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Wie erleben Kinder die Suchterkrankung ihrer Eltern? - Eine ...

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Diplomarbeitfür <strong>die</strong>staatliche Abschlußprüfungim Fachbereich SozialwesenStu<strong>die</strong>ngang Sozialarbeitan derKatholischen Fachhochschule NWAbteilung KölnThema:<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?- <strong>Eine</strong> qualitative Stu<strong>die</strong> mit Briefenvon <strong>Kinder</strong>n an ihre <strong>Eltern</strong> -vorgelegt von:Martina LampartHolweider Str. 2351065 KölnErstprüfer: Prof. Dr. rer. nat. Michael KleinZweitprüfer: Frau Irmgard WintgenKöln, den 25.05.2001


5 ERGEBNISSE UND INTERPRETATION ........................................................................... 525.1 EINZELBRIEFANALYSE ....................................................................................................... 525.1.1 Brief 1 ........................................................................................................................ 525.1.2 Brief 2 .................................................................................................................... 535.1.3 Brief 3 .................................................................................................................... 545.1.4 Brief 4 .................................................................................................................... 565.1.5 Brief 5 .................................................................................................................... 575.1.6 Brief 6 .................................................................................................................... 595.1.7 Brief 7 .................................................................................................................... 615.1.8 Brief 8 .................................................................................................................... 625.1.9 Brief 9 .................................................................................................................... 645.1.10 Brief 10 .................................................................................................................. 665.1.11 Brief 11 .................................................................................................................. 675.1.12 Brief 12 .................................................................................................................. 695.1.13 Brief 13 .................................................................................................................. 715.2 DISKUSSION DES KATEGORIENSYSTEMS ............................................................................ 735.3 AUSWERTUNG DER BRIEFE INSGESAMT .............................................................................. 755.3.1 Auswertung der Hauptkategorien .............................................................................. 765.3.2 Auswertung der Feinkategorien ................................................................................. 775.3.2.1 Feinkategorien des Selbstoffenbarungsaspekts ............................................................... 795.3.2.2 Feinkategorien des Beziehungsaspekts ........................................................................... 825.3.2.3 Feinkategorien des Appellaspekts .................................................................................... 855.3.2.4 Feinkategorien des Sachaspekts ...................................................................................... 865.4 GESAMTAUSWERTUNG DER BRIEFE ................................................................................... 866 DISKUSSION UND AUSBLICK ......................................................................................... 887 ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 988 SCHLUß ........................................................................................................................... 100


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 11 Einleitung„An meinen Vater...Als ich vom nassen Brief hörte, dachte ich nur, daß ich auch schreiben wollte,schreiben wollte was mir schon seit Jahren am Herzen liegt.In der Kindheit bemerkte ich deine Sucht nicht, und du warst für mich der perfekteVater. Bis ich anfing nachzudenken. Immer öfters hörte ich dich und Mutterstreiten, glaubte es sei meine Schuld und hatte den Wunsch zu sterben umfür das zu büßen was zwischen Euch schief lief...(...)Dann begriff ich, erstmals warum das alles passierte. Vater ist alkoholsüchtig...Kanner dafür, weiß er was er Mutter antut und angetan hat? Ich wußte esnicht und haßte dich dafür daß du Mutter zum Weinen brachtest...“(s. Brief 9, Anhang)Dies ist der Anfang eines Briefes, in dem ein Kind sein Erleben der Sucht desVaters schildert. Dieser Brief soll im Verlauf <strong>die</strong>ser Diplomarbeit analysiert werden,sowie 12 weitere Briefe (s. Anhang). In <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> sind alle betroffenen<strong>Eltern</strong> alkoholabhängig.Es ist inzwischen in Fachkreisen allgemein bekannt, daß nicht nur der Alkoholabhängigeunter der Abhängigkeit leidet, sondern <strong>die</strong> ganze Familie von denAuswirkungen der Abhängigkeit betroffen ist (vgl. Arenz-Greiving 1998, Wegscheider1988, Zobel 2000). Während eines Praktikums in einer Blaukreuz-Beratungsstelle und auch beim Schreiben meines Praktikumsberichts habe ichmich mit <strong>die</strong>sem Thema intensiv beschäftigt, und auch jetzt bewegt mich <strong>die</strong>sesThema immer noch sehr. Diese Problematik, <strong>die</strong> sehr drastisch sein kann,weckte eine tiefe emotionale Betroffenheit in mir, obwohl ich von meinem sozialenUmfeld her kaum damit konfroniert worden bin.Bei meiner Literatursuche fiel mir auf, daß in Untersuchungen meist erwachsene<strong>Kinder</strong> alkoholkranker <strong>Eltern</strong> retrospektiv <strong>die</strong> Alkoholkrankheit <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 2und das von ihnen erlebte Familienleben schilderten (vgl. Walch-Heiden 1990,Zobel 2000) bzw. Gruppenleiter über ihre pädagogische oder therapeutischeArbeit mit Gruppen von <strong>Kinder</strong>n suchtkranker <strong>Eltern</strong> berichteten (vgl. Mayer2000, Wunsch & Wollmann 1998). Selten kommen <strong>die</strong> betroffenen <strong>Kinder</strong> selbstzu Wort (z.B. <strong>Kinder</strong>zeichnungen in Black 1988). Dabei könnten sie, wenn dasSchweigen über den Alkoholismus gebrochen ist, doch besonders lebensnahdarüber berichten. Deshalb freue ich mich sehr, in <strong>die</strong>ser Diplomarbeit zumindestteilweise prospektiv darüber schreiben zu können (einige <strong>Kinder</strong> sind bereitsvolljährig bzw. ausgezogen), wie <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong><strong>erleben</strong>.Ich wünsche meinen Lesern viel Anregung beim Lesen und hoffe, das Erleben<strong>die</strong>ser <strong>Kinder</strong> in ihren Familien ein wenig mehr beleuchten zu können.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 32 Theoretischer Teil2.1 Phänomenologie der suchtbelasteten Familie2.1.1 Definition der Abhängigkeit nach ICD-10Der Begriff „Sucht“ wurde 1964 von der WHO durch den Begriff der „Abhängigkeit“ersetzt, um eine deutlichere Definition erstellen zu können. „The InternationalClassification of Diseases“, eines der größten Klassifikationssysteme vonKrankheiten, unterscheidet in der 10. Auflage 1990 zwischen schädlichemGebrauch (Mißbrauch) und Abhängigkeit von psychotropen Substanzen.Mißbrauch ist der Konsum psychotroper Substanzen, der zu Gesundheitsschädigungführt, z. B. zu Alkoholfolgekrankheiten. Dagegen sind Kennzeichen desAlkohol-Abhängigkeits-Syndroms:• ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren• verminderte Kontrollfähigkeit in bezug auf Beginn, Beendigung und Mengedes Alkoholkonsums• Alkoholkonsum, um <strong>die</strong> Entzugssymptome zu mildern• ein körperliches Entzugssyndrom• Auftreten einer Toleranzveränderung (es werden zunehmend höhere Dosenerforderlich, um <strong>die</strong> gewünschte Wirkung zu erzielen)• eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol (Konsum bei unüblichenGelegenheiten)• fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunstendes Alkoholkonsums• anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen.(vgl. ICD-10 1990, Feuerlein 1996, Trost 1998)


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 42.1.2 Entstehung und Verbreitung der AlkoholabhängigkeitLaut Angaben der DHS (2000) gibt es in Deutschland 1,5 Millionen Alkoholabhängigezwischen 18 und 59 Jahren, sowie 2, 4 Millionen weitere Einwohner mitmissbräuchlichem Konsum. Insgesamt 1,5 Millionen Bundesbürger sind medikamentenabhängig.Obwohl im Focus der Presse, gibt es dagegen nur 250 000bis 300 000 Konsumenten harter Drogen, von denen 100 000 bis 150 000 abhängigsind. Daher ist es wichtig, den Blick eher auf Alkohol- und Medikamentenabhängigkeitzu richten. Besonders der Alkohol spielt mit einem Verbrauchvon 10,6 Liter reinem Alkohol je Einwohner 1999 (vgl. DHS 2000) eine großeRolle.In Deutschland waren Bier und Wein schon im Altertum und Mittelalter üblicheGetränke zum Durstlöschen und Hungerstillen (vgl. Feuerlein 1996). Allerdingsgalt Trunksucht als eines von vielen Lastern und wurde erst im 19. Jahrhundertals Krankheit beschrieben, erforscht und behandelt (vgl. Scheerer 1995).Die genaue Entstehung von Alkoholabhängigkeit konnte bis heute nicht erklärtwerden, allerdings geht man heute davon aus, daß sich biologische, psychologischeund soziale Faktoren gegenseitig beeinflussen (vgl. Feuerlein 1996).2.1.3 Auswirkungen der Sucht auf <strong>die</strong> gesamte FamilieNach systemtheoretischen Annahmen kann jedes Teil in einem System nurvom Ganzen her verstanden werden, und eine Änderung in einem Teil beeinflußt<strong>die</strong> anderen Teile. Das Ganze ist durch eine Tendenz zur Homöostase, einFließgleichgewicht gekennzeichnet. (vgl. Bärsch 1990).Die Familie kann als System verstanden werden, in dem sich <strong>die</strong> Familienmitgliedergegenseitig beeinflussen und das als Ganzes zu einer Homöostasestrebt. Durch <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit eines Familienmitgliedes werden auch<strong>die</strong> anderen Familienmitglieder beeinflußt. Durch verschiedene Verhaltensmusterversucht <strong>die</strong> Familie einen Ausgleich zu schaffen. Diese reichen von Verdrängungund Verleugnung, Kontrolle über den Abhängigen und Manipulation


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 5der häuslichen Umgebung bis zur Entwicklung von rigiden Rollen und zur Realitätsverkennung.Dabei richten sich <strong>die</strong> Verhaltensmuster der Familie nach den Suchtphasen desAbhängigen. Die Familie versucht, durch starre Regeln und festgelegte Rollenden Alkoholismus und <strong>die</strong> damit verbundene Belastung auszubalancieren.Dadurch bleibt ein dysfunktionales Gleichgewicht bestehen und dem Abhängigenwird bei der Bewältigung seiner Sucht nicht geholfen, sondern <strong>die</strong> ausgleichendenVerhaltensmuster verstärken <strong>die</strong> Sucht oft sogar noch.Es droht der Verfall der Familie. Doch auch bei Auflösung der Familie behalten<strong>die</strong> Familienangehörigen des Suchtkranken oft ihre rigiden Rollenmuster bei.Diese ausgeprägten Verhaltensweisen können Störungscharakter besitzen unddadurch teilweise einer Behandlung bedürfen. Bei den (Ehe-) Partnern und<strong>Eltern</strong> von Suchtkranken handelt es sich um Co-Abhängigkeit, bei den <strong>Kinder</strong>nkönnen sich starre Rollen entwickeln. (vgl. Rennert 1989, Dilger 1997)<strong>Kinder</strong> sind besonders von der Abhängigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils betroffen, da sieauf ihre Familie angewiesen sind und <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> <strong>die</strong> Pflicht haben, sie zu erziehenund zu pflegen. Dieses ist im SGB VIII, § 1, Absatz 2 gesetzlich festgelegtworden. Wenn ein <strong>Eltern</strong>teil alkoholabhängig geworden ist, sind seine Energienhauptsächlich an den Alkohol gebunden und er kann seinen elterlichen Pflichtenkaum nachkommen. Oft kann sich der nicht-abhängige <strong>Eltern</strong>teil auch kaumausreichend um <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> kümmern, da er sich hauptsächlich mit dem Alkoholkonsumdes Partners und den daraus entstehenden Folgen auseinandersetzenmuß. Dieser nicht-abhängige Partner könnte sich von dem Alkoholabhängigentrennen, wohingegen <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> erst im Erwachsenenalter ihre Familieverlassen können. Dadurch sind sie vom Alkoholismus eines <strong>Eltern</strong>teils besondersbetroffen. Die familiäre Situation spitzt sich dann dramatisch zu, wennbeide <strong>Eltern</strong> abhängig sind.In Alkoholikerfamilien entwickeln <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> insbesondere folgende Gefühle:- Angst (durch den ständigen Alkoholkonsum wird das Verhalten des betroffenen<strong>Eltern</strong>teils unberechenbar und teilweise gefährlich)


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 6- Traurigkeit- Wut (auf den trinkenden <strong>Eltern</strong>teil etc.)- Scham (aufgrund von beschämenden Verhaltensweisen des betroffenen<strong>Eltern</strong>teils)- Schuld (Selbstvorwürfe, Vorwürfe der <strong>Eltern</strong> etc.)(vgl. Arenz-Greiving 1998, Black 1988)2.1.4 Rollenmuster von <strong>Kinder</strong>n SuchtkrankerDie Entwicklung von starren Rollen bei <strong>Kinder</strong>n Suchtkranker wurde von verschiedenenKlinikern beschrieben und es wurden verschiedene Rollenmodelleentwickelt, wobei <strong>die</strong> Modelle von Wegscheider (1988) und Black (1988) besondereVerbreitung fanden.Wegscheider (1988) unterscheidet fünf Hauptrollen in Alkoholikerfamilien: den„Enabler“ (Zuhelfer), den „Held“, den „Sündenbock“, das „Stille Kind“ und den„Clown“. In allen Alkoholikerfamilien kommen alle Rollen vor. In kleinen Familienspielt einer vielleicht mehrere Rollen, in großen Familien sind manche Rollendoppelt besetzt. Die Übernahme und das Spielen einer Rolle geschieht nichtbewußt, sondern eher aus der Notwendigkeit heraus, das aus dem Gleichgewichtgeratene Familiensystem wieder zu stabilisieren. Dadurch kann <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeitdes betroffenen <strong>Eltern</strong>teils bzw. beider <strong>Eltern</strong> weiter aufrechterhalten werden. Das Spielen einer Rolle ist auch deshalb problematisch, weiljemand, der eine Rolle spielt, weder zu sich selbst noch zu anderen ehrlich ist.Diese Rollen kommen auch in gesunden Familien bei Streß vor, allerdings sindsie in Alkoholikerfamilien starrer und werden mit viel größerer Intensität,Zwanghaftigkeit und Selbsttäuschung gespielt. Oft gibt es eine typische Rollenverteilung:der (Ehe-) Partner spielt den Zuhelfer, das älteste Kind den Helden,das zweite Kind den Sündenbock und das jüngste Kind den Clown, das StilleKind oder beides zugleich. Dabei ist das Stille Kind <strong>die</strong> Rolle, <strong>die</strong> in der Geschwisterfolgeam wenigsten festgelegt ist und wo <strong>die</strong> Veranlagung ausschlag-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 7gebender ist als bei den anderen Rollen. Rollen können auch getauscht werden,wobei der häufigste Wechsel zwischen Held und Sündenbock stattfindet.Wenn der Alkoholismus immer weiter fortschreitet, werden <strong>die</strong> Rollen immerstarrer und <strong>die</strong> Familienmitglieder werden schließlich suchthaft abhängig von<strong>ihrer</strong> Rolle.Black (1988) hat ein sehr ähnliches Modell entwickelt, wobei sie zwischen vierRollen unterscheidet. Den Held nennt sie „Verantwortungsbewußtes Kind“, denSündenbock bezeichnet sie als „Ausagierendes Kind“ und das Stille Kind als„Fügsames Kind“. Anstatt der Rolle des Clowns hat sie als vierte Rolle den„Friedensstifter“ entwickelt. Dieser ist der Trostspender in der Familie und versucht<strong>die</strong> anderen Familienmitglieder aufzumuntern, so als ob er für alles Leidin der Familie verantwortlich sei (vgl. Zobel 2000).Durch <strong>die</strong>se Rollenzuschreibungen besteht <strong>die</strong> Gefahr, <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> zupathologisieren und <strong>die</strong> Chance einer normalen Entwicklung eines Kindes zuverneinen. Nur Ackerman (1987) geht in seinem Rollenmodell davon aus, daß<strong>Kinder</strong> in einer Alkoholikerfamilie sich weitestgehend normal entwickeln können,indem er eine Rolle des „Unverletzten“ beschreibt. Trotz schwieriger familiärerBedin-gungen kann <strong>die</strong>ser <strong>die</strong> Schwierigkeiten positiv überwinden und sich zueiner psychisch gesunden Persönlichkeit entwickeln.Im Folgenden wird das Rollenmodell von Wegscheider (1988) näher beschrieben,um <strong>die</strong> Auswirkung der <strong>Suchterkrankung</strong> der <strong>Eltern</strong> auf <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> genauerzu schildern. Dabei hat jede Rolle bestimmte Merkmale, wobei <strong>die</strong>se Merkmalejeweils unterschiedlich ausgeprägt sein können.A. Der HeldDer Held ist meist das älteste Kind. Er hilft häufig in der Familie und ist in derSchule erfolgreich. Die Funktion <strong>die</strong>ser Rolle besteht darin, der Familie einGefühl von Wert zu verschaffen. Er hält eine Fassade von Ausgeglichenheitund Erfolg aufrecht, hinter der er sich trotzdem schlecht fühlt. Denn seine Be-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 8mühungen ändern nichts an der familiären Situation, der betroffene <strong>Eltern</strong>teilwird weiter trinken und <strong>die</strong> Familie sich danach ausrichten. Trotzdem wird derHeld sein erfolgreiches, hilfsbereites und freundliches Verhalten fortführen, daes ihm Anerkennung und Beliebtheit einbringt. Problematisch ist <strong>die</strong>ses Verhaltendadurch, daß der Held oft seine eigenen Bedürfnisse ganz außer acht läßtund zu Perfektionismus neigt, so daß seine eigenen Leistungen ihm nie gutgenug sind.Im sozialen Bereich kann er zwar sehr beliebt, aber auch einsam sein. Oft fälltes ihm schwer, tiefe Freundschaften einzugehen, da er in seiner Familie nichtgelernt hat, sich anderen anzuvertrauen, sondern sich nur auf sich selbst zuverlassen. Zudem möchte er seine familiäre Situation vor anderen verbergenund hat durch seinen Ehrgeiz wenig Zeit, Freundschaften zu pflegen.B. Das Schwarze SchafBeim Schwarzen Schaf handelt es sich meist um das zweitgeborene Kind. Da<strong>die</strong> Rolle des Helden schon besetzt ist und es sehr schwierig ist, <strong>die</strong> Leistungendes Helden zu übertreffen, versucht das Zweitgeborene auf andere Weise <strong>die</strong>Aufmerksamkeit der <strong>Eltern</strong> zu erlangen. Und da negative Aufmerksamkeit besserals keine Aufmerksamkeit ist, handelt das Schwarze Schaf eher hinterhältigund verantwortungslos. Es handelt genau diametral entgegengesetzt zum Helden,wobei <strong>die</strong>se beiden Rollen am ehesten getauscht werden können.Die Funktion <strong>die</strong>ser Rolle besteht darin, <strong>die</strong> Aufmerksamkeit vom eigentlichenFamilienproblem, dem Alkoholismus, abzulenken und in andere „ungefährlichere“Bahnen zu lenken. Problematisch ist <strong>die</strong>ses Verhalten dadurch, daß esausgesprochen selbstzerstörerisch ist und zu Schulproblemen, Kriminalität,ungewollten Schwangerschaften im Teenager-Alter, aggressivem Verhalten undAlkohol- und Drogenmißbrauch bzw. Abhängigkeit führen kann.Da das Schwarze Schaf keine positive Aufmerksamkeit in der Familie auf sichzieht und der Familie <strong>die</strong> Schuld für seine Mißerfolge gibt, sucht es sich sozialeAnerkennung in einer Gruppe von Gleichaltrigen. Oft kommen <strong>die</strong>se Freunde


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 10Wenn er humoristisches Talent besitzt, bekommt er dadurch positive Aufmerksamkeitvon der Familie und kann sie aufheitern. Allerdings kann der Clown,wenn <strong>die</strong> Rolle nicht gut zu ihm paßt, durch seine Überaktivität eher negativeAufmerksamkeit auf sich ziehen. In jedem Fall hat er <strong>die</strong> Familie unter Kontrolle,was ihm ein Gefühl von Sicherheit verschafft. Für <strong>die</strong> Familie hat <strong>die</strong> Rolle desClowns <strong>die</strong> Funktion, Spannungen zu lösen und von den eigentlichen Problemenabzulenken. Problematisch an <strong>die</strong>ser Rolle ist, daß der Clown seine Angstimmer hinter einer lustigen Maske versteckt und durch <strong>die</strong>se Gespaltenheitbesonders anfällig für psychische Störungen ist. Außerdem kann sich seineAktivität zur Hyperaktivität steigern.Im sozialen Bereich zeichnet sich der Clown darin aus, daß er seine Umweltmanipuliert, indem er durch bestimmte Taktiken <strong>die</strong> verschiedenen Situationenbeherrscht. Dadurch hat er gute, wenn auch oberflächliche Kontakte zu seinerFamilie und zu Freunden. Wenn dem Clown allerdings seine Rolle nicht liegt,fällt er anderen Leuten auf <strong>die</strong> Nerven und bekommt ausschließlich negativeAufmerksamkeit, wie Vorwürfe.2.1.5 Transmission der AlkoholabhängigkeitDie Alkoholabhängigkeit eines oder beider <strong>Eltern</strong>teile beeinflußt nicht nur <strong>die</strong>Persönlichkeitsentwicklung der <strong>Kinder</strong>, sondern kann auch zur Transmissionder Alkoholabhängigkeit, d.h. zur Weitergabe der Krankheit von einer Generationan <strong>die</strong> nächste, führen. Dabei sind multikausale Entstehungsbedingungen,wie biologische, persönlichkeitsimmanente und Umweltbedingungen zu berücksichtigen.Für Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien führt ihr Risikostatus nichtzwangsläufig zu erhöhtem Alkoholkonsum, sondern wird mitbeeinflußt durcheine zusätzliche elterliche psychiatrische Störung, Nicht-Abstinenz des abhängigen<strong>Eltern</strong>teils, unzureichendes elterliches Erzieherverhalten und einen hohenAlkoholkonsum in der Peer-Group.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 11Besonders <strong>die</strong> Söhne aus Suchtfamilien haben ein deutlich erhöhtes Risiko füreine eigene Abhängigkeit gegenüber den Söhnen aus unbelasteten Familien.Dabei kann eine direkte Vererbung von Alkoholabhängigkeit ausgeschlossenwerden, denn wahrscheinlicher ist <strong>die</strong> Vererbung einer Disposition für Alkoholabhängigkeit,<strong>die</strong> bei entsprechenden kritischen Umwelterfahrungen zumAusbruch der Krankheit führt. (vgl. Zobel 2000)<strong>Kinder</strong> von Alkoholkranken sind weniger empfänglich für <strong>die</strong> subjektiv empfundenenAlkoholeffekte (wie z.B. Enthemmtheit) und müssen größere Alkoholmengentrinken, um <strong>die</strong> gewünschten Alkoholeffekte zu erzielen. Dagegenscheinen sie gegenüber anderen positiven Alkoholeffekten, wie z.B. Streß-Reaktions-Dämpfung, empfänglicher zu sein. Zusätzlich sind <strong>Kinder</strong> aus alkoholbelastetenFamilien besonders unempfänglich für <strong>die</strong> negativen Effekte desAlkoholkonsums, wie Übelkeit und Niedergeschlagenheit, was sich besondersbei sinkendem Blutalkoholspiegel zeigt. Diese Faktoren können schnell zuerhöhtem Alkoholkonsum führen, der bei männlichen Jugendlichen bzw. Erwachsenensogar gesellschaftlich positiv bewertet wird. (vgl. Sher 1991, Zobel2000)Die familiäre Umwelt beeinflußt das Trinkverhalten von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichenerheblich, auch wenn kein Alkoholproblem in der Familie vorliegt. Dabeihat der Trinkstatus des Abhängigen einen erheblichen Einfluß auf <strong>die</strong> Interaktionenin der Familie. Die <strong>Kinder</strong> lernen dadurch <strong>die</strong> Funktionalität des Alkoholskennen, der als „Problemlöser“ angewendet wird und neben zahlreichen Nachteilenauch Vorteile besitzt, wie z.B. als Entspannungsmittel. Dadurch lernen <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> kaum gesunde Bewältigungsstrategien kennen und erfahren wenig sichereStrukturen. Durch den Alkoholkonsum des Abhängigen können kaumfamiliäre Rituale (wie gemeinsames Essen, strukturierter Tagesablauf) eingehaltenwerden, wodurch <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit für späteren Alkoholkonsum der<strong>Kinder</strong> weiter ansteigt. (vgl. Zobel 2000)


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 12Allerdings besteht trotz <strong>die</strong>ser Risikofaktoren für <strong>Kinder</strong> aus Suchtfamilien auch<strong>die</strong> Chance, eine gesunde und stabile Persönlichkeit zu entwickeln. Das istdarauf zurückzuführen, daß <strong>Kinder</strong> einerseits Risikofaktoren, andererseits aberauch protektiven Faktoren, wie z.B. Unterstützung und Rat in Krisenzeiten,ausgesetzt sind. Wenn <strong>die</strong> protektiven Faktoren <strong>die</strong> Risikofaktoren aufwiegen,kann sich das Kind trotz schwieriger Umstände gut entwickeln. (vgl. Petzold,Goffin & Oudhof 1993)Nach Zobel (2000) sind Schutzfaktoren für <strong>Kinder</strong> aus suchtbelasteten Familien<strong>die</strong> Entwicklung von Resilienzen, eine positive Lebenseinstellung, angemesseneBewältigungsstrategien, soziale Kompetenzen, eine geringe Erwartung vonpositiven Alkoholeffekten, das Einhalten von familiären Ritualen, eine geringeExposition des elterlichen Trinkens und der elterlichen Auseinandersetzungen,eine gute emotionale Beziehung zum nicht-abhängigen <strong>Eltern</strong>teil und/ oder zuanderen Personen .2.1.6 ZusammenfassungDie Alkoholabhängigkeit hat nicht nur negative Folgen für den Betroffenenselbst, sondern auch für <strong>die</strong> gesamte Familie. Die ganze Familie richtet sichnach dem Alkohol aus und versucht, ein dysfunktionales Gleichgewicht zu erhalten.Dabei sind <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> besonders betroffen, da sie auf ihre Familie angewiesensind und sich nicht einfach von ihr trennen können. Als Lösungsstrategieentwickeln sie bestimmte Rollen, wie den Held, das Schwarze Schaf, dasStille Kind und den Clown. Diese Rollen engen sie allerdings in ihren Verhaltensmusternein und können sich zu Störungen entwickeln. Desweiteren kannes zur Transmission der Alkoholabhängigkeit kommen, wenn <strong>die</strong> Risikofaktoren,<strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Abhängigkeit eines oder beider <strong>Eltern</strong>teile entstehen, gegenüberden protektiven Faktoren dominieren.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 14Von daher werden manche Briefe nur geschrieben, aber nicht abgeschickt; dasSchreiben ist also Selbstzweck für den Schreiber.Da Briefeschreiben wesentlich aufwendiger als Telefonieren ist und Zeit undKonzentration erfordert, zeigen Briefe <strong>die</strong> besondere Bedeutung des Empfängersfür den Absender auf.Wenn der Absender sich genügend Gedanken zum Inhalt des Briefes gemachthat, muß er sich schließlich auf bestimmte Themen und Formulierungen festlegenund es schriftlich fixieren. Dadurch ist es dann „schwarz auf weiß“ und kannnicht einfach „zurückgenommen“ werden. Ein Brief hat Bestand, und <strong>die</strong> geschriebenenWorte können immer wieder gelesen werden, haben also mehrGewicht als gesprochene Worte. Dies bedeutet sowohl Vor- als auch Nachteile;tröstende, freundliche Worte können immer wieder gelesen werden, verletzendeWorte allerdings auch.Der Brief bietet außerdem <strong>die</strong> Möglichkeit, Dinge, <strong>die</strong> man dem anderen nichtvon Angesicht zu Angesicht oder telefonisch mitteilen kann, aufzuschreiben unddem anderen in schriftlicher Form zu schicken. Diese Dinge könnten z.B. eineLiebeserklärung sein, aber auch eine Schilderung von Gefühlen, wie Wut, Enttäuschung,Trauer etc. Manchmal kann ein Brief ein Ventil für nicht geäußerte,aber aufgestaute Gefühle sein. Das kann eine große Erleichterung für denAbsender sein, da er <strong>die</strong> Gefühle endlich – ohne unterbrochen zu werden –äußern kann. Ein weiterer Vorteil ist, daß der Absender nicht <strong>die</strong> unmittelbareReaktion des Empfängers mitbekommt, wenn <strong>die</strong> im Brief geschilderten Botschaftenz.B. zu Wut(-anfällen) des Empfängers führen könnten. Das kann aberauch ein Nachteil sein, da der Empfänger nicht unbedingt auf den Brief antwortenmuß und seine unmittelbare Reaktion dem Absender (meistens) verborgenbleibt. Zumindest kann der Empfänger den Brief erst einmal auf sich wirkenlassen, bevor er eine Stellungnahme abgibt. Durch unklare Formulierungenkönnen allerdings auch Mißverständnisse länger bestehen bleiben.Briefe stellen also ein (qualitativ) wichtiges Kommunikationsmittel dar. Dabeiwirken sie anders als andere verbale und non-verbale Kommunikationsmittel


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 15und weisen einige Besonderheiten, sowohl für den Empfänger als auch denAbsender, auf. Die Botschaften in Briefen sind besonders reflektiert und teilweiseinhaltlich auch besonders gut komprimiert. (vgl. Wintgen 1994, 1996, Kapitel2.2.5)Für <strong>Kinder</strong> suchtkranker <strong>Eltern</strong> könnten sich Briefe zur Kommunikation deshalbbesonders gut eignen, da sie in den Briefen Gefühle, wie Wut, Scham undSchuld (s. Kapitel 2.1.4), leichter äußern können als in einem Gespräch. Außerdemstellen Briefe eine Entlastungsfunktion für <strong>die</strong>se <strong>Kinder</strong> dar. Sie habenendlich Raum, <strong>die</strong> Erlebnisse verbunden mit der <strong>Suchterkrankung</strong> eines oderbeider <strong>Eltern</strong>teile zu schildern und sie durch das Briefeschreiben zu reflektieren.<strong>Eine</strong>n weiteren Vorteil bieten <strong>die</strong> Briefe den <strong>Kinder</strong>n, daß sie ihr Erleben freischildern können, ohne von den <strong>Eltern</strong> unterbrochen zu werden. Es wäre zuüberlegen, inwieweit <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>briefe therapeutisch, im Sinne der <strong>Kinder</strong>, genutztwerden könnten, z.B. im Rahmen eines Gesprächs mit einem Therapeuten,dem betroffenen <strong>Eltern</strong>teil oder einer sozialen Gruppenarbeit. <strong>Eine</strong> Therapiedes Kindes könnte nicht nur im Rahmen von Gesprächen, sondern auchunter einer weiteren Zuhilfenahme des Kommunikationsträgers Brief, stattfinden,d. h. ein Pädagoge oder Therapeut könnte dem Kind Briefe schreiben. Aufzwei solcher Projekte soll hier nun näher eingegangen werden.2.2.2 Der Malbrief als pädagogisches MittelAls pädagogisches Mittel benutzte Kübler-Ross (1988) einen sogenanntenMalbrief, den sie an einen 9-jährigen Jungen schrieb, der an Krebs erkranktwar. Dieser hatte ihr <strong>die</strong> Fragen gestellt: „Was ist Leben?... Was ist Tod?...Undwarum müssen <strong>Kinder</strong> sterben?“ Diesen Brief hat Kübler-Ross mit vielen verschiedenenBuntstiften geschrieben und mit verschiedenen Zeichnungen undSymbolen (z.B. Regenbogen, Schmetterling, kleine Herzen) versehen, um soden Inhalt zu illustrieren und einige Denkmodelle plastisch darzustellen. Inhaltlichgeht sie vor allem auf <strong>die</strong> schönen Aspekte des Lebens, wie <strong>die</strong> Sonne und<strong>die</strong> Natur, ein. Dabei betont sie besonders, daß alles Gottes Schöpfung ist und


