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Azur Grau - Journalisten Akademie

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Ein Gutachter der Unesco hat Ende 2008 zehn Tage in<br />

der Region verbracht. Denken Sie nicht, dass ihm die<br />

Probleme aufgefallen sind?<br />

Der Gutachter kam aus Kuba und ist von Behördenleuten<br />

zehn Tage durch die Region geführt worden. Die haben ihm natürlich<br />

die intakten Ecken gezeigt und die Missstände vorenthalten.<br />

Stellen Sie sich mal vor, Sie sind Däne und werden ein<br />

paar Tage durch die Schweizer Alpen geführt. Man zeigt Ihnen<br />

ein paar Berggipfel – und dann sollen Sie die Schweizer Alpen<br />

beurteilen.<br />

Auf dem Programm standen aber auch ein Besuch von<br />

niederländischen Öl- und Gasfirmen sowie ein Treffen<br />

mit einem Repräsentanten des WWF.<br />

Es ist gut, dass er das gesehen hat. Ich glaube aber trotzdem<br />

nicht, dass es etwas ändert. Auch Umweltverbände werden irgendwie<br />

finanziert, was zum Verwässern ihrer Standpunkte<br />

führt.<br />

Kann man den Tieren und Pflanzen wirklich noch mehr<br />

Schutz einräumen, ohne den Menschen ganz aus der<br />

Region zu verbannen?<br />

Die Fragestellung müsste lauten, ob die Tiere nicht vom<br />

Menschen aus der Region verbannt werden. Der wirtschaftliche<br />

Druck wird immer größer. Der Tourismus, die Schifffahrt,<br />

die Fischerei und die energieverarbeitenden Firmen – alles befindet<br />

sich direkt an der Grenze zum Nationalpark. Eigentlich<br />

müsste die Wirtschaft um den Park herum stark eingeschränkt<br />

werden. Aber dicht hinter den Deichen stehen Windkraftanlagen,<br />

die eine enorme Gefahr für die Vögel sind. Es wird geschätzt,<br />

dass jede dieser Anlagen im Jahr 50 Tiere tötet. Die Vögel werden<br />

von ihnen regelrecht zerschreddert.<br />

Wie müsste ein gutes Nationalparkkonzept denn aussehen?<br />

Laut IUCN-Nutzungsbestimmungen muss es eine Kernzone<br />

geben, in der es keinerlei wirtschaftliche Nutzung gibt, was im<br />

Fall des niedersächsischen Wattenmeers heißt: kein Fremdenverkehr,<br />

kein Wassersport und keine Fischerei. Außerdem müssen<br />

die wirklich massiven menschlichen Einflüsse in gewisser<br />

Distanz gehalten werden. Wenn man eine Landschaft wirklich<br />

für besonders schützenswert hält, dann muss man Kompromisse<br />

schließen. Es geht aber nicht, dass diese Kompromisse immer<br />

zu Lasten der Tiere entschieden werden.<br />

Eines der erklärten Ziele der Unesco ist es, die<br />

Einzigartigkeit einer Stätte stärker ins öffentliche<br />

Bewusstsein zu rufen. Warum sollte das nicht funktionieren?<br />

Da glaube ich nicht dran. Ich habe in meinen 30 Jahren auf<br />

der Vogelinsel Memmert eine andere Erfahrung gemacht. Wenn<br />

man nur mit erhobenem Zeigefinger dasteht und ermahnt, ändert<br />

sich nichts. Es muss Regelungen geben, und wer die nicht<br />

einhält, muss angemessen bestraft werden. So etwas gibt es am<br />

Wattenmeer nicht. Die viel zu wenigen Ranger haben keinerlei<br />

Lebensraum<br />

Kompetenzen. Sie dürfen weder einen Platzverweis aussprechen<br />

noch ein Bußgeld auferlegen. Gerade Wassersportler sind<br />

oft besonders uneinsichtig. Wenn Übertretungen nicht geahndet<br />

werden, erreicht man nie, dass sie sich an ihre zugewiesenen<br />

Zonen halten. Da steht man dann als Einzelner unter<br />

Umständen einer sehr aggressiven Gruppe gegenüber, die ihre<br />

vermeintlichen Rechte einfordert.<br />

Welchen Stellenwert hat Naturschutz in der Landespolitik?<br />

Einen ganz geringen. Es geht immer nur um wirtschaftliche<br />

Interessen, ganz egal, ob es um den Tourismus oder Energie<br />

geht. Die Kommunen bemühen sich natürlich um ein grünes<br />

Image, sonst laufen ihnen die Touristen weg. In Wirklichkeit<br />

steht aber immer nur eine Steigerung des Profits im Vordergrund.<br />

Sehen Sie eine Lösung für den Konflikt zwischen den<br />

wirtschaftlichen Interessen der Bewohner der Region<br />

und den Interessen der Natur?<br />

Nur darin, dass die Landesregierung der Natur einen höheren<br />

Stellenwert einräumt. Erst durch eine Kombination aus gesetzlichen<br />

Regelungen und Verständnis kann auch in der<br />

Bevölkerung ein anderes Bewusstsein entstehen. Im Naturschutz<br />

muss man eben langfristig denken und nicht nur an das, was<br />

mich jetzt gerade betrifft.<br />

Können Sie sich ein Szenario vorstellen, in dem Sie die<br />

Ernennung zum Weltnaturerbe befürworten würden?<br />

Kann ich mir vorstellen, wenn die Mindestbestimmungen<br />

eingehalten werden und es mehr Ranger gibt, die auch<br />

Kompetenzen haben. Man muss einen Schritt nach dem anderen<br />

gehen. Erst wenn es ein vernünftiges Nationalparkkonzept<br />

gibt, kann man auch über den Titel Weltnaturerbe reden.<br />

Ansonsten bleibt es ein Label für Pseudo-Naturschutz.<br />

Interview: Andrea Hoymann<br />

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