Azur Grau - Journalisten Akademie
Azur Grau - Journalisten Akademie
Azur Grau - Journalisten Akademie
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Auch wenn bekannt ist, dass römische Geschichtsschreiber gerne<br />
übertreiben – die logistische Leistung der Römer muss beeindruckend<br />
gewesen sein.<br />
Und die Nieten, Schnallen und Schwertteile, die die Archäologen<br />
gefunden haben, beweisen nun auch wissenschaftlich, dass die<br />
Römer in diese Gebiete vordrangen.<br />
Erfolgreich waren die Römer mit ihren Feldzügen nicht. Und<br />
besonders reizvoll erschien ihnen das Land an der Nordsee nie. Der<br />
Geschichtsschreiber Plinius war selbst Soldat und hat das Land<br />
wahrscheinlich mit eigenen Augen gesehen. Für die Bewohner hat<br />
er nicht viel übrig und beschreibt mit römischer Arroganz „ein beklagenswertes<br />
Volk“: „Indem sie den mit den Händen gesammelten<br />
Schlamm mehr durch den Wind als durch die Sonne trocknen, machen sie mit<br />
Hilfe [dieser] Erdart ihre Speisen und ihre vom<br />
Nordwind erstarrten Eingeweide warm.“<br />
Was sich bei Plinius nach einem unterentwickelten<br />
Volk anhört, deckt sich nicht mit dem,<br />
was die Wissenschaftler nun finden. Aus den<br />
Ausgrabungen lässt sich auf eine entwickelte<br />
Gesellschaft schließen, die Vieh hielt, Ackerbau<br />
betrieb und auch Eisen verarbeitete.<br />
Die neue Ausgrabung in Sievern soll das Bild,<br />
das an vielen Stellen noch unklar ist, schärfer<br />
zeichnen. „Dieses Ensemble aus zwei Burgen,<br />
Landeplätzen, Bauerngehöften und Friedhöfen in<br />
einer Konzentration, wie wir es in Norddeutschland<br />
an keiner anderen Stelle haben, das ist eine besondere Forschungssituation,<br />
die wir ausnutzen wollen“, sagt Jöns.<br />
Der Archäologe steht in einer etwa einen halben Meter tiefen Grube.<br />
In dem Erdloch unter dem Mutterboden zeichnen sich dunkle<br />
Messen, graben, sieben:<br />
Verfärbungen auf dem Boden ab. Ein klarer Fall für Jöns: An dieser Stelle<br />
Im friesischen Sievern su-<br />
stand ein Haus. Die kräftigen Pfosten in der Mitte haben ein Dach gechen<br />
Archäologen um<br />
Hauke Jöns nach Spuren<br />
tragen, es gab genug Platz für Tiere und Menschen. Diese Gehöfte sind<br />
einer mehr als 2000 Jahre<br />
typisch für die germanischen Stämme, die hier gelebt haben.<br />
alten germanischen Stadt<br />
In einem Wald ganz in der Nähe sind noch heute runde Erdwälle von<br />
zwei Burganlagen zu sehen. Dort<br />
wurden bereits germanische Amulette<br />
aus Gold gefunden. Solche<br />
spektakulären Funde erwarten die<br />
Archäologen bei dieser Grabung<br />
nicht. Aber sie soll Antworten geben<br />
auf die vielen Fragen, die noch offen sind. Wie viele Menschen haben hier<br />
gelebt? Waren es mehr Bauern oder Händler und Handwerker? Es wurden bereits<br />
Ofenanlagen gefunden, die zeigen, dass hier Töpfer und Schmiede arbeiteten.<br />
Doch wie passen die Puzzelteile zusammen, fragt sich Hauke Jöns.<br />
Metallfunde haben er und seine Helfer noch nicht ans Tageslicht gefördert. Aber<br />
einige Keramikfunde lassen zumindest<br />
eine Datierung zu: Im<br />
ersten, zweiten und dritten Jahrhundert<br />
nach Christus gab es hier eine Siedlung.<br />
Wie viele Menschen in der Siedlung im heutigen Sievern lebten,<br />
ist ebenfalls noch unklar. Die Archäologen haben ein Zelt aus weißer<br />
Plane aufgebaut. Unter der Oberfläche des Ackers gibt es noch viel zu<br />
entdecken. Nachdem es während der ersten Tage fast ununterbrochen<br />
geregnet hat und die Erdgrube auf dem Feld in ein Schlammloch verwandelt<br />
hatte, hoffen die Forscher nun auf weitere Funde. Drei Wochen<br />
haben sie noch Zeit, dann wird hier der ostfriesische Bauer wieder<br />
Getreide pflanzen. Hauke Jöns ist optimistisch. C. Gregor Landwehr<br />
A Z U R G R A U 4 1<br />
FOTOS: JANOS BURGHARDT (6) / NIEDERSÄCHSISCHES INSTITUT FÜR HISTORISCHE KÜSTENFORSCHUNG (3)