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 16daß Gott <strong>die</strong> Menschen liebt. Sie schildert sehr plastisch das Leben und denTod, wobei sie sehr positive Darstellungen benutzt. Sterben ist für sie wie einAblegen des Körpers nach getaner Arbeit und eine Heimkehr zu Gott, woSchmerz und Leid ein Ende haben und wo bereits geliebte, gestorbene Menschenwarten. Kübler-Ross benutzt (und malt) das Bild eines Schmetterlings,der sich von seinem Kokon löst, um damit auszudrücken, daß durch das Sterbendes Körpers <strong>die</strong> Seele freigesetzt wird und sich entfalten kann.Für einen Brief an ein krebskrankes Kind scheint <strong>die</strong>ser Brief allzu „farbig“ zusein, im doppelten Sinne des Wortes. Durch <strong>die</strong> vielen Filzstifte und Bilder wirktder Brief sehr fröhlich und sehr farbig. Kübler-Ross geht dagegen kaum auf <strong>die</strong>negativen Seiten des Sterbens und des Todes ein und benutzt viele Metaphernund Bilder (im doppelten Sinne: Zeichnungen und symbolhafte Schilderungen),deren Zusammenhang mit dem Tod nicht immer deutlich herausgestellt wirdund <strong>die</strong> nicht immer zusammenpassen. Positiv auffällig ist jedoch ihr spirituellerZugang zum Thema Tod, den sie <strong>die</strong>sem krebskranken Kind sehr plastisch undkonkret zu vermitteln weiß. Ihren Angaben nach hat der Junge sehr positiv aufden Brief reagiert, was auch daran liegen mag, daß der Brief Bilderbuch-Formathat. Durch den Brief hat er sich wahrscheinlich sehr ernst genommen gefühlt,da <strong>die</strong>ser Brief sehr aufwendig gestaltet ist und Kübler-Ross ernsthaft versuchthat, seine Fragen zu beantworten und <strong>die</strong> Antworten kindgerecht zu gestalten.Ein Vorteil des Kommunikationsträgers Brief hat sich hier erwiesen: der Jungekonnte den Brief mehrmals lesen und hat ihn seinen eigenen <strong>Eltern</strong> sowie anderen<strong>Eltern</strong> sterbender <strong>Kinder</strong> zum Lesen gegeben.2.2.3 Briefe als therapeutische InterventionCzech und Wernitznig (1994) schrieben Briefe als Intervention in der Familientherapieund dokumentierten <strong>die</strong>s am Beispiel einer Schulphobie. Der 11 ½ -jährige Georg litt an panikartigen Angstzuständen und massiver Atemnot, <strong>die</strong>sich besonders bei räumlicher Trennung von der Mutter zeigten, wie z.B. in derSchule, in der er Probleme mit seinen Mitschülern und Leistungsprobleme hat-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 18sche Prozesse in Gang setzen oder weiterführen. Manchmal ist nicht nur derInhalt entscheidend, sondern <strong>die</strong> damit verbundenen Anweisungen stellen bereitseine systemische Intervention dar. Im Falle Georgs z.B. wurde <strong>die</strong> Anweisunggegeben, daß <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> ihre Briefe nicht Georg zeigen sollten, und auch<strong>die</strong> Briefe an Georg standen unter „strenger Geheimhaltung“. Damit war einevorübergehende Lösung Georgs von der Mutter verbunden und GeorgsSelbstständigkeitsbestreben wurde verstärkt. Allein der Erhalt eines Briefesvom Therapeuten kann das Selbstgefühl des Empfängers steigern und ihm einGefühl von besonderer Aufmerksamkeit seitens des Therapeuten vermitteln.Briefe können als strategisches Mittel eingesetzt werden, wenn ein Familienmitgliednicht an den Familiensitzungen teilnehmen möchte. Dies kann als eineDemonstration von Macht gedeutet werden. Auch eine Verweigerung zum Gesprächist eine Form der Kommunikation (vgl. Watzlawick 1985, s. Kapitel2.3.1), z. B. könnte sich der Betroffene gegen eine ihm unangenehme Veränderungsperren. Auf <strong>die</strong>se Machtdemonstration können <strong>die</strong> Therapeuten mit einemBrief antworten, was wiederum einer Machtausübung gleich kommt, da imRegelfall Briefe gelesen und nicht einfach weggeworfen werden. An <strong>die</strong>serStelle ist allerdings Kritik angebracht, da der Betroffene vielleicht auch triftigeGründe hat, nicht zur Familiensitzung zu kommen, oder psychisch (noch) nichtdazu bereit ist. Daher dürfte ein Brief an ein Familienmitglied, das nicht zu denGesprächen erscheint, nur Fragen nach seiner Abwesenheit bzw. <strong>die</strong> Einladungzu weiteren Gesprächen beinhalten. Bei allen weiteren Anmerkungen würden<strong>die</strong> Grenzen des Betroffenen überschritten werden, auch wenn <strong>die</strong>se Grenzenden anderen Familienmitgliedern evtl. schaden könnten.Czech und Wernitznig haben insgesamt sehr positive Erfahrungen mit Briefenals therapeutischer Intervention gemacht, wobei sie nicht in jeder FamilientherapieGebrauch davon gemacht haben, sondern hauptsächlich bei sehr komplexenFällen. Oft gaben <strong>die</strong> Briefe neue wichtige Erkenntnisse für den Therapieverlauf.Nachteile <strong>die</strong>ser Form der therapeutischen Intervention sind nochnicht bekannt, wären aber zu erforschen.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 192.2.4 Kategoriensystem zur Erfassung von semantischen Einheiten inLiebesbriefenEin Modellansatz für eine Inhaltsanalyse von Briefen stellt <strong>die</strong> Arbeit von Rohde-Höftet al. (1999) dar. Rohde-Höft und Team haben ein Kategoriensystemzur inhaltsanalytischen Erfassung von semantischen Einheiten in Liebesbriefenentwickelt. Als Grundlage <strong>die</strong>nen 50 Briefe, <strong>die</strong> eine Person A an eine Person Bgeschrieben hat. Bei der Beziehung zwischen den beiden Personen handelt essich um eine Liebesbeziehung zwischen erwachsenen Partnern, und <strong>die</strong>seLiebesbeziehung wird im Brief auch thematisiert. Als Ko<strong>die</strong>reinheiten werdenAussageeinheiten bestimmt, <strong>die</strong> z.B. als Antworten auf eingliedrige Fragenaufgefaßt werden können. Dies bedeutet, daß eine Aussageeinheit z.B. einenoder mehrere Sätze umfassen kann, sich also nicht nach lexikalischen odergrammatikalischen Einheiten richtet. <strong>Eine</strong> Aussageeinheit wird einerKo<strong>die</strong>reinheit bzw. einer Kategorie zugeordnet. Die unterschiedlichen Aussageeinheitenwerden durch <strong>die</strong> Kategorien auf der untersten hierarchischen Ebenedes Kategoriensystems bestimmt. Die Ko<strong>die</strong>rabfolge richtet sich nach demSchreibverlauf, d.h. der Brief wird bei der ersten Zeile anfangend bis zur letztenZeile hintereinander vercodet. Dabei darf jeder Textteil, bis auf eine Ausnahme,nur einfach ko<strong>die</strong>rt werden. Wenn ein Textteil mehrere Kategorien zu umfassenscheint, wird der Kontext zur Klärung herangezogen. Falls der Kontext nicht zurKlärung beiträgt, wird der Textteil als mehrdeutige Aussage („M“) ko<strong>die</strong>rt. <strong>Eine</strong>Doppelko<strong>die</strong>rung ist nur dann möglich, wenn in einem Brief eine Aussage miteiner Metapher oder einer Metonymie ausgedrückt wird, wie z.B. „Ich freuemich schon auf das zuckersüße Bonbon“. Der Textteil wird der entsprechendenKategorie gemäß ko<strong>die</strong>rt und zusätzlich mit „ME“ ko<strong>die</strong>rt. Nach einer hierarischgegliederten Abfolge wird <strong>die</strong> zur Aussage passende Ko<strong>die</strong>reinheit gesucht (s.Graphik am Ende des Kapitels).Als erster Schritt wird geprüft, ob es sich bei der zu ko<strong>die</strong>renden Aussage umeine Aussage handelt, <strong>die</strong> der Schreiber zur eigenen Liebe macht oder zurPartnerliebe, d. h. inwiefern der Partner den Schreiber liebt, oder zur gemein-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 20samen Liebe zwischen beiden Liebespartnern. Aussagen zur eigenen Liebebeinhalten auch Aussagen wie „ Du bist der tollste Mensch der Welt“, da sieetwas über <strong>die</strong> Liebe des Schreibers zum Partner aussagen. Bei Aussagen zurPartnerliebe sind dem Schreiber Gefühle und Gedanken des Partners bekanntoder werden vorausgesetzt. Besonders Aussagen zur eigenen Liebe und zurPartnerliebe sind manchmal schwer unterscheidbar. Aussagen zur gemeinsamenLiebe beinhalten Aussagen, <strong>die</strong> der Schreiber auf sich selbst und auf denPartner bezieht, wobei <strong>die</strong> Zustimmung des Partners angenommen wird.Der nächste Ko<strong>die</strong>rungsschritt ist, den Themenstrang zu bestimmen, von dem<strong>die</strong> Aussage handelt. Dabei ist ein Themenstrang eine Zusammenfassung vonKategorien, <strong>die</strong> einen ähnlichen Gegenstand umfassen. Folgende Themensträngewerden unterschieden, denen <strong>die</strong> zu ko<strong>die</strong>rende Aussage zugeordnetwerden muß:• sich lieben• sich aneinander erfreuen• sich nahe sein• etwas Außergewöhnliches <strong>erleben</strong>• sich unterstützen• Bestand der Liebe/ Treue• sich anvertrauen, ehrlich sein.Bei Aussagen zur Partnerliebe ist auffällig, daß <strong>die</strong> Aussagen nicht nur alsFeststellung gemacht werden können, sondern auch als Frage oder Aufforderung,und dem entsprechenden Themenstrang zugeordnet werden müssen.Beim dritten Ko<strong>die</strong>rschritt wird <strong>die</strong> Aussage der entsprechenden Kategorie oderUnterkategorie, <strong>die</strong> sich im gewählten Themenstrang befindet, zugeordnet.Jeder Themenstrang umfaßt eine unterschiedliche Anzahl von Kategorien,wobei einige Kategorien nochmals in Unterkategorien aufgeteilt sind, denen <strong>die</strong>Aussagen dann zugeordnet werden müssen. Folgende Graphik soll <strong>die</strong>s verdeutlichen(am Beispiel des Themenstrangs „Sich unterstützen“, vgl. Rohde-Höft et al. 1999, S. 31):


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 21I) Aussagen zur eigenenLiebe5.Themenstrang: Ichunterstütze Dich5.1 Beistandstaten/UnterstützungKat.: I.5.15.2 Fürsorge/ Anteilnahme(Mitleid undMitfreude)/ TrostKat.: I.5.2II) Aussagen zur Partnerliebe5a. Themenstrang: Duunterstützt mich5a.1 Feststellung: Duunterstützt mich, stehstmir beiKat.: II.5a.15a. 2 Du nimmst Anteil/machst mir Mut/ tröstestKat.: II.5a.25b. Unterstützt Du mich?5b. 1 Frage nach BeistandKat.: II.5b.1III) Aussagen zur gemeinsamenLiebesbeziehung5. Themenstrang: Wirunterstützen einander5.1 Gemeinsame Bewältigungvon äußerenKrisen (auch in derZukunft)Kat.:III.5.15c. Unterstütz mich!5c. 1 Bitte um BeistandKat.: II.5c.1Durch <strong>die</strong>ses Kategoriensystem können semantische Einheiten in Liebesbriefeninhaltsanalytisch erfaßt werden und in weiteren Schritten ausgewertet werden.Diese Auswertung liegt bisher noch nicht vor, soll aber in einer Dissertation vonRohde-Höft noch folgen.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 222.2.5 Analyse von Schülersorgenbriefen<strong>Eine</strong>n weiteren Modellansatz zur Inhaltsanalyse von Briefen lieferte Brockmann(1982). Er analysierte Schülersorgenbriefe des Schülermagazins TREFFS,einer Zeitschrift, <strong>die</strong> nicht über den normalen Zeitschriftenhandel, sondern nurdurch Abonnement im Postvertrieb und durch Auslegung in Schulen zu beziehenist. Auf der Seite 11 jeder Treffzeitschrift ist ein Schülersorgenbrief abgedruckt,den eine ehemalige Lehrerin, Inge Nordhoff, beantwortet. Auch alle nichtabgedruckten Briefe, ca. 80 pro Monat, werden von ihr persönlich beantwortet.Brockmann untersuchte insgesamt 1 272 Schülersorgenbriefe unter quantitativenund qualitativen Aspekten mit verschiedenen Fragestellungen, wie z.B.welche Art von Sorgen in den Briefen zum Ausdruck kommen, ob es kollektivverfaßte Sorgenbriefe gibt, wie <strong>die</strong> Absender damit umgehen, daß der Briefveröffentlicht werden könnte etc. Diese Fragen wurden zu definierten Merkmalen(Variablen), <strong>die</strong> durch eine Ja-Nein-Entscheidung den jeweiligen Brief kennzeichnen.Die Variablen wurden in einer Matrix zusammengefaßt. Anhand einerMatrixvorlage können 28 Briefe ausgewertet werden. Folgende Merkmale wurdenerhoben:- Alter, Geschlecht, Absenderzahl- Klasse, Schule, Wohnort (Postleitzahl)- Sorgeninhalt- Inhaltskategorie- Klinisch oder extreme Lage versus pädagogisch- Anonymität- <strong>Wie</strong>derholter Kontakt- Symbolgebrauch, Schreibpapier, Schriftbild, Diktion- Dringlichkeit- Fehlende Aussprachemöglichkeit- TREFF-Form (der Zeitschrift entsprechend eine thematische Überschrift)- Besonderheiten, wie Beziehung zu Tieren, paradoxe Probleme etc.Auf einige Merkmale soll hier näher eingegangen werden. Die Briefe werdenunterschieden nach klinischem oder pädagogischem Sorgeninhalt, wobei bei


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 23<strong>die</strong>ser Definition pädagogische Probleme einem normativen Konflikt entstammen.<strong>Eine</strong> Problemlage wird dann als klinisch eingestuft, wenn Hinweise aufSymptome (z.B. Nägelkauen, Schlafstörungen), Isolation in mehreren Lebensbereichen,Selbstbezeichnung „einsam“ vorliegen. Als eine extreme Lage werdenBriefe eingeordnet, <strong>die</strong> eine außergewöhnliche äußere Belastung des Absendersaufzeigen, wie z.B. Mißbrauch, besondere Trennungsproblematik der<strong>Eltern</strong> usw. Die Sorgeninhalte wurden in folgende Grobkategorien eingeteilt:• Probleme mit der Liebe• Probleme mit der Freundschaft• Probleme Zuhause• Probleme in der Schule• Probleme mit sich selbst• Einsamkeit• Sachinformation• Sonstige.Jeder Brief wurde in eine der Grobkategorien eingeteilt, und wenn eine eindeutigeKategorisierung nicht möglich war, wurde der Brief der Kategorie „Sonstige“zugeordnet. Die Grobkategorien „Liebe“, „Freundschaft“, „Zuhause“ und „Schule“wurden in weitere Unterkategorien aufgeteilt. Zur Grobkategorie „Schule“wurden z.B. <strong>die</strong> Unterkategorien „Angst vor Lehrer/Schule“ und „Problememit/als Klassensprecher“ gebildet. Briefe wurden nur dann in mehrere inhaltlicheKategorien eingeteilt, wenn der Absender selbst in seinem Brief verschiedeneSorgen aneinandergereiht hatte. Obwohl bei der Einordnung der Briefe ineine bestimmte Kategorie oft Interpretationen seitens der Auswerter stattfanden,erreichte Brockmann mit seinem vierköpfigem Team eineInterraterreliabilität von 91,17%. Durch <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>die</strong>ser und einer weiterenForschungsarbeit erforschte Brockmann <strong>die</strong> psychologischen Wirkmechanismen,<strong>die</strong> <strong>die</strong> Attraktivität und <strong>die</strong> vermuteten entwicklungsunterstützendenEffekte der Sorgenbriefseite, dem „Kummerkasten“, ausmachen. Die Briefkontaktemit Inge und das Lesen des Kummerkastens befriedigen ein allgemeines


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 24Bedürfnis vor allem weiblicher <strong>Kinder</strong> und Jugendlicher, besonders in der Adoleszenz.Brockmann kommt zu dem Schluß, daß der geschriebene Dialog demmündlichen Dialog hinsichtlich der Effektivität durchaus vergleichbar ist und alsMittel der Selbstreflexion dem mündlichen Dialog sogar überlegen ist. Er stellteinen Vergleich des Briefkontakts zwischen Schülern und Inge Nordhoff, genanntINGE, und dem psychotherapeutischen Dialog (Zehn-MinutenTherapievon Balint) her und beschreibt den Sorgenbriefkontakt als „natural therapy“. DieBesonderheiten, <strong>die</strong> den Briefkontakt zwischen Inge Nordhoff und den Schülernals außergewöhnlich effektive Psychotherapie ausweisen, sind:• Ständige Erreichbarkeit von INGE (der Zeitpunkt des Kontaktes wird vomKlienten frei gewählt)• Vor Kontaktaufnahme bereits gewachsene Beziehung zwischen INGE unddem Sorgenbriefschreiber (durch Lektüre der Seite 11 von TREFF)• Freie Wahl von INGE und nicht verordneter Experte• Zuschauertherapie, d.h. der Leser kann an Problemen durch <strong>die</strong> Sorgenbriefseitepassiv teilnehmen, ohne aktiv in Erscheinung treten zu müssen• Die schriftliche Kommunikation erfordert eine kognitiv strukturierte Vorarbeit,<strong>die</strong> zu einer Ökonomie der beteiligten Prozesse führt.Diese Besonderheiten zeigen auf, wie Briefe therapeutisch genutzt werdenkönnen und welche Vorteile <strong>die</strong>se Form von Therapie aufweist. Allerdings istfraglich, inwieweit oder ob überhaupt <strong>die</strong>se Form von Therapie eine „normale“Gesprächstherapie ersetzen kann. 89% der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen, <strong>die</strong> einenSorgenbrief an INGE schreiben, haben Probleme, <strong>die</strong> Brockmann in <strong>die</strong> Kategorie„pädagogisch“, d.h. einem normativen Konflikt entspringend, einstuft.Auf <strong>die</strong>se Probleme kann INGE sehr gut antworten, wobei in <strong>die</strong>sem Kontextnicht von einer Therapie im strenggenommenen Sinne <strong>die</strong> Rede sein kann. Esist eher fraglich, ob ein Antwortbrief von INGE für klinische Probleme (7% derSorgenbriefschreiber) wie Bettnässen, Stottern, Phobien als Hilfe für <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>ausreicht, oder sie <strong>Kinder</strong> in extremen Lagen (4% der <strong>Kinder</strong>), wie nach demTod eines <strong>Eltern</strong>teils, ausreichend betreuen kann. In <strong>die</strong>sen „nichtpädagogischen“Sorgenkontexten wäre eine über einen Briefkontakt hinausge-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 25hende Therapie erforderlich, wobei eine Therapie durchaus von Briefen unterstütztwerden könnte.2.2.6 ZusammenfassungBriefe sind ein von der Forschung (in den Bereichen Psychologie und SozialeArbeit) vernachlässigter, wichtiger Kommunikationsträger, der sich durch einigeBesonderheiten von anderen Kommunikationsträgern, wie z.B. Sprache, unterscheidet.Einige <strong>die</strong>ser Besonderheiten sind <strong>die</strong> Möglichkeit des Aufbewahrensund <strong>Wie</strong>derlesens von Briefen, <strong>die</strong> Reflexionen vor dem Schreiben von Briefenund <strong>die</strong> Entlastungsfunktion von Briefen. Briefe können sowohl als pädagogischesals auch als therapeutisches Mittel eingesetzt werden, um neue Impulsezu setzen, Sachverhalte plastischer darzustellen und therapeutische Prozessein Gang zu setzen. Zwei Modellansätze zur Analyse von Briefen liegen mitRohde-Höfts et al. (1999) Kategoriensystem zur inhaltanalytischen Erfassungvon semantischen Einheiten in Liebesbriefen und Brockmanns Analyse vonSchülersorgenbriefen (1982) vor. In beiden Arbeiten wird ausführlich auf <strong>die</strong>Bildung von Kategorien eingegangen. Die Kategorien werden vorgestellt, allerdingsfolgt nur bei Brockmann eine inhaltliche Einbettung und Auswertung.Brockmann stellt sogar einen Vergleich des Sorgenbriefkontakts mit einer Kurztherapieher und zeigt <strong>die</strong> Besonderheiten des Sorgenbriefkontakts als Therapieauf.2.3 KommunikationstheorienIm vorherigen Kapitel ging es um den Kommunikationsträger Briefe, und zueinem tieferen Verständnis der Thematik gehört eine nähere Betrachtung undDefinition der Kommunikation, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Kapitel behandelt werden soll.Außerdem folgen Kommunikationstheorien von Schulz von Thun, <strong>die</strong> zur Aus-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 26wertung der Briefe von <strong>Kinder</strong>n suchtkranker <strong>Eltern</strong> herangezogen werdensollen.2.3.1 Definition von KommunikationNach Watzlawick (1985) hat „Kommunikation“ zwei verschiedene Bedeutungen.Zum einen bezeichnet es ein Wissensgebiet und zum anderen eine Verhaltenseinheit.Da Verhalten in einer Interaktion Mitteilungscharakter besitzt,wird es mit Kommunikation gleich gesetzt. Dabei ist zu berücksichtigen, daßVerhalten kein Gegenteil hat: man kann sich nicht nicht verhalten. SelbstSchweigen oder Nichtbeachtung des anderen ist eine Mitteilung, da es denanderen beeinflußt, eine Stellungnahme beinhaltet und <strong>die</strong> Beziehung zwischenden Betroffenen definiert. Dies bedeutet, daß man nicht nicht kommunizierenkann.Jede Mitteilung kann einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt enthalten.Der Inhaltsaspekt einer Mitteilung besteht darin, daß durch <strong>die</strong> Nachricht Informationen,gleichgültig ob wahr oder falsch, weitergegeben werden. Es werdenaber nicht nur Sachinformationen vermittelt, sondern auch <strong>die</strong> Stellung zwischenSender und Empfänger, wie z.B. der Sender <strong>die</strong> Beziehung zwischensich und dem Empfänger definiert etc. (zur Definition von Sender, Empfängerund Nachricht s. Kapitel 2.3.2.) Dabei wird <strong>die</strong> Beziehungsdefinition überwiegendindirekt und unbewußt weitergegeben. Wenn über <strong>die</strong> Beziehungsdefinitiongesprochen wird, also eine Kommunikation über <strong>die</strong> Kommunikation geschieht,spricht man von Metakommunikation.<strong>Eine</strong> Reihe von Kommunikationen stellt sich für einen Beobachter als ein ununterbrochenerAustausch von Mitteilungen dar. Allerdings müssen <strong>die</strong> Gesprächspartner<strong>die</strong>sem Kommunikationsfluß eine Struktur geben, <strong>die</strong> als Interpunktionvon Ereignisfolgen bezeichnet wird. Diese Interpunktion kann individuellsehr unterschiedlich gesehen werden und bedingt <strong>die</strong> Natur einer Beziehung.Ein Ehemann kann bei einem Ehekonflikt z.B. behaupten, daß er sichzurückzieht, weil seine Frau nörgelt. Dagegen geht <strong>die</strong> Ehefrau davon aus, daß


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 27ihr Mann sich zurückzieht und sie deshalb nörgelt. Anhand <strong>die</strong>ses Beispielswird deutlich, wie wichtig Metakommunikation ist, um Beziehungsabläufe zuklären. Oft sind Kommunikationsabläufe kreisförmig, d.h. es gibt weder einenAnfangs- noch einen Endpunkt. Dies bedeutet auch, daß nicht einer auf dasVerhalten des anderen reagiert, sondern daß <strong>die</strong> Verhaltensweisen sich gegenseitigbedingen, wie im Beispiel des Ehepaars.Kommunikation läßt sich in digitale und analoge Kommunikation unterscheiden.Dabei wenden Menschen beide Kommunikationsmodalitäten an, um denInhaltsaspekt digital zu übermitteln und den Beziehungsaspekt analog zu übermitteln.Digitale Kommunikation besitzt eine komplexe und vielseitige logischeSyntax und sehr wenig Semantik auf der Beziehungsebene (z.B. Elemente wie„nicht“, „wenn – dann“). Im Gegensatz dazu be<strong>die</strong>nt sich analoge Kommunikationeinem großen semantischem Potential und unzureichender Syntax (z. B.um Liebe, Feindschaft auszudrücken). Dabei ist es oft notwendig, aber sehrschwierig, eine Modalität in <strong>die</strong> andere zu übersetzen.Beziehungsformen können durch symmetrische und komplementäre Interaktionenunterschieden werden. Bei einer symmetrischen Interaktion beruht <strong>die</strong>Beziehung auf Gleichheit und das Verhalten der beiden Partner ist spiegelbildlich.Im Fall einer komplementären Interaktion sind <strong>die</strong> Verhaltensweisen derPartner gegensätzlich und ergänzen sich, wie z.B. bei einer fürsorglichen Mutterund einem hilfebedürftigem Kind.2.3.2 Das KommunikationsquadratSchulz von Thun (1993) geht in seiner Theorie vom Kommunikationsquadratzunächst davon aus, daß es sich bei der zwischenmenschlichen Kommunikationum einen Sender und einen Empfänger handelt. Der Sender möchte etwasmitteilen und verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen: <strong>die</strong> Nachricht.Der Empfänger versucht nun, <strong>die</strong>se Zeichen zu entschlüsseln bzw. <strong>die</strong> Nachrichtzu verstehen. Wenn <strong>die</strong> gesendete und <strong>die</strong> empfangene Nachricht über-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 28einstimmen, ist <strong>die</strong> Kommunikation gelungen. Es gibt allerdings einige Störfaktoren,<strong>die</strong> <strong>die</strong> Übermittlung einer Nachricht beeinträchtigen können. Erschwerendfür den Nachrichtentransfer ist z.B. daß ein und <strong>die</strong>selbe Nachricht vieleBotschaften gleichzeitig enthalten kann. Schulz von Thun hat vier möglicheSeiten einer Nachricht herausgearbeitet: 1. Sachinhalt,2. Selbstoffenbarung,3. Beziehung,4. Appell.Auf der Ebene des Sachinhalts möchte der Sender über etwas informieren,z.B. über <strong>die</strong> Verkehrssituation in Köln.Was der Sender von sich selbst kundgibt, gehört zur Ebene der Selbstoffenbarung.In jeder Nachricht stecken auch Informationen über <strong>die</strong> Person des Senders,z.B. ob er deutschsprachig ist. Die Selbstoffenbarung schließt sowohl <strong>die</strong>gewollte Selbstdarstellung als auch <strong>die</strong> unfreiwillige Selbstenthüllung ein. Mit<strong>die</strong>ser Seite der Nachricht sind viele Probleme der zwischenmenschlichenKommunikation verbunden, da jeder Sender sich gut darzustellen versucht undnicht immer <strong>die</strong> „adäquaten Techniken“ verwendet.Der dritte Aspekt einer Nachricht ist <strong>die</strong> Beziehung. Dabei teilt der Sender demEmpfänger mit, was er von ihm hält und wie sie zueinander stehen. Dies zeigtsich oft in der gewählten Formulierung, im Tonfall und anderen nonverbalenSignalen. Der Empfänger hat für <strong>die</strong>se Seite ein besonders offenes Ohr, da ersich in bestimmter Weise behandelt fühlt, z.B. freundschaftlich, respektvoll,abweisend. Außerdem macht der Sender deutlich, wie er <strong>die</strong> Beziehung zwischensich und dem Empfänger sieht. Im Gegensatz zur Selbstoffenbarung, woder Sender Ich-Botschaften sendet, besteht <strong>die</strong> Beziehungsseite zum einenaus Du-Botschaften und zum anderen aus Wir-Botschaften.Auf der Appell-Ebene möchte der Sender den Empfänger dazu veranlassen,etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen, zu denken oder zu fühlen. DerVersuch, Einfluß zu nehmen, kann mehr oder weniger offen oder versteckt sein,wobei letzteres als Manipulation zu bezeichnen ist. Wenn der Gast zum Gastgebersagt, „Draußen ist aber schönes Wetter“, kann <strong>die</strong>s eine versteckte Auf-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 29forderung zu einem Spaziergang sein. Um einen Appell deutlicher zu machen,werden oft auch <strong>die</strong> Sach-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungsseite danachausgerichtet, d.h. funktionalisiert.2.3.3 Das „Vier-Ohren-Modell“Da eine Nachricht vier Aspekte von Botschaften beeinhalten kann, sollte auchder Empfänger in der Lage sein, alle vier Seiten der Nachricht entschlüsseln zukönnen. Schulz von Thun (1993) spricht in <strong>die</strong>sem Zusammenhang vom „vierohrigenEmpfänger“, der vier Ohren hat – für jede Seite der Nachricht eins. Daseine Ohr (Sachinhaltsseite) benutzt er, um den Sachinhalt zu verstehen. Mitdem nächsten Ohr (Selbstoffenbarungsseite) ist er personaldiagnostisch tätig,d.h. er versucht herauszufinden, was der andere für ein Mensch ist und was inihm vorgeht. Durch das dritte Ohr (Beziehungsseite) ist der Empfänger persönlichbetroffen, da er heraushören kann, wie der Sender zu ihm steht, was derSender von ihm hält und wie er ihn behandelt. Für <strong>die</strong> Appellseite hat der Empfängerdas vierte Ohr, um herauszufinden, in welche Richtung der Sender ihnbeeinflußen möchte, d.h. was er aufgrund der Mitteilung denken, fühlen und tunsollte.Wenn der Empfänger <strong>die</strong> Nachricht mit allen vier Seiten auch richtig verstandenhat, kann er sich trotzdem frei entscheiden, auf welche Seite der Nachricht ereingehen möchte. Dies kann zu Kommunikationsstörungen führen, da der Empfängervielleicht gerade auf <strong>die</strong> Seite der Nachricht antwortet, auf <strong>die</strong> der Sendernicht seinen Schwerpunkt legen wollte. Ein weiteres Problem ergibt sich,wenn der Empfänger nicht alle vier Ohren gleichzeitig auf Empfang geschaltethat, sondern sich vor allem auf ein Ohr spezialisiert hat.Viele Empfänger, hauptsächlich Männer und Akademiker, haben besondersdas „Sach-Ohr“ entwickelt. Damit empfangen sie fast ausschließlich <strong>die</strong> Sachaspekteeiner Nachricht, um darüber zu diskutieren und andere Aspekte auszublenden.Wenn eine Auseinandersetzung auf der Sachebene ansteht, ist <strong>die</strong>s


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 30<strong>die</strong> richtige Strategie, allerdings können Probleme auf der zwischenmenschlichenEbene so nicht gelöst werden, sondern werden eher verstärkt.Bei anderen Empfängern ist vorwiegend das „Beziehungs-Ohr“ auf Empfanggeschaltet, so daß sie auch beziehungs-neutrale Nachrichten auf sich und ihrePerson beziehen. Sie nehmen schnell alles persönlich, fühlen sich beleidigt,angegriffen etc. Oft weichen sie einer Sachauseinandersetzung aus und begebensich auf <strong>die</strong> Beziehungsebene, obwohl <strong>die</strong>s nicht situationsangemessen ist.Dabei sollte das „Beziehungs-Ohr“ nicht völlig ausgeschaltet werden, sondernin angemessener Weise benutzt werden, da es für zwischenmenschliche Beziehungenvon großer Bedeutung ist.Weitere Probleme ergeben sich daraus, ob eine Nachricht SelbstoffenbarungsoderBeziehungscharakter hat. Wenn z.B. der eine Ehepartner sich in seinZimmer zurückzieht, kann <strong>die</strong>s bedeuten, daß er einfach sehr ruhebedürftig ist(Selbstoffenbarung) oder daß er z.Zt. <strong>die</strong> Nähe des anderen nicht ertragen kann(Beziehungsseite).Für den Empfänger kann es seelisch gesünder sein, vorwiegend mit dem„Selbstoffenbarungsohr“ zu hören. Dabei nimmt der Empfänger <strong>die</strong> Nachrichtunter dem Aspekt auf, was <strong>die</strong> Nachricht über den anderen aussagt. Ein Kindmit „Selbstoffenbarungsohr“ hört beim Schimpfen des Vaters hauptsächlichheraus, daß <strong>die</strong>ser einen schlechten Tag gehabt haben muß. Auf <strong>die</strong>se Weisekann der Empfänger auf Anklagen und Vorwürfe gelassener reagieren, da ersie primär nicht auf sich bezieht, und kann sich mehr in <strong>die</strong> Gefühle des anderenhineinversetzen. Problematisch wird <strong>die</strong>ses Verhalten dann, wenn eineImmunisierung durch das (ausschließlich) diagnostische Ohr erfolgt. Dies bedeutet,daß der Empfänger alle Nachrichten danach auswertet, was sie überden anderen aussagen, und andere Botschaften, wie Beziehungs- und Appell-Botschaften, nicht wahrnehmen will. Dadurch entsteht ein starkes Machtgefälle;der eine nimmt den anderen nicht als Partner wahr, sondern als ein zu diagnostizierendesObjekt, und stellt sich selbst auf ein unerreichbares Podest, indemer Botschaften, <strong>die</strong> sich auf ihn beziehen, ausblendet und auf den anderen


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 31bezieht. Ähnlich problematisch ist das Psychologisieren. Dabei werden Sachaussagendaraufhin untersucht, was sie über den Sender aussagen und welchepsychologischen Motive dahinter stecken könnten. Auf <strong>die</strong> Sachinhaltsseite wirddagegen nicht eingegangen. In der Sowjetunion wurde beispielsweise Kritik amSystem als Selbstoffenbarung von Geisteskrankheit aufgenommen und entsprechendin psychiatrischen Anstalten „behandelt“.Aktives Zuhören nach Rogers beinhaltet <strong>die</strong> Chance, sich durch besondereAusbildung des „Selbstoffenbarungs-Ohrs“ in <strong>die</strong> Gefühls- und Gedankenweltdes Senders bewertungsfrei einzufühlen. Dabei versucht der Therapeut, <strong>die</strong> inSachbotschaften enthaltenen Gefühlsinhalte herauszufiltern, zu benennen undmit dem Patienten zusammen näher zu definieren.<strong>Eine</strong> weitere Möglichkeit Nachrichten zu entschlüsseln ist, sie mit dem „Appell-Ohr“ zu empfangen. Der Empfänger möchte es all seinen Mitmenschen rechtmachen und probiert, ihnen ihre Wünsche von den Augen abzulesen bzw. sieaus den Nachrichten herauszufiltern. Dies kann als ein sehr zuvorkommendesVerhalten gewertet werden, allerdings ist der Empfänger mit dem übergroßen„Appell-Ohr“ meist wenig bei sich selbst. Er fixiert sich so sehr auf <strong>die</strong> nichtgeäußerten,aber vermuteten Erwartungen der anderen, daß er nicht genügendEnergien hat, seine eigenen Wünsche und Erwartungen zu erkennen und zuäußern. Dadurch gibt er sehr wenig von seiner Persönlichkeit preis und erscheinteher wie ein Automat. Das „Appell-Ohr“ kann durch <strong>die</strong> finale Betrachtungsweisetherapeutisch genutzt werden. Dazu wird bei auffälligen Verhaltensweisenund Krankheitssymptomen <strong>die</strong> „Wozu-Frage“ gestellt. Bei Alkoholabhängigkeitz.B. können <strong>die</strong> Fragen gestellt werden: „Wozu hast du getrunkenbzw. trinkst du? Welcher Appell kann unbewußt mit dem Trinken verbundensein und welche Wirkung hat das Trinken auf <strong>die</strong> Mitmenschen?“ Aber auch<strong>die</strong>se finale Betrachtungsweise kann mißbraucht werden, wenn der Empfängerjeder Nachricht eine heimliche, auf Wirkung hin zielende Absicht unterstellt.Prinzipiell kann allerdings jede Nachricht eine versteckte Appellseite beinhalten.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 322.3.4 Konfliktvermeidung nach dem Vier-Ohren-ModellSchröder (1998) hat einige Strategien aufgezeigt, wie nach dem Vier-Ohren-Modell von Schulz von Thun Konflikte vermieden werden können. Zunächst gibtes verschiedene Möglichkeiten Konflikte zu vermeiden, da es auch verschiedeneEbenen gibt, in denen Konflikte auftreten können. Zunächst ist wichtig, daßverbale und non-verbale Botschaften, wie sie durch Tonfall, Mimik, Gestik etc.transportiert werden, stimmig sind und sich nicht widersprechen. Klare Botschaftenkönnen dadurch erzielt werden, indem der Sender sich selbst zuerstüber seine Gefühle, Gedanken und Absichten klar wird und seine Absichtendann dem Empfänger direkt mitteilt.Mit Hilfe des Kommunikationsquadrats kann der Sender seine Gefühle, Bedürfnisseund Wünsche ermitteln. Auf der Sachseite kann der Sender <strong>die</strong> genaueninhaltlichen Aspekte ermitteln, <strong>die</strong> er mitteilen möchte. Die Appellseite hilft demSender herauszufinden, welche Erwartungen er an den anderen stellen undwas er beim anderen bewirken will. Fragen wie „was genau hat der Partner mitder Angelegenheit zu tun“ und „wie beurteile ich sein Verhalten“ können auf derBeziehungsseite geklärt werden. Im Gegensatz dazu kann sich der Sender aufder Selbstoffenbarungsseite darüber klar werden, inwieweit er etwas von sichpreisgeben möchte und was ihm wichtig mitzuteilen ist. Diese Vorüberlegungensind eine gute Voraussetzung für eine stimmige und klare Kommunikation. DerEmpfänger kann <strong>die</strong> Botschaften besser verstehen und dadurch auch klarerreagieren, wodurch eine gute Grundlage für eine partnerschaftliche Kommunikationgelegt wird.Durch zu viele Appellbotschaften kann sich der Empfänger in <strong>die</strong> Defensivegedrängt fühlen. Im Gegensatz dazu sprechen Ich-Botschaften das Selbstoffenbarungsohran und bringen Gefühle und Bedürfnisse zum Ausdruck, ohnedem anderen Vorwürfe auf der Beziehungsseite zu machen. Allerdings muß <strong>die</strong>Authentizität gewahrt werden. Ein „Du Idiot“ kann ehrlicher gemeint sein als „Ichfühle mich verletzt weil...“ . Ein weiterer Vorteil von Ich-Botschaften bestehtdarin, daß sie eigene Gefühle und Bedürfnisse klar zum Ausdruck bringen und


