innerhalb der internationalenStaatengemeinschaft hat zu einer Erweiterung desAufgabenspektrums der Bundeswehr geführt. 1 Nebengeistiger Beweglichkeit, körperlicher Fitness undsicherem Beherrschen handwerklicher Abläufe ist diepsychische Stabilität und Belastbarkeit der Soldatenals wesentliches und bestimmendes Merkmal derEinsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit zu begreifen.Dies gilt für alle Alters- und Dienstgradgruppen. 2Die Teilnahme an Auslandseinsätzen der Bundeswehr,die unter ungewohnten und besonders belastendenBedingungen stattfinden, stellt an das eingesetztePersonal hohe Anforderungen hinsichtlich derpsycho-physischen Belastbarkeit. 3Die bisherigen Einsatzerfahrungen der Bundeswehr(Kambodscha 1992, Somalia 1993-94, Gebietedes ehemaligen Jugoslawien seit 1995), aber auch Einsatzerfahrungenanderer Organisationen (Polizei,Rettung, Feuerwehr, andere Notdienste) zeigen, dassdas eingesetzte Personal, und auch Familienangehörigeund Lebenspartner bei der psychologischen Vorbereitungauf solche Belastungen und bei der psychischenVerarbeitung einsatzbezogener Erlebnisse häufigunterstützende Maßnahmen benötigen, um ernstenund/oder dauerhaften Störungen begegnen zukönnen. Die Unterstützung bei der Stressbewältigungist somit ein Teilbereich der psycho-sozialen Betreuung.Sie ist Aufgab jedes Soldaten und insbesondereAufgabe jedes Vorgesetzten. Überall dort, wo diesnicht ausreicht, handelt es sich um eine medizinischpsychologischeAufgabe, wobei hierbei dem Zusammenwirkenvon Vorgesetzten, Militärseelsorgern undSozialdienst besondere Bedeutung zukommt.Im Jahr 2000 erließ die Deutsche Bundeswehrein Rahmenkonzept zur Bewältigung psychischerBelastungen von Soldaten. Damit hat die Bundeswehrein - im Vergleich zu anderen Nationen - effektivesund breites Angebot an Vorsorge- undBehandlungsmaßnahmen geschaffen, das sichdurchaus sehen lassen kann. 4 Durch die neuen Herausforderungenan die deutsche Bundeswehr habenWehrpsychiater und Truppenpsychologen eine gesteigerteBedeutung erfahren. Neben Befehlshabern,Kommandeuren und Einsatzführern sind Ärzte undSanitätspersonal die naheliegendsten Kooperationspartnerder Militärgeistlichen. Der Umgang mitMilitärgeistlichen im Auslandseinsatz wird von allenhandelnden „Professionisten“ als positiv bewertet. 52.1 Der SeelsorgerLaut Militärseelsorgevertrag zwischen Kirche undStaat kümmern sich Pfarrer verschiedener Konfessionenum das Seelenheil der Ihnen anvertrauten Sol-M&S 18: Zusammenarbeit von Militärärzten, Militärseelsorgern und Militärpsychologen - Seite 9 -
daten. 6 Seelsorger begleiten diese bei der Arbeit, vorallem in Belastungssituationen, die fast immer mitGefühlen von Versagen, Hilflosigkeit und Ohnmachteinhergehen können. 7Deutsche Militärgeistliche haben sowohl im Inalsauch im Ausland Zivilstatus und sind somit unabhängigvon militärischer Weisung beziehungsweisestehen außerhalb militärischer Hierarchie, sind aberzugleich in den Dienst der Soldaten integriert. Sietragen eine der Uniform ähnliche Bekleidung alsSchutzanzug mit dem Kreuz auf der Schulter. Siesind somit im Auslandseinsatz dem jeweiligen nationalenBefehlshaber zur Zusammenarbeit zugeordnetund in Fragen der Sicherheit den Vorschriftendes Kontingentes unterworfen. Der Pfarrer gehörtneben dem Psychologen, dem Rechtsberater und demLeiter der Pressearbeit zur sogenannten „Generalstabsgruppe“.Er hat somit auch im weltlichen Sinne „einenguten Draht nach oben“. 