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Behindert? - KJF Regensburg

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„Ich selbst habe ein ruhiges Gewissen.<br />

Ich fühle mich nicht schuldig.“*<br />

* Georg Renno, stellvertretender ärztlicher<br />

Leiter der Tötungsanstalt Hartheim ab 1940;<br />

mitverantwortlich für die Tötung von 28.000<br />

Menschen im nationalsozialistischen<br />

Euthanasieprogramm T4<br />

Schon bei der Anfahrt zum Schloss<br />

begleitet mich Unbehagen, einer<br />

dunklen Zeit früherer Generationen<br />

von Deutschen zu begegnen. Irgendwie,<br />

wenn auch schwer greifbar, fühlen<br />

meine Altersgenossen und ich uns<br />

mitverantwortlich für all die Verbrechen<br />

und Unmenschlichkeiten, die<br />

Deutsche unter der Herrschaft der<br />

Nationalsozialisten verübten.<br />

Im Grunde ist das Schloss ein schön<br />

anzusehendes, eindrucksvolles Gebäude.<br />

Besonders die an den vier<br />

Ecken herausragenden, abgerundeten<br />

Erker und der Turm mit Uhr und<br />

Zwiebelspitze wirken harmonisch.<br />

Der lichte Innenhof, den umlaufende<br />

Säulengänge auf allen Etagen säumen,<br />

wirkt zunächst einladend, konterkariert<br />

die Vergangenheit. Der Massenmord<br />

jedoch, den die Nationalsozialisten<br />

in Hartheim an Menschen mit<br />

Behinderungen verübten, hat eine<br />

Aura des Schreckens hinterlassen.<br />

Noch heute kann man den Weg der<br />

Opfer nachverfolgen, vom Seiteneingang<br />

des Schlosses an der Busgarage<br />

bis hin zum Verbrennungsraum. Tag<br />

für Tag wurden Frauen, Männer,<br />

Kinder durch das Erdgeschoss in den<br />

Entkleidungsraum gescheucht. Die<br />

Kammer, in die bis zu 100 Menschen<br />

gepfercht wurden, um anschließend<br />

mit Kohlenmonoxid erstickt zu werden,<br />

ist ebenfalls begehbar.<br />

Wie kann es jemand ertragen, durch<br />

ein Glasfenster in der Tür zu beobachten,<br />

wie Menschen nach dem Öffnen<br />

des Gashahns taumelnd zu Boden<br />

stürzen, bis sie sich nicht mehr<br />

bewegen, tot sind?<br />

Georg Renno, damals stellvertretender<br />

ärztlicher Leiter der Anstalt Hartheim,<br />

direkt an den Tötungsaktionen<br />

beteiligt, zeigte selbst 50 Jahre nach<br />

Kriegsende noch keinerlei Reue: „Ich<br />

selbst habe ein ruhiges Gewissen. Ich<br />

fühle mich nicht schuldig […]. Nachdem<br />

ich ja gesehen habe, wie die Leute<br />

gestorben sind, muß ich mir sagen, das<br />

war keine Qual für die, ich möchte<br />

eher sagen, in Anführungszeichen: Es<br />

war eine Erlösung.“ Das Strafverfahren<br />

gegen Georg Renno war 1975<br />

wegen attestierter Verhandlungsunfähigkeit<br />

eingestellt worden.<br />

Der damalige Verwaltungsleiter, Franz<br />

Stangl, flüchtete nach dem Ende des<br />

Zweiten Weltkriegs nach Brasilien. Er<br />

verstarb 1971 im Gefängnis in Düsseldorf,<br />

nachdem er in erster Instanz<br />

wegen gemeinschaftlichen Mordes zu<br />

lebenslanger Haft verurteilt worden<br />

war. Da Franz Stangl in Revision<br />

gegangen war, hatte das Urteil noch<br />

keine Rechtskraft erlangt. Damit sind<br />

beide für ihre Verbrechen in Hartheim<br />

nie zur Rechenschaft gezogen<br />

worden.<br />

Philipp Weigert (26 Jahre)

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