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Azur Grau - Journalisten Akademie

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Lebensraum<br />

Einmal in der Woche fährt er ans Watt, um das Gefühl<br />

wieder zu erwecken, das der Blick einst in ihm ausgelöst<br />

hat. Vor 34 Jahren, auf Schiermonnikoog, der kleinsten<br />

Wattenmeerinsel in den Niederlanden. Breite Strände, haushohe<br />

Dünen. Sommerurlaub mit seiner Frau. Sie: Holländerin.<br />

Er: Däne. Sie sagte: Das Wattenmeer ist holländisch. Nein, dänisch,<br />

dachte er. Und dann, als die Vögel über ihnen kreisten,<br />

Möwen kreischten, streckte er die Arme aus, den einen gen Osten<br />

und den anderen gen Westen, er schmeckte das Salz auf der<br />

Zunge, spürte den Wind im Gesicht und begriff, dass dieses Watt<br />

das gleiche war, wie das, an dem er als Kind in Dänemark jedes<br />

zweite Wochenende Sandburgen baute. Das gleiche, für das er<br />

nun auf den Ehrentitel hofft.<br />

Im Juni soll das Wattenmeer der Nordsee Weltnaturerbe<br />

werden. Jens Enemark, 59, koordinierte die Bewerbung, kommunizierte<br />

mit den Anrainerstaaten. Man könnte auch sagen:<br />

Er ist einer der Väter der Bewerbung für das Weltnaturerbe.<br />

Aber von ihm hört man solche Worte nicht. Seine Rolle würde<br />

er nie so beschreiben. Er sagt: „Es gibt hunderte Väter, hunderte<br />

Mütter, die auf dieses Kind Weltnaturerbe warten.“ Klaus<br />

Koßmagk-Stephan von der Nationalparkverwaltung in Schleswig-Holstein<br />

korrigiert: „Es gibt zwei Handvoll verlesener Leute,<br />

die schon früh für den Naturschutz eingetreten sind. Jens<br />

Enemark ist einer davon. Seine Leidenschaft ist zu spüren. Er<br />

macht das mit ganzer Seele.“<br />

Das trilaterale Leben, also das der drei Anrainerstaaten des<br />

Wattenmeers, verkörpere er wie kein anderer, hieß es in einer<br />

Laudatio, als Enemark vor drei Jahren die „goldene Ringelgansfeder“<br />

verliehen bekam, eine Auszeichnung für die internationale<br />

Zusammenarbeit. Enemark ist das trilaterale Gesicht,<br />

1987Das trilateraleWattenmeersekretariat<br />

wird gegründet.<br />

Die Aufgabe: der Schutz<br />

des Wattenmeeres. Geleitet<br />

wird es von Jens<br />

Enemark.<br />

PRO WELTNATURERBE<br />

DER DREI-<br />

LÄNDER-<br />

DIE UNESCO IM SOMMER<br />

ÜBER DEN NATURRAUM IM<br />

NORDEN URTEILT, HOFFT VOR<br />

MANNWENN<br />

ALLEM EINER AUF DEN TITEL:<br />

JENS ENEMARK, LEITER DES<br />

WATTENMEERSEKRETARIATS,<br />

IST DER VATER DER BEWERBUNG<br />

1991 Die Niederlande,<br />

Deutschland und<br />

Dänemark beschließen,<br />

das Wattenmeer für<br />

eine Nominierung zum<br />

Weltnaturerbe vorzuschlagen.<br />

2000Eine<br />

Machbarkeitsstudie,<br />

der so genannte Burbridge-Report<br />

zeigt:<br />

Das Wattenmeer<br />

verdient den Weltnaturerbestatus.<br />

das trilaterale Gemüt. Das erwähnt jeder seiner Kollegen, und<br />

es scheint, als sei diese eine der wenigen Wahrheiten, die er<br />

schnell offen legt: Verheiratet mit einer Niederländerin, arbeite<br />

er in Deutschland, spreche vor allem Englisch und träume<br />

nur auf Dänisch.<br />

Ein freundlicher, unprätentiöser Mensch sitzt da in seinem<br />

Büro, zweiter Stock, Sekretariat in Wilhelmshaven. Ein helles<br />

Zimmer, an den Wänden Rahmen mit Küstenumrissen, datiert<br />

auf das 16. und 17. Jahrhundert. Daneben spätere Stücke der<br />

Romantik. Der Kreidefelsen auf Rügen, der Mondaufgang am<br />

Meer, Caspar David Friedrichs Stimmungsbilder von der Ostsee.<br />

Enemark mag die vorgelagerten Inseln in Ostfriesland lieber,<br />

vor allem die zweite von rechts, Spiekeroog. Lieber noch: die<br />

Halligen. Wegen der Ruhe, Sanftmut, Unberührtheit. Und wegen<br />

des Mittendrin-Seins. Mittendrin in der Einsamkeit, einer<br />

Enklave in der dicht besiedelten Industriegesellschaft.<br />

Enemark spricht ruhig, als scanne er jeden persönlichen<br />

Satz, bevor er ihn intoniert. Er weiß einen Moment nicht, wohin<br />

mit seinen Händen, seine rechte Augenbraue zuckt aufgeregt<br />

hin und her, dann verfängt er sich im Netz der Rationalität.<br />

Enemark, der Funktionär. Ein Mann, dem nicht viele Sätze zu<br />

entlocken sind, bei dem selbst seine Frau bohren muss, woran<br />

er arbeitet, welche Hürden auf dem Weg zum Weltnaturerbe<br />

schon genommen sind. Diese Umrisse sind bekannt, Details<br />

kommen nach und nach hinzu. So skizziert sich seine zweite<br />

Seite. Enemark, der Wattenmeerfreund, der den Wechsel von<br />

Ebbe und Flut mag.<br />

1967, ein Gymnasium in einer Kleinstadt nahe Ribe. Biologieunterricht.<br />

Der Lehrer fuchtelt mit den Händen, untermalt<br />

seine Sätze mit großen Gesten. Sie erzählen von der Mystik der<br />

2001 Hamburg macht im September<br />

den ersten Schritt: Als erstes der drei beteiligten<br />

Bundesländer spricht es sich für die Nominierung<br />

aus. Im Oktober tagt im dänischen<br />

Esbjerg die Wattenmeerkonferenz. Eine<br />

zweite Studie unterstreicht die Relevanz des<br />

Wattenmeeres als „Naturgut“.<br />

FOTO: ANNA KUHN-OSIUS<br />

2002 Niedersachsen<br />

stimmt<br />

der Anmeldung zu.<br />

Mit der örtlichen<br />

Bevölkerung soll<br />

die Anmeldung vorbereitet<br />

werden.

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