8 Das bedeutet, dass einMilitärpfarrer direktes Vorspracherecht beim Brigadekommandeurhat, um als eine Art Anwalt fungierenzu können. Zudem nimmt der Militärgeistliche anden Stabslagen, Ärztelagen und der Runde InnererFührung (Kdr, G1, TrPsych, TrArzt) teil.Meistens genügt aber gutes Zuhören, wobei einPfarrer im Einsatz nicht nur Ansprechpartner fürchristliche Fragen, sondern auch für Alltagsproblemeist. Auch Streitereien innerhalb der Gruppe, oder mitVorgesetzten und vor allem die Angst, die der laufendeEinsatz mit sich bringt werden mit dem Pfarreraufgearbeitet. Er will sich als „laufenderMeckerkasten“ verstanden wissen, denn trotz verbesserterEinsatzbedingungen hält es nicht jeder Soldatim Auslandseinsatz aus. 9Dafür reichen als Einsatz- und Ausbildungsvoraussetzungen,neben den zivilerseits zu erbringendenQualifikationen und Weihen der jeweiligen Kirchen,eigentlich die Bereitschaft, Soldaten in einen Auslandseinsatzzu begleiten. Nichtsdestotrotz sind vieledeutsche Militärgeistliche in Notfallsseelsorge ausgebildet,allgemein wird in der Deutschen Bundeswehrdavon ausgegangen, dass jeder Pfarrer, der sichals Militärgeistlicher meldet, das theologische „Handwerkszeug“mitbringt, um diese Aufgabe zu verrichten.10 Jedoch bieten sowohl das evangelische Kirchenamtfür die Bundeswehr, als auch das katholischeMilitärbischofsamt Fortbildungsmaßnahmen fürMilitärgeistliche an: Unter anderem auch eine Ausbildungin Critical Incident Stress Management(CISM), die den Pfarrer befähigt, nach belastendenEreignissen, Unfällen, Katastrophen oder Gewalteinwirkungzusammen mit den Truppenpsychologenund den sogenannten Peers sachgerechte seelischeErste-Hilfe zu leisten. 11 Der Pfarrer bleibt in diesemVerfahren Seelsorger, der dann auch zu weiterführendenEinzelgesprächen aufgesucht wird. 12Nach zwei Jahren Zugehörigkeit zur Militärseelsorgekommt ein Auslandseinsatz in Frage: Dann erfolgeneinerseits alle weiteren Ausbildungsschrittegemeinsam mit dem zu entsendenden Kontingent,andererseits kommen zusätzliche Vorbereitungstagungenfür Einsatzpfarrer hinzu. Die gemeinsammit dem Kontingent vermittelten Ausbildungsschrittebeinhalten mehrwöchige Lehrgänge auf Truppenübungsplätzen,im Zentrum Innere Führung inKoblenz und zuletzt eine Einweisung im jeweiligenEinsatzland. Durch diese Vorgehensweise werden lautMichaelis und Theis bereits im Vorfeld Beziehungenund Kommunikationsformen mit den in den Einsatzgehenden Soldaten aufgebaut:· „Sie bauen im Vorfeld Beziehungen undKommunikationsformen mit den Soldaten auf.· sie leben von der Präsenz vor Ort mit den Soldatenund Soldatinnen, als Voraussetzung ihrer Tätigkeit.· Sie führen seelsorgerliche Gespräche mit Einzelnenund in Gruppen.· Sie verhelfen zu Deutungen des Geschehenenaus der Sicht des Glaubens als einer hilfreichen Dimensionder Lebensbewältigung.· Sie führen und leiten an zu Gebeten im persönlichenBereich aber auch bei Gottesdiensten undSakramentenspendung.· Sie tragen Leidens- und Belastungssituationenim eigenen Gebet vor Gott und sie vermitteln Soldaten,die zu ihnen kommen und deren Verwundungenund Belastungen ihre eigene Zuständigkeit überfordern(sic!), an Fachleute aus dem medizinischen oderpsychologischen Bereich.“ 13Die vom evangelischen Kirchenamt gemeinsammit katholischen Militärpfarrern abgehaltenen Vorbereitungstagungen,beschäftigen sich insbesonderemit Fragen der ökumenischen Zusammenarbeit undFragen der Notfallsseelsorge. Zusätzlich kommt esM&S 18: Zusammenarbeit von Militärärzten, Militärseelsorgern und Militärpsychologen - Seite 10 -