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 33es dem Empfänger überlassen, <strong>die</strong>sen Wünschen zu entsprechen oder sieabzulehnen.Ein weiteres Mittel, um Beziehungskonflikte zu vermeiden ist eine stimmigeKommunikation. <strong>Eine</strong> stimmige Kommunikation ist dann erreicht, wenn jedeBotschaft mit den inneren Gefühlen und Bedürfnissen tatsächlich übereinstimmt.Die Äußerung „Das war ein spannender Vortrag“ wird z.B. durch einGähnen in <strong>ihrer</strong> Aussage entkräftet. Stimmigkeit ist nicht nur zwischen der verbalenund der non-verbalen Ebene wichtig, sondern auch zwischen den vierSeiten einer Nachricht. Diese vier Seiten dürfen sich nicht widersprechen, wiez.B. in dem Ausspruch „Ich bin tolerant! Sollen doch <strong>die</strong> Anderen auch maltolerant sein!“ Dadurch werden unstimmige Botschaften gesendet, auf <strong>die</strong> derEmpfänger auch nicht adäquat reagieren kann, da er sie nicht versteht. Umsolche unklaren Situationen zu klären, kann Metakommunikation besondershilfreich sein. Dies bedeutet, daß <strong>die</strong> Gesprächspartner über ihre Kommunikationsprechen, sich ihre Verständnisprobleme mitteilen und ihre Rollen klarherausstellen.Der kontrollierte Dialog stellt ein weiteres Mittel zur Konfliktvermeidung dar.Dabei kontrolliert ein Gesprächsteilnehmer das Gespräch, indem er dem anderenPartner ständig Fragen stellt. So kann er Interesse am anderen bekundenund Informationen erhalten ohne selbst welche preisgeben zu müssen. Er kann<strong>die</strong> Gesprächsrichtung bestimmen und das Rederecht behalten. Besonders inschwierigen Situationen ist es wichtig, viele Informationen zu erfragen, umProbleme zu klären und Mißverständnissen vorzubeugen. Allerdings ist einkontrollierter Dialog kaum dialogisch, d.h. partnerschaftlich, da ein deutlichesMachtgefälle zwischen Befrager und Ausgefragtem besteht. Kurzzeitig kann derkontrollierte Dialog sinnvoll eingesetzt werden, um schwierige Sachverhalte zuklären und potentielle Mißverständnisse auszuräumen. (vgl. Schröder 1998)


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 342.3.5 Kommunikations- und Interaktionsstile nach Schulz von ThunSchulz von Thun (2000) hat acht Kommunikationsstile entwickelt, <strong>die</strong> sich aufseine anderen Kommunikationsmodelle und andere Persönlichkeitstheorienstützen. Bei <strong>die</strong>sen Kommunikationsstilen handelt es sich um bestimmte Artenund Weisen, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen zu sprechenund zu interagieren. Diese Stile sind mit bestimmten inneren Verfassungenverbunden, sog. Ich-Zuständen, <strong>die</strong> sich auch nach außen hin durch Worteund non-verbale Kommunikation äußern. Dabei schließen sich <strong>die</strong> Stile nichtgegenseitig aus, sondern sind durchmischt und finden sich - in unterschiedlichemMaß - in jeder Person wieder. Allerdings ist oft bei einer Person ein bestimmterKommunikations- und Interaktionsstil vorherrschend, der durchaussehr hilfreich in bestimmten Situationen sein kann, in anderen Situationen abereher <strong>die</strong> Person einschränkt.Beim ersten Kommunikations- und Interaktionsstil handelt es sich um den bedürftig-abhängigenStil. Mit <strong>die</strong>sem Kommunikationsstil stellen sich Menschenals hilflos und überfordert dar und appellieren (meist indirekt) an ihre Mitmenschen,ihnen zu helfen und <strong>die</strong> Situation zu retten. Ihr seelisches Axiom lautet,daß sie schwach und hilflos und dem Leben allein nicht gewachsen sind. Dahinterverbirgt sich ein starker Mangel an Selbstvertrauen, der dadurch noch verstärktwird, daß andere auf <strong>die</strong> Appelle reagieren und <strong>die</strong> Verantwortung für denBetroffenen übernehmen. Wenn das Modell der quadratischen Nachricht herangezogenwird ergibt sich, daß der Bedürftig-Abhängige als Selbstkundgabevor allem seine Hilfsbedürftigkeit äußert. Die Beziehungsbotschaft an den Empfängerlautet: „Du bist stark und kompetent! Du bist bestimmt derjenige, der mirgut helfen kann!“ Es folgen direkte und versteckte Appelle um Hilfe, <strong>die</strong> auch<strong>die</strong> Form eines Vorwurfs annehmen können. Dadurch kann der Bedürftig-Abhängige aus seiner vermeintlich schwachen Situation heraus einen emotionalenEinfluß auf sein Gegenüber nehmen. Der bedürftig-abhängige Kommunikationsstildrückt sich auch durch Passiv-Konstruktionen und Betonung derFremdbestimmung aus. Dieser Stil bietet nicht nur Nachteile, wie z.B. Abhän-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 35gigkeit von anderen, sondern auch Vorteile, wie <strong>die</strong> Fähigkeiten zu jammern(Entlastungsventil) und andere aktiv um Hilfe zu bitten.Komplementär zum bedürftig-abhängigen Stil ist der helfende Stil. DessenAxiom ist es, daß es einer Katastrophe gleich käme, schwach, traurig, bedürftigetc. zu sein. Auf der Selbstkundgabeseite offenbart der Helfer Stärke und Belastbarkeit.Inhaltlich geht er besonders auf <strong>die</strong> Sorgen und Probleme seinesGegenübers ein und hört ihm gut zu. Die Beziehungsseite unterstreicht <strong>die</strong>Hilfsbedürftigkeit des anderen und <strong>die</strong> eigene Stärke. Zusätzlich stellen <strong>die</strong>Appelle Empfehlungen für den anderen, aber keine eigenen Wünsche dar.Menschen in Notlagen zu unterstützen ist eine Tugend und verschafft demHelfer Anerkennung und Dankbarkeit. Allerdings kann das Helfen auch <strong>die</strong>Schattenseite haben, daß der Helfer seine eigenen Wünsche und Schwächenunterdrückt und sich von anderen ausgenutzt fühlt.Das Grundmuster des selbst-losen Stils besteht, ähnlich wie beim helfendenStil, darin, für andere da zu sein, sich um sie zu kümmern und sich in ihrenDienst zu stellen. Allerdings hat <strong>die</strong>ser selbst-lose Stil etwas Unterwürfiges,„von unten herab“ im Gegensatz zum helfenden Stil, der dem anderen eher„von oben herab“, also von der stärkeren Position aus hilft. Dem selbst-losenStil liegt das Axiom von eigener Bedeutungs- und Wertlosigkeit zugrunde; derSelbst-Lose schöpft seinen Wert aus dem Dienst für andere. Aus Angst vorSelbstwerdung definiert der Selbst-Lose sich durch andere. Daher lautet auchseine Beziehungsbotschaft: „Maßgeblich bist du!“ und überhöht den anderen,d.h. betont nur <strong>die</strong> positiven Seiten, aber nicht <strong>die</strong> negativen Seiten des anderen.Auf der Selbstkundgabeseite stellt sich der Selbst-Lose als unwichtig odersogar als ein Nichts dar, um nicht in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zugeraten. An sein Gegenüber appelliert er, ihm zu sagen, wie er sich verhaltenund was er tun soll. Der Selbst-Lose hat ein übergroßes Appell-Ohr und einnegativ umgedeutetes Beziehungs-Ohr. Dies bedeutet, daß er ständig auf derLauer liegt, um <strong>die</strong> Bedürfnisse des anderen herauszuhören und dementsprechendzu reagieren, und gleichzeitig mit allen Aussagen von außen <strong>die</strong> eigene


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 36Selbstentwertung zu untermauern. Vorteile <strong>die</strong>ses Kommunikation- und Persönlichkeitsstilsbestehen darin, daß sich <strong>die</strong> Mitmenschen dem Selbst-Losen verpflichtetfühlen und <strong>die</strong>ser so zur Selbsthingabe fähig ist. Allerdings führt einezu große Hingabe zur Preisgabe und selbstlosen Aufopferung, wenn sie nichtmit Selbstachtung und Selbstbehauptung verbunden ist.Den Gegensatz zum selbst-losen Stil bildet der aggressiv-entwertende Stil.Menschen, <strong>die</strong> vor allem durch <strong>die</strong>sen Stil geprägt sind, entdecken <strong>die</strong> Fehlerund Schwächen des anderen, decken sie auf, um den anderen bloßzustellenund ihn zu erniedrigen. Durch <strong>die</strong> Abwertung des anderen wird der „Anklagende“automatisch aufgewertet. Sein Axiom wird bestimmt durch ein starkes Minderwertigkeitsgefühlund <strong>die</strong> Angst, in <strong>die</strong> unterlegene Position zu geraten. Umnicht in <strong>die</strong>se Position zu geraten, geht er gleich auf <strong>die</strong> Strategie „Angriff ist <strong>die</strong>beste Verteidigung“ über. Auf der Selbstkundgabeseite stellt er seine Stärkeund Unverletzlichkeit heraus, <strong>die</strong> dadurch noch verstärkt wird, daß er grundsätzlichabwertende Beziehungsbotschaften sendet und an andere appelliert,vor ihm zu kapitulieren.Den 5. Kommunikations- und Persönlichkeitsstil stellt der sich beweisende Stildar. Er probiert, sich ins rechte Licht zu rücken, kompetent und weise zu erscheinen– sich möglichst perfekt darzustellen. Diese Selbstdarstellungsmuster<strong>die</strong>nen der Selbstwertsicherung. Das dahinterliegende seelische Axiom ist, daßder Betroffene seinen Wert von seinen Leistungen abliest und denkt, nur in demMaß Liebe und Anerkennung bekommen zu können, wie er „gut“ ist. Er fühltsich nicht als ganze Person geliebt und versucht dementsprechend, seine negativenSeiten zu verbergen. Dadurch nimmt er allerdings auch den anderen<strong>die</strong> Möglichkeit, ihn als ganze Person mit Fehlern und Schwächen zu lieben, dasie ihn nur von einer Seite, der „guten“ Seite, kennenlernen können. Er neigt zuPerfektionismus und zu Gefühlen von Großartigkeit – bei Scheitern allerdingszu Gefühlen von Minderwertigkeit. Gefühle von Mittelmäßigkeit und Durchschnittlichkeitsind ihm dagegen fremd. Die Vorteile <strong>die</strong>ses Persönlichkeitsstilsliegen in der Fähigkeit zu Leistung und Weltgestaltung, <strong>die</strong> allerdings durch <strong>die</strong>


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 37Fähigkeit zur inneren Reifung erst vervollständigt werden. Dies bedeutet, daßMenschen, <strong>die</strong> sich beweisen müssen, lernen sollten, das Negative <strong>ihrer</strong> Persönlichkeitwahrzunehmen und ihre Fehler anzunehmen.Beim bestimmend-kontrollierenden Stil versuchen <strong>die</strong> Menschen, alles unterKontrolle zu behalten, sowohl <strong>die</strong> „Dinge“, als auch <strong>die</strong> Mitmenschen. Sie habengroße Angst, <strong>die</strong> Kontrolle zu verlieren. Ihre Selbstkundgabe lautet, daß siegenau wissen, was richtig ist – in jeglicher Hinsicht. Auf der Beziehungsseitebestreiten sie, daß der andere es richtig machen könnte, und von daher wollensie den anderen formen, kontrollieren und ihn ändern. Deshalb richten sie vieleAppelle in Form von „allgemein gültigen“ Gesetzen an ihr Gegenüber, um ihnauf den „richtigen Weg“ zu führen. Wahrscheinlich wollen sie durch ihre Kontrollbemühungensich selbst unter Kontrolle behalten, da sie Angst vor ihreninneren unberechenbaren Größen haben. Ihr seelisches Axiom könnte darinbestehen, daß sie sich selbst als angefüllt mit chaotischen, unvernünftigenImpulsen betrachten, <strong>die</strong> sie nur unter Kontrolle behalten können, wenn sie sichan strenge Regeln halten. Es wäre wichtig, wenn sie lernen könnten, Innenerfahrungzuzulassen und ihren Kommunikationsstil dahingehend zu verändern,daß sie mehr in eigenem Namen sprechen und sich nicht mehr hinter allgemeinenGesetzen und Geboten verstecken.Beim 7. Kommunikations- und Persönlichkeitsstil handelt es sich um den distanzierendenStil. Menschen, <strong>die</strong> von <strong>die</strong>sem Stil geprägt sind, stellen vielDistanz zu ihren Mitmenschen her und ertragen deren Nähe schlecht. IhreSachbotschaften sind sehr stark ausgeprägt, wohingegen sie kaum Botschaftenauf der Selbstoffenbarungsseite und auf der Beziehungsseite senden. Sie appellierenan ihre Mitmenschen, sie in Ruhe zu lassen. Ihre Sprache ist gekennzeichnetdurch Substantivierungen, Generalisierungen, Abstraktionen und <strong>die</strong>Vermeidung des Wortes „Ich“, um sich nicht auf <strong>die</strong> Gefühlsebene begeben zumüssen, auf der sie sehr verletzbar sein könnten. Daher lautet ihr seelischesAxiom, andere nicht zu nah an sich heranzulassen, um nicht der Gefahr ausgesetztzu sein von ihnen abhängig und verletzt werden zu können. Es wäre wich-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 38tig für sie zu lernen, daß sie sich auf andere einlassen können ohne sofort mitihnen zu verschmelzen oder verletzt zu werden. Dazu müßten sie auf dersprachlichen Ebene <strong>die</strong> Selbstkundgabe- und Beziehungsseite weiterentwickeln.Beim mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil teilen sich <strong>die</strong> Menschenbesonders mit, wobei sie einen starken Gefühlsausdruck gebrauchen und sichwie Schauspieler auf der Bühne inszenieren, um sich vom Publikum feiern zulassen. Daher liegt <strong>die</strong> stärkste Betonung <strong>die</strong>ses Kommunikationsstils auf derSelbstkundgabeseit. Der Inhalt <strong>die</strong>ser Selbstkundgabe kann sehr unterschiedlichsein, eine Notlage dramatisierend oder sich selbst sehr erhöhend z.B., aberimmer sehr ausdrucksstark und auf sich selbst bezogen. Die Beziehungsbotschaftsagt aus, daß der andere sehr wichtig ist – allerdings nur als austauschbaresPublikum. Dementsprechend lautet der Appell, daß der andere zuhörensoll und <strong>die</strong> Selbstdarstellung bestätigen soll. Das dahinterliegende seelischeAxiom lautet, daß der Dramaturg sich selbst als unwichtig erachtet und nurdann Beachtung findet, wenn er sich mit bestimmten Mitteln in den Vordergrundspielt. Sein Gewinn aus <strong>die</strong>sem Verhalten ist, <strong>die</strong> Aufmerksamkeit anderergewinnen zu können, evtl. sogar <strong>die</strong> Kontrolle über das Gespräch zu erlangenund sich selbst zu manipulieren, d.h. sich in bestimmte Gefühlszustände zubringen und sein Selbstwertgefühl zu erhöhen.2.3.6 ZusammenfassungWatzlawicks (1985) aussagekräftigste Hypothese über Kommunikation lautet,daß man nicht nicht kommunizieren kann. Schulz von Thun (1993) hat dasKommunikationsquadrat entwickelt, wonach jede Nachricht Botschaften auf vierEbenen beinhalten kann: auf der Sachseite, der Selbstoffenbarungsseite, derBeziehungsseite und der Appellseite. Um <strong>die</strong>se vier Seiten von Botschaftenauch empfangen zu können, wären vier Ohren nötig – für jede Seite der Botschafteins. Schröder (1998) hat <strong>die</strong>ses Vier-Ohren-Modell herausgegriffen, umMethoden zur Konfliktvermeidung zu beschreiben. <strong>Eine</strong> weitere Kommunikati-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 39onstheorie von Schulz von Thun (2000) ist das Modell der 8 Kommunikations-und Persönlichkeitsstile, <strong>die</strong> er auch als Strömungen beschreibt, <strong>die</strong> Menschenunterschiedlich erfassen und beeinflussen können.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 403 FragestellungDie Oberfrage <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> lautet:• <strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?Dazu werden Briefe, <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> an ihre suchtkranken <strong>Eltern</strong> geschrieben haben,analysiert. Diese Briefe sollen nach Schulz von Thuns Kommunikationsquadratausgewertet werden, so daß <strong>die</strong> Unterfragen lauten (s. Kapitel 2.3.2 + 2.3.3):• <strong>Wie</strong>viel Appellaspekt beinhalten <strong>die</strong> Briefe (einzeln und insgesamt)?• <strong>Wie</strong>viel Sachsapekt beinhalten <strong>die</strong> Briefe (einzeln und insgesamt)?• <strong>Wie</strong>viel Beziehungsaspekt beinhalten <strong>die</strong> Briefe (einzeln und insgesamt)?• <strong>Wie</strong>viel Selbstoffenbarungsaspekt beinhalten <strong>die</strong> Briefe (einzeln und insgesamt)?Genauere Fragestellungen werden bewußt offen gelassen, um durch <strong>die</strong> Analyseneu auftauchende Fragen oder Hypothesen untersuchen zu können.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 414 Methodik4.1 Forschungsstrategie, Untersuchungsplan und DatenerhebungsmethodeEs handelt sich um eine explorative Stu<strong>die</strong> zur Hypothesengewinnung undTheorienüberprüfung, <strong>die</strong> hauptsächlich qualitativ ist. Dabei geht es darum, wie<strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong> <strong>erleben</strong>.Bei der Datenerhebungsmethode handelt es sich um ein nonreaktives Verfahren,um eine qualitative Inhaltsanalyse. Diese Methode wurde gewählt, dadurch <strong>die</strong> Fachklinik Bad Tönisstein das Datenmaterial (<strong>die</strong> Briefe <strong>Kinder</strong>suchtkranker <strong>Eltern</strong>) zur Verfügung gestellt wurde und nicht extra gesammeltwerden mußte. Außerdem ermöglicht <strong>die</strong>se Methode einen neuen Zugang zumThema „<strong>Kinder</strong> von suchtkranken <strong>Eltern</strong>“.Da es sich bei <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> um eine Feldstu<strong>die</strong> handelt, konnten nicht alleVariablen kontrolliert werden. Die Fragestellung „<strong>Wie</strong> hat das Kind einen „nassen“Tag (ein Tag, an dem der Betroffene betrunken war) des betreffenden<strong>Eltern</strong>teils erlebt“ wurde von den Therapeuten der Fachklinik Bad Tönisstein an<strong>die</strong> Patienten weitergegeben. Diese haben wiederum ihre <strong>Kinder</strong> gebeten, ihnenBriefe unter <strong>die</strong>ser Fragestellung zu schreiben. Daher ist unklar, wie <strong>die</strong>Frage an <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> weitergegeben worden ist, da <strong>die</strong> verschiedenen Therapeutenwahrscheinlich schon unterschiedliche Formulierungen benutzt haben und<strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> <strong>die</strong> Fragestellung auch anders an ihre <strong>Kinder</strong> weitergegeben habenkönnen. Weitere intervenierende Variablen bestehen darin, daß <strong>die</strong> Bedingungen,unter denen <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> ihre Briefe geschrieben haben, unklar sind. Vielleichthaben sie <strong>die</strong> Briefe nicht alleine geschrieben, sondern z.B. unter derModeration der nicht-abhängigen Mutter. Die Hauptmotivation der <strong>Kinder</strong>, einenBrief über einen „nassen Tag“ zu schreiben, könnte auch gewesen sein, denbetroffenen Vater oder <strong>die</strong> Mutter zur Abstinenz zu ermutigen, und deshalbnicht authentisch ihr Erleben der Sucht darzulegen. <strong>Eine</strong> andere intervenierendeVariable ist, daß wahrscheinlich nur <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> Briefe geschrieben haben,


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 42<strong>die</strong> entsprechende intellektuelle Fähigkeiten haben, so daß eine Vorselektionder Stichprobe stattgefunden hat .Der Untersuchungsplan verläuft in folgenden Schritten:1. Auswahl und Transkription der BriefeZunächst werden <strong>die</strong> Briefe ausgewählt, <strong>die</strong> analysiert werden sollen. Ein zukurzer (3 kurze Sätze) und schwer verständlicher Brief kann z.B. nicht ausgewertetwerden. Die Briefe werden transkribiert, um besser mit ihnen arbeiten zukönnen und Namen anonymisieren zu können. Rechtschreibfehler der Briefeschreiberwerden übernommen, auch bei Zitaten aus den Briefen.2. ErstlektüreUm den Text im Gesamtkontext verstehen zu können, wird jeder Brief vor demKo<strong>die</strong>ren ganz durchgelesen. Zu einem besseren Verständnis können Teileoder der ganze Brief mehrmals durchgelesen werden.3. Bildung von AussageeinheitenDie Briefe werden in Aussageeinheiten gegliedert, und es werden Regeln für<strong>die</strong>se Gliederung festgelegt.4. KategoriensystemEs werden Kategorien gebildet, anhand derer <strong>die</strong> Aussageeinheiten ko<strong>die</strong>rtwerden können. Die Hauptkategorien stehen schon vor der Durchführung derInhaltsanalyse fest; es handelt sich um <strong>die</strong> vier Aspekte einer Nachricht vonSchulz von Thun (s. Kapitel 2.3.2 + 2.3.3):• Sachinhalt• Selbstoffenbarung• Beziehung• Appell.Weitere Kategorien werden im nächsten Schritt definiert.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 435. Zeilenweiser MaterialdurchgangDas Material wird Zeile für Zeile, bzw. Aussageeinheit für Aussageeinheitdurchgegangen, und in <strong>die</strong> Hauptkategorien eingeordnet. Unterkategorien werdengebildet und subsumiert oder neu formuliert.6. Revision der Kategorien und endgültiger MaterialdurchgangNach einem teilweisen Materialdurchgang (10-50%) wird das Kategoriensystem,sofern notwendig, überarbeitet. Es folgt ein endgültiger Materialdurchgang.7. ErgebnisaufbereitungDie Ergebnisse werden aufbereitet und, soweit möglich, graphisch dargestellt.8. Auswertung und InterpretationIm letzten Schritt werden <strong>die</strong> Ergebnisse ausgewertet und interpretiert. Dabeikann das gesamte Kategoriensystem in Bezug auf <strong>die</strong> Fragestellung interpretiertwerden. Es könnte auch eine quantitative Auswertung der Zuordnung vonAussageeinheiten zu Kategorien stattfinden. Besondere Auffälligkeiten könneninterpretiert werden.(vgl. Brockmann 1982, Mayring 1999, Rohde-Höft et al. 1999, Schleider 1997)4.2 StichprobeIn <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> werden Briefe analysiert, <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> an ihre suchtkranken <strong>Eltern</strong>geschrieben haben. Dieses fand im Rahmen des Therapieaufenthaltes der<strong>Eltern</strong> in der Fachklinik Bad Tönisstein (zur Therapie von Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit)statt. Zur Therapie gehörte auch, daß <strong>die</strong> Alkohol- undMedikamentenabhängigen sich damit beschäftigen, welche Auswirkungen ihre<strong>Suchterkrankung</strong> auf ihre Familienangehörigen, sofern vorhanden, hatte. DenBetroffenen wurde von den Therapeuten daher aufgetragen, ihre Angehörigenum einen „nassen Brief“ zu bitten. Das bedeutet einen Brief, in dem <strong>die</strong> Ange-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 44hörigen schildern, wie sie einen „nassen Tag“ <strong>ihrer</strong> Partner/<strong>Eltern</strong> (ein Tag, andem <strong>die</strong> Betroffenen betrunken waren) erlebt hatten. Dieser Brief sollte dann imRahmen der Therapie besprochen werden. Für <strong>die</strong>se Diplomarbeit sammelten<strong>die</strong> Stammtherapeuten <strong>die</strong> Briefe von <strong>Kinder</strong>n an ihre suchtkranken <strong>Eltern</strong> – mitausdrücklicher Erlaubnis der <strong>Eltern</strong> –. Die Therapeuten übergaben sie derGruppenleiterin, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Briefe der Diplomandin zur weiteren Analyse geschickthat. Die Zeitspanne der Briefsammlung beträgt ca. 1½ Jahre, von November1999 bis ca. März 2001. Personen- und Ortsnamen wurden geändert.Bei der Stichprobe handelt es sich um 13 Briefe, <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> an ihre alkoholabhängigen<strong>Eltern</strong> im Rahmen derer Therapie geschrieben haben (zur genauenFragestellung s. Kapitel 4.1). Absender waren 8 Mädchen/ Frauen und 3 Jungenim Alter von 11-21 Jahren (Altersangaben s. Anhang). Im Sinne einer prospektivenStu<strong>die</strong> sollten nur Briefe von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen bis max. 18Jahren untersucht werden, aber da es sonst nur eine ungenügende Anzahl vonBriefen für <strong>die</strong>se Untersuchung gegeben hätte, wurden alle eingegangenenBriefe berücksichtigt. Drei Briefautoren sind über 18 Jahre alt, bei drei anderenist das Alter unbekannt. Ein Brief konnte nicht analysiert werden, da er zu kurzund schwer verständlich war.4.3 DurchführungNach der Transkription und Erstlektüre der Briefe werden <strong>die</strong> Briefe in Aussageeinheitengegliedert. Dabei werden <strong>die</strong> Briefe nach grammatikalischen Regeln,d.h. nach grammatikalischen Sätzen gegliedert, um <strong>die</strong> Gliederung soeinfach und eindeutig wie möglich zu gestalten. <strong>Eine</strong> Aussageeinheit bestehtalso immer aus einem Satz. Das Material wird Satz für Satz durchgegangenund in <strong>die</strong> Hauptkategorien Sachaspekt, Selbstoffenbarungsaspekt, Beziehungsaspektund Appellaspekt eingeordnet. Weitere Unter- und Feinkategorienwerden gebildet. Im Rahmen <strong>die</strong>ser Untersuchung sind nur Einfachko<strong>die</strong>rungenmöglich, um eine bessere Auswertung zu ermöglichen. Während der Katego-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 45rienbildung werden Regeln gebildet, um Sätze möglichst eindeutig einordnen zukönnen. Der erste Materialdurchgang umfaßt 100%, da <strong>die</strong> Briefe sehr unterschiedlicheAussagen beinhalten. In einem zweiten Durchgang von 80% werdeneinige Unter- und Feinkategorien überarbeitet und das endgültige Kategoriensystemmit Regeln zur Einordnung der Sätze erstellt. Danach wird ein Ko<strong>die</strong>rungsschemaentwickelt (s. Anhang) und es folgt ein endgültiger Materialdurchgang.Brief für Brief und Satz für Satz werden kategorisiert und ko<strong>die</strong>rt(Ko<strong>die</strong>rungsnummer am Ende eines jeden Satzes, s. Anhang). Die einzelnenKategorien pro Brief werden gezählt und in das Auswertungsschema eingetragen.Danach werden <strong>die</strong> Ergebnisse graphisch dargestellt und interpretiert.4.4 Das KategoriensystemDie Hauptkategorien bestehen aus dem Sachaspekt, dem Appellaspekt, demBeziehungsaspekt und dem Selbstoffenbarungsaspekt.Der Sachaspekt wird in keine weiteren Kategorien gegliedert, da er Informationenohne tiefergehende emotionale Ebene oder Informationen über Dritte(d.h. weder Sender noch Empfänger des Briefes) bzw. Beziehung zu Drittenumfaßt. Im Rahmen der Fragestellung <strong>die</strong>ser Diplomarbeit „<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong><strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?“ sind <strong>die</strong>se Informationen irrelevant. Beschreibungenüber <strong>die</strong> Verhaltensweisen des abhängigen <strong>Eltern</strong>teils werdenunter der Kategorie Beziehungsaspekt eingeordnet.Dagegen wird der Appellaspekt in <strong>die</strong> Unterkategorien „Abstinenz“ und „Sonstige“unterteilt. Bei einem Appell handelt es sich meist um einen Imperativ, d. h.eine Aufforderung, <strong>die</strong> das Kind an den jeweiligen <strong>Eltern</strong>teil stellt. Diese Aufforderungkann sich darauf beziehen, daß der betroffene <strong>Eltern</strong>teil nicht mehrtrinken soll (Unterkategorie „Abstinenz“) oder auf Sonstiges (Unterkategorie„Sonstige“).


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 46Die Unterscheidung zwischen Beziehungsaspekt und Selbstoffenbarungsaspektist nicht sofort offensichtlich. Der Beziehungsaspekt läßt sich nach Schulz vonThun (1993) in einen Du-Aspekt und einen Wir-Aspekt unterteilen, wobei derSelbstoffenbarungsaspekt Ich-Botschaften umfaßt. Demnach ließe sich <strong>die</strong>Botschaft „Ich hasse Dich“ in beide Kategorien einordnen, da sie sowohl eineIch-Botschaft (das Gefühl des Empfängers: Hass) als auch eine Beziehungsbotschaft(<strong>die</strong> Beziehung zwischen Sender und Empfänger ist durch Hass gekennzeichnet)enthält. Um eine Einfachko<strong>die</strong>rung zu ermöglichen, wird <strong>die</strong>Regel gebildet, daß das Subjekt des Hauptsatzes bestimmt, unter welcherKategorie der Satz eingeordnet wird. Im oben genannten Beispiel ist das Subjekt„Ich“ und somit wird der Satz unter <strong>die</strong> Kategorie „Selbstoffenbarung“ eingeordnet.Der Hauptsatz ist als grammatikalischer Hauptsatz zu verstehen,außer bei Formulierungen wie „Ich denke, daß Du kaum noch nüchtern warst“z.B. (Du-Botschaft).Der Selbstoffenbarungsaspekt umfaßt Ich-Botschaften, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Unterkategorien„Gefühle“, „Wunsch(vorstellung)“ und „Kontrollversuche“ unterteilt wurden.Mit Kontrollversuchen sind jene Interaktionen beschrieben, in denen dasKind überprüft, ob der betroffene <strong>Eltern</strong>teil Alkohol getrunken hat, bzw. das Kindversucht, auf den Alkoholkonsum Einfluß zu nehmen, indem es z.B. Bierflaschenheimlich ausschüttet. Die Unterkategorie „Gefühle“ ist weiter aufgegliedertin <strong>die</strong> Unterkategorien „Positive Gefühle“, „Negative Gefühle“ und „AmbivalenteGefühle“. Die Unterkategorie „Positive Gefühle“ ist in <strong>die</strong> Feinkategorien„Freude/Glück“, „Mitleid/Mitgefühl“, „Liebe“, „Hoffnung“, „Respekt/Akzeptanz“und „Sonstige positive Gefühle“ eingeteilt. Wenn in einem Satz verschiedeneoder nicht näher definierte positive Gefühle geäußert werden, wird der Satz in<strong>die</strong> Kategorie „Sonstige positive Gefühle“ eingeordnet. Auch <strong>die</strong> Unterkategorie„Negative Gefühle“ ist in weitere Feinkategorien aufgeteilt, in <strong>die</strong> Feinkategorien„Trauer“, „Wut“, „Ohnmacht/Verzweiflung“, „Angst“, „Hass“, „Ekel/Abneigung“,„Respektverlust“, „Schuld“, „Leid“, „Scham“ und „Sonstige negative Gefühle“. In<strong>die</strong> Kategorie „Sonstige negative Gefühle“ werden Sätze eingeordnet, in denen


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 47verschiedene negative Gefühle bzw. nicht näher definierte negative Gefühlegenannt werden.Der Beziehungsaspekt ist zunächst in <strong>die</strong> Unterkategorien „Du-Aspekt“ und„Wir-Aspekt“ unterteilt. Beim „Wir-Aspekt“ kann es sich um <strong>die</strong> Feinkategorie„Gemeinsamkeit“ (das Subjekt des Satzes ist z.B. „wir“) oder „Fremdheit“ handeln.Diese „Fremdheit“ oder Distanz zwischen dem Kind und dem betroffenen<strong>Eltern</strong>teil kann direkt thematisiert werden oder dadurch, daß das Kind nicht anden, sondern über den Vater schreibt. Der Vater wird nicht direkt angeredet,sondern das Pronomen „er“ ist das Subjekt. <strong>Eine</strong> Ausnahme dazu stellt Brief 13dar. Dieser Brief ist eher eine allgemeine Schilderung der Familiensituation undnicht in üblicher Briefform geschrieben. Der Absender ist ein 11-jähriger Junge,der evtl. <strong>die</strong> übliche Briefform mit direkter Anrede nicht kennt oder den Auftrag,einen Brief über einen „nassen Tag“ des betroffenen <strong>Eltern</strong>teils zu schreiben,anders verstanden hat. Den Auftrag könnte z.B. er so verstanden haben, daß erhauptsächlich seine negativen Gefühle schildern soll. Er schreibt über seinenVater immer als „Papa“, wodurch eher <strong>die</strong> Gemeinsamkeit mit dem Vater alseine Distanz festzustellen ist. Daher wurden <strong>die</strong> Sätze, <strong>die</strong> Aussagen über„Papa“ machen, nicht in <strong>die</strong> Feinkategorie „Fremdheit“ eingeordnet, sondern inandere passende Kategorien.Die drei Feinkategorien der Unterkategorie „Du-Aspekt“ lauten: Verhalten inbezug auf Alkohol(-abhängigkeit), Vorwurf/ vorhandene Defizite unter Alkoholund Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil. „Verhaltenin bezug auf Alkohol(-abhängigkeit)“ beschreibt Verhaltensweisen, <strong>die</strong> der abhängige<strong>Eltern</strong>teil unter Alkoholeinfluß oder durch seine Abhängigkeit bedingtaufweist. Davon abzugrenzen ist <strong>die</strong> Kategorie „Vorwurf/ vorhandene Defiziteunter Alkohol“. Implizit, teilweise auch explizit macht das Kind dem abhängigen<strong>Eltern</strong>teil Vorwürfe über <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit bzw. schildert <strong>die</strong> Soll-Ist-Normabweichung der Verhaltensweisen, d. h. <strong>die</strong> vorhandenen Defizite unterAlkohol. Die dritte Kategorie des „Du-Aspekts“ ist <strong>die</strong> „Polarisierung zwischenbetrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil“. In einigen Briefen schildern <strong>die</strong> Kin-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 48der, wie sie zwei unterschiedliche Mütter oder Väter erlebten: eine(n) betrunkene(n)und ein(e) nüchterne(n). Meist wird der betrunkene <strong>Eltern</strong>teil als unausstehlichund der nüchterne als nett und lieb beschriebenen, wobei <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>nur noch dem nüchternen <strong>Eltern</strong>teil begegnen wollen. Im Englischen wird <strong>die</strong>sesextrem unterschiedliche Verhalten unter Drogeneinfluß als „Dr. Jekyll andMr. Hyde – Phänomen“ bezeichnet. (vgl. Rennert 1989, Zobel 1998)<strong>Eine</strong> Übersicht über <strong>die</strong> verschiedenen Kategorien zeigt das folgende Ko<strong>die</strong>rungsschemaauf, wobei <strong>die</strong> verschiedenen Kategorien mit Beispielen aus den<strong>Kinder</strong>briefen belegt werden:


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 491. SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ....................................................................................1.1 GEFÜHLE .............................................................................................................................1.1.1 positive Gefühle .........................................................................................................1.1.1.1 Freude/Glück: "Umso mehr freut es mich z.Zt. mit Dir zu sprechen." (Brief 8) ...................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl: "Ich hatte am Anfang wirklich Mitleid mit dir, weil du deine Sucht nichtunter Kontrolle bekommen hast." (Brief 12) ......................................................................................1.1.1.3 Liebe: "Aber ich habe nie aufgehört Dich als meinen Vater zu lieben, egal in welchemZustand Du warst." (Brief 1)..............................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung: "Ich hoffe, daß Du es schaffst!" (Brief 5) ............................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz: "Ich habe recht schnell begriffen, dass es eine Krankheit ist, undkonnte <strong>die</strong>s somit leicht akzepieren." (Brief 8) ..................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle: "Ich bin wirklich stolz, eine so starke und tapfere Mutter zuhaben!!!" (Brief 10) ............................................................................................................................1.1.2 Negative Gefühle .......................................................................................................1.1.2.1 Trauer: "Am Schulweg mußte ich fast weinen." (Brief 2) ....................................................1.1.2.2 Wut: "Wir waren so wütend." (Brief 13) ..............................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung: "Ich fühlte mich so hilflos und dachte, Du würdest sterben!"(Brief 5)1.1.2.4 Angst: "Auch hatte ich Angst, dass meine Freunde das heraus bekommen würden."(Brief 3)1.1.2.5 Hass: "In dem Moment, wie in so vielen Momenten habe ich Dich gehaßt." (Brief 6) ........1.1.2.6 Ekel/Abneigung: "Es war für mich einfach unausstehbar, in Deiner Nähe zu sein, wennDu betrunken warst." (Brief 10) .........................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust: "Ich habe sämtliches Vertrauen und sämtlichen Respekt schon lange zubzw. vor Dir verloren." (Brief 6) .........................................................................................................1.1.2.8 Schuld: "Viele Schuljahre habe ich gelitten, daran, daß ich mir selbst <strong>die</strong> Schuld an allenProblemen gab." (Brief 9) .................................................................................................................1.1.2.9 Leid: "Ich wusste nicht, wo ich <strong>die</strong>sen Kummer und <strong>die</strong>se unheimlichen seelischenSchmerzen verarbeiten sollte." (Brief 12) .........................................................................................1.1.2.10 Scham: "Ich konnte keinen Einladen, weil Du dir vielleicht einen saufen würdest und dasauch blöd gewesen wäre, wenn der dann gerade da gewesen wär." (Brief 7) .................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle: "Mein 10ter Geburtstag war der schlimmste, den ich jehatte." (Brief 2) ..................................................................................................................................1.1.3 Ambivalente Gefühle: "Denn lieb haben konnte ich Dich nicht mehr - und hassenwollte ich Dich auch nicht! (Brief 5) ........................................................................................1.2 WUNSCH(VORSTELLUNG): "SCHLIEßLICH WOLLTE ICH DOCH EINEN RICHTIGEN VATER HABEN!"(BRIEF 5) ......................................................................................................................................1.3 KONTROLLVERSUCHE: "ICH HABE AUTOMATISCH NACH ANZEICHEN GESUCHT, UMFESTZUSTELLEN, OB DU GETRUNKEN HAST." (BRIEF 8) ....................................................................2 BEZIEHUNGSASPEKT ..........................................................................................................


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 502.1 DU-ASPEKT ..........................................................................................................................2.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit): "Bei jeder Bemerkung hattest Dudas Gefühl, man würde Dich ungerecht behandeln, Dich angreifen, Dich demütigen." (Brief8)2.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol: "Du hast blöd gerochen und statt dich wiesonst 2 mal am Tag zu Duschen, hast du dich überhaupt nicht geduscht." (Brief 2) ............2.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil: "Der Unterschiedzwischen "trockenen" Zeiten und Zeiten, in denen Du betrunken warst, ist wirklich enorm,so dass ich leicht erkennen konnte, in welchem Zustand Du gerade bist." (Brief 11) ...........2.2 WIR-ASPEKT ........................................................................................................................2.2.1 Fremdheit: "Wenn R. heute trinkt, verschwindet er für einige Zeit aus der Welt."(Brief 4)2.2.2 Gemeinsamkeit: "Vielleicht können wir ja nach Deiner Kur mal über all das reden."(Brief 8)3 APPELLASPEKT ...................................................................................................................3.1 ABSTINENZ: "VIEL ERFOLG NOCH BEI DEINER THERAPIE!" (BRIEF 11) ......................................3.2 SONSTIGE: "DU BRAUCHST DIR WIRKLICH KEINE SORGEN MACHEN, ICH KOMM´ SEHR GUTKLAR." (BRIEF 7) ...........................................................................................................................4 SACHASPEKT: "ICH WEIß NUR NOCH, DAß DIE MAMA MICH IRGENDWANNGERUFEN HAT." (BRIEF 5) .....................................................................................................................4.5 ZusammenfassungDie Hauptfragestellung <strong>die</strong>ser Untersuchung ist: „<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong><strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?“ Unterfragen sind, wieviel Sach-, Appell-, Beziehungs-,und Selbstoffenbarungsaspekte <strong>die</strong> Briefe einzeln und insgesamt beinhalten.Die Stichprobe besteht aus 13 <strong>Kinder</strong>n suchtkranker <strong>Eltern</strong>, <strong>die</strong> ihren <strong>Eltern</strong>Briefe über ihr Erleben der Sucht geschrieben haben. Diese Briefe wurden imRahmen der Therapie der <strong>Eltern</strong> von den Therapeuten der Fachklinik BadTönisstein gesammelt. Bei <strong>die</strong>ser Untersuchung handelt es sich um einequalita-tive Inhaltsanalyse. Ein besonderes Gewicht liegt bei der Durchführungder Inhaltsanalyse auf der Bildung eines Kategoriensystems. Dieses Kategorien-systembesteht aus den Hauptkategorien Sachaspekt, Appellaspekt,


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 51Selbstoffenbarungsaspekt und Beziehungsaspekt nach Schulz von ThunsKommunikationsquadrat (1993). Weitere Unter- und Feinkategorien, sowieRegeln zur eindeutigen Einordnung wurden gebildet und anhand von Beispielsätzenverdeutlicht.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 525 Ergebnisse und InterpretationZunächst sollen <strong>die</strong> Briefe einzeln ausgewertet und interpretiert werden. Darauffolgt eine allgemeine Diskussion des Kategoriensystems und eine Gesamtanalyseder Briefe.5.1 Einzelbriefanalyse5.1.1 Brief 1Der erste Brief wurde von einem 16-jährigen Jungen geschrieben, ist recht kurzund umfaßt 7 Sätze.Hauptkategorien - Brief 114% 1 Selbstoffenbarungsaspekt14%14%58%2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektInhaltlich enthält der Brief hauptsächlich Selbstoffenbarung (58%) und zu gleichenTeilen (14%) Beziehungsaspekt, Appellaspekt und Sachaspekt. DerSchreiber schildert bei seinem Erleben der <strong>Suchterkrankung</strong> des Vaters hauptsächlichseine eigenen Gefühle:Anzahl (n=4) Feinkategorien Gefühle - Brief 132125% 25%50%01.1.1.3 Liebe 1.1.2.4 Angst 1.1.2.11 Sonst. neg. Gefühle


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 53Diese Gefühle sind zu 75% negativ (blaue Säulen), allerdings ist auch dasGefühl der Liebe (rote Säule) in <strong>die</strong>sem Brief enthalten. Der Schreiber beziehtsich in seinem Brief mit seinen Gefühlen hauptsächlich auf seinen Vater, wobeier den Vater nicht als Fremden sieht und nicht zwischen betrunkenem undnüchternem Vater unterscheidet: „Aber ich habe nie aufgehört Dich als meinenVater zu lieben, egal in welchem Zustand Du warst.“5.1.2 Brief 2Der Absender von Brief 2 ist ein 11jähriger Junge, der in kindlicher Ausdrucksweisebeschreibt, wie er <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit seines Vaters erlebt. DieserBrief umfaßt 15 Sätze, und <strong>die</strong> prozentuale Verteilung der Hauptkategoriensieht folgendermaßen aus:Hauptkategorien - Brief 220%0%27%53%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektDer Absender schreibt hauptsächlich über sich selbst (53%), aber auch über <strong>die</strong>Beziehung zum Vater (27%) und über Sachinformationen (20%). Es gibt keineAppelle zur Abstinenz oder Sonstigem. An Gefühlen enthält der Brief:


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 54Anzahl (n=8) Feinkategorien Gefühle - Brief 24321013% 13% 13% 13% 13%1.1.2.1 Trauer1.1.2.2 Wut1.1.2.4 Angst1.1.2.6Ekel/Abneigung1.1.2.11 Sonst.neg. Gefühle38%1.1.3AmbivalenteGefühleAm Auffälligsten ist, daß der Autor keine positiven Gefühle äußert, sondern nurnegative (blaue Säulen) und ambivalente (grüne Säule). Die negativen Gefühlevon Trauer, Wut, Angst, Ekel, Abneigung und sonstige negative Gefühle machendeutlich, daß der Absender überwiegend schlechte Erinnerungen an <strong>die</strong>Alkoholabhängigkeit seines Vaters hat. Unter dem „Du-Aspekt“ der HauptkategorieBeziehung beschreibt der Junge das Verhalten seines Vaters unter Alkoholund <strong>die</strong> vorhandenen Defizite, wie z.B.: „Du bist nur herumgelegen undhast dich nicht um mich gekümmert.“ Es wird deutlich, daß der Vater eine großeBedeutung für ihn hat und der Vater <strong>die</strong>se Erwartungen nicht erfüllen konnte.5.1.3 Brief 3Brief 3 wurde von einem 14jährigen Jungen verfaßt und umfaßt 15 Sätze. DieVerteilung der Hauptkategorien sieht folgendermaßen aus:Hauptkategorien - Brief 37%0%1 Selbstoffenbarungsaspekt20%2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 Sachaspekt73%


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 55Auch <strong>die</strong>ser Brief besteht hauptsächlich aus Selbstoffenbarungsaspekt (73%),außerdem aus 20% Beziehungsaspekt und 7% Sachaspekt. Es ließen sichkeine Sätze unter <strong>die</strong> Kategorie Appell einordnen. An Gefühlen beinhaltet derBrief:Anzahl (n=11) Feinkategorien Gefühle - Brief 318% 18% 18%9% 9% 9% 9% 9%32101.1.1.1Freude/Glück1.1.1.2Mitleid/Mitgefühl1.1.1.4Hoffnung1.1.2.4 Angst1.1.2.5 Hass1.1.2.6Ekel/Abneigung1.1.2.11 Sonst.neg. Gefühle1.1.3AmbivalenteGefühleDieser Brief umfaßt an positiven Gefühlen (rote Säulen) Freude/Glück, Mitleid/Mitgefühlund Hoffnung - insgesamt zu ca. 36%. An negativen Gefühlen(blaue Säulen) werden Angst, Hass, Ekel/Abneigung und andere negative Gefühlegenannt (insg. ca. 56%) und außerdem zu ca. 9% ambivalente Gefühle(grüne Säule). Besonders häufig spricht der Verfasser des Briefes von derHoffnung: am Anfang, in der Mitte und am Ende. Dabei hofft der Schreiberdarauf, daß der Vater nicht mehr trinkt und somit sich alles zum Besseren wendet:„Wenn du aber einmal gute Phasen hattest, in denen du uns wieder versprochenhast, überhaupt keinen Alkohol mehr anzufassen, war <strong>die</strong> Welt fürmich wieder in Ordnung und <strong>die</strong> Hoffnung war wieder da.“ Insgesamt ist derBrief in einem freundlichen und verständnisvollem Tonfall geschrieben.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 565.1.4 Brief 4Der Autor des 4. Briefes ist ein Mädchen unbekannten Alters. Der Brief bestehtaus 17 Sätzen und <strong>die</strong> Hauptkategorien sind prozentual folgendermaßen verteilt:Hauptkategorien - Brief 422%4%4%70%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektBesonders auffällig ist, daß der Brief nahezu keine Selbstoffenbarung beinhaltet(nur 4%), sondern zu 70% Beziehungsaspekt, zu 22% Sachaspekt und zu 4%Appellaspekt. <strong>Eine</strong> Übersicht über <strong>die</strong> Feinkategorien des Beziehungsapektsbietet das folgende Diagramm:Anzahl (n=16) Feinkategorien zu Beziehungsaspekt - Brief 4141210864202.1.1 Verhalten in bezug aufAlk.81%6% 13%2.2.1 Fremdheit 2.2.2 GemeinsamkeitDie Unterkategorie „Du-Aspekt“ des Beziehungsaspekts (graue Säule) umfaßtmit der Kategorie „Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit)“ nur 6% imGegensatz zum „Wir-Aspekt“ mit 94% (rote Säulen). Den Hauptanteil des „Wir-Aspekts“ bildet <strong>die</strong> Kategorie „Fremdheit“. Die Autorin des Briefes redet ihren


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 57Vater nicht mit „Du“ an, sondern spricht über ihn in der 3. Person Singular:„Aber bestimmt hat er damals anders getrunken als heute, <strong>die</strong>sseitiger.“ Diesestarke Distanz zum Vater zieht sich durch den ganzen Brief: es gibt keine Anredeund keine Abschiedsformulierung, wie z.B. „liebe Grüße“. Die erste persönlicheAnrede folgt im zweiten Teil des Briefes, kurz vor Ende, wobei <strong>die</strong> Distanzweiter erhalten bleibt. Trotz <strong>die</strong>ser Unpersönlichkeit stellt <strong>die</strong> Autorin <strong>die</strong> Fragenach dem Innenleben des Vaters: „Ich wüßte gern wohin er starrt.“ Die Verfasserinwahrt nicht nur Distanz zum Vater, sondern auch zu ihrem eigenen Innenlebenund zu ihren Gefühlen (nur 4% Selbstoffenbarungsaspekt). Dabei stelltsich <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Distanz zum Vater und zu ihren Gefühlen ihm gegenübermit der Alkoholabhängigkeit des Vaters direkt zusammenhängt oder andereGründe hat. Beide leben nicht zusammen.Die Autorin beschreibt kaum ihr persönliches Erleben der Alkoholabhängigkeitihres Vaters (zumindest nicht explizit), sondern beschreibt aus einer sehr distanziertenSichtweise das Verhalten des Vaters unter Alkoholeinfluß. Sehr auffälligist auch der Sprachstil, der fast schon literarisch oder zumindest gehobenist. Dies zeigt sich z.B. an einer Metapher: „Es scheint in meinem Vater träge zublubbern – wie in einer Lava-Lampe. Von tief unten steigen <strong>die</strong> Blasen auf und,so stell ich mir vor, präsentieren ihm Bilder, wenn sie zerplatzen....“ Die Stimmungdes Briefes ist sehr düster und schließt sehr pessimistisch ab: „So wie Dumanchmal dasitzt –stelle ich mir vor- so sieht der Tod aus.“ Insgesamt wirft<strong>die</strong>ser Brief mehr Fragen auf, als daß er <strong>die</strong> Frage nach dem Erleben der Alkoholabhängigkeitbeantwortet. Hierbei kann es sich allerdings auch um einenAbwehrmechanismus des Kindes handeln, das seine Gefühle nicht direkt äußernmöchte oder kann und nicht persönlich mit seinem Vater und dessen Alkoholabhängigkeitkonfrontiert werden möchte.5.1.5 Brief 5Brief 5 wurde von einer 20-jährigen Frau geschrieben und ist sehr lang (131Sätze). Die grobe Gliederung des Briefes sieht folgendermaßen aus:


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 58Hauptkategorien - Brief 521%12%33%34%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektDieser Brief umfaßt zu 34% Selbstoffenbarungsaspekt, zu 33% Beziehungsaspekt,zu 12% Appellaspekt und zu 21% Sachaspekt. Diese verschiedenen Aspektesind prozentual gesehen relativ ausgewogen. An Emotionen beinhaltetder Brief:Anzahl (n=35) Feinkategorien Gefühle - Brief 51210864201.1.1.4 Hoffnung1.1.1.6 Sonst. pos.Gefühle1.1.2.3Ohnmacht/Verzweiflung1.1.2.4 Angst18%1.1.2.5 Hass1.1.2.6 Ekel/Abneigung1.1.2.9 Leid1.1.2.10 Scham26%8% 5% 5% 3% 11% 8% 8% 8%1.1.2.11 Sonst. neg.Gefühle1.1.3 AmbivalenteGefühleDiese Auflistung zeigt <strong>die</strong> Differenziertheit der Gefühle, wobei <strong>die</strong> negativenGefühle mit 79% deutlich überwiegen. An positiven Gefühlen sind Hoffnung undsonstige positive Gefühle genannt, an negativen Gefühlen Ohnmacht/Verzweiflung,Angst, Hass, Ekel/Abneigung, Leid, Scham und Sonstiges.Die Briefautorin hat <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> ihres Vaters sehr negativ erlebt. Sie


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 59beschreibt sehr oft <strong>die</strong> Wunschvorstellung von einem Vater, der ohne Alkoholabhängigkeitsich um sie gekümmert hätte, was in der Realität kaum stattgefundenhat: „Ich hatte mir einen Vater gewünscht, der immer für mich da ist,wenn ich ihn brauche!“ (Kategorie 1.2). Daher appelliert sie sehr oft an ihrenVater, abstinent zu werden (12% Appellaspekt). Der Appellcharakter <strong>die</strong>sesBriefes kommt durch besonders viele Ausrufezeichen zum Ausdruck. Zusätzlichist der Brief nach einer „Appellform“ aufgebaut: der erste Teil besteht aus Appellen(Kategorie 3.1), der zweite aus der Wunschvorstellung von einem „richtigenVater“ (K. 1.2), der dritte Teil aus einer Aufzählung von Verhaltensweisendes Vaters in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) (K. 2.1.1), der vierte Teil schildert<strong>die</strong> negativen Gefühle der Autorin (K. 1.1.2), der fünfte Teil beinhaltet Vorwürfean den trinkenden Vater (2.1.2) und der sechste Teil mündet schließlich in Appellenzur Abstinenz (3.1).Der Autorin ist es sehr wichtig, daß ihr Vater seine Abhängigkeit überwindet undsich dadurch ändert, so daß er mehr auf seine Tochter eingehen kann: „OhneAlkohol wird es Dir besser gehen. Und ich werde einen richtigen Vater bekommen!“Problematisch an <strong>die</strong>ser Sichtweise ist allerdings, daß <strong>die</strong> Autorin alleHoffnungen nur auf <strong>die</strong> Abstinenz des Vaters setzt und nicht auf sich selbstoder eine andere Lösungsstrategie setzt. Außerdem scheint ihr nicht bewußt zusein, daß nicht alle Probleme automatisch mit der Abstinenz ihres Vaters verschwinden.Statt dessen können noch andere Konflikte auftauchen, <strong>die</strong> durch<strong>die</strong> Abhängigkeit des Vaters zunächst verdeckt waren.5.1.6 Brief 6Die Autorin des 6. Briefes ist eine 21jährige Frau, <strong>die</strong> sehr ausführlich (118Sätze) beschreibt, wie sie <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> Mutter erlebt hat.Folgendermaßen ist der Brief nach Hauptkategorien aufgeteilt:


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 60Hauptkategorien - Brief 630% 30% 1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt4%3 Appellaspekt4 Sachaspekt36%Dieser Brief enthält zu ungefähr gleichen Teilen Selbstoffenbarungsaspekt(30%), Beziehungsaspekt (36%) und Sachaspekt (30%), wohingegen der Appellaspektnur 4% beträgt. An Gefühlen beinhaltet der Brief:Anzahl (n=27) Feinkategorien Gefühle - Brief 6141210864201.1.1.1Freude/Glück1.1.1.2Mitleid/Mitgefühl1.1.1.4 Hoffnung1.1.1.6 Sonst.pos. Gefühle1.1.2.4 Angst1.1.2.5 Hass1.1.2.6Ekel/Abneigung1.1.2.7Respektverlust1.1.2.10 Scham44%7% 11% 11%4% 4% 4% 4% 4% 4% 4%1.1.2.11 Sonst.neg. Gefühle1.1.3AmbivalenteGefühleCa. 26% <strong>die</strong>ser Gefühle sind positiv (rote Säulen), wozu <strong>die</strong> Gefühle Freude/Glück,Mitleid/Mitgefühl und Hoffnung zählen. An negativen Gefühlen (blaueSäulen) enthält der Brief Angst, Hass, Ekel/Abneigung, Respektverlust, Schamund einen hohen Anteil (ca. 44%) sonstiger, d.h. nicht genau einzuordnendernegativer Gefühle. Ein Beispiel dafür ist: „Wenn ich an <strong>die</strong> Wochenenden den-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 61ke, denke ich mit Schrecken zurück.“ Nur ca. 4% der Gefühle sind ambivalent.Die Autorin <strong>die</strong>ses Briefes hat <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> Mutter überwiegendnegativ erlebt. Dies zeigt sich auch darin, daß sie unter dem Beziehungsaspekt(36% der Hauptkategorien) das Verhalten der Mutter in bezug auf ihre Alkoholabhängigkeit(Kategorie 2.1.1.) sehr genau schildert, wie z.B. gegenübereinem Therapeuten: „Als ich dann einen ganz normalen „Sauftag“ von Dir geschilderthabe, hast Du alles abgestritten und gesagt ich wolle Dich zusammenmit dem U. fertigmachen.“ Beschreibungen über <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit derMutter münden oft in Vorwürfen (Kategorie 2.1.2.): „Dir waren <strong>die</strong> Nachbarnegal, alles war egal.“ Die Briefautorin scheint sehr unter der Alkoholabhängigkeitder Mutter gelitten zu haben und hat <strong>die</strong>se Erlebnisse trotz <strong>ihrer</strong> 21 Jahrenoch nicht verarbeiten können. Erst beim Klinikaufenthalt der Mutter schafft sieden Auszug von zuhause (s. neue Adressenbeschreibung im Brief).5.1.7 Brief 7Der 7. Brief wurde von einem Mädchen unbekannten Alters verfaßt, wobei siezwischen 10-13 Jahren alt sein könnte (Schriftbild, Ausdrucksweise etc.). DieserBrief ist sehr kurz (12 Sätze) und läßt sich wie folgt in <strong>die</strong> vier Hauptkategorienunterteilen:Hauptkategorien - Brief 742%25%25%8%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektAuffällig hieran ist, daß der Sachaspekt mit 42% überwiegt, während derSelbstoffenbarungs- und der Appellaspekt jeweils 25% betragen und der Beziehungsaspektnur 8%. Anscheinend scheint das Mädchen nicht genau zu wis-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 62sen, wie es ihr Erleben der Abhängigkeit des Vaters schildern kann, und faßtsich sehr kurz in <strong>ihrer</strong> Schilderung. Folgende Gefühle enthält der Brief:Anzahl (n=3) Feinkategorien Gefühle - Brief 72133% 33% 33%01.1.1.6 Sonst. pos. Gefühle 1.1.2.10 Scham 1.1.2.11 Sonst. neg. GefühleDiese Gefühle sind zu ca. 33% positiv und zu ca. 66% negativ (Scham undsonstige negative Gefühle) und aufgrund der geringen Anzahl (3) nicht besondersaussagekräftig. Die Appellbotschaften des Briefes sind dagegen viel auffälliger,das Mädchen fordert den Vater auf, sich keine Sorgen um sie zu machen:„Du brauchst Dir wirklich keine Sorgen machen, ich komm` sehr gut klar.“ DasMädchen scheint den Vater eher entlasten zu wollen, als ihr Erleben der Suchtausführlich zu schildern. Vater und Tochter scheinen allerdings in einem gutenKontakt zu stehen, denn sie schreiben sich gegenseitig Briefe und tauschensich über Musik aus.5.1.8 Brief 8Die Autorin des 8. Briefes ist eine über 20-jährige Frau (stu<strong>die</strong>rt bereits), <strong>die</strong>sehr ausführlich ihr Erleben der <strong>Suchterkrankung</strong> ihres Vaters schildert (97Sätze). An Hauptkategorien beinhaltet der Brief:Hauptkategorien - Brief 827% 1 Selbstoffenbarungsaspekt0%53%2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt20%4 Sachaspekt


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 63Der Selbstoffenbarungsaspekt überwiegt mit 53%, gefolgt vom Sachaspekt mit27% und vom Beziehungsaspekt mit 20%. Dagegen enthält der Brief keineAppellbotschaften. Die Autorin schildert hauptsächlich ihr persönliches Erlebender Sucht (53% Selbstoffenbarung). An Gefühlen enthält der Brief:Anzahl (n=35) Feinkategorien Gefühle - Brief 8141210864201.1.1.1Freude/Glück1.1.1.2Mitleid/Mitgefühl1.1.1.3 Liebe1.1.1.5Respekt/Akzeptanz17%1.1.1.6 Sonst. pos.Gefühle1.1.2.1 Trauer1.1.2.2 Wut1.1.2.5 Hass1.1.2.6Ekel/Abneigung1.1.2.9 Leid1.1.2.10 Scham34%9% 9%6% 3% 3% 3% 3% 3% 3% 3% 6%1.1.2.11 Sonst.neg. Gefühle1.1.3 AmbivalenteGefühleDieser Brief beinhaltet sehr viele verschiedene Gefühle, wobei <strong>die</strong> negativenGefühle (blaue Säulen) den Hauptteil bilden (ca. 55%). Diese sind unterteilt inTrauer, Wut , Hass, Ekel/Abneigung, Leid, Scham und verschiedene sonstigenegative Gefühle. An positiven Gefühlen (rote Säulen) werden dagegen nurFreude/Glück, Mitleid/Mitgefühl, Liebe, Respekt/Akzeptanz und sonstige genannt(insgesamt ca. 38%). Ambivalente Gefühle machen ca. 9% aus. DieBriefautorin hat also <strong>die</strong> Abhängigkeit ihres Vaters überwiegend negativ erlebt,wobei sie ihr Erleben sehr differenziert und exakt zu schildern weiß (anhand dervielen verschiedenen Gefühlsausdrücke z.B.). Der ganze Brief ist chronologischaufgebaut – von der Erkenntnis, daß der Vater alkoholabhängig ist, bis zumderzeitigen Klinikaufenthalt des Vaters. Auffällig sind außerdem <strong>die</strong> zahlreichenSchilderungen von Kontrollversuchen (insg. 14 Sätze), wo <strong>die</strong> Tochter versuchthat, das Trinkverhalten ihres Vaters zu kontrollieren: „Wenn ich manchmal mit


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 64Dir im Auto gefahren bin und nicht sicher war, ob Du was getrunken hattest,habe ich den Kopf immer an <strong>die</strong> Scheibe gelehnt und <strong>die</strong> Seitenlinie beobachtet.So habe ich geschaut, ob Du Schlangenlinien fährst.“ Es wäre wichtig, <strong>die</strong>seFrau im Hinblick auf Co-Abhängigkeit zu beraten. Sie scheint bereits erste Anzeichen,wie Kontrollversuche, schon entwickelt zu haben. Diese Co-Abhängigkeit könnte sich, unabhängig von der Beziehung zum suchtkrankenVater, weiter fortsetzen, indem <strong>die</strong> Briefautorin z.B. eine Beziehung mit einemsuchtkranken Partner aufbaut (vgl. Rennert 1989, s. Kapitel 5.3.2.1).<strong>Eine</strong> weitere Auffälligkeit des Briefes besteht in der Polarisierung zwischen dembetrunkenem und dem nüchternem <strong>Eltern</strong>teil (7 Sätze insg.). Die Autorin selbstnennt als Kernaussage: „Ich hatte in den letzten 15 Jahren zwei Väter. Dererste richtige Paps ist mir aber eindeutig der liebste, und den anderen möchteich nie mehr wiedersehen!“ Diese Polarisierung ist so stark, daß sie den betrunkenenVater nicht mehr als Vater ansieht, sondern als „Fremden“. Dadurchspricht sie ihrem Vater allerdings auch Verhaltensweisen ab, <strong>die</strong> durchaus zuseiner Persönlichkeit gehören können, <strong>die</strong> er aber nur in betrunkenem Zustandäußern kann.5.1.9 Brief 9Brief 9 wurde von einem 15jährigen Mädchen geschrieben und umfaßt 46 Sätze.Die prozentuale Verteilung der Hauptkategorien sieht folgendermaßen aus:Hauptkategorien - Brief 920%15%2%63%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 Sachaspekt


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 65Der Selbstoffenbarungsaspekt überwiegt in <strong>die</strong>sem Brief mit 63%, gefolgt vomBeziehungsaspekt mit 20% und dem Sachaspekt mit 15%. Der Appellaspektbeträgt nur 2%. Die Verfasserin schreibt in <strong>die</strong>sem Brief hauptsächlich über sichselbst und ihre Gefühle:Anzahl (n=29) Feinkategorien Gefühle - Brief 9141210864201.1.2.1Trauer1.1.2.2 Wut1.1.2.4 Angst1.1.2.5 Hass1.1.2.8Schuld1.1.2.9 Leid45%7% 3% 10% 10% 14% 7% 3%1.1.2.11Sonst. neg.Gefühle1.1.3AmbivalenteGefühleEs fällt auf, daß der Brief überhaupt keine positiven Gefühle aufweist, sondernnur ambivalente (ca. 3%) und negative (ca. 96%). Diese negativen Gefühlenbestehen aus Trauer, Wut , Angst, Hass, Schuld, Leid und sonstigen negativenGefühlen. Die Autorin äußert besonders <strong>die</strong> Schuldfrage: „Immer öfters hörteich dich und Mutter streiten, glaubte es sei meine Schuld und hatte den Wunschzu sterben um für das zu büßen was zwischen Euch schief lief...“ Sie schildert,im Gegensatz zu den anderen Autoren, besonders ihre persönliche Situationund weniger <strong>die</strong> Situation ihres Vaters – der „Du-Aspekt“ umfaßt nur 9 Sätze.Ihre persönliche Situation schildert sie als sehr negativ (keine positiven Gefühle)und äußert drei Mal den Wunsch, sterben zu wollen. Hierbei stellt sich <strong>die</strong>Frage, ob <strong>die</strong>se Äußerungen eher alterstypisch sind oder sie tatsächlich depressivist. Im letzteren Fall wäre eine Therapie dringend erforderlich. Bei <strong>die</strong>semMädchen wird besonders deutlich, inwieweit <strong>Kinder</strong> von der <strong>Suchterkrankung</strong><strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong> betroffen sind (s. Kapitel 2.1.3-2.1.5) und pädagogischer und/oder therapeutischer Hilfe bedürfen.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 66<strong>Eine</strong> weitere Auffälligkeit <strong>die</strong>ses Briefes besteht darin, daß er chronologischaufgebaut ist - in der Kindheit beginnend bis hin zur jetzigen Zeit. Die Autorin istsehr froh über <strong>die</strong> Aufforderung, einen Brief über ihr Erleben der Sucht desVaters zu schreiben: „Als ich vom nassen Brief hörte, dachte ich nur, daß ichauch schreiben wollte, schreiben wollte was mir schon seit Jahren am Herzenliegt.“. Im Brief folgt nach der Abschiedsformel eine genaue Auflistung der Auswirkungen,<strong>die</strong> <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit des Vaters auf <strong>die</strong> Autorin hat. DieseListe reicht von Angst, Essensverweigerung und Fliehen bis zu Sinnlosigkeit.Die Autorin macht allein <strong>die</strong> Abhängigkeit des Vaters dafür verantwortlich undnicht andere soziale oder eigene Persönlichkeits-Faktoren. Problematisch daranist, daß sie zu erlernter Hilflosigkeit und einer geringen Selbstwirksamkeitserwartungneigen könnte, d.h. daß sie sich unkontrollierbaren Einflüssen ausgesetztfühlt und ihr Leben deshalb nicht eigenständig in <strong>die</strong> Hand nimmt (vgl.Forgas 1995, Klein 1998, Kruse & Körkel & Schmalz 2000).5.1.10 Brief 10Autorin des 10. Briefes ist ein 16jähriges Mädchen. Der Brief umfaßt 34 Sätzeund läßt sich folgendermaßen in <strong>die</strong> Hauptkategorien einteilen:12%Hauptkategorien - Brief 100%21%67%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektDer Selbstoffenbarungsaspekt überwiegt mit 67%. Dagegen beträgt der Beziehungsaspektnur 21%, der Sachaspekt 12% und der Appellaspekt ist nichtvorhanden. Die Autorin beschreibt also hauptsächlich ihr eigenes Erleben derSucht der Mutter. Folgende Gefühle werden genannt:


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 67Anzahl (n=22) Feinkategorien Gefühle - Brief 1043214% 14% 14%9% 9% 9%5% 5% 5% 5% 5% 5% 5%101.1.1.1Freude/Glück1.1.1.3 Liebe1.1.1.4 Hoffnung1.1.1.6 Sonst.pos. Gefühle1.1.2.1 Trauer1.1.2.4 Angst1.1.2.5 Hass1.1.2.6Ekel/Abneigung1.1.2.7Respektverlust1.1.2.8 Schuld1.1.2.10 Scham1.1.2.11 Sonst.neg. Gefühle1.1.3 AmbivalenteGefühleDie Gefühle sind zu ca. 38% positiv (rote Säulen), zu ca. 61% negativ (blaueSäulen) und zu ca. 5% ambivalent (grüne Säule). Obwohl <strong>die</strong> Autorin <strong>die</strong><strong>Suchterkrankung</strong> der Mutter überwiegend negativ erlebt hat, ist der Anteil derpositiven Gefühle mit ca. 38% relativ hoch. Diese beziehen sich hauptsächlichauf <strong>die</strong> Hoffnungen, <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Verfasserin des Briefes in bezug auf <strong>die</strong> Therapieder Mutter macht: „Jetzt, wo Du endlich zur Vernunft gekommen bist undeine Therapie machst, bin ich wirklich sehr, sehr dankbar und vor allem glücklich.“Das Mädchen scheint recht optimistisch zu sein, daß <strong>die</strong> Mutter auch nachder Therapie abstinent bleiben wird. Ein weiteres Motiv ist <strong>die</strong> Polarisierungzwischen betrunkener und nüchterner Mutter: „Du bist so intelligent und lieb,wenn Du aber getrunken hattest, hätte man meinen können, dass da ein völliganderer Mensch steht, dem man <strong>die</strong> letzte Intelligenz genommen hatte.“5.1.11 Brief 11Brief 11 wurde von einer 19jährigen Frau geschrieben und hat einen Umfangvon 29 Sätzen.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 68Die prozentuale Verteilung der Hauptkategorien gestaltet sich folgendermaßen:49%7%Hauptkategorien - Brief 113%41%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektDer Beziehungsaspekt beträgt 49%, der Selbstoffenbarungsaspekt 41%, derAppellaspekt 7% und der Sachaspekt 3%. Die Briefautorin schildert hauptsächlichnicht ihr eigenes Erleben der <strong>Suchterkrankung</strong> der Mutter, sondern vielmehr<strong>die</strong> vorhandenen Defizite der Mutter unter Alkohol (Kategorie 2.1.2) und <strong>die</strong>Unterschiede zwischen betrunkenem und nüchternem Zustand der Mutter (Kategorie2.1.3). Folgende Gefühle beinhaltet der Brief:Anzahl (n=12) Feinkategorien Gefühle - Brief 1132117%8% 8% 8% 8% 8% 8% 8% 8% 8% 8%01.1.1.1Freude/Glück1.1.1.3 Liebe1.1.1.5Respekt/Akzeptanz1.1.1.6 Sonst. pos.Gefühle1.1.2.1 Trauer1.1.2.2 Wut1.1.2.5 Hass1.1.2.7Respektverlust1.1.2.8 Schuld1.1.2.11 Sonst.neg. Gefühle1.1.3 AmbivalenteGefühleDer Anteil an positiven Gefühlen ist relativ hoch und beträgt ca. 41%. Zu <strong>die</strong>senpositiven Gefühlen zählen Freude/Glück, Liebe (sogar zweimal genannt), Res-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 69pekt/Akzeptanz und Sonstige. An negativen Gefühlen (ca. 48%) werden Trauer,Wut, Hass, Respektverlust, Schuld und Sonstige genannt. 8% ambivalenteGefühle werden ebenfalls beschrieben. Zunächst könnte aufgrund des hohenAnteils an positiven Gefühlen der Eindruck entstehen, daß <strong>die</strong> Briefautorin <strong>die</strong>Alkoholabhängigkeit der Mutter nicht übermäßig negativ erlebt hat. Diese positivenGefühle beziehen sich allerdings nur auf <strong>die</strong> nüchterne Mutter und <strong>die</strong> negativenGefühle auf <strong>die</strong> betrunkene Mutter. Die Polarisierung zwischen betrunkenemund nüchternem <strong>Eltern</strong>teil (Kategorie 2.1.3) ist in <strong>die</strong>sem Brief sehr starkausgeprägt (10 Sätze von insg. 27 Sätzen). Dabei macht <strong>die</strong> Autorin <strong>die</strong>s nichtnur am Verhalten, sondern auch am Aussehen fest: „Wenn Du betrunken warst,hattest Du ungepflegtes Haar, Deine Augenlider hingen herunter, Du konntestDeinen Blick nicht richtig auf einen Punkt fixieren...“. Auffallend ist nicht nur<strong>die</strong>se Aufzählung, sondern auch <strong>die</strong> zahlreichen Ausrufezeichen. Der ganzeBrief ist in einem eher wütenden Tonfall geschrieben („Du...“). Die Autorin istbesonders aufgebracht über <strong>die</strong> Selbstzerstörung der Mutter: „Stell Dir mal vor,Du müsstest zusehen, wie sich so ein toller Mensch einfach zerstört !!!!!“. Dahersind ihre Schilderungen als Aufforderung an ihre Mutter zu sehen, mit demTrinken aufzuhören. Ihr persönliches Erleben der Sucht der Mutter schildert sieweniger ausführlich (Selbstoffenbarungsaspekt 41%).5.1.12 Brief 12Autorin des 12. Briefes ist ein 13jähriges Mädchen. Der Brief enthält 62 Sätzeund läßt sich folgendermaßen in <strong>die</strong> Hauptkategorien einteilen:Hauptkategorien - Brief 1218% 1 Selbstoffenbarungsaspekt0%2 Beziehungsaspekt23%59%3 Appellaspekt4 Sachaspekt


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 70Mit 59% überwiegt eindeutig der Selbstoffenbarungsaspekt, gefolgt vom Beziehungsaspektmit 23% und dem Sachaspekt mit 19%. Appelle werden im Briefnicht genannt. An Emotionen beinhaltet der Brief:Anzahl (n=37) Feinkategorien Gefühle - Brief 1210864201.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl1.1.1.3 Liebe1.1.1.4 Hoffnung1.1.1.6 Sonst. pos.Gefühle1.1.2.1 Trauer14% 11% 14% 14%1.1.2.2 Wut1.1.2.3Ohnmacht/Verzweiflung1.1.2.5 Hass1.1.2.7 Respektverlust1.1.2.9 Leid1.1.2.10 Scham24%3% 3% 3% 3% 3% 3% 5% 3%1.1.2.11 Sonst. neg.Gefühle1.1.3 AmbivalenteGefühleDieser Brief enthält überwiegend negative Gefühle (ca. 88%) und dagegen nurca. 12% positive und ca. 3% ambivalente Gefühle. An negativen Emotionenwerden Ohnmacht/Verzweiflung, Angst, Hass, Ekel/Abneigung, Leid, Schamund Sonstige genannt. Die positiven Gefühle bestehen aus Mitleid/Mitgefühl,Liebe, Hoffnung und Sonstigen positiven Gefühlen. Das Mädchen beschreibtsehr deutlich ihr persönliches Erleben der <strong>Suchterkrankung</strong> des Vaters und ihrLeid: „Ich war soweit, dass ich mir mit einer Schere den Arm aufgeschnittenhabe.“ Dabei beschönigt sie weder ihr eigenes Verhalten, noch das ihres Vaters:„Als du Mama geschlagen hast, wollte ich dich anschreien, dir in deinbesoffenes Gesicht mit den roten Augen, <strong>die</strong> du immer hast, wenn du betrunkenbist, was für ein Arschloch du doch bist wenn du besoffen bist...“ Sie machtihrem Vater Vorwürfe (insg. 5 Sätze) und polarisiert zwischen betrunkenem undnüchternem Vater (insg. 6 Sätze). Dieser Brief könnte als guter „Aufhänger“benutzt werden, um mit dem Mädchen ihr Erleben der Sucht ihres Vaters auf-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 71zuarbeiten. Sie ist sehr deutlich in der Äußerung <strong>ihrer</strong> Gefühle, kann aber kaumangemessen damit umgehen (selbstzerstörerisches Verhalten, siehe Ritzen derArme). An <strong>die</strong>sem Beispiel wird deutlich, wie wichtig pädagogische oder therapeutischeBegleitung für <strong>Kinder</strong> alkoholabhängiger <strong>Eltern</strong> ist, um schon bestehendeVerhaltensstörungen aufzuarbeiten oder ihre Entstehung zu vermeiden.5.1.13 Brief 13Brief 13 wurde von einem 11jährigen Jungen verfaßt und besteht aus 44 Sätzen.Der Junge ist der Bruder der Autorin von Brief 12. Die prozentuale Verteilungder Hauptkategorien sieht folgendermaßen aus:Hauptkategorien - Brief 1327%16%0%57%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektDer Junge beschreibt hauptsächlich sein eigenes Erleben der Sucht des Vaters(57%). Außerdem schildert er unter der Kategorie Beziehungsaspekt das Verhaltenseines Vaters (27%) und sachliche Aspekte (16%). Dagegen sind imBrief keine Appelle enthalten. An Emotionen beinhaltet der Brief:


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 72Anzahl (n=22) Feinkategorien Gefühle - Brief 1323% 27%765432105% 5% 9% 5% 9%1.1.1.2Mitleid/Mitgefühl1.1.1.3 Liebe1.1.1.6 Sonst.pos. Gefühle1.1.2.1 Trauer1.1.2.2 Wut1.1.2.5 Hass1.1.2.10 Scham18%1.1.2.11 Sonst.neg. GefühleAuch <strong>die</strong>ser Brief besteht hauptsächlich aus negativen Gefühlen (ca. 82%) undnur zu ca. 19% aus positiven Gefühlen. An negativen Emotionen werden Trauer,Wut , Hass, Scham und Sonstige genannt, wobei besonders häufig Trauer(ca. 23%) und Wut (ca. 27%) geschildert werden. Zu den positiven Gefühlengehören Mitleid/Mitgefühl, Liebe und sonstige positive Gefühle. Der Autor hat<strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> seines Vaters überwiegend negativ erlebt. Auffällig ist,daß er seinen Vater erst am Ende des Briefes anredet und sonst nur über ihnschreibt: „ Papa bemitleidete sich selbst.“ Dies wurde nicht in <strong>die</strong> Kategorie„Fremdheit“ (2.2.1) eingeordnet, da der Autor erst 11 Jahre alt ist und somitnicht mit der üblichen Briefform – im Gegensatz zu seiner Schwester- vertrautsein kann. Der Junge schreibt eher eine Darstellung, wie er <strong>die</strong> Abhängigkeitseines Vaters gesehen und erlebt hat, als einen Brief. Daß <strong>die</strong> Beziehung zwischenVater und Sohn nicht allzu sehr durch Fremdheit gekennzeichnet seinkann, wird darin deutlich, daß der Sohn über seinen Vater als „Papa“ schreibt.Der Junge scheint Probleme zu haben, seine Gefühle offen auszudrücken: erweint „innerlich“ und schimpft „innerlich“ über seinen Vater. Diese Verhaltensweisensind eher problematisch und sollten pädagogisch aufgearbeitet werden.An den Schilderungen des Jungen wird deutlich, wie sehr <strong>die</strong> ganze Familie mitder Alkoholabhängigkeit eines Familienmitglieds beschäftigt ist und wie wenig


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 73Unterstützung <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> erfahren. Der Autor schreibt über abendliche Streitereienseiner <strong>Eltern</strong> und daß er und seine Schwester sich abwechselten, sie zuberuhigen oder zu schimpfen. Es wird eine Umkehrung der <strong>Eltern</strong>-Kind-Rollenbeschrieben, obwohl <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> erst 11 und 13 Jahre alt sind. Daraus wird ersichtlich,wie sehr <strong>Kinder</strong> Suchtkranker Unterstützung brauchen, da sie <strong>die</strong>senicht von <strong>ihrer</strong> Familie bekommen, sondern eher <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> unterstützen.5.2 Diskussion des KategoriensystemsBevor <strong>die</strong> Gesamtergebnisse der Stu<strong>die</strong> untersucht werden, soll hier zunächstdas Kategoriensystem (s. Kapitel 4.4) diskutiert werden. Die HauptkategorienSelbstoffenbarungsaspekt, Beziehungsaspekt, Appellaspekt und Sachaspektwurden von Schulz von Thuns (1993) Kommunikationsquadrat abgeleitet (s.Kapitel 2.3.2 + 2.3.3). Die weiteren Kategorien wurden durch einen mehrmaligenMaterialdurchgang gebildet.Der Sachaspekt wurde nicht weiter unterteilt und umfaßt überwiegend irrelevanteAspekte, wie Zeitangaben oder Informationen über Dritte. Im Rahmen<strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> können <strong>die</strong>se Angaben nicht weiter verwendet werden. (s. Kapitel4.4)Auch Schulz von Thun (1993) mißt <strong>die</strong>ser Kategorie wenig Bedeutung bei, dasie psychologisch nicht relevant ist.Die Unterteilung des Appellaspekts in <strong>die</strong> Unterkategorien „Abstinenz“ und„Sonstige“ scheint sehr logisch zu sein (s. Kapitel 4.4). Es wäre zu erwarten,daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> ihre <strong>Eltern</strong> in der Therapie motivieren wollten, abstinent zu bleiben(Unterkategorie „Abstinenz“).Die Unterkategorien „Du-Aspekt“ und „Wir-Aspekt“ (s. Kapitel 2.3.2. + 2.3.3) desBeziehungsaspekts wurden von Schulz von Thun (1993) übernommen. Beim„Du-Aspekt“ kristallisierten sich folgende Feinkategorien heraus: „Verhalten in


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 74bezug auf Alkohol(abhängigkeit)“, „Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol“ und„Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil“. Hieran isterstaunlich, daß sich <strong>die</strong>se Feinkategorien immer auf <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeitder Mutter/ des Vaters beziehen. Für <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> scheint der Alkohol eine sogroße Rolle in bezug auf ihre Mutter/ ihren Vater einzunehmen, daß sie sie/ ihnnicht mehr losgelöst vom Alkohol wahrnehmen können. Daher beschreiben sieVerhaltensweisen des <strong>Eltern</strong>teils unter Alkoholeinfluß bzw. durch <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeitbedingt, <strong>die</strong> teilweise in expliziten und impliziten Vorwürfen(Soll-Ist-Normabweichung des Verhaltens) münden. Die Unterscheidung zwischen<strong>die</strong>sen beiden Kategorien ist fein. Allerdings ist sie notwendig um aufzuzeigen,daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> nicht immer nur <strong>die</strong> Verhaltensweisen des Vaters inbezug auf Alkohol(abhängigkeit) sachlich beschreiben, sondern auch (negativ)bewerten. Bemerkenswert ist auch, daß <strong>die</strong> Feinkategorie „Polarisierung zwischenbetrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil“ gebildet wurde. Tatsächlichschildern <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> sogar explizit, daß sie zwei Väter bzw. Mütter erlebt haben:eine(n) nüchterne(n) und eine(n) betrunkene(n) (vgl. Rennert 1989, Zobel 1998,2000).Der „Wir-Aspekt“ wurde in nur zwei Feinkategorien untergliedert, in: „Fremdheit“und „Gemeinsamkeit“. Diese Kategorien bilden das Distanz-Nähe-Verhältniszwischen Vater/ Mutter und Kind ab. Weitere explizite Aussagen über <strong>die</strong> Beziehungwurden nicht gemacht und konnten daher nicht kategorienmäßig erfaßtwerden.Der Selbstoffenbarungsaspekt umfaßt <strong>die</strong> meisten und präzisesten UnterundFeinkategorien. Als Unterkategorien wurden „Gefühle“,„Wunsch(vorstellung)“ und „Kontrollversuche“ gebildet. Die beiden letzterenwurden nicht in weitere Feinkategorien unterteilt. (s. Kapitel 4.4)Interessant ist besonders <strong>die</strong> Kategorie „Kontrollversuche“. Die <strong>Kinder</strong> beschreiben,wie sie das Trinkverhalten des betroffenen <strong>Eltern</strong>teils kontrollieren,wobei Kontrolle im Sinne von Überprüfen und Manipulieren des Abhängigen zuverstehen ist. Diese Kontrollversuche sind typisch für das Suchtsystem Familie,


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 75wobei sie eher dem nicht-abhängigen <strong>Eltern</strong>teil zugerechnet werden und einZeichen von Co-Abhängigkeit sind. Besonders <strong>die</strong> Töchter Suchtkranker sindgefährdet, <strong>die</strong> Co-Abhängigkeit auch nach Ablösung vom <strong>Eltern</strong>haus aufrechtzuerhalten,indem sie z.B. einen alkoholabhängigen Partner wählen. (vgl. Black1988, Kruse & Körkel & Schmalz 2000)Logisch und nachvollziehbar ist <strong>die</strong> Unterteilung der Unterkategorie „Gefühle“in <strong>die</strong> Feinkategorien „positive Gefühle“, „negative Gefühle“ und „ambivalenteGefühle“ (s. Kapitel 4.4).<strong>Wie</strong> nicht anders zu erwarten, beschreiben <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> mehr negative als positiveGefühle in bezug auf <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> der <strong>Eltern</strong>. Die Kategorie „positiveGefühle“ wurde in 6 Feinkategorien unterteilt, wohingegen <strong>die</strong> Kategorie„negative Gefühle“ in 11 Feinkategorien unterteilt wurde. Die Feinkategorien derGefühle wurden definiert als „Trauer“, „Wut“, „Ohnmacht/Verzweiflung“, „Angst“,„Hass“, „Ekel/Abneigung“, „Respektverlust“, „Schuld“, „Leid“, „Scham“ und„Sonstige negative Gefühle“ (s. Kapitel 4.4).Black (1988) stellte <strong>die</strong> Gefühle Weinen, Angst, Wut, Schuldgefühle als typischfür <strong>Kinder</strong> Suchtkranker dar. Arenz-Greiving (1998) ergänzte <strong>die</strong>se Auflistungum das Gefühl der Scham (s. Kapitel 2.1.3). Diese Beschreibung der negativenGefühle der <strong>Kinder</strong> von suchtkranken <strong>Eltern</strong> konnte anhand des Kategoriensystemsbestätigt werden. Durch <strong>die</strong> Kategorie „ambivalente Gefühle“ konntenambivalente Haltungen Angehöriger bestätigt werden (vgl. Klein 1998, Kruse etal. 2000). Insgesamt ist sehr auffällig, wie viele Feinkategorien zur Unterkategorie„Gefühle“ gebildet wurden. Dadurch wird deutlich, wie sehr <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> inihren Schilderungen Wert auf den differenzierten Ausdruck <strong>ihrer</strong> Gefühle legen.5.3 Auswertung der Briefe insgesamtNach der Diskussion des Kategoriensystems sollen nun <strong>die</strong> Briefe insgesamtausgewertet werden.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 765.3.1 Auswertung der HauptkategorienDie Verteilung der Hauptkategorien in allen Briefen sieht folgendermaßen aus:Hauptkategorien - Briefe insgesamt21%5%30%44%1 Selbstoffenbarungsaspekt2 Beziehungsaspekt3 Appellaspekt4 SachaspektDie Briefe beinhalten 44% Selbstoffenbarungsaspekt, 30% Beziehungsaspekt,5% Appellaspekt und 21% Sachaspekt. Dies bedeutet, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> in ihremErleben der Sucht hauptsächlich eigene Gefühle und Gedanken schildern. Bei 8Briefen beträgt der Anteil des Selbstoffenbarungsaspekts sogar über 50%.Diese <strong>Kinder</strong> scheinen den Brief als Kommunikationsmittel für ihre eigenenGefühle und Gedanken zu nutzen (s. Kapitel 2.2.1).Der Beziehungsaspekt umfaßt 30% des Inhalts aller Briefe. Besonders <strong>die</strong>Briefe 4, 6 und 11 thematisieren <strong>die</strong> Beziehung zwischen Kind und dem alkoholabhängigen<strong>Eltern</strong>teil bzw. das Verhalten des <strong>Eltern</strong>teils.Obwohl <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> der <strong>Eltern</strong> sehr negativ schildern, umfaßtder Appellaspekt nur 5%. Knapp <strong>die</strong> Hälfte der Briefe enthalten überhauptkeine Appellbotschaften (Briefe 2,3,8,10,12,13). Die <strong>Kinder</strong> scheinenzu sehr enttäuscht zu sein vom Verhalten der <strong>Eltern</strong> und nicht gehaltenen Versprechen(z.B. Brief 3), so daß sie keine Erwartungen mehr an ihre <strong>Eltern</strong> stellen.Die Briefe 1, 5 und 7 enthalten <strong>die</strong> meisten Appellbotschaften. Besonders<strong>die</strong> Briefe 5 und 11 haben durch auffallend viele Ausrufezeichen Appellcharakter.Brief 5 hat eine spezielle Struktur, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Appelle in den Mittelpunkt stelltbzw. <strong>die</strong> alle Sätze in Appelle münden läßt (s. Kapitel 5.1.5).


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 77Der Sachaspekt stellt 21% des Gesamtinhalts aller Briefe dar. Nur Brief 7 enthälthauptsächlich (42%) Sachbotschaften. Dies scheint nicht Ausdruck voneiner besonderen Distanz zum Vater oder zu den eigenen Gefühlen zu sein,sondern eher am Alter (wahrscheinlich zwischen 10 und 13 Jahre) zu liegen.5.3.2 Auswertung der FeinkategorienDie Verteilung der Feinkategorien in den Briefen insgesamt sieht folgendermaßenaus:


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 78Anzahl (n=633)Auswertung Briefe insgesamt140135130125120115110105100959085807570656055504540353025201510501.1.1.1 Freude/Glück1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl1.1.1.3 Liebe1.1.1.4 Hoffnung1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz1.1.1.6 Sonst. pos. Gefühle1.1.2.1 Trauer1.1.2.2 Wut1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung1.1.2.4 Angst1.1.2.5 Hass1.1.2.6 Ekel/Abneigung1.1.2.7 Respektverlust1.1.2.8 Schuld1.1.2.9 Leid1.1.2.10 Scham1.1.2.11 Sonst. neg. Gefühle1.1.3 Ambivalente Gefühle1.2 Wunschvorstellung1.3 Kontrollversuche2.1.1 Verhalten in bezug auf Alk.abhäng.2.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol2.1.3 Polar. zw. betrunk.und nücht. <strong>Eltern</strong>t.2.2.1 Fremdheit2.2.2 Gemeinsamkeit3.1 Abstinenz3.2 Sonstige4 Sachaspekt


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 795.3.2.1 Feinkategorien des SelbstoffenbarungsaspektsAn positiven Gefühlen (Kategorien 1.1.1.1 – 1.1.1.6) haben <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> hauptsächlichFreude/Glück, Hoffnung und Sonstige positive Gefühle genannt. Besondersdas Motiv der Hoffnung, daß sich durch <strong>die</strong> Therapie des Vaters oderder Mutter <strong>die</strong> familiäre Situation zum Besseren wendet, wird in den Briefenbeschrieben. Die Briefe 2, 4 und 9 beinhalten überhaupt keine positiven Gefühle– <strong>die</strong>se <strong>Kinder</strong> scheinen nur negative Erlebnisse in bezug auf ihren Vater/ihre Mutter und dessen/ deren Alkoholkrankheit zu haben. Besonders <strong>die</strong> Autorinvon Brief 9 scheint depressive Symptome zu zeigen und sollte therapeutischbehandelt werden. Die negativen Gefühle (Kategorien 1.1.2.1 – 1.1.2.11)überwiegen eindeutig gegenüber den positiven Gefühlen: 182 Einheiten gegenüber52 Einheiten. Dies zeigt, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>sehr negativ erlebt haben und sie <strong>die</strong>s anhand differenzierter Gefühlsausdrückeauszudrücken wissen. Blacks (1988) These, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> Suchtkranker <strong>die</strong>Axiome „Rede nicht! Traue nicht! Fühle nicht!“ verinnerlicht haben, konnte in<strong>die</strong>ser Untersuchung nicht bestätigt werden. Allerdings wurden <strong>die</strong>se <strong>Kinder</strong>auch explizit aufgefordert, ihre Erlebnisse und Gefühle zu schildern. Auch beiden negativen Gefühlen ist <strong>die</strong> Kategorie „Sonstige“ (1.1.2.11) sehr häufig (70Einheiten) vertreten (s. Kapitel 6).Auffällig oft ist <strong>die</strong> Kategorie „Hass“ (1.1.2.5) bei den negativen Gefühlen vertreten:insgesamt 23 Mal. Dies zeigt <strong>die</strong> besondere Intensität der Gefühle <strong>Kinder</strong>Suchtkranker auf; Hass ist ein sehr starkes Gefühl. Dabei richtet sich <strong>die</strong>serHass gegen den Alkohol und gegen bestimmte Verhaltensweisen des betroffenen<strong>Eltern</strong>teils unter Alkoholeinfluß, meist nicht gegen den Vater oder <strong>die</strong> Mutterim Allgemeinen. Beim Lesen der Briefe entstand der Eindruck, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>endlich ihre aufgestauten Gefühle äußern konnten und daher sehr drastischin ihren Schilderungen waren. An weiteren negativen Gefühlen wurden häufigWut (Kategorie 1.1.2.2) und Trauer (1.1.2.1) genannt, gefolgt von Scham(1.1.2.10), Angst (1.1.2.4) und Leid (1.1.2.). Damit konnte <strong>die</strong> Auflistung dernegativen Gefühle, <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> Suchtkranker empfinden, von Black (1988) undArenz-Greiving (1998) bestätigt werden. Allerdings war in <strong>die</strong>sen Briefen das


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 80Gefühl Hass sehr deutlich geschildert, wohingegen <strong>die</strong> Schuldfrage kaum thematisiertwurde. Nur in den Briefen 9, 10 und 11 wurde über Schuld gesprochenund nur in Brief 9 schildert <strong>die</strong> Verfasserin, daß sie sich für den Alkoholismusdes Vaters schuldig gefühlt hatte.Ambivalente Gefühle wurden ebenfalls von den <strong>Kinder</strong>n geschildert, wobei <strong>die</strong>Kategorie „Ambivalente Gefühle“ (1.1.3) nur <strong>die</strong> explizit genannten ambivalentenGefühle aufzeigt. <strong>Eine</strong> ambivalente Haltung zeigt sich auch unter der Kategorie„Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil“ (2.1.3).Unter <strong>die</strong>ser Kategorie schildern <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> z.B., daß sie ihre nüchternen <strong>Eltern</strong>lieben, aber ihre betrunkenen <strong>Eltern</strong> ablehnen (z.B. Brief 8). Diese Ambivalenzzeigt sich auch, wenn <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> erst sehr negative Gefühle gegenüber dembetroffenen <strong>Eltern</strong>teil schildern und später aber ihre Liebe zu ihm zum Ausdruckbringen. In fast allen Briefen findet sich <strong>die</strong>ses Verhalten, das auch Klein (2000)und Arenz-Greiving (1998) beschrieben.Die Schilderung der Gefühle macht in allen Briefen einen hohen Anteil, insgesamtknapp 40% aus, was auf <strong>die</strong> hohe Bedeutung <strong>die</strong>ser Unterkategorie hinweist.Zum Selbstoffenbarungsaspekt (rote Säulen) gehören außer den Gefühlennoch <strong>die</strong> Kategorien „Wunschvorstellung“ und „Kontrollversuche“. Wünsche undWunschvorstellungen werden nur in den Briefen 5, 6 und 8 geschildert. Besondersin Brief 5 schildert <strong>die</strong> Autorin ihre Sehnsucht nach einem „richtigen Vater“,der auf ihre Bedürfnisse eingeht und sich um sie kümmert. Es wird deutlich,inwieweit <strong>die</strong>s nicht in der Vergangenheit, in den „nassen Phasen“ erfüllt wordenist. <strong>Eine</strong> Hoffnung auf Veränderung richtet sich bei <strong>die</strong>sen Wunschvorstellungenimmer auf <strong>die</strong> Abstinenz des betroffenen <strong>Eltern</strong>teils. Damit richten sichauch <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> nach dem Alkoholkonsum des Vaters oder der Mutter undsehen nicht, daß sie selbst Veränderungen in der Familie bewirken könnten,abgesehen vom Trinkverhalten des betroffenen <strong>Eltern</strong>teils. Dieses Trinkverhaltenwird meist in den Mittelpunkt der Familie gestellt und andere Dinge, wie


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 81gemeinsame Familienunternehmungen, werden deswegen zurückgestellt (vgl.Kruse et al. 2000). Allerdings verdeutlichen auch <strong>die</strong>se Beschreibungen, wiedas abhängige Trinkverhalten <strong>die</strong> Energien des Betroffenen an den Alkoholbindet und er weniger Interessen nachgehen kann bzw. weniger auf andereMenschen eingehen kann (vgl. Zobel 1998). Die Sehnsucht der <strong>Kinder</strong> nacheinem „richtigen Vater“, auch wenn sie überhöht erscheinen mag, ist unter<strong>die</strong>sem Aspekt gesehen sehr verständlich.Die Kategorie „Kontrollversuche“ (1.3) wurde in allen Briefen insgesamt 25 Malgeschildert, insbesondere in den Briefen 5, 6 und 8. Bei „Kontrollversuchen“haben <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> bereits das Verhaltensmuster erlernt, <strong>die</strong> Trinkgewohnheitendes Vater oder der Mutter zu überprüfen und durch heimliches Ausschütten vonalkoholischen Getränken zu manipulieren (vgl. Kruse et al. 2000, Black 1988).Allerdings helfen <strong>die</strong>se Verhaltensmuster weder dem Alkoholiker, der <strong>die</strong> Verantwortungfür sein Leben und seinen Alkoholkonsum selbst übernehmen muß,noch den <strong>Kinder</strong>n. Sie können trotz größter Anstrengungen den Alkoholikernicht davon abbringen zu trinken. Wenn sie viel Kraft und Energie darauf verwenden,das Trinkverhalten eines anderen zu kontrollieren, werden sie selbstabhängig – vom Alkoholiker. Dieses Verhalten wird als Co-Abhängigkeit bezeichnet.(vgl. Aßfalg 1993, Kruse et al. 2000, Rennert 1989) Mit <strong>die</strong>sem Verhaltensmusterschaden <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> sich selbst, da sie sich von jemand anderemabhängig machen und nicht ihr eigenes Leben leben können. Um einer Co-Abhängigkeit vorzubeugen, <strong>die</strong> sich in den Briefen unter der Kategorie „Kontrollversuche“schon andeutet, sollten <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> pädagogisch und/ oder therapeutischunterstützt werden. Oftmals wissen <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> nicht, wie sie sich angemessengegenüber dem abhängigen <strong>Eltern</strong>teil verhalten sollen, und brauchenUnterstützung. Der nicht-abhängige <strong>Eltern</strong>teil ist oft selbst co-abhängigund kann den <strong>Kinder</strong>n nicht helfen. Daher wäre fachliche Unterstützung dringenderforderlich.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 825.3.2.2 Feinkategorien des BeziehungsaspektsVerhaltensweisen des betroffenen <strong>Eltern</strong>teils unter Alkohol bzw. durch <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeitbedingt werden unter der Kategorie 2.1.1 beschrieben. DieseKategorie umfaßt <strong>die</strong> hohe Anzahl von 73 Aussageeinheiten in den Briefeninsgesamt und ist in nahezu allen Briefen enthalten. Die einzige Ausnahmebildet Brief 11, der allerdings ähnliche Kategorien (2.1.2 und 2.1.3) beinhaltet.Die <strong>Kinder</strong> nutzen <strong>die</strong> Gelegenheit, einen Brief über <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong><strong>Eltern</strong> zu schreiben, um genau zu beschreiben, wie ihre <strong>Eltern</strong> sich unter Alkoholverhalten haben. Diese Beschreibungen sind sehr genau und beschönigennichts. In einigen Fällen schildern <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> besonders schlimme Erlebnisse(z.B. Briefe 2 und 5), andere erzählen mehr von der alltäglichen Situation zuhause(z.B. Brief 8). Durch <strong>die</strong>se Schilderungen versuchen <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> deutlichzu machen, wie sehr sie unter der Alkoholabhängigkeit des betroffenen <strong>Eltern</strong>teilsgelitten haben und wie negativ der Alkoholismus <strong>die</strong> gesamte familiäreSituation geprägt hat. Einige <strong>die</strong>ser Darstellungen sind für einen außenstehendenLeser sehr schockierend, da sie sehr drastisch <strong>die</strong> familiäre Situation wiedergeben.Teilweise münden <strong>die</strong>se Verhaltensbeschreibungen des Alkoholikers/der Alkoholikerin in Vorwürfen (Kategorie 2.1.2). Unter der Kategorie „Polarisierungzwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil“ sind teilweiseauch Verhaltensbeschreibungen des betroffenen <strong>Eltern</strong>teils wiedergegeben,allerdings in starker Abgrenzung zu Verhaltensweisen des <strong>Eltern</strong>teils in nüchternemZustand.Der „Du-Aspekt“ (Kategorien 2.1.1 – 2.1.3) des Beziehungsaspekts (grüneSäulen) umfaßt insgesamt 166 Einheiten, was 30% des Gesamtinhalts allerBriefe entspricht. Es scheint den <strong>Kinder</strong>n sehr wichtig zu sein, ihren <strong>Eltern</strong> zuspiegeln, wie sie sich unter oder ohne Alkohol verhalten haben, welche Defizitesie gezeigt haben etc. Eventuell hatten sie bis dato keine Gelegenheit, ihren<strong>Eltern</strong> aufzuzeigen, wie sie sich unter Alkoholeinfluß verhalten haben. Diesewaren wahrscheinlich meistens zu betrunken, um ihren <strong>Kinder</strong>n angemessenzuhören zu können, bzw. wollten das Thema aufgrund eigener Schuldgefühlenicht ansprechen (vgl. Kruse et al. 2000).


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 83Um das Thema Schuld geht es in der Kategorie „Vorwurf/ vorhandene Defiziteunter Alkohol“, <strong>die</strong> insgesamt 62 Aussageeinheiten umfaßt. Unter <strong>die</strong>sem Punktbeschreiben <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> nicht einfach nur <strong>die</strong> Verhaltensweisen <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong> unterAlkoholeinfluß, sondern bewerten sie, indem sie <strong>die</strong> Soll-Ist-Abweichung desVerhaltens feststellen. Oft sind <strong>die</strong> Aussagen der <strong>Kinder</strong> sehr emotional geprägt,da sie sehr oft enttäuscht wurden. Gebrochene Versprechen sind einMerkmal Alkoholabhängiger, wodurch <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> keinen zuverlässigen Vaterbzw. keine zuverlässige Mutter <strong>erleben</strong>, sondern oft auf sich selbst gestellt sind(vgl. Black 1988, Arenz-Greiving 1998). Den <strong>Kinder</strong>n sollte erklärt werden,welche Auswirkungen <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit hat und wie sich dadurch auchihre <strong>Eltern</strong> verändert haben. Es ist zwar wichtig, dem Alkoholiker seine Verhaltensweisenund Verhaltensdefizite zu spiegeln, <strong>die</strong> teilweise wirklich frappierendsind, aber es darf sich dadurch keine Bitterkeit bei den <strong>Kinder</strong>n bilden. Auchunter <strong>die</strong>sem Aspekt wäre es wichtig, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> fachliche Unterstützungbekommen, um ihre Gefühle angemessen auszudrücken zu lernen, aufzuarbeitenund keine Bitterkeit zu entwickeln.Unter der Kategorie „Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem<strong>Eltern</strong>teil“ (2.1.3), <strong>die</strong> insgesamt 31 Aussageeinheiten umfaßt, schildern <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> das unterschiedliche Verhalten des Alkoholikers mit und ohne Alkohol. Ininsgesamt 8 Briefen polarisieren <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> zwischen betrunkenem und nüchternem<strong>Eltern</strong>teil, wobei <strong>die</strong>s natürlich auch <strong>die</strong> Erfahrung voraussetzt, daß <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> den betroffenen <strong>Eltern</strong>teil auch nüchtern <strong>erleben</strong> konnten. Dieses unterschiedlicheVerhalten, das der Alkoholiker in nüchternem und betrunkenemZustand aufweist, wird in der Fachliteratur als „Dr. Jekyll and Mr. Hyde – Phänomen“beschrieben (vgl. Black 1988, Rennert 1989, Zobel 1998, s. Kapitel4.4). Es handelt sich hierbei um eine Persönlichkeitsveränderung unter Alkoholeinfluß,<strong>die</strong> für Außenstehende, wie z.B. <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>, sehr erschreckend wirkenkann. Aus dem lieben Vater, der noch nüchtern ist, wird im betrunkenenZustand im schlimmsten Fall ein aggressiver Täter (s. Brief 13). Oft könnenAlkoholiker negative Gefühle und Verhaltensweisen, <strong>die</strong> ihre Umwelt als unangemessenbeurteilt, nur im betrunkenen Zustand äußern. Einige müssen in der


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 84Therapie z.B. lernen, auch „Nein“ sagen zu können. Daher scheinen sie imnüchternen Zustand „vorbildlich nett“ (Brief 13) und liebenswürdig (Brief 10) zusein – im Gegensatz zum betrunkenen Zustand. Für <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> müssen <strong>die</strong>seVerhaltensweisen weit auseinander klaffen, und sie versuchen <strong>die</strong>s zu verarbeiten,indem sie den betrunkenen Vater oder <strong>die</strong> betrunkene Mutter ablehnen undnur noch den nüchternen <strong>Eltern</strong>teil, den „richtigen“ <strong>Eltern</strong>teil, wiedersehenmöchten (z.B. Brief 8). Dabei müßten sowohl <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> als auch <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong>lernen, daß ein Mensch nicht nur „gut“ oder „böse“ ist, sondern beides in sichvereint und trotz negativer Charakterseiten liebenswürdig sein kann. DiesesZiel sollte nicht nur durch eine mögliche Abstinenz des betroffenen <strong>Eltern</strong>teilsangestrebt werden. Hierbei wird auch deutlich, daß durch eine Abstinenz nichtautomatisch alle Probleme beseitigt sind, sondern neue Konflikte auftreten undbewältigt werden müssen. Nicht nur <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> sollten dabei unterstützt werden,sondern auch <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>.Der Beziehungsaspekt besteht nicht nur aus dem „Du-Aspekt“, sondern auchaus dem „Wir-Aspekt“ (Kategorien 2.2.1 + 2.2.2). Dieser umfaßt <strong>die</strong> Kategorien„Fremdheit“ (2.2.1) und „Gemeinsamkeit“ (2.2.2) und besteht nur aus insgesamt21 Aussageeinheiten. Die Feinkategorie „Gemeinsamkeit“ wurde insgesamtsogar nur 3 Mal genannt, wohingegen <strong>die</strong> Feinkategorie „Fremdheit“ 18 Malgenannt wurde. Dies verdeutlicht, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> kaum eine gemeinsame Basis,eine „Wir-Ebene“ mit den abhängigen <strong>Eltern</strong> haben. Stattdessen ziehen sieeine starke Trennlinie zwischen sich und dem jeweiligen <strong>Eltern</strong>teil, wobei <strong>die</strong>seTrennung durch den Alkohol bedingt sein kann. Das <strong>Eltern</strong>-Kind-Verhältnisscheint sehr stark beeinträchtigt zu sein, da der Alkoholiker in seinem Verhaltenextrem unzuverlässig ist und das Kind ihm kaum vertrauen kann. <strong>Wie</strong> <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>unter der Kategorie 2.1.2 beschrieben haben, verhält sich der betroffene<strong>Eltern</strong>teil unter Alkohol oder ohne Alkohol komplett unterschiedlich. Daher istein Vertrauensverhältnis zwischen Vater/ Mutter und Kind sehr schwierig, dasich <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> nicht auf ihn/ sie verlassen können, wie am Beispiel gebrochenerVersprechen deutlich wird (Briefe 3 und 10 z.B.). <strong>Eine</strong> besonders starkeDistanz hat <strong>die</strong> Autorin von 4 aufgebaut, da sie ihren Vater erst am Ende des


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 85Briefes mit „Du“ anredet und sonst über ihn in der 3. Person Singular schreibt.Allerdings schreibt sie in zwei Aussageeinheiten „wir“, was ein Zeichen vonAmbivalenz darstellt und zeigt, daß <strong>die</strong> Beziehung zum Vater nicht nur vonDistanz gekennzeichnet ist. Für <strong>die</strong> Gesamtstatistik bedeutet <strong>die</strong>s, daß in nureinem anderen Brief (Brief 8) <strong>die</strong> Kategorie „Gemeinsamkeit“ vorkommt. DieDistanz der <strong>Kinder</strong> zum Vater oder zur Mutter wird auch daran deutlich, daß sieihn oder sie im betrunkenen Zustand als „Fremden“ beschreiben (z.B. in Brief 8)bzw. ihn als den nicht „richtigen“ Vater ansehen (Brief 5). Das <strong>Eltern</strong>-Kind-Verhältnis scheint bei vielen Briefautoren sehr problematisch zu sein, und sollteoder könnte in einer Familientherapie besprochen werden.5.3.2.3 Feinkategorien des AppellaspektsDer Appellaspekt (gelbe Säulen) beträgt insgesamt nur 29 Einheiten, wobei <strong>die</strong>meisten Appelle (22 Einheiten) auf <strong>die</strong> Kategorie „Abstinenz“ entfallen. Dies isteine erstaunlich geringe Anzahl, da man erwarten könnte, daß viele <strong>Kinder</strong> ihre<strong>Eltern</strong> zu deren Therapie und Abstinenz motivieren wollen. Außerdem wurde inallen Briefen deutlich zum Ausdruck gebracht, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong>sehr negativ und als große Belastung erlebt haben. Nur 6 der 13 Briefeenthalten einen oder mehrere Appelle zur Abstinenz. Dies mag daran liegen,daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> vom alkoholabhängigen <strong>Eltern</strong>teil zu oft enttäuscht worden sindund auch der jetzigen Therapie eher skeptisch gegenüberstehen (z.B. Brief 9).Ein anderer Grund könnte <strong>die</strong> Angst vor Veränderungen sein, ein Festhalten am„Jetztzustand“ (vgl. Arenz-Greiving 1998, Kruse et al. 2000). Veränderungenkönnten das empfindliche Familiengleichgewicht zerstören (s. Kapitel 2.1.3) undlösen somit Angst und Skepsis aus. Zum einen wünschen sich <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong>Abstinenz des betroffenen <strong>Eltern</strong>teils, zum anderen wissen sie dann allerdingsnicht, welche Veränderungen in der Familie <strong>die</strong> Abstinenz auslöst.Die Anzahl der sonstigen Appelle (Kategorie 3.2) beträgt nur 7 Aussageeinheiten.Diese Appelle beziehen sich meistens darauf, daß der Vater oder <strong>die</strong> Muttersich keine Sorgen um das Kind zu machen braucht, da das Kind alleinezurecht kommt (Brief 7). Hieran wird deutlich, wie sich teilweise das <strong>Eltern</strong>-Kind-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 86Verhältnis umgedreht hat, daß sich <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> um <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> kümmern und nicht<strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> um <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> (z.B. Briefe 7 und 13). Diese Verhaltensmuster werdenmeist dem „Helden“ dem ältesten und am meisten verantwortungsbewußtenKind zugeordnet, das sich um alle anderen Familienmitglieder kümmert unddafür seine eigenen Bedürfnisse vernachlässigt (s. Kapitel 2.1.4). Dieses Verhaltenwird dann problematisch, wenn der Held sehr starr an seiner Rolle festhältund keine kindlichen Verhaltensweisen mehr zeigen kann.5.3.2.4 Feinkategorien des SachaspektsDer Sachaspekt (blaue Säulen) wurde im Rahmen <strong>die</strong>ser Diplomarbeit nicht inweitere Unter- oder Feinkategorien unterteilt. Viele Sachaussagen, wie z.B.Orts- oder Zeitangaben, sind psychologisch nicht relevant. Aussagen überDritte, wie z.B. über <strong>die</strong> nicht-abhängige Mutter oder den Großvater, sind unterder Kategorie „Sachaspekt“ eingeordnet worden. In einer weiteren Untersuchung,<strong>die</strong> nicht nur das Erleben der <strong>Kinder</strong> umfaßt, könnte <strong>die</strong>ser Aspekt weitererforscht werden.5.4 Gesamtauswertung der BriefeDie Briefe sind insgesamt zwar sehr unterschiedlich und individuell geprägt (s.Kapitel 5.1), weisen aber untereinander viele Gemeinsamkeiten auf. Sie beinhaltenhauptsächlich Selbstoffenbarungs- und Beziehungsaspekt, wobei <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> hauptsächlich ihre eigenen Gefühle und Verhaltensweisen des abhängigen<strong>Eltern</strong>teils darstellen. Die <strong>Kinder</strong> haben dadurch tatsächlich <strong>die</strong> Frage nachihrem Erleben der Sucht der <strong>Eltern</strong> beantwortet. Besonders auffällig war, daßbestimmte Effekte, <strong>die</strong> in der Fachliteratur beschrieben wurden (z.B. Kruse etal. 2000), in der Untersuchung bestätigt werden konnten. Dazu zählen <strong>die</strong> Auflistungder negativen Gefühle, <strong>die</strong> Beschreibung von Kontrollversuchen, <strong>die</strong>Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil, das distanzierteVerhältnis von <strong>Eltern</strong> und <strong>Kinder</strong>n etc.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 87Alle <strong>Kinder</strong> erlebten <strong>die</strong> Sucht der <strong>Eltern</strong> als sehr negativ und belastend, was ander Anzahl der negativen Gefühle und den Vorwürfen an <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> sichtbarwurde. Oft waren ihre Schilderungen so drastisch, daß deutlich wurde, wie sehrsie pädagogische oder therapeutische Unterstützung bräuchten.Mit dem Kommunikationsmittel Brief schienen <strong>die</strong> meisten <strong>Kinder</strong> sehr gut ihrErleben schildern zu können. Die Briefe waren teilweise sehr lang und sehrdifferenziert geschrieben. Viele Reflexionen müssen <strong>die</strong>sen Briefen vorangegangensein.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 886 Diskussion und AusblickDie <strong>Kinder</strong> scheinen <strong>die</strong> Möglichkeit, einen Brief über ihr Erleben der Suchtschreiben zu können, gut genutzt zu haben. Dadurch konnten sie zum einenselbst ihre Situation reflektieren, aber sie auch ihren <strong>Eltern</strong> mitteilen. Der Briefschien für <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>, <strong>die</strong> geschrieben haben, ein angemessenes Kommunikationsmittelgewesen zu sein, um ohne Unterbrechung ihre Gefühle und Meinungenauszudrücken (s. Kapitel 2.2.1).Durch <strong>die</strong> Briefe konnten sie ihren <strong>Eltern</strong> aufzeigen, welche Auswirkungen <strong>die</strong>Sucht auch auf sie hatte und wieviel sie davon mitbekommen haben. Oft denkenalkoholabhängige <strong>Eltern</strong>, daß ihre <strong>Kinder</strong> nichts von <strong>ihrer</strong> Sucht und derenAuswirkungen mitbekommen haben. Diese Verharmlosung der Sucht und ihreFolgen <strong>die</strong>nt den <strong>Eltern</strong> als Schutz, um sich nicht selbst Schuldgefühlen aussetzenzu müssen. Teilweise ist aufgrund der vielfältigen familiären Probleme derBlickwinkel auf <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> auch ganzverloren gegangen. (vgl. Kruse et al. 2000)Die Aufforderung der Therapeuten der Fachklinik Bad Tönisstein an ihre Patienten(s. Kapitel 4.2), sich von ihren <strong>Kinder</strong>n Briefe schreiben zu lassen, rückt <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> endlich ins „Rampenlicht“. Durch <strong>die</strong>se Aufforderung fühlen sich <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> ernst genommen und können endlich ihr Erleben schildern. Bei einigenBriefen entstand der Eindruck, daß ein „Ventil“ geöffnet wurde und jetzt alleaufgestauten Gefühle herausgeströmt kommen (s. Brief 9). Oft hilft das Briefeschreibenden <strong>Kinder</strong>n, <strong>die</strong> vergangenen Erlebnisse zu verarbeiten. Brockmann(1982) sprach von einem therapeutischen Effekt, den Briefe haben können(s. Kapitel 2.2.5).Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> nicht <strong>die</strong> unmittelbare Reaktiondes jeweiligen <strong>Eltern</strong>teils mit<strong>erleben</strong>. In einigen Briefen schilderten <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> Angst, in den Briefen 12 und 13 berichtete ein Geschwisterpaar, wie ihrVater einmal ihre Mutter geschlagen hatte. Es sind zwar keine weiteren Misshandlungenin den Briefen beschrieben, allerdings sind <strong>Kinder</strong> suchtkranker<strong>Eltern</strong> ungefähr dreimal so oft Opfer von Gewalterfahrungen im Vergleich zu


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 89anderen <strong>Kinder</strong>n (vgl. Klein 1999). Daher können <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> ihre gesamtenGefühle im Brief ausdrücken, ohne befürchten zu müssen, daß der Vater oder<strong>die</strong> Mutter sie in einem plötzlichen Wutausbruch schlägt. Eventuelle Wutgefühleder Väter oder Mütter haben sich bis zum nächsten Besuch wieder abgekühlt(s. Kapitel 2.2.1). Allerdings sind Briefe nicht für alle <strong>Kinder</strong> ein geeignetesAusdrucksmittel, um ihre Gefühle und ihre Gedanken bezüglich der <strong>Suchterkrankung</strong><strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong> darzustellen. Besonders <strong>Kinder</strong> mit geringeren intellektuellenFähigkeiten oder einer geringeren sprachlichen Ausdrucksfähigkeit habenwenig Zugang zum Kommunikationsträger Brief. Für <strong>die</strong>se <strong>Kinder</strong> wäre einGespräch mit ihren <strong>Eltern</strong> mit Unterstützung eines Dritten, z.B. eines Suchttherapeuten,evtl. hilfreich, um sie zu Wort kommen zu lassen.<strong>Eine</strong> weitere Nutzung <strong>die</strong>ser <strong>Kinder</strong>briefe wäre sicherlich denkbar. Um einenwirklichen Dialog zwischen <strong>Eltern</strong> und <strong>Kinder</strong>n zu ermöglichen, sollten auch <strong>die</strong><strong>Eltern</strong> aufgefordert werden, ihren <strong>Kinder</strong>n einen Brief zurückzuschreiben. In<strong>die</strong>sem speziellen Fall könnten z.B. <strong>die</strong> Therapeuten der Fachklinik BadTönisstein ihre Patienten dazu auffordern, den Brief <strong>ihrer</strong> <strong>Kinder</strong> zu beantworten.Denkbar wäre auch, daß Therapeuten <strong>die</strong> Briefe der <strong>Kinder</strong> beantworten,wobei <strong>die</strong>s vorher mit den <strong>Kinder</strong>n abgesprochen sein müßte. Über positiveErfahrungen mit Briefen als pädagogischem oder therapeutischem Mittel berichtetenbereits Kübler-Ross (1988) und Czech und Wernitznig (1994) (s. Kapitel2.2.2 und 2.2.3). Alle Autoren schilderten den positiven Nutzen von Briefen, da<strong>die</strong>se aufbewahrt und immer wieder gelesen werden können. Czech undWernitznig (1994) wendeten Briefe als ein therapeutisches Mittel im Rahmenvon Fami-lientherapie an und erzielten damit sehr positive Erfolge, sichtbar aneiner kürzeren Therapiedauer. Die Briefe, <strong>die</strong> im Rahmen <strong>die</strong>ser Untersuchunggesammelt wurden, beinhalten in den meisten Fällen genügend Material, dassich für eine psychologische Analyse anbieten würde.Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun (1993) hat eine gute Grundlagefür <strong>die</strong> Aufstellung des Kategoriensystems geboten (s. Kapitel 2.3.2, 2.3.3und 4.4). Allerdings stellt Schulz von Thun heraus, daß eine Nachricht ver-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 90schiedene Aspekte enthalten kann. In <strong>die</strong>ser Untersuchung mußten, im Sinneder Einfachko<strong>die</strong>rung, jeder Aussageeinheit jeweils nur ein Aspekt zugeordnetwerden. Alle Sätze ließen sich in <strong>die</strong>ses Schema einordnen, wobei genaueRegeln zur Ko<strong>die</strong>rung erstellt werden mußten (s.Kapitel 4.4). Besonders <strong>die</strong>Unterscheidung zwischen Selbstoffenbarungs- und Beziehungsaspekt gestaltetesich zunächst als schwierig. Oft wurden in den Briefen Gefühle des Absenders(der <strong>Kinder</strong>), <strong>die</strong> sich auf den Empfänger (<strong>die</strong> <strong>Eltern</strong>) beziehen, geschildert.<strong>Eine</strong> eindeutige Zuordnung zum Selbstoffenbarungs- oder Beziehungsaspektkonnte nur durch <strong>die</strong> Regel, daß das Subjekt des Hauptsatzes entscheidend ist,getroffen werden (s. Kapitel 4.4). Unverständlich an Schulz von Thuns Kommunikationsquadratist außerdem, daß der Beziehungsaspekt sowohl „Du-Aspekte“, als auch „Wir-Aspekte“ umfaßt. Es wäre logischer, den „Du-Aspekt“aus dem Beziehungsaspekt herauszugreifen und eine neue Hauptkategoriedaraus zu bilden, parallel zum Selbstoffenbarungsaspekt. Oft ist es allerdingssehr schwierig, in Interaktionen zwischen „Ich-“, „Du-“ und „Wir-Aspekt“ genauzu unterscheiden, da <strong>die</strong>se Aspekte sich gegenseitig bedingen und beeinflussen.Besonders Familien stellen ein System dar, in dem sich <strong>die</strong> Mitgliedergegenseitig beeinflussen (s. Kapitel 2.1.3). Oft steht der Alkohol aber so imMittelpunkt der Familie, daß <strong>die</strong> einzelnen Familienmitglieder in <strong>ihrer</strong> Individualitätkaum noch Beachtung finden (vgl. Kruse et al. 2000). Um eine Abgrenzungder einzelnen Familienmitglieder voneinander zu ermöglichen und <strong>die</strong> verschiedenenPersonen differenziert zu analysieren, ist es wichtig, zwischen „Ich“, „Du“und „Wir“ zu unterscheiden, was anhand von Schulz von Thuns Modell (1993)möglich ist. Aussagen, <strong>die</strong> den Appellaspekt betrafen, konnten leichter zugeordnetwerden als Aussagen zum Selbstoffenbarungs- und Beziehungsaspekt.Die Hauptkategorie Sachaspekt umfaßte sonstige Aussagen, <strong>die</strong> sich nicht in<strong>die</strong> anderen Kategorien einordnen ließen und für <strong>die</strong>se Untersuchung nichtrelevant waren. Insgesamt gesehen konnte Schulz von Thuns Kommunikationsmodell(1993) als gutes Ausgangsmodell für <strong>die</strong>se Untersuchung verwendetwerden. Für <strong>die</strong> Beantwortung der Ausgangsfrage „<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong><strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?“ sind besonders <strong>die</strong> Unter- und Feinkategorienvon herausragender Bedeutung, <strong>die</strong> jetzt diskutiert werden sollen.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 91An der großen Anzahl der Feinkategorien, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Gefühle der <strong>Kinder</strong>beziehen, ist das Erleben der <strong>Kinder</strong> in der Analyse sichtbar geworden (s. Kapitel5.2 und 5.3.2.1). Die Feinkategorien „Sonstige Negative Gefühle“ und „SonstigePositive Gefühle“ umfassen allerdings zu viele Aussageeinheiten. Das liegtdaran, daß einige Gefühlsschilderungen zu undifferenziert waren, um sie anderseinzuordnen, oder teilweise mehr als ein Gefühl geschildert wurde. Durch<strong>die</strong> Einfachko<strong>die</strong>rung war es nicht möglich, <strong>die</strong> verschiedenen Gefühle in einemSatz durch das Kategoriensystem abzubilden (außer in der Kategorie „Sonstige“).Für eine spezifischere Erfassung der Gefühle müßte ein anderes Meßinstrumentgewählt werden. Insgesamt gesehen lieferte das Verfahren der Einfachko<strong>die</strong>rungsehr stichhaltige und eindeutige Ergebnisse und ließ sich imRahmen einer Diplomarbeit gut realisieren.Auch <strong>die</strong> Kategorien „Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit)“ und „Vorwurf/vorhandene Defizite unter Alkohol“ könnten im Rahmen einer anderenUntersuchung weiter untersucht werden. Für <strong>die</strong>se Untersuchung waren <strong>die</strong>seKategorien ausreichend, da es darum ging, das Erleben der <strong>Kinder</strong> zu untersuchenund nicht das Verhalten der <strong>Eltern</strong> genau zu schildern. Der Sachaspektwurde in <strong>die</strong>ser Untersuchung nicht in Unter- und Feinkategorien unterteilt, daSachinformationen oder Informationen über Dritte für <strong>die</strong>se Untersuchung nichtrelevant waren. Es könnte allerdings interessant sein zu erforschen, in welcherBeziehung <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> zu anderen Geschwistern oder zum nicht-abhängigen<strong>Eltern</strong>teil stehen. Auch Schilderungen über deren Verhalten und Funktion in derFamilie könnten Gegenstand einer weiteren Analyse werden. Im Rahmen <strong>die</strong>serUntersuchung konnte mit Hilfe des Kategoriensystems ein Überblick geschaffenwerden, wie <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong> erlebt haben.Besonders gut konnten bestimmte Effekte, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit eines<strong>Eltern</strong>teils auf <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> hat und <strong>die</strong> bereits in der Fachliteratur beschriebenworden sind, bestätigt werden (s. Kapitel 5.3).


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 92Die Frage „<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?“ konnte alsoim Rahmen <strong>die</strong>ser Untersuchung beantwortet werden, wenn auch nicht abschließend.Durch <strong>die</strong> Größe der Stichprobe (13 <strong>Kinder</strong>) konnten keine neuenHypothesen gewonnen werden, sondern nur Effekte beschrieben und bestätigtwerden. Neue Fragestellungen tauchten auf, worauf aber später erst eingegangenwerden soll. Diese Inhaltsanalyse konnte vor allem das subjektive Erlebender <strong>Kinder</strong> abbilden. Alle <strong>Kinder</strong> schilderten das Erleben der Alkoholabhängigkeitals sehr negativ und wiesen auf <strong>die</strong> negativen Konsequenzen hin, <strong>die</strong>der Alkohol auf <strong>die</strong> gesamte Familie hatte. Besonders auffällig war, wie differenziert<strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> ihre – hauptsächlich negativen – Gefühle darstellten und wieexplizit sie <strong>die</strong>se oft benannten. Auch Schilderungen, wie <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> unter Alkoholagierten und wie sie auf <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> wirkten, waren sehr genau und detailliert.Weitere Effekte, <strong>die</strong> in der Fachliteratur bereits beschrieben waren, sindKontrollversuche, <strong>die</strong> Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem<strong>Eltern</strong>teil und eine schlechte <strong>Eltern</strong>-Kind-Beziehung (s. Kapitel 5.3 und 5.4). DieBriefe sind ingesamt sehr persönlich und unterschiedlich geschrieben, weisensich aber untereinander durch viele Gemeinsamkeiten aus. Zum Beispiel enthaltensehr viele Briefe hauptsächlich Selbstoffenbarungsaspekt (s. Kapitel5.3.1). <strong>Eine</strong> genauere Untersuchung der Unterschiede und Gemeinsamkeitender Briefe wäre in einer weiteren Stu<strong>die</strong>, mit einer möglichst größeren Stichprobe,wünschenswert.Es tauchten in <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> weitere Fragestellungen auf, <strong>die</strong> im Rahmen <strong>die</strong>serDiplomarbeit nicht beantwortet werden konnten, wozu auch eine größere Stichprobeerforderlich wäre. Die Briefe könnten z.B. nach Geschlechtsunterschiedenund Altersspezifika untersucht werden. Aussagen von <strong>Kinder</strong>n des gleichenAlters könnten verglichen werden, aber eventuell könnten auch altersbedingteEntwicklungen nachgezeichnet werden. Zu letzterem würde sich allerdings ehereine Langzeituntersuchung anbieten. <strong>Eine</strong> weitere Möglichkeit einer weiterführendenStu<strong>die</strong> wäre eine Clusterbildung. Die Merkmale, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Cluster bezeichnen,könnten direkt aus Briefen abgeleitet werden. Jeder Brief könnteauch danach analysiert werden, welche Rolle(n) das Kind nach Wegscheider


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 93(1988) bzw. Black (1988) einnimmt (s. Kapitel 2.1.4). Dazu wären Zusatzinformationenüber Geschwister des Briefverfassers sinnvoll. Vergleiche vonGeschwisterkindern untereinander könnten erstellt werden, z. B. wer besondersstark in das Suchtsystem miteinbezogen wurde, welche Beziehung zu denanderen Geschwistern bzw. zu den <strong>Eltern</strong> besteht etc. Denkbar wäre auch, <strong>die</strong>Briefe den Kommunikations- und Interaktionsstilen nach Schulz von Thun(2000) zuzuordnen (s. Kapitel 2.3.5). Diese Stile erfassen besonders <strong>die</strong> Kommunikationund würden sich für <strong>die</strong> Analyse der Briefe sehr gut eignen. Darauskönnten neue Auffälligkeiten der Gruppe „<strong>Kinder</strong> suchtkranker <strong>Eltern</strong>“ sichtbarund damit interpretierbar werden. Dieser Aspekt konnte im Rahmen <strong>die</strong>serDiplomarbeit nicht erfaßt werden, da <strong>die</strong> Ausarbeitung zu aufwendig gewordenwäre.Das allgemeine Stimmungsbild der Briefe könnte näher betrachtet werden, z.B.ob sich <strong>die</strong> Stimmung insgesamt eher als positiv, negativ oder neutral darstellt,oder als depressiv, ängstlich, freudig, hoffnungsvoll. Dies führt zur Frage derGefühle der <strong>Kinder</strong>, <strong>die</strong> im Rahmen <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> bereits untersucht werdenkonnten (s. Kapitel 5.1, 5.3.2.1 und 5.4). Für eine speziellere Betrachtung derGefühle wäre z.B. eine genauere Betrachtung der Adjektive und Verben, <strong>die</strong>sich auf <strong>die</strong> Gefühle beziehen, vorstellbar. Außerdem könnten <strong>die</strong> Zukunftsvorstellungender <strong>Kinder</strong> bezüglich der Abstinenz der <strong>Eltern</strong> untersucht werden.Die Frage könnte sein, inwiefern sie eine Abstinenz des alkoholabhängigen<strong>Eltern</strong>teils für möglich halten, ob sie eher skeptisch sind, auf <strong>die</strong> Abstinenzhoffen etc. Davon abhängig ist auch der Zeitbezug der <strong>Kinder</strong>, ob sie eher <strong>die</strong>Gegenwart, <strong>die</strong> Vergangenheit oder <strong>die</strong> Zukunft betonen. Im Zusammenhangmit der möglichen Abstinenz des <strong>Eltern</strong>teils stellt sich auch <strong>die</strong> Frage desSpannungsfelds zwischen der Verdrängung der Sucht und der Sucht als Hauptstrukturim Leben. Dies bedeutet, inwieweit <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> Sucht in den Mittelpunktauch ihres Lebens stellen, obwohl sie selbst nicht abhängig sind, oder obsie <strong>die</strong> Sucht weitestgehend verdrängen und verleugnen wollen.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 94Auch <strong>die</strong> Interaktionsmuster zwischen <strong>Eltern</strong> und <strong>Kinder</strong>n könnten näher analysiertwerden. In <strong>die</strong>ser Untersuchung konnte vor allem das Nähe-Distanz-Verhältnis betrachtet werden (s. Kapitel 5.3.2.2), allerdings wäre eine genaueredetaillierte Analyse wünschenswert. Dazu müßten allerdings ein oder mehrereneue Meßinstrumente entwickelt werden. Auch das Verhältnis des Kindes zuanderen Menschen im sozialen Umfeld wäre ein interessanter Untersuchungsgegenstand.In <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> wurden Schilderungen, <strong>die</strong> sich auf dritte Personenbeziehen, unter <strong>die</strong> Kategorie „Sachaspekt“ eingeordnet (s. Kapitel 4.4 und5.3.2.4), da sie für <strong>die</strong> Fragestellung <strong>die</strong>ser Untersuchung nicht relevant waren.Unter systemischen Aspekten wäre es interessant, auch <strong>die</strong> Rollen und Funktionender anderen Familienmitglieder, sofern in den Briefen beschrieben, zuanalysieren (s. Kapitel 2.1.3).Die Briefe könnten auch auf das sprachliche Niveau der <strong>Kinder</strong> untersuchtwerden, ob das sprachliche Niveau z.B. auf eine altersgemäße Entwicklung der<strong>Kinder</strong> oder eine Abweichung davon hinweist. Sprachliche Besonderheiten derBriefe könnten z.B. als eine neue Methode der Psychologie untersucht werden.Metaphern z.B. könnten daraufhin analysiert werden, was sie über den Verfasseraussagen. Dies wäre eine eher psychoanalytische Sichtweise. Auch ausanderen Fachrichtungen könnten <strong>die</strong> Briefe analysiert werden, z.B. soziologisch,literarisch oder kommunikationswissenschaftlich. Diese Stu<strong>die</strong> wurde aussozialarbeiterischer Sicht, mit Methoden aus der Psychologie (vgl. Mayring1997) durchgeführt.Dabei hat <strong>die</strong>se Stu<strong>die</strong> starken Bezug zur Praxis, da <strong>die</strong> Suchthilfe ein wichtigesArbeitsfeld für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen darstellt. Die Suchthilfeumfaßt <strong>die</strong> Teilbereiche Suchtprävention, Suchtberatung und Suchttherapie undbetreut nicht nur den Abhängigen selbst, sondern auch <strong>die</strong> Familie. (vgl.Klein1999)Die <strong>Kinder</strong> werden besonders von der Suchtprävention erfaßt, <strong>die</strong> meistens inForm von Primärprävention stattfindet. Primärprävention in der Suchthilfe be-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 95deutet, daß <strong>die</strong> Entwicklung einer <strong>Suchterkrankung</strong> verhindert werden soll,bevor bereits Risikoverhalten vorliegt. Sobald bereits Risikoverhalten und Entwicklungsauffälligkeitenauftauchen, wird von Sekundärprävention gesprochen.Daher bewegen sich Präventionen für <strong>Kinder</strong> suchtkranker <strong>Eltern</strong> zwischenPrimär- und Sekundärprävention. (vgl. Klein 2000, Mayer 2000)Daß <strong>Kinder</strong> suchtkranker <strong>Eltern</strong> aufgrund der angespannten Familiensituationtherapeutische oder pädagogische Hilfe benötigen bzw. dadurch unterstützt undentlastet werden können, konnte schon in den Kapiteln 2.1.3 bis 2.1.5 aufgezeigtwerden. Diese <strong>Kinder</strong> sind gefährdet, im Kindesalter schon Verhaltensauffälligkeitenzu entwickeln, <strong>die</strong> sich später zu psychischen Störungen weiterentwickeln.Außerdem ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit, später selbst abhängig zu werden,stark erhöht gegenüber <strong>Kinder</strong>n nicht-suchtkranker <strong>Eltern</strong> (s. Kapitel2.1.5). In den <strong>Kinder</strong>briefen wurde deutlich, wie sehr auch <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> von derAlkoholerkrankung eines <strong>Eltern</strong>teils betroffen sind und sich in ihrem Verhaltendanach ausrichten (s. Kapitel 5.1, 5.3 und 5.4). Viele von ihnen schilderten z.B.Kontrollversuche (Kategorie 2.1), <strong>die</strong> bereits ein Anzeichen von Co-Abhängigkeit sind ( s. Kapitel 5.3.2.1). Die Autorin von Brief 9 scheint schondepressive Symptome zu zeigen und <strong>die</strong> Verfasserin von Brief 12 hat sich geritzt.Pädagogische bzw. therapeutische Arbeit mit den Verfassern <strong>die</strong>ser Briefewürde sich auch zwischen Primär- und Sekundärprävention bewegen, d.h.schon bestehende Verhaltensauffälligkeiten aufarbeiten und Wege zu einemsuchtfreien Leben aufzeigen.Es gibt bereits pädagogische und therapeutische Angebote für <strong>Kinder</strong> vonSuchtkranken, <strong>die</strong> meistens im Rahmen einer Gruppenarbeit (oft 1 Mal wöchentlich)stattfinden. Oft haben <strong>die</strong>se Angebote allerdings Projektcharakter, sodaß <strong>die</strong> Finanzierung nicht gesichert ist. Zwei <strong>die</strong>ser Projekte sollen im folgendenbeschrieben werden.„MAKS“ heißt Modellprojekt Arbeit mit <strong>Kinder</strong>n von Suchtkranken. Dieses Projektentstand 1990 aufgrund der Erkenntnis, daß <strong>Kinder</strong> suchtkranker <strong>Eltern</strong>


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 96ohne Hilfen hochgradig gefährdet sind, später selbst suchtkrank, co-abhängigoder anders psychisch krank zu werden. Von daher hat <strong>die</strong>ses Projekt Präventionals eine Zielsetzung der Arbeit. Die andere Zielsetzung ist <strong>die</strong> Aufarbeitungvon aktuellen Problemen. Diese Arbeit findet im Rahmen von Gruppenangebotenstatt. Die <strong>Kinder</strong> sollen von ihren Schuldgefühlen und Rollenfixierungenentlastet werden, „Kind-Sein-Können“ im strukturierten Rahmen und sie sollenin <strong>ihrer</strong> situativen emotionalen Wahrnehmung bestärkt werden. Damit kann eine„Nachreifung“ der <strong>Kinder</strong> ermöglicht werden. Außerdem werden <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> überSuchtmittelmißbrauch und Abhängigkeit aufgeklärt. Sie erfahren, daß der abhängige<strong>Eltern</strong>teil nicht „schlecht“, sondern krank ist. Im Rahmen der Gruppekönnen <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> ihre soziale Isolation verlassen. Es geht aber nicht nur um<strong>die</strong> Gruppenarbeit mit den <strong>Kinder</strong>n, sondern auch um eine kontinuierliche <strong>Eltern</strong>-bzw. Bezugspersonenarbeit, da MAKS auch systemverändernd bzw.präventiv tätig sein will. 1998 bestanden Kontakte zu 50 <strong>Kinder</strong>n, und es gabfünf kontinuierliche <strong>Kinder</strong>gruppen. (vgl. Arbeitsgemeinschaft fürGefährdetenhilfe und Jugendschutz in der Erzdiözese Freiburg (Hg.) (1999)In Balingen wird ebenfalls seit 1990 durch den Freundeskreis für SuchtkrankenhilfeZollernalb e.V. in Kooperation mit einer freien HeilpädagogogischpsychologischenPraxis präventive Gruppenarbeit mit <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichenaus Suchtfamilien durchgeführt. Ziel <strong>die</strong>ser Arbeit ist einerseits <strong>Kinder</strong> undJugendliche vor der Entwicklung einer eigenen <strong>Suchterkrankung</strong> zu bewahrenund andererseits bereits bestehende Entwicklungsauffälligkeiten zu bearbeiten.Dies geschieht im Rahmen von spiel- und erlebnispädagogischen Ansätzen,wobei alle Beteiligten sich mit ihren Gedanken und Ideen einbringen können.Damit ein Kind an einem Gruppenangebot teilnehmen kann, muß <strong>die</strong> Zustimmungzumindest eines <strong>Eltern</strong>teils vorliegen, um auch <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong>miteinzubeziehen. Über 1 – 1½ Jahre besucht das Kind oder der Jugendlicheeinmal wöchentlich <strong>die</strong> Gruppe. Zusätzlich finden besondere Unternehmungenund <strong>Eltern</strong>- oder Familiengespräche und -abende statt. Das Angebot für <strong>die</strong><strong>Kinder</strong> und Jugendlichen ist speziell als Gruppenangebot konzipiert, damitihnen soziale Kompetenzen und positive soziale Erfahrungen vermittelt werden


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 97können, <strong>die</strong> Anstoß für eine soziale Nachreifung und eine eigenständige Persönlichkeitsentwicklunggeben. Die Gruppenarbeit hat eine doppelte Zielsetzung:zum einen sollen sichtbare Problematiken bei den <strong>Kinder</strong>n selbst bearbeitetwerden oder <strong>die</strong> Kommunikation in der Familie soll neu angeregt werden,zum anderen sollen unter einem präventiven Aspekt den <strong>Kinder</strong>n und JugendlichenErfahrungsräume angeboten werden, <strong>die</strong> ihre Persönlichkeits- und Sozialentwicklungpositiv anregen können. Dies vollzieht sich im Umgang mit derGruppe selbst, im freien Spiel, im Umgang mit kreativen Materialien (z.B. Ton,Farbe), in körperlichen Betätigungen, in Feiern und gemeinsamen Unternehmungen.(vgl. Mayer 2000)Dies sind nur zwei Beispiele von Ansätzen für <strong>die</strong> Arbeit mit <strong>Kinder</strong>n Suchtkranker.Es wäre wünschenswert, <strong>die</strong>se Projekte langfristig zu sichern (durch entsprechendeFinanzierung) und neue zu initiieren. Durch solche Präventionsmaßnahmenwird nicht nur den <strong>Kinder</strong>n suchtkranker <strong>Eltern</strong> selbst geholfen,sondern können auch <strong>die</strong> Staatskassen entlastet werden, da <strong>die</strong> Entwicklungvon (Alkohol-)abhängigkeit oder anderen psychischen Erkrankungen evtl. verhindertwerden kann. Nach Angaben der DHS (2000) betragen <strong>die</strong> Kosten alkoholbezogenerKrankheiten pro Jahr ca. 40 Mrd. DM in Deutschland, so daßerfolgreiche Präventionsmaßnahmen <strong>die</strong> Kosten insgesamt senken würden.Nicht nur eine <strong>die</strong> ganze Familie umfassende Prävention oder Therapie wärewünschenswert, sondern weitere Forschung darüber, wie <strong>die</strong> Sucht eines Familienmitglieds<strong>die</strong> ganze Familie beeinflußt. Diese Stu<strong>die</strong> versucht, einen kleinenForschungsbeitrag dazu zu leisten und das Sucht<strong>erleben</strong> von Seiten der <strong>Kinder</strong>suchtkranker <strong>Eltern</strong> weitestgehend prospektiv nachzuzeichnen. Dabei stellen<strong>die</strong> Briefe eine sehr plastische Ausdrucksform dar, <strong>die</strong> sich anhand von einerqualitativen Inhaltsanalyse erfassen läßt.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 987 ZusammenfassungDiese Diplomarbeit untersucht <strong>die</strong> Frage: „<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong><strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?“ Dabei handelt es sich um eine qualitative Stu<strong>die</strong> mit Briefenvon <strong>Kinder</strong>n an ihre suchtkranken <strong>Eltern</strong>. Sucht betrifft nicht nur den Abhängigenselbst, sondern hat Auswirkungen auf <strong>die</strong> gesamte Familie, also auch auf<strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>. Im Rahmen einer Therapie der <strong>Eltern</strong> wurden <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> aufgefordert,ihr Erleben der Sucht in einem Brief zu schildern. In <strong>die</strong>sem Brief konnten<strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> reflektiert und differenziert ihre Sichtweise darlegen. Diese Briefewurden anhand eines Kategoriensystems analysiert, das sich auf das Kommunikationsquadratvon Schulz von Thun (1993) stützt. Die Hauptkategorien stellendaher Selbstoffenbarungsaspekt, Beziehungsaspekt, Appellaspekt undSachaspekt dar. Weitere Unter- und Feinkategorien und entsprechende Zuordnungsregelnwurden gebildet. Zunächst wurden <strong>die</strong> Briefe einzeln ausgewertetund interpretiert, wobei <strong>die</strong> aussagekräftigsten Ergebnisse graphisch dargestelltwurden. Danach folgte eine Diskussion des Kategoriensystems und eine Gesamtauswertungder Briefe, in der besondere Auffälligkeiten geschildert undUnterschiede und Gemeinsamkeiten benannt wurden. Durch <strong>die</strong> kleine Stichprobe(13 <strong>Kinder</strong>) konnten keine neuen aussagekäftigen Ergebnisse gewonnenwerden, aber bereits bekannte Effekte bestätigt oder widerlegt werden. Alle<strong>Kinder</strong> erlebten <strong>die</strong> Alkoholabhängigkeit der <strong>Eltern</strong> als sehr negativ und belastend,was durch verschiedene negative Gefühlsausdrücke deutlich wurde. Siebeschrieben sehr genau Verhaltensweisen des abhängigen <strong>Eltern</strong>teils unterAlkoholeinfluß und vorhandene Defizite. Weitere Auswirkungen der Sucht auf<strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> wurden durch Effekte wie Kontrollversuche, Polarisierung zwischenbetrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil, Distanzverhältnis zum betroffenen<strong>Eltern</strong>teil etc. deutlich. Die Briefe enthielten relativ wenige Aufforderungen an<strong>die</strong> <strong>Eltern</strong>, <strong>die</strong> Therapie zu nutzen und abstinent zu bleiben, was auf eine Unsicherheit,Resignation oder Angst vor Veränderung im System Familie schließenläßt.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 99Insgesamt konnte <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> <strong>die</strong> Untersuchungsfragen beantworten, wobei<strong>die</strong>se Stu<strong>die</strong> sehr hypothesengenerierend war. Es stellte sich heraus, daß <strong>die</strong>familiäre Lage vieler <strong>Kinder</strong> so angespannt war, daß pädagogische und therapeutischeUnterstützung notwendig wäre. Zwei Modelle von Gruppenarbeit mit<strong>Kinder</strong>n Suchtkranker wurden vorgestellt. Weitere Forschung zum Gegenstand„<strong>Kinder</strong> Suchtkranker“ ist sehr wünschenswert.


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 1008 SchlußLeider kann ich nicht sagen, wie es der Verfasserin von Brief 9, <strong>die</strong> in der Einleitungzitiert wurde, inzwischen ergangen ist. Auch ist mir unbekannt, was <strong>die</strong>anderen <strong>Kinder</strong>, deren Briefe ich analysiert habe, heute machen. Ich hoffenatürlich, daß sie Unterstützung von anderen erfahren haben, um ihre schwierigeFamiliensituation bewältigen und aufarbeiten zu können. Inwieweit sie <strong>die</strong>seBelastungssituation positiv bewältigen können und gestärkt daraus hervorgehenoder aber später eigene psychische Störungen entwickeln, ist ungewiß. IhreSituation gegenüber anderen <strong>Kinder</strong>n suchtkranker <strong>Eltern</strong> ist allerdings dadurchpositiv gekennzeichnet, daß ihre <strong>Eltern</strong> eine Entwöhnungstherapie machen.Dies bedeutet, daß viele <strong>Eltern</strong> abstinent leben werden und sich dadurch <strong>die</strong>familiäre Situation stark verbessern kann, auch wenn evtl. neue oder langeverschüttete Konflikte auftreten können. Außerdem wurden <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> nachihrem Erleben der Sucht gefragt, d.h. auch sie standen einmal im Interesse der<strong>Eltern</strong> und nicht nur der Alkohol.Ich hoffe, daß ich dem Leser einen kleinen Einblick in <strong>die</strong> Erlebenswelt der<strong>Kinder</strong> Suchtkranker vermitteln konnte und einen kleinen Forschungsbeitrag zu<strong>die</strong>sem Thema leisten konnte. Das Schreiben der Diplomarbeit gestaltete sichzwar teilweise recht schwierig, war aber immer wieder sehr spannend und interessant.Daher möchte ich an <strong>die</strong>ser Stelle auch Herrn Prof. Dr. Klein für seinesehr gute fachliche Unterstützung und Begleitung der Diplomarbeit danken.Durch verschiedenste Seminare hat er wichtige theoretische Grundlagen für<strong>die</strong>se Arbeit geschaffen. Auch bei Frau Wintgen bedanke ich mich für <strong>die</strong> Begleitungder Arbeit, ihre guten Eingaben beim Thema „Briefe“ und für ihre besondersnette seelische Unterstützung. Ohne <strong>die</strong> Fachklinik Bad Tönissteinwäre <strong>die</strong>se Arbeit nicht entstanden, da sie das Datenmaterial (<strong>die</strong> <strong>Kinder</strong>briefe)zur Verfügung gestellt hat. Besonders möchte ich Herrn Dr. Schneider und FrauKleinert danken, <strong>die</strong> sich sehr stark engagiert hat, ausreichend <strong>Kinder</strong>briefe für<strong>die</strong>se Diplomarbeit zu sammeln und ihre Kollegen immer wieder darauf anzu-


<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>? Seite 101sprechen. Es freut mich auch, daß dadurch <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> von den Patienten in denTherapiestunden wieder mehr in den Blickpunkt gerieten.Desweiteren möchte ich meinen Freunden danken, <strong>die</strong> mit mir gelitten haben,wenn ich in der Diplomarbeit nicht weiter voran kam, <strong>die</strong> mit mir diskutierten,mich kritisierten, mich korrigierten, mir neue Ideen unterbreiteten etc. Besondersmöchte ich mich für <strong>die</strong> Unterstützung bei Elisabeth Asam, meinem BruderJan-Hendrik Lampart, Laura Miller, Matthias Gerlitz und Ulrike Hack bedanken!Nicht zuletzt möchte ich auch Gott danken, denn manchmal tauchten so vieleSchwierigkeiten im Laufe der Arbeit auf, <strong>die</strong> auf „wunderbare“ Weise gelöstwurden (z.B. habe ich knapp 3 Monate auf den ersten <strong>Kinder</strong>brief gewartet undwollte fast ein anderes Thema wählen):„Ich aber traue darauf, daß du so gnädig bist; mein Herz freut sich, daß du sogerne hilfst. Ich will dem HERRN singen, daß er so wohl an mir tut.“(Psalm 13, 6)


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Eidesstattliche ErklärungIch versichere, daß ich <strong>die</strong> vorstehende Arbeitselbständig und ohne fremde Hilfe angefertigt habeund mich anderer als im Literaturverzeichnisangegebener Hilfsmittel nicht be<strong>die</strong>nt habe. AlleStellen, <strong>die</strong> wörtlich oder sinngemäß ausVeröffentlichungen entnommen wurden, sind alssolche kenntlich gemacht.


Anhangzur Diplomarbeit„<strong>Wie</strong> <strong>erleben</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>die</strong> <strong>Suchterkrankung</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Eltern</strong>?“- <strong>Eine</strong> qualitative Stu<strong>die</strong> mit Briefen von <strong>Kinder</strong>nan ihre <strong>Eltern</strong>. -vorgelegt von:Martina Lampart


InhaltsverzeichnisKINDERBRIEFE (INKL. SATZKODIERUNG) ................................................................................... 1BRIEF 1 ........................................................................................................................................... 1BRIEF 2 ........................................................................................................................................... 2BRIEF 3 ........................................................................................................................................... 3BRIEF 4 ........................................................................................................................................... 4BRIEF 5 ........................................................................................................................................... 5BRIEF 6 ......................................................................................................................................... 10BRIEF 7 ......................................................................................................................................... 15BRIEF 8 ......................................................................................................................................... 16BRIEF 9 ......................................................................................................................................... 21BRIEF 10 ....................................................................................................................................... 24BRIEF 11 ....................................................................................................................................... 26BRIEF 12 ....................................................................................................................................... 28BRIEF 13 ....................................................................................................................................... 31ALTERSANGABEN DER STICHPROBE ....................................................................................... 33KODIERUNGS- UND AUSWERTUNGSSCHEMA .......................................................................... 34BRIEFAUSWERTUNG .................................................................................................................... 35AUSWERTUNG BRIEF 1 ................................................................................................................... 35AUSWERTUNG BRIEF 2 ................................................................................................................... 36AUSWERTUNG BRIEF 3 ................................................................................................................... 37AUSWERTUNG BRIEF 4 ................................................................................................................... 38AUSWERTUNG BRIEF 5 ................................................................................................................... 39AUSWERTUNG BRIEF 6 ................................................................................................................... 40AUSWERTUNG BRIEF 7 ................................................................................................................... 41AUSWERTUNG BRIEF 8 ................................................................................................................... 42AUSWERTUNG BRIEF 9 ................................................................................................................... 43AUSWERTUNG BRIEF 10 ................................................................................................................. 44AUSWERTUNG BRIEF 11 ................................................................................................................. 45AUSWERTUNG BRIEF 12 ................................................................................................................. 46AUSWERTUNG BRIEF 13 ................................................................................................................. 47AUSWERTUNG BRIEFE INSGESAMT .................................................................................................. 48


Seite 1<strong>Kinder</strong>briefe (inkl. Satzko<strong>die</strong>rung)Brief 1Hallo PapaO., den 18.12. 2000Auch ich möchte Dir ein mal schreiben, wie ich mich gefühlt habe, als Du nochTrinkphasen hattest (4). Ich habe das immer von zwei Seiten gesehen, einerseitswar ich traurig darüber Dich so zu sehen und auf der anderen Seite war ichwütend auf Dich und hätte Dir am Liebsten ein paar Schellen gegeben (1.1.2.11).Manchmal war ich auch mit meinen Nerven am Ende und wußte nicht mehr wasich mit Dir machen sollte (1.1.2.11). Am schlimmsten fand ich es immer wenn ichdir sagte Du solltest Dich ins Bett legen und Du hast nicht auf mich gehört und bistmanchmal sogar noch in <strong>die</strong>sem Zustand Auto gefahren, da hatte ich wirklichimmer Angst um Dich das dir was passieren könnte (1.1.2.4). Aber zum Glückkamst Du jedes mal gut zurück (2.1.1). Aber ich habe nie aufgehört Dich alsmeinen Vater zu lieben, egal in welchem Zustand Du warst (1.1.1.3). Ich hoffe dasDu aus Deinen Fehlern gelernt hast und keinen Alkohol mehr anrührst wenn duwieder nach Hause kommst (3.1).Dein Dich liebender SohnG.


Seite 2Brief 2Lieber Papa,auf deinen eigenen Wunsch soll ich dir schreiben, wie ich dich erlebt habe (4).Also, als ich an dem Dienstag, als man dich abholte, zur Schule ging wurde ichtraurig, als ich den Sanitäter hinter zu uns fahren sah, aber auch froh (1.1.3).Traurig weil ich dich mag und froh, weil man ja nicht mehr schnaufen konnte(1.1.3). Am Schulweg mußte ich fast weinen (1.1.2.1). Du hast ausgesehen wieein Schreckgespenst und nur Alkohol getrunken (2.1.1). Du hast blöd gerochenund statt dich wie sonst 2 mal am Tag zu Duschen, hast du dich überhaupt nichtgeduscht (2.1.2). Es war auch so eklig, als du mich umarmt hast (1.1.2.6). Mein10ter Geburtstag war der schlimmste, den ich je hatte (1.1.2.11). Erst war es jaganz schön auf der Erfindermesse CONSUMENT, aber am Nachmittag undAbend war es sehr unschön (1.1.3). Du bist nur herumgelegen und hast dich nichtum mich gekümmert (2.1.2). Als es im Februar Zeugnisse gab, hast du das garnicht mitbekommen (2.1.1). Ich hatte auch immer eine Stinkwut auf dich (1.1.2.2).Ich musste auch immer zu Freunden (4). Die haben dann immer gefragt, wann esmal wieder bei mir geht (4). Und ich musste dauernd Angst haben, das Haus zuverlieren (1.1.2.4).Das schreibt dir:DeinS.


Seite 3Brief 3Lieber Papa,ich sollte dir einen Brief schreiben, wie ich mich gefühlt habe, als ich dich damalssah (4).Teils war ich voller Hoffnung, dass du wieder gesund wirst und nie wieder Alkoholanrührst, teils hatte ich eine riesen Wut, als ich dich betrunken im Wohnzimmerliegen sah (1.1.3). Es hat alles nach Alkohol gestunken (2.1.1). Falls wir dichüberhaupt zum Essen gebracht haben, habe ich mich mit dem Essen sehr beeilt(1.1.2.11). Für mich war das eklig, weil du sehr unhygienisch warst (1.1.2.6). Duwarst irgendwie nicht mehr mein Papa, nicht mehr der Alte (2.1.3).Wenn du aber einmal gute Phasen hattest, in denen du uns wieder versprochenhast, überhaupt keinen Alkohol mehr anzufassen, war <strong>die</strong> Welt für mich wieder wiein Ordnung und <strong>die</strong> Hoffnung war wieder da (1.1.1.4). Ich hatte manchmal auchMitleid mit dir und deiner Krankheit (1.1.1.2). Wenn du <strong>die</strong> Versprechen eben auchgehalten hättest...(2.1.2).Um so schlimmer war für mich dann, wenn es wieder angefangen hat (1.1.2.11).Wenn du dann auch immer stur herumgelegen bist, hasste ich dich richtig(1.1.2.5). Ich hatte vor allem Angst von <strong>die</strong> Zukunft wie es weitergehen sollte,besonders, dass wir alles verlieren, Familie, Heim, usw. (1.1.2.4). Auch hatte ichAngst, dass meine Freunde das heraus bekommen würden (1.1.2.4).Nun finde ich dich natürlich wieder in Ordnung und ich freue mich darauf, wenn ichdich wieder sehe (1.1.1.1). Die Hoffnung ist selbstverständlich immer noch da(1.1.1.4).Mit lieben GrüßenN.


Seite 4Brief 4O., den 26.12.99Es verging einige Zeit, ehe ich merkte, wie es um meinen Vater stand (2.2.1). Underst jetzt weiß ich, daß er schon trank, als ich noch ein Kind war (2.2.1).Ich bemerkte nichts davon, auch später nicht, wir hatten ja kaumBerührungspunkte (2.2.1).Aber bestimmt hat er damals anders getrunken als heute, <strong>die</strong>sseitiger (2.2.1).Wenn R. heute trinkt, verschwindet er für einige Zeit aus der Welt (2.2.1). ZweiWochen, einen Monat oder so (4). Während der ersten Tage will er es noch nichtrecht glauben scheint es (2.2.1). Besucher empfängt er im Sportdress –grad eineStunde Fahrrad gefahren- null Problem (2.2.1). Für wen ist das Theater (4)? Ichlebe in C., und wir telefonieren dann (2.2.2). Wir stimmen darüber überein, daß esso nicht weitergehen wird und daß ein Anfang gemacht werden muß (2.2.2). <strong>Wie</strong>es am anderen Ende dann aussieht, kann ich mir vorstellen (4). Eigentlich einruhiges Bild: Er sitzt da, <strong>die</strong> Beine übereinandergeschlagen, den Blick irgendwohin (2.2.1). Aber der scharfe Schweißgeruch verrät, daß gekämpft wird; einKörper, ein Geist, jeder gegen jeden (2.2.1).Ich wüßte gern wohin er starrt (4).Es scheint in meinem Vater träge zu blubbern –wie in einer Lava-Lampe (2.2.1).Von tief unten steigen <strong>die</strong> Blasen auf und, so stell ich mir vor, präsentieren ihmBilder, wenn sie zerplatzen (2.2.1). Die verpaßten Gelegenheiten, in <strong>die</strong> man sichim Laufe des Lebens verstrickt (2.2.1). <strong>Wie</strong> haben es <strong>die</strong> Hemingways, Sinatrasund Bukowskis geschafft, ihre Scheiße zu vergolden, und warum bleibt sie bei mirwas sie ist.. (2.2.1).Seit ich um Deine Schwäche weiß, wie es Dich morgens um vier durch alleZimmer der Wohnung jagd, auf der Suche nach irgendwas Trinkbarem –Seltsam,erst seit dem habe ich ein glaubwürdiges Bild von Dir im Kopf (2.1.1).Aber es ist genug jetzt (4). Laß noch etwas von Dir übrig (3.1). So wie Dumanchmal dasitzt –stelle ich mir vor- so sieht der Tod aus (1.1.2.11).E.


Seite 5Brief 5Nov 1999Lieber Papa,Du hast Dir gewünscht, daß ich Dir einen offenen und ehrlichen Briefschreibe (4). Deshalb werde ich jetzt versuchen, meine Gedanken und Gefühle inWorte zu fassen (4)!Aber bevor ich damit anfange, möchte ich Dir auch sagen, daß ich es ganz tollfinde, daß Du wieder an einer Kur teilnimmst (1.1.1.6). Das ist der allesentscheidende Schritt in ein neues Leben (4)! Und Du solltest <strong>die</strong>se allerletzteChance nutzen, um wieder in ein normales Leben zurück zu finden (3.1)! Ich hoffesehr, daß Du dort Hilfe bekommst und in der Gruppe all <strong>die</strong> Unterstützungbekommst, <strong>die</strong> Du brauchst (1.1.1.4)!Und wenn Du es wirklich willst, dann schaffst Du es auch (3.1)! Ich glaube fest anDich (1.1.1.6)! Aber Du mußt es wollen (3.1)!!Ich werde nun versuchen Dir zu erzählen, wie <strong>die</strong> letzten 20 Jahre aus meinerSicht gewesen sind (4):Wenn ich an mein bisheriges Leben zurückdenke, hat mir immer eines ganzbesonders stark gefehlt: ein richtiger Vater (2.1.2)! Ich hatte mir einen Vatergewünscht, der immer für mich da ist, wenn ich ihn brauche (2.1.2)! Und einenVater, der in meiner Kindheit mit mir gespielt hätte und seine Hobbys mit mirgeteilt hätte (2.1.2). Ich hätte so vieles von Dir lernen können, z.B. hätten wirgemeinsam basteln oder handwerken können (2.1.2)! Ich hätte so gern einenVater gehabt, der aktiv an meinem Leben teilnimmt (2.1.2)!Statt dessen hatte ich mit jedem Jahr, das ich älter wurde, umso mehr das Gefühl,daß wir uns immer mehr fremd wurden (2.2.1)!Es war seltsam (4). Ich hatte das Gefühl, daß Du Dich immer weniger für michinteressiert hast (2.1.3). Und ich merkte, wie Du Dich charakterlich verändert hast(2.1.3)! Du wurdest ein anderer Mensch (2.1.3)! Aber als Kind habe ich <strong>die</strong>Zusammenhänge nicht so schnell erkennen können (4)! Ich bemerkte nur, daß Duund Mama immer öfter gestritten habt (4). Und daß es mit Bier zu tun hatte (4)!Irgendwann aber, ich schätze so mit 8 Jahren, hatte ich endlich <strong>die</strong>


Seite 6Zusammenhänge begriffen (4)! Zumindest verstand ich, daß der Alkohol Schuldwar (2.1.1)!Und ich wußte, daß das Bier mir meinen Vater wegnahm (2.1.1)! <strong>Wie</strong> einschrecklicher Damön, dem man aus Dummheit seine Seele verkauft hat (2.1.1)!Ich begann, das Bier zu hassen (1.1.2.5)! Dann kam <strong>die</strong> Zeit, wo Du mich(zwangsläufig?) in Dein heimliches Trinken verwickelt hast (2.1.1). Z.B. wenn ichdraußen spielen war und Du mit der S. spazieren warst (2.1.1). Da hast Du ofthinter Hecken gestanden –mit Bier (2.1.1)! Und wenn ich Dich (dummerweise?)zufällig entdeckt hatte, hast Du mich mit dem Pfand bestochen –für den ich jaSüßes kaufen könnte (2.1.1)! Aber der Mutti sollte ich nichts erzählen (4). Leiderwar ich zu jung, um alles zu durchschauen (4)! Und so spielte ich Dein Spielzwangsläufig mit (4).Aber mehr und mehr verlor ich meinen Vater (2.2.1). Und ich litt stark unter EurenStreits (1.1.2.9)! Aber noch schlimmer war das Bild, das ich damals von Dirbekam:Ich sah Dich nur noch vor mir auf der Couch liegend und mit Bier bei Dir (2.1.2)!Und in mir stieg eine gewisse Abneigung auf (1.1.2.6)! Bis ich nun erst recht denAlkohol haßte, der mir meinen Vater weggenommen hatte (1.1.2.5)! Ich fingdeshalb an, heimlich Deine bereits geöffneten Flaschen ein wenig im Spülbeckenzu entleeren (wenn Du z.B. im Bad warst) (1.3). Als Kind begriff ich ja noch nicht,das mein Verhalten zwar ein verzweifelter Hilfeschrei, aber doch so sinnlos war(1.1.2.3)! Auf <strong>die</strong> paar Schluck kam es längst nicht mehr an (4)!Ich ekelte mich vor dem Bier (1.1.2.6). Es machte meine Familie kaputt (4)! Ichhatte das Gefühl, keine Familie mehr zu haben (1.1.2.11)! Ich beneidete <strong>die</strong>anderen <strong>Kinder</strong>, wenn sie stolz von ihren Vätern erzählten (1.1.2.11). Ich schwiegdann immer (4)! Ich konnte einfach nicht stolz sein (1.1.2.11)! Hatte ich überhaupteinen richtigen Vater (2.1.2)? Ich fühlte mich so schrecklich (1.1.2.11)!Und immer mehr wandte ich mich nur noch an <strong>die</strong> Mama (4). All meine Gefühleinvestierte ich nur noch in sie (4)! Denn ich kam mir vor wie eine Halbwaise(1.1.2.11)! Denn in der Zeit, wo ich Dich für meine Entwicklung wohl am meistengebraucht hätte, hatte ich nur noch meine Mama (2.1.2)! Du nahmst an meinemLeben kaum teil (2.2.1). Mir kam es so vor, als würdest Du Dich nicht für mich undmeine Sorgen interessieren (2.2.1).


Seite 7Irgendwann dann haßte ich nicht mehr nur das Bier (1.1.2.5)! Nein, irgendwannhaßte ich auch Dich..(1.1.2.5). Und da begann <strong>die</strong> schlimmste Zeit für mich(1.1.2.11). Ich wollte meinen Vater liebhaben (1.2). Aber das Bier hat alles kaputtgemacht (4)!Auch Dich (4)! Ich ekelte mich vor dem Alkoholgeruch (1.1.2.6). Ich haßte es,wenn Du müde und betrunken warst (1.1.2.5). Ich haßte es, wenn Du soungepflegt aussahst (1.1.2.5)! Ich schämte mich, wenn Du gestottert hast(1.1.2.10). Ja, ich haßte all das, was der Alkohol aus Dir gemacht hatte (1.1.2.5)!Den Vater, den ich lieben wollte, mußte ich hassen (1.1.3)! Ich war ständig mitmeinen Gefühlen hin- und hergerissen (1.1.3). Es war schrecklich (1.1.2.11)! Und<strong>die</strong> einzigste Lösung, <strong>die</strong> ich dann für mich fand, war Dich oder mehr oder wenigerzu ignorieren (2.2.1). Denn lieb haben konnte ich Dich nicht mehr –und hassenwollte ich Dich auch nicht (1.1.3)!Und <strong>die</strong>se Situation tat mir verdammt weh (1.1.2.9)! Schließlich wollte ich docheinen richtigen Vater haben (1.2)!Wenn ich mich so zurückerinnere, fallen mir 2 Ereignisse ein, <strong>die</strong> mich sehr starkschockiert haben und <strong>die</strong> ich wohl niemals vergessen werde:Ich weiß leider nicht mehr genau, wie alt ich damals war (1.1.2.11). Wir wohntennoch in C (4). Ich schätze aber mal, daß ich so zwischen 10 und 12 Jahre alt war(4). Mama und Du hattet einen Streit (4). Irgendwann ging <strong>die</strong> Sache im Kellerweiter (4). An <strong>die</strong> genauen Umstände kann ich mich leider gar nicht mehr erinnern(4). Ich weiß nur noch, daß <strong>die</strong> Mama mich irgendwann gerufen hat (4). Ja, und dastandest Du dann im Keller mit einer Drahtschlinge um den Hals und wolltest Dichumbringen (2.1.1)! Das war ein wahnsinniger Schock für mich (1.1.2.11)! Diesesschreckliche Bild werde ich niemals vergessen (1.1.2.11)!Das zweite Ereignis war Dein schrecklicher Krampfanfall in der Silvesternacht vorein paar Jahren (2.1.1)! Ich fühlte mich so hilflos und dachte, Du würdest sterben(1.1.2.3)! Und wahrscheinlich warst Du ja auch verdammt nahe daran, zu sterben(2.1.1)! Und dann noch der Sturz im Krankenhausflur, wo Du fast den Schädelgebrochen hattest und Du Dir in <strong>die</strong> Hose gemacht hast..(2.1.1). Das warschrecklich und peinlich (1.1.2.10)! Ich wollte nicht wahrhaben, was aus Dirgeworden war (1.2)! Es war so abstoßend (1.1.2.6)! Und gleichzeitig hatte ichwahnsinnige Angst, Dich zu verlieren (1.1.2.4)!


Seite 8Danach bist Du in Deine erste Kur gegangen (4). Und ich hatte so sehr gehofft,daß danach ein normales und schönes Leben anfangen würde (1.1.1.4). Dochdazu kam es nicht..(4).Weil Du nicht auf Deinen Scheiß-Alkohol verzichten wolltest, wurde es vielleichtsogar noch schlimmer als vorher (2.1.2)! Du hast nicht verstanden, daß Du totalauf Alkohol verzichten mußt (2.1.2)! Denn es gibt keinen „Mittelweg“ (3.1)! Es gibtnur ein „entweder oder“ (3.1)!Unsere Weihnachtsfeste waren längst nicht mehr schön (2.1.2). Du warst sogarHeiligabend betrunken (2.1.2)! Du wurdest wieder aggressiv und wolltest keinemzuhören (2.1.1). Man konnte nicht mit Dir reden (2.1.2). Du hast Dich mehr undmehr wie ein kleines, trotziges Kind verhalten (2.1.1). Nichts hat Dich mehrinteressiert (2.1.1). Du wurdest wahnsinnig vergeßlich und hast vieles zwei, -dreimal erzählt (2.1.1)! Du hast weiterhin stark gestottert (2.1.1). Und es wurde mirpeinlich, wenn Du mit meinen Freunden/ Freundinnen oder unseren Verwandtengesprochen hast (1.1.2.10).Der Alkohol hatte Dich in den letzten Jahren völlig zerstört (2.1.1)! Seelisch undgesundheitlich (2.1.1)! Und er hat unsere angeknackste Familie total zerstört (4)!!Inzwischen ist es ja sogar soweit gekommen, daß Du im Suff gesagt hast, daß ichnicht mehr Deine Tochter wäre (2.1.2)!Und das tut weh (1.1.2.9)! Denn nicht ICH trage <strong>die</strong> Schuld, sondern Deindämliches Bier (4)!Aber Du hast ja nicht nur Dich, Mama und mich durch Dein Bier zerstört (2.1.2)!!Sondern auch Deinen Arbeitsplatz und damit Deine und Muttis ZUKUNFT (2.1.2)!!Und ich habe mich gefragt, wie das nochmal enden soll (2.1.2)?!Bitte, Papa, nutze Deine allerletzte Chance (3.1)! Du mußt es einfach endlichschaffen, <strong>die</strong> Finger vom Alkohol zu lassen (3.1)! Keinen Tropfen mehr (3.1)!! Duweißt schließlich seit Deiner ersten Kur, daß jeder Tropfen Dir das Leben zur Höllemachen wird (3.1)!!Finde endlich den Weg in ein trockenes Leben (3.1)! Dann kannst Du endlichwieder glücklich werden (3.1)! Mit Dir selbst, Deiner Familie, Deinem Beruf undHobbys, Urlaub etc. (3.1)


Seite 9Bitte vergiß` jeden Kompromiß bezüglich Bier (3.1)! Das klappt nie (3.1)! Laß <strong>die</strong>Finger davon (3.1)!Ohne Alkohol wird es Dir besser gehen (3.1). Und ich werde einen richtigen Vaterbekommen (1.2)!Ich hoffe, daß Du es schaffst (1.1.1.4)! Ich glaube an Dich (1.1.1.6)! Denn ichwünsche es mir so sehr (1.2)!In LiebeDeine Tochter T.


Seite 10Brief 6Liebe V.,S.,30.5.98ich hoffe es geht Dir gut (1.1.1.4). Nach dem Telefonat zu urteilen fühlst Du Dich jaganz wohl (4). Am Montag ziehe ich dann nach G (4). Genauer (4):NameStraßeWohnortTelefonnummerIch habe eben gepackt und M. schien gar nicht begeistert darüber zu sein (4).Ansonsten geht es den Katzen ganz gut (4). Also, ich versuche jetzt einen„nassen“ Brief zu schreiben (4). Im Prinzip weiß ich gar nicht mehr genau wann Dumit dem Trinken bzw. mit dem extremen Trinken angefangen hast (4).Andererseits kann ich mich eher nur noch an sehr wenige Tage erinnern, andenen Du keinerlei Kontakt mit Alkohol hattest (2.1.1). Vielmehr sah es in denletzten Jahren so aus, daß es nicht Du warst, <strong>die</strong> man nach der Arbeitnachhausekommen gehört hat, sondern das Geräusch des Korkenziehers beimÖffnen der Weinflasche (2.1.2). Voraussetzung war natürlich, daß Du arbeitenwarst (2.1.2). Nach den Wochenenden war das ja nicht immer selbstverständlich(2.1.2). Wenn ich an <strong>die</strong> Wochenenden denke, denke ich mit Schrecken zurück(1.1.2.11). Die Angst vor dem Freitag, geschweige denn vor einem langenWochenende war immer sehr stark (1.1.2.4). So habe ich es doch vorgezogen,meine Wochenenden mit Arbeiten zu verbringen, um dem ganzen Fiasko aus demWeg zu gehen (1.1.2.11). Die Hoffnung, mit Dir vernünftig reden zu können hatteich längst aufgegeben (1.1.2.11). Meistens warst Du betrunken und wenn Dunüchtern warst, warst Du gereizt (2.1.1).Also ist es kein Wunder, daß Du von meinem Leben sehr wenig weißt (2.2.1). Dasandere Menschen in Deiner Umgebung auch Probleme haben könnten war fürDich entweder unvorstellbar, es hat Dich nicht interessiert oder Du warst einfachnicht in der Lage, Dich in andere Menschen hineinzuversetzen (2.1.2). In derganzen Familie gab es nur noch einen Gedanken: Hoffentlich trinkt sie nicht


Seite 11wieder das ganze Wochenende, hoffentlich geht sie am Montag arbeiten (2.1.2).Deine <strong>Eltern</strong>, sowie Deine Schwester hatten Angst ans Telefon zu gehen oderAngst davor, daß Du wieder einmal nur mit Mantel bekleidet jenseits von Gut &Böse vor <strong>ihrer</strong> Türe stehen würdest (4). Dann wurden sämtliche Schränke mitAlkohol geräumt und der ? (unlesbar, Anm. M. L.) geschlossen (1.3). Dann wurdezig Mal am Tag gebadet, d.h. Du hast das Wasser einlaufen, hast Dich kurz in <strong>die</strong>Wanne gesetzt und bist wieder hinausgestiegen (2.1.1). Dann gab esJohanniskrauttee (4). Alle haben mit Engelszungen auf Dich eingeredet (1.3). AberDu warst ja nicht krank (2.1.2). Wir sind alle ? (unlesbar, Anm. M. L.), wollen Diretwas Böses und spielen alles hoch (4). Bei Deiner Mutter hast Du dann gebettelt:„Gib mir bitte einen Piccolo, nur einen...“ (2.1.1) Wenn Du dann ein paar Tage beiDeiner Mutter warst, ging es dann meist einige Zeit gut (4). Mal hast Du ein paarTage, mal ein paar Wochen und selten sogar ein paar Monate keinen Alkoholgetrunken (2.1.1). Doch das Du ärztliche Hilfe brauchst, hast Du nie akzeptiert(2.1.2). Dann wurde wieder abends ein Gläschen Wein getrunken, dann einFläschchen und am Wochenende wurde es katastrophal (2.1.2). Ich weiß nicht wieviele Flaschen wir nach einem Wochenende versteckt gefunden haben oder wieviele Flaschen einfach so herumstanden (2.1.2). Ein Korb war regelmäßig voll (4).Ich habe gesagt, daß ich nicht wüßte wann Du mit dem Trinken angefangen hast(4). Ich erinnere mich aber z.B. noch an meinen fünfzehnten Geburtstag (4). Dasist jetzt sechs Jahre her (4). Ich kam mit O. <strong>die</strong> Treppe hinauf und Du lagststurzbetrunken im Bett (2.1.1). Anfangs habe ich mich noch geschämt, dochnachher habe ich einfach niemanden mehr mit nach hause gebracht (1.1.2.10).Man wußte ja nie, was einen zuhause erwartet (1.1.2.11)! Vielleicht säße ich mitFreunden im Wohnzimmer und Du kommst nackt <strong>die</strong> Treppe hinunter (4). DeinSchamgefühl hattest Du ja längst verloren (2.1.2). Das Schlimmste war, wenn ich<strong>die</strong> Tür aufgeschlossen habe und mir der Alkoholgeruch schon in <strong>die</strong> Nase stieg(1.1.2.11). Aber alles Reden half nichts (1.3). Weder einsperren, noch F.(Ortsname, Anm. M. L.), noch A. (Ortsname, Anm. M. L.) (1.3). Wenn Du Alkoholhaben wolltest hast Du ihn Dir besorgt (2.1.1). Und wenn Du durch das Fenstergeklettert und zur Tankstelle gegangen bist (2.1.2). Dir waren <strong>die</strong> Nachbarn egal,alles war egal (2.1.2). Du bist halbnackt zur Tankstelle gegangen und hast imNotfall auf der Straße oder im Auto getrunken, damit wir Dir Deine Flaschen nichtabgenommen haben (2.1.1). Irgendwie hattest Du immer Vorrat und hast uns nach


Seite 12Strich und Faden belogen (2.1.2). Da half auch kein Hinterherrennen meinerseits(1.3). Einmal habe ich Dich vor der Garage gefunden (4). Neben Dir lag eineFlasche Jägermeister (2.1.1). Dann <strong>die</strong> Verleugnungen am Arbeitsplatz (4).Ständig mußte man lügen (2.1.2). Die Fragen auf der Straße waren auch nichtimmer angenehm..(1.1.2.11). Außerdem dann noch <strong>die</strong> Schreierei (2.1.1).Morgens fingst Du an zu trinken (2.1.1). Mittags wurde geschlafen, abends wurdegetrunken und nachts geschrien (2.1.1). Da war egal ob andere Leute den ganzenTag arbeiten waren, ob man lernen mußte oder einfach nur müde war (2.1.2). Duhast geschrien ohne Rücksicht auf offene Fenster oder überhaupt DeineMitmenschen (2.1.2). Körperlich warst Du richtig verwahrlost (2.1.2). Innerlicheigentlich auch, sogar noch mehr (2.1.2). Man nennt <strong>die</strong>sen Zustand wohl „sozialeDeprivation“ (4). Vor U. hast Du Dich anfangs zusammengerissen, doch auch dashielt nicht lange an (2.1.1). Ich kann froh sein, daß ich einen so lieben Freundhabe (1.1.1.1). Nicht jeder hätte ein solches Theater auf Dauer mitgemacht (4). Ichweiß noch als ich an einem Samstag arbeiten ging (4). Es war 12.00 Uhr und Dumachtest Dir eine Dose Bier auf (4). U. wollte mit B. mein Auto bringen kommenund ich flehte Dich an (als Du noch nüchtern warst), Dich einmalzusammenzureißen (1.3). Abends kam ich nachhause (4). Man hörte Dich schonvon weitem (2.1.1). U., B. und V. saßen im Garten, um dem Ganzen zu entfliehen(2.1.2). Ich habe Dich angeschrien undmich zu Tode geschämt (1.1.2.11). B. wollte eigentlich sofort wieder nach G.zurückfahren (4). In dem Moment, wie in so vielen Momenten habe ich Dichgehaßt (1.1.2.5). Ich habe Dich dafür gehaßt daß Du Deine Leute jahrelangbelogen hast (1.1.2.5). Auch Deinem Therapeuten in A. hast Du nicht <strong>die</strong> Wahrheiterzählt (2.1.1). Als ich dann einen ganz normalen „Sauftag“ von Dir geschilderthabe, hast Du alles abgestritten und gesagt ich wolle Dich zusammen mit dem U.fertigmachen (2.1.1). Das hast Du der ganzen Familie erzählt und ich hatteschließlich 3 Monate lang mit keinem mehr Kontakt (2.1.1). Wenn Du dann malnüchtern warst wolltest Du von Deinen Aktionen nichts mehr wissen (2.1.1). !!! Dubist nicht krank (2.1.2)!!! Es ging immer viel kaputt (4). Überall waren Spuren vonWein, Weizenbier, Jägermeister u.s.w (2.1.1). In Deinem Schlafzimmer war esbesonders schlimm (4). Brandlöcher, Flecken.. (4). Und dann habe ich nur daraufgewartet, daß das Haus einmal abbrennt, wenn Du z.B. Deine Zigaretten amGasherd angezündet hast und <strong>die</strong>ser <strong>die</strong> ganze Nacht lang brannte (1.1.2.11). Es


Seite 13war schon alles sehr sehr sehr schrecklich und ich denke Du weißt, daß Du etwasändern mußt (1.1.2.11). Ich habe mein Zuhause gehaßt und <strong>die</strong> letzten fünf Jahrenur darauf gewartet, endlich ausziehen zu können (1.1.2.5). Als ich dann dasletzte Mal den Dr. T. angerufen habe, haben alle gesagt, Du änderst Dich dochnicht, das hättest Du schon so oft gesagt (1.3). Aber ich denke, Du hast eineandere Einstellung bekommen und schaffst es auch (1.1.1.4). Ich denke, Du fühlstDich ohne aufgedunsenes Gesicht auch viel wohler und genießt <strong>die</strong> Komplimente,<strong>die</strong> Du <strong>die</strong> letzte Zeit erfährst (2.1.1). Ich ziehe nun aus (4). Egal ob Du Dichänderst (4). Ich bin der Belastung nicht mehr ausgesetzt (1.1.1.6). Ich weiß nichtwas ich machen würde, wenn ich Dich in <strong>die</strong>sem bestimmten Zustand nochmal<strong>erleben</strong> würde (1.1.3). Ich wünsche Dir nur das beste (1.2). Ich könnte auf jedenFall nicht weiter mit Dir zusammenleben, sonst würde irgendwann ein Unglückpassieren (1.1.2.11). Es ist nämlich nicht so einfach, sich Deine Gemeinheitenanhören zu müssen und dabei ruhig zu bleiben (1.1.2.11). Ich habe sämtlichesVertrauen und sämtlichen Respekt schon lange zu bzw. vor Dir verloren (1.1.2.7).Um <strong>die</strong>se Dinge wiederzugewinnen muß schon sehr viel passieren (3.2). Ich weißdas Alkoholismus eine Krankheit ist und versuche über vieles hinwegzusehen(1.1.1.2). Doch <strong>die</strong>se Krankheit hat unser Mutter-Tochter-Verhältnis total zerstört,da Du im Prinzip nie für mich da warst und ich seit ich denken kann auf mich alleingestellt war und Deine Eskapaden voll ausbaden mußte (2.1.2). Und das von allenSeiten (2.1.2)!So, Du hast gesagt, der Brief sollte ehrlich sein (4).Ich könnte noch ganz andere Dinge schreiben (4). Das weißt Du auch (4). Ichdenke jedoch das es jetzt reicht (4). Also, mach was aus Deiner Chance (3.2).Nimm etwas mit von Deinem Aufenthalt in der Klinik (3.2).PS: Ich glaube kaum, daß ich ein Co-Alkoholiker werde (1.1.1.6). Dafür habe ichwohl zuviel Abschreckendes mitbekommen (1.1.2.11). Außerdem will ich dasweder mir, noch meiner Familie antun (1.2). Ich kann ohne Probleme auf Alkoholverzichten wie Du weißt und käme nie auf <strong>die</strong> Idee alleine etwas zu trinken (4).Und selbst in Gesellschaft trinke ich ganz ganz selten mal Alkohol (4). Ich weißwie gefährlich <strong>die</strong> Droge Alkohol ist , was sie aus Menschen machen kann und binsehr abgeneigt (1.1.2.6). Also, mach Dir um mich keine Sorgen (3.2). Ich habe


Seite 14mein Leben schon im Griff (1.1.1.6). Sie lieber zu, daß Du Dein Leben in den Griffbekommst, Du hast schließlich alle Möglichkeiten dazu (3.1).Also, liebe Grüße von P.,M. & S.Bis bald A.


Seite 15Brief 716.12.00Hi Papa !!!<strong>Wie</strong> geht`s, wie steht`s (4)? Mir jedenfalls gut (1.1.1.6). Ich hab` deinen Briefgrade bekommen (4). <strong>Wie</strong> kommst Du denn jetzt auf keltische Musik (4)?... Ichguck mir dass was Du mitgeschickt hast gleich noch genauer an (4). Mach Dirkeine Sorgen um mich, ich komm` schon aleine klar (3.2).Als Du so viel gesoffen hast, war es schon blöd (1.1.2.11). Ich konnte keinenEinladen, weil Du dir vielleicht einen saufen würdest und das auch blöd gewesenwäre, wenn der dann grade da gewesen wär (1.1.2.10)! Du hast es auch echtübertrieben, sobald Du <strong>die</strong> Möglichkeit hattest, hast Du dich besoffen und wenn esging und Du durftest am nächsten Tag oder den nächsten Tagen noch einmal(2.1.1). Wenn ich Hilfe brauche sag` ich`s schon (4). Du brauchst Dir wirklich keineSorgen machen, ich komm` sehr gut klar (3.2).P.S.: Schreib` schnell zurück (3.2).F.


Seite 16Brief 8Lieber Paps17.12.00Zunächst mal „Entschuldigung“, dass ich den Brief auf dem Computer schreibe,aber so kann ich leichter alles ordnen, in einen Zusammenhang bringen (4).Tja, Du wolltest wissen, was ich gefühlt habe, was ich über Dich gedacht habe (4).Du kannst Dir sicherlich vorstellen, wie schwer es ist so etwas auf Papier (bzw. aufden Bildschirm) zu bringen (4). Vor allem hatte ich in all den Jahren so vieleverschiedene Gefühle (1.1.3). Aber ich versuche einfach mal, bei meinenErinnerungen von ganz früher anzufangen (4).Ich kann mich nur noch ganz vage erinnern, wie Mutti zu mir sagte:“ Papa istkrank, er ist Alkoholiker...“(4). Ich glaube, <strong>die</strong> Tatsache allein, dass Du Alkoholikerbist, hat mich nie gestört (1.1.1.6). Ich habe recht schnell begriffen, dass es eineKrankheit ist, und konnte <strong>die</strong>s somit leicht akzeptieren (1.1.1.5). Es war eher DeinVerhalten (4). Du warst immer so furchtbar ungerecht (2.1.2). Bei jederBemerkung hattest Du das Gefühl, man würde Dich ungerecht behandeln, Dichangreifen, Dich demütigen (2.1.1). Dann wurdest Du zänkisch, hast uns beleidigt,uns angeklagt, wir würden immer auf Dir rumhacken (2.1.1). An einzelne Fällekann ich mich gar nicht mehr erinnern, es ist mehr so ein Gesamteindruck, dersich in meinem Gedächtnis festgesetzt hat (4). Du schreist Mutti an, Sie schreitDich an, ich will Mutti verteidigen, Du schreist mich an – es war furchtbar(1.1.2.11). Mutti hat geheult, ich habe geheult, Du warst beleidigt, weil ja allegegen Dich waren (4).Es hat eine Zeit gegeben –ich weiß nicht mehr, wie lange und wann genau- dawarst Du eigentlich täglich betrunken (2.1.1). Das faszinierende ist, welch eineSensorik man entwickelt, um festzustellen, dass Du was getrunken hast (1.3). Mitder Zeit wurde ich automatisch immer wachsamer (1.3). Ich habe automatischnach Anzeichen gesucht, um festzustellen, ob Du getrunken hast (1.3). Wenn ich


Seite 17manchmal mit Dir im Auto gefahren bin und nicht sicher war, ob Du was getrunkenhattest, habe ich den Kopf immer an <strong>die</strong> Scheibe gelehnt und <strong>die</strong> Seitenliniebeobachtet (1.3). So habe ich geschaut, ob Du Schlangenlinien fährst (1.3). AmTelefon reichten meist schon drei Worte aus, um zu wissen, was Sache ist, ichmeine mich erinnern zu können, wenn Du früher von der Arbeit kamst, konnte ichan Deinem Schritt hören, ob Du getrunken hattest (1.3). Dann kam der Gedanken„oh je, er hat wieder getrunken...“ (1.1.2.11). Mutti gab Dir einen Begrüßungskuss,Du bist mit dem Kopf zurück, hast Sie beleidigt angeschaut: „Schnupperst Duschon wieder, ob ich getrunken habe!!!“ (4) Dann war der Abend schon wiedergelaufen (1.1.2.11). Mit der Zeit habe ich tausend Dinge entdeckt, <strong>die</strong> einAnzeichen dafür waren, dass Du getrunken hattest: Ein bestimmter Blick,bestimmte Worte und Sätze, der besondere Gang usw. (1.3). Für mich waren<strong>die</strong>se Anzeichen so offensichtlich und so eindeutig, dass ich lange Zeit keineFreunde mit nach Hause nehmen wollte, wenn Du da warst (1.3). Ich dachte, siehätten ja mit dem ersten Blick gesehen, dass Du betrunken bist (1.1.2.10). Ichfand, Du hast dann immer so dummes Zeug geredet (2.1.1). Ich habe mich so fürDein Verhalten geschämt, es war mir immer so peinlich (1.1.2.10).Was habe ich in <strong>die</strong>ser Zeit für Dich empfunden (4)? Das ist wirklich schwer zusagen (4). Wenn Du nüchtern warst, habe ich Dich über alles geliebt, ohnejegliche Einschränkung (1.1.1.3). Wenn Du betrunken warst, wurde <strong>die</strong> Liebeüberschattet von Hass, Ekel und Mitleid (1.1.3). Hass, weil Du so gemein undungerecht warst, Mutti so unglücklich gemacht hast und irgendwie auch unserschönes Leben zerstört hast (1.1.2.5). Ekel, weil Du einfach nicht Du selbst warst,wie ein Fremder, der sich in unsere Familie eingeschlichen hast (1.1.2.6). Mitleid,wenn ich mir vor Augen gehalten habe: B., er kann nichts dafür, er istkrank....(1.1.1.2)! In meinem Kopf hat es immer geschrieen: „Hilfe, ich will meinen„alten“ Papa zurück (1.2). Ich will, dass alles so ist wie früher (1.2).Das Erlebnis, was eigentlich am stärksten in meiner Erinnerung ist, war ein Abendals Mutti in E. war (4). Ich denke, ich war ungefähr 14 Jahre alt (4). Ich hatte für<strong>die</strong>sen Abend angekündigt, was tolles zu kochen (4). Als Du nach Hause kamst,habe ich Putenschnitzel mit Reis und Currysauce aufgetischt (verrückt, aber ichkann mich wirklich noch erinnern, was ich gekocht habe) (4). Ich war so stolz,denn etwas so „Aufwendiges“ hatte ich noch nie ganz alleine gekocht (1.1.1.6). Ich


Seite 18habe natürlich gleich gemerkt, dass Du was getrunken hattest, aber ich dachtemir, ich versuche heute, ganz lieb zu sein, nichts falsches zu sagen (1.3). Dusolltest einfach stolz auch mich sein (1.2). Nachdem Du ein paar Bissen gegessenhattest, bist Du zur Toilette und hast Dich übergeben (2.1.1). Später habe ich Dichdann im Badezimmer nackt auf dem Boden liegend gefunden (2.1.1). Dasrestliche Essen habe ich weggeschmissen, und mich bei Mutti am Telefonausgeheult (1.1.2.1). Sie wäre am liebsten sofort heimgekommen (4). In <strong>die</strong>senTagen, hattest Du so richtig gesoffen (2.1.1). Als Mutti dann am Wochenende ausE. zurückkam, lagst Du völlig betrunken auf der Terrasse (2.1.1).<strong>Wie</strong> ist jetzt mein Gesamteindruck von meiner Jugendzeit (4)? Normalerweisebehält man ja eigentlich immer <strong>die</strong> positiven Dinge, und streicht das Negative ausdem Gedächtnis (4). Aber wenn ich mir so <strong>die</strong> Frage stelle „wie war Paps so alsich zwischen 12 und 15 Jahre alt war?“, dann ist das erste, was mir einfällt„betrunken“ (2.1.1). Kann es sein, dass Du <strong>die</strong> Jahre danach weniger getrunkenhast (2.1.1)? Mir kommt es so vor, dass es in meinen letzten drei Schuljahrennicht so schlimm war (2.1.1). Oder war ich einfach nur abgestumpft oder standüber den Dingen (4)?Nach meinem ersten Stu<strong>die</strong>njahr kam dann ja <strong>die</strong> Kur (4). Ich glaube, das warzunächst ein Schock für mich, aber es war auch der Gedanke „jetzt wir wiederalles gut“ (1.1.3). Nachdem ich nicht mehr zuhause wohnte, habe ich nicht mehrdirekt unter Deiner Trinkerei gelitten (1.1.2.9). Es waren mehr <strong>die</strong> Sorgen und dasMitleid um Mutti, <strong>die</strong> mich belastet haben (1.1.2.11). Ich hatte das Gefühl, jetzt hatsie keinen mehr, der ihr beisteht; sie ist jetzt ganz alleine und muss dasdurchstehen (1.1.2.11). Und dann kam ja <strong>die</strong> Zeit nach der Kur, wo wirklich allesgut war (1.1.1.6).Ich habe in der letzten Zeit versucht rauszufinden, wann ich das erste Malgemerkt habe, dass Du wieder trinkst (1.3). Ich meine, ich hatte schon vor 1½Jahren manchmal am Telefon das Gefühl, „jetzt spricht er wieder so wie damals“(1.3). Ich meine, ich habe Mutti auch mal gefragt, ob Du wieder trinkst, Du wärestam Telefon so komisch gewesen (1.3). Sie meinte aber, das wäre mir wohl nur sovorgekommen (4). Deutlicher wurde es eigentlich, als Mutti bei mir im Frühjahr in


Seite 19N. war (4). Ich hatte mit Dir telefoniert, ich glaube ich habe Dir von demVorstellungsgespräch bei Firma B. erzählt, und das Telefonat ist damit zu Endegegangen, dass ich wütend den Hörer aufgeschmissen habe (1.1.2.2). Kurzdanach habe ich Dich noch mal angerufen, und mich bei Dir entschuldigt(1.1.2.11). Im nachhinein denke ich, mir hätte sofort 100%ig klar sein müssen,dass Du betrunken warst (1.3). Vielleicht habe ich <strong>die</strong>sen Gedanken auch einfachnur verdrängen wollen (1.1.2.11).Als es dann schließlich doch raus kam, war es ein ziemlich Schock (1.1.2.11). Undmit einmal waren wieder <strong>die</strong> alten Gefühle da: Hass und Ekel (1.1.2.11). Aber keinMitleid (1.1.2.11). Ich hatte riesiges Mitleid, allerdings mit Mutti (1.1.1.2). In denletzten Wochen vor Deiner Kur, war es für mich immer furchtbar mit Dir zutelefonieren (1.1.2.11). Ich war immer froh, wenn Mutti den Hörer nichtweitergegeben hat (1.1.1.1). Das warst einfach nicht Du (2.1.3). Da war einFremder am Ende der Leitung (2.1.3). Warum sollte ich mich mit einem Fremdenunterhalten (2.1.3). Die Vorstellung, dass Du das bist, war furchtbar (1.1.2.11).Ich habe so sehr das erste Telefongespräch mit Dir genossen, als Du in der Klinikwarst (1.1.1.1). Deine Stimme war wieder <strong>die</strong> alte (2.1.3). Da war auf einmalwieder Paps am Telefon und nicht <strong>die</strong>ser Fremde (2.1.3). Wenn ich so darübernachdenke, muss ich sagen, es ist eigentlich unvorstellbar, wie stark ich an DeinerStimme und an dem, was Du sagst, merke, ob Du getrunken hast (1.3). Umsomehr freut es mich z.Zt. mit Dir zu sprechen (1.1.1.1). Es ist wieder so, wie es seinsoll (1.1.1.6).Ich glaube, ich bin jetzt mit meinen Gedanken am Ende (4). Mir würde sicher nochmehr einfallen, wenn ich noch etwas mehr Zeit zum Nachdenken hätte (4). Aberich denke, dass bisher gesagte (geschriebene) wird Dir auch schon weiterhelfen(4). Vielleicht können wir ja nach Deiner Kur mal über all das reden (2.2.2).Ich überlege, ob es nicht irgendwie eine Aussage gibt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Problematik derletzten Jahre ausdrückt..(4).


Seite 20Ich hatte in den letzten 15 Jahren zwei Väter (2.1.3). Der erste richtige Papsist mir aber eindeutig der liebste, und den anderen möchte ich nie mehrwiedersehen (2.1.3)!Ich drücke Dir ganz, ganz fest <strong>die</strong> Daumen (1.1.1.6).Ich bin so stolz auf Dich (1.1.1.6).In Liebe Deine B.


Seite 21Brief 9An meinen Vater. . . Februar, den 9 2000Als ich vom nassen Brief hörte, dachte ich nur, daß ich auch schreiben wollte,schreiben wollte was mir schon seit Jahren am Herzen liegt (4).In der Kindheit bemerkte ich deine Sucht nicht, und du warst für mich der perfekteVater (4). Bis ich anfing nachzudenken (4). Immer öfters hörte ich dich und Mutterstreiten, glaubte es sei meine Schuld und hatte den Wunsch zu sterben um für daszu büßen was zwischen Euch schief lief..(1.1.2.8). Ich schrieb Mutterfurchterregende Briefe, <strong>die</strong> von meinem Gefühlsinneren erzählten, vom Wunschzu sterben, da ich glaubte ein schlechter Mensch zu sein (1.1.2.8). Als ich dann in<strong>die</strong> Pubertät kam, war alles noch schwieriger, ich fühlte mich unverstanden undwußte nicht wie ich zu meinem Vater sprechen sollte (1.1.2.11). Dann begriff ich,erstmals warum das alles passierte (4). Vater ist alkoholsüchtig.. (2.1.1). Kann erdafür, weiß er was er Mutter antut und angetan hat (2.1.1)? Ich wußte es nicht undhaßte dich dafür daß du Mutter zum Weinen brachtest (1.1.2.5). Ich konnte nichtschlafen, nicht lernen, hatte Angst (1.1.2.4). Ich ging dir immer aus dem Weg,wenn du zu Hause warst, verkroch mich in mein Zimmer und weinte, weintewegen dir, für dich, um alles (1.1.2.1). Viele Schuljahre habe ich gelitten, daran,daß ich mir selbst <strong>die</strong> Schuld an allen Problemen gab (1.1.2.8). Doch auch <strong>die</strong>Schulnoten haben daran gelitten (1.1.2.11). Wenn ich versuchte mich mit dir zuverständigen und du hattest getrunken, was fast immer der Fall war, expan<strong>die</strong>rteeine simple Diskussion zum Streit, zu deinem Streit (2.1.1). Du hast gebrüllt, ichlief weg (2.1.1). Da du in solchen alkoholisierten Zuständen immer gegen michsprachst, fing ich an zu glauben, ich sei unfähig, unfähig zu allem, zur Schule, zumDenken, zum Lieben, zum Leben (1.1.2.11). Manchmal wurde ich dann krank,habe meine Traurigkeit ausgeweint und ausgeschlafen (1.1.2.1). Blieb zu Hauseim Bett und wollte nicht mehr aufstehen, nicht mehr essen, nur noch aus demLeben verschwinden (1.1.2.9). Ich träumte davon so dunkel zu sein wie <strong>die</strong> Nacht,damit mich niemand bemerkt und ich niemandem mehr weh tun könnte (1.1.2.8).Mit der Zeit verstand ich mit deiner Sucht klarzukommen, abends, mittags undsogar morgens auf einen Vater zu stoßen, der kein Vater mehr für mich war, derbesoffen vor sich hinvegetierte und <strong>die</strong> ganze Familie unglücklich machte (2.1.2).


Seite 22Warum ich nie mit dir gesprochen habe ist, weil ich Angst hatte, Angst alles falschzu machen (1.1.2.4). Ich hätte dir sehr gerne gesagt wie sehr ich dich gehaßthabe, wie sehr ich dich schlagen würde wenn du noch einmal meine Mutterunglücklich machen würdest. . (1.1.2.5). Es ist sehr kurz her, bevor du dich schonwieder entschlossen hast mit dem Trinken aufzuhören, daß ich in der Schulefehlte und ich wieder einmal nicht klar kam (4). Du hast so sehr, so oft Sachenversprochen und sie nicht gehalten (2.1.2). Ich kann dir nicht glauben obwohl iches hoffen würde, daß du es <strong>die</strong>smal schaffen wirst (1.1.3).Ich gebe dir nicht <strong>die</strong> Schuld, für das Leid was geschehen ist, ich sage dir nur, tues nie wieder, denn eine zweite Chance wirst du nicht kriegen (3.1).Den Vater, den ich manchmal erlebte, im neutralen Zustand liebe ich, und habeich immer geliebt, <strong>die</strong>sen Vater möchte ich nur grüssen, ihm Glück wünschen undihn bald wiedersehen (2.1.3),in Liebe, deine TochterJ.Mein Vater ist alkoholsüchtigHier an was ich beim dem Satz:denke.Angst -----------------------------------------(ich hatte Angst vor dir und der Welt)(1.1.2.4)Nicht können -------------------------------(Leben leben) (1.1.2.11)Schlafstörungen (1.1.2.11)Essensverweigerung (1.1.2.11)Ausdrucksmangel-------------------------(nicht mit jmd darübersprechen können)(1.1.2.11)Ungeliebt fühlen (Freund) (1.1.2.11)Unverstanden (1.1.2.11)Mißbraucht(vom Leben mißbraucht, weil ich nichtmehr leben wollte) (1.1.2.11)Verlassen (1.1.2.11)Sterben wollen (Wunschäußerung) (1.1.2.9)Fliehen---------------------------------------(von zu Hause weglaufen) (1.1.2.11)Wut--------------------------------------------(auf dich, auf mich) (1.1.2.2)Tot---------------------------------------------(ich dachte daran dich töten zu wollen)


(1.1.2.5)Sinnlosigkeit (1.1.2.11)Seite 23Dies sind Folgen von deiner Sucht, <strong>die</strong> sich auf mich ausgeübt haben während derganzen Jahre (2.1.2).Ich habe nicht über <strong>die</strong> Probleme meiner Brüder gesprochen, weil ich denke, siesollten das irgendwann einmal selbst tun. . . und du könntest ihnen zuhören (4).Das Leben ist mir oft sinnlos vorgekommen und ich war nicht immer das bravste,gezogendste Mädchen, auch ich habe Probleme dargeboten. . . doch. . jederversucht sich zu bessern, ja (4)?was mir fehlt: Ehrlichkeit, Liebe, Verständnisoffenes Aussprechen der Gefühle<strong>die</strong> Tochter zu sein <strong>die</strong> ich wirklich bin (2.1.2)


Seite 24Brief 10B., 27.1.2001Liebe Mama,hier ist nun mein „nasser Brief“ an Dich (4). Es wird mir wirklich sehr schwer fallen,Dir meine derzeitigen Gedanken und Gefühle zu schildern, einfach deswegen, weiles so viele Sachen gibt, <strong>die</strong> ich Dir gerne sagen würde (4). Diese Sachen machenmich total fertig und vor allem traurig (1.1.2.1).Es war nie leicht, damit fertig zu werden, dass ausgerechnet meine Mutter ein sogroßes Problem mit Alkohol hat (1.1.2.11). Viele Jahre habe ich nie etwas davonmitgekriegt (4). Es wurde mir erst richtig bewusst, als Du deinen Führerscheinverloren hast... ich war dabei, habe alles mit<strong>erleben</strong> müssen, wie Du, mit mir aufdem Rücksitz, betrunken hinter dem Steuer gesessen hast (2.1.1). An <strong>die</strong>semTag, hast Du du mir versprochen nie wieder zu Trinken (2.1.1). Ich war überzeugtdavon, dass meine eigene Mutter mich nie anlügen würde und habe es Dirgeglaubt (1.1.1.6)! So oft kamen Situationen auf, in denen Du mir immer wiederversprochen hast, nie wieder zu Trinken (2.1.1). Auch wenn es mit der Zeitunglaubwürdig wurde, ich hatte wirklich immer ein neues bißchen Hoffnung, dassDu irgendwann einmal einsiehst, dass Du ein großes Problem hast (1.1.1.4).Es war für mich einfach unaussehbar, in deiner Nähe zu sein, wenn Du betrunkenwarst (1.1.2.6). Mit der Zeit war es auch sehr peinlich, wie Du Dich in derÖffentlichkeit verhalten hast (1.1.2.10). Ich als Deine Tochter sollte Dich lieben,aber in den Zeiten, in denen besoffen warst, konnte ich nur noch Hass, Angst undTrauer fühlen (1.1.3).Hass, dass meine sonst so liebe, offene, hilfsbereite, einfach liebenswürdigeMutter ihre Problem mit Rotwein “übergießt“.. (1.1.2.5).Angst, jedesmal wenn ich nach Hause komme, Dich in Deinem Sessel zu sehen,total betrunken.. (1.1.2.4).Angst, immerwieder neue Flaschen zu finden, oder anzusehen, wie Du heimlichim Keller zur Flasche greiffst.. (1.1.2.4).Angst, dass Freund etwas mitbekommen und ich es nicht länger verheimlichenkann, dass meine Mutter alkoholkrank ist.. (1.1.2.4).


Seite 25Trauer, weil ich einfach nicht damit fertig werden kann, dass ich sehr oft, keineMutter im nüchternen Zustand habe.. (1.1.2.1).In den Zeiten, in denen Du trocken warst, war ich wirklich sehr glücklich und habeauch gerne Zeit mit Dir verbracht (1.1.1.1). Du bist so intelligent und lieb, wenn Duaber getrunken hattest, hätte man meinen können, dass da ein völlig andererMensch steht, dem man <strong>die</strong> letzte Intelligenz genommen hatte (2.1.3).Sobald ich ins Haus kam, roch ich den Gestank von Alkohol (4). Selbst nach nurwenigen Sekunden, konnte ich es erkennen, ob Du nüchtern oder total betrunkenwarst (1.3). Deine Haare waren zerzaust, Du konntest nicht mal mehr ganze Sätzesagen, nicht gerade laufen oder ruhig sitzen (2.1.2). Das Schlimmste für mich aberwar, dass meine Mutter nicht mehr imstande war, mir in <strong>die</strong> Augen zu sehen(1.1.2.11). Statt dessen hast Du an mir vorbeigeschielt. Ständig bist Du in meinZimmer gekommen und hast sinnlose Sachen 10 mal hintereinander gefragt(2.1.2). Du konntest Dir einfach nichts merken (2.1.2).Im nachhinein tat es mir immer leid, dass ich Dich angeschrien oder sehr beleidigthabe oder sogar aus meinem Zimmer rausgeschmissen habe, oder Dir einfachnicht <strong>die</strong> nötige Beachtung geschenkt habe (1.1.2.8). Ich bin einfach nicht in derLage, jemandem, der mir seelisch so weh tut, Respekt zu zeigen (1.1.2.7).Sicherlich habe ich auch oft falsches Verhalten gezeigt (1.1.2.8).Ich bin sehr froh, dass du nie einem von uns (M., Papa u. mir) gegenüber Gewaltgezeigt hast (1.1.1.1).Jetzt, wo Du endlich zur Vernunft gekommen bist und eine Therapie machst, binich wirklich sehr, sehr dankbar und vor allem glücklich (1.1.1.1). Ich bin wirklichstolz, eine so starke und tapfere Mutter zu haben (1.1.1.6)!!! Deswegen möchteich Dir noch einmal von ganzem Herzen sagen (1.1.1.6).Danke!!Ich liebe Dich (1.1.1.3),`hug-hug`,F.


Seite 26Brief 11(<strong>Eine</strong>s vorweg : ich schreibe <strong>die</strong>sen Brief auf dem Computer, weil meineHandschrift nicht für jeden so einfach zu entziffern ist (4).)Hallo Mama!Ich bin so stolz auf Dich, dass Du Dir und anderen gegenüber endlich (besser spätals nie !) eingestanden hast, dass Du ein Problem hast und Dich zur Therapiebereit erklärt hast (1.1.1.6)! Es ist unglaublich, wie sehr Du Dich verändert hast(2.1.3)! Als wir Dich besucht haben ist es mir besonders aufgefallen, aber auch inden Wochen vor Therapieantritt, in denen Du nichts getrunken hast (2.1.3). Dusiehst erholter aus, irgendwie „frischer“, vitaler, Deine Haare sind gepflegt, Duachtest wieder auf Dein Äußeres..(2.1.3). Aber Du hast Dich nicht nur äußerlichverändert (2.1.3). Der Unterschied zwischen „trockenen“ Zeiten und Zeiten, indenen Du betrunken warst, ist wirklich enorm, so dass ich leicht erkennen konnte,in welchem Zustand Du gerade bist (2.1.3). Wenn Du betrunken warst, hattest Duungepflegtes Haar, Deine Augenlider hingen herunter, Du konntest Deinen Blicknicht richtig auf einen Punkt fixieren, Du hast nach Alkohol gestunken, Du hastanschließend den ganzen Tag lang nichts im Haus gemacht außer in DeinemSessel zu sitzen und Dich zu besaufen, was vor allem im letzten Jahr der Fall war,Du warst kindisch, man konnte nicht mit Dir reden, Du hast oft einfach nurirgendwelche sinnlosen Geräusche von Dir gegeben, Du bist ständig in meinZimmer gekommen und hast mich genervt, obwohl Du nichts zu sagen hattest, Duwarst vergesslich und hast selbst wichtige Dinge vergessen, was mich sehrverletzt hat (2.1.3). Du warst einfach keine richtige Mutter mehr (2.1.2) ! Dadurchhab ich zwar gelernt, selbstständiger zu sein, weil wir (F. und ich) oft völlig auf unsallein gestellt waren, was z.B. Essen und Wäsche betrifft, aber das kompensiertleider nicht <strong>die</strong> Tatsache, dass ich damit fertig werden musste, dass meine Muttertrinkt (1.1.3). Das hat mich alles so aggressiv gemacht (1.1.2.2)! Ich hab Dichdafür gehasst, dass Du so bist und uns das antust (1.1.2.5)! Ich hatte keinbisschen Respekt vor Dir (1.1.2.7) ! Ich war oft wirklich eklig und gemein zu Dir,


Seite 27aber meiner Meinung nach hattest Du`s an solchen Tagen einfach nicht andersver<strong>die</strong>nt (1.1.2.8) ! Ich hatte weder Lust noch Kraft, mich Dir gegenüber freundlichoder verständnisvoll zu verhalten (1.1.2.11). Ich hab Dich auch nie als Opfergesehen (2.1.2) ! Schließlich gibt es viele Leute, <strong>die</strong> Probleme haben und sichnicht besaufen (2.1.2)!! Außerdem warst Du ja nicht einmal bereit, Direinzugestehen, dass Du ein Problem hast, und wolltest keine Hilfe annehmen,also hätte alle Mühe ja doch nichts gebracht (2.1.2)!! Am traurigsten hat es michgemacht, dass sich so ein Mensch einfach „versaut“, einfach zerstört und er sichnicht einmal helfen lassen will (1.1.2.1)!!! Dieses „sich Zerstören“ wird besondersdeutlich, wenn man sich mal anschaut, wie Du warst, wenn Du mal (in letzter Zeitwar das ja sehr selten der fall) nichts getrunken hattest (2.1.3). In solchen Zeitenhab ich Dich als meine Mutter angesehen und respektiert (1.1.1.5). Es ist zwarparadox, wenn man sagt, das man eine Person respektiert und dann wieder dochnicht... aber Du warst praktisch wie zwei verschiedene Personen, <strong>die</strong> ichunterschiedlich behandelt habe (2.1.3). Du warst humorvoll, intelligent, mankonnte vernünftig mit Dir reden, Du hast Dich um uns gekümmert..(2.1.3). Stell Dirmal vor, Du müsstest zusehen, wie sich so ein toller Mensch einfach zerstört(2.1.3)!!!!! Ich bin so froh, dass Du jetzt schon längere Zeit nichts mehr trinkst undso bist, wie ich eben gesagt habe (1.1.1.1)!!! Und ich hoffe, dass das auch sobleibt (3.1)!Viel Erfolg noch bei Deiner Therapie (3.1)!Ich vermisse Dich (1.1.1.3)!Ich hab Dich lieb (1.1.1.3)!Deine M.M. XXX


Seite 28Brief 12Hallo Papa!Es ist sehr schwer für mich, meine Gefühle offen niederzuschreiben (4)! MeinTagebuch ist mir in <strong>die</strong>ser Aufgabe eine große Hilfe (4). Doch ich wollte zuerstoriginal Abschnitte aufschreiben, doch das ist wirklich extrem heftig (4)! Ich werdejetzt, auch wenn es mir wirklich nicht leicht fällt, dass meiner Meinung nach gutverarbeitete wieder hochkommen zu lassen alles niederschreiben, was ichwährend <strong>die</strong>ser Zeit empfunden habe