braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
vornehmlich an den Fiorillo-Bericht, berichtigen einzelne Ungenauigkeiten und<br />
Mißverständnisse desselben - die sich aus seiner späteren Niederschrift ungezwungen<br />
erklären -, werden aber auch die Glaubwürdigkeit vieler Einzelheiten<br />
erkennen.<br />
Herzogin Philippine Charlotte erwartet den ersten Besuch ihres königlichen<br />
Bruders nach dem Siebenjährigen Kriege. Sie bereitet sich darauf vor, dem<br />
Widerspenstigen die Zusage abzuringen, ihrem Maler zu sitzen, und ihn dann<br />
alsbald beim Wort zu nehmen.<br />
Sie will sich die erste Fassung seines Porträts sichern, denn sie glaubt, jede<br />
Wiederholung müsse, der Möglichkeit des Vergleichs mit dem Leben entzogen,<br />
unähnlicher ausfallen.<br />
Der stille Widerstand des Malers Ziesenis gegen Auslieferung des Urstücks<br />
entspringt der gleichen Meinung; er trachtet, um die Zuverlässigkeit von Repliken<br />
verbürgen zu können, danach, die authentische Wiedergabe der Züge des<br />
Königs zur Verfügung zu behalten. Nur für ihn ist sie seiner Ansicht nach von<br />
Wert, während die Herzogin einen Unterschied zwischen "Original" und<br />
"Kopie" kaum wird feststellen können.<br />
Der doppelt bespannte Keilrahmen, den er ihr vorlegt, ist etwa anderthalb<br />
Meter hoch, fast ein Meter breit. Denn auf der Leinwand soll das Bild für die<br />
Fürstin entstehen, und sie hat zweifellos ein ansehnliches Kniestück jenes Formats<br />
bestellt, das Ziesenis für die Porträts der herzoglichen Familie immer verwendet<br />
hat.<br />
König Friedrich hält seine Zusage und kommt zur Sitzung. Sie ist für ihn<br />
kein Vergnügen, und er hat offenbar der Arbeit des Künstlers keine fördernde<br />
Anteilnahme bewiesen. Man sieht es der Skizze an.<br />
Einst hatte der junge Prinz aus der Zeit seiner Verbannung nach Küstrin<br />
berichtet: "Frau v. Wreech sagte, wenn sie taub wäre, würde sie aus meinen<br />
Augen sehen, wovon ich spreme" 32). Kann man nicht aum aus den Augen der<br />
Ziesenisskizze ablesen, wie sich der König während ihrer Entstehung verhalten<br />
hat? Er hat den Maler ruhig angesehen und kein Wort gesagt. Die Studie ist<br />
nidlt die Sdlilderung eines Mannes, der sich lebhaft unterhält und dabei von<br />
einem Künstler fixiert wird. Vielmehr beobachtet er selbst den Maler mit sehr<br />
zurückhaltendem Interesse und kann dabei seine Befangenheit unter dem prüfenden<br />
und registrierenden Blick desselben nicht unterdrücken. Er wirkt dabei<br />
aber aum, als genieße er eine Stunde der Ruhe und geistigen Entspannung.<br />
Die Skizze beweist ferner: Ziesenis hat genau so gearbeitet, wie er es bei<br />
anderen Aufträgen gewohnt war. Hätte er die Erfahrungen des Hofmalers Pesne<br />
gekannt, so hätte er gewiß wie dieser eine vorbereitete Leinwand mitgebracht,<br />
auf der die Komposition vorgezeichnet, der Kopf nam älteren Königsbildern so<br />
128<br />
32) Friedrich Bd. 1, S. 103, Nr. 38, 26. 9. 1732.<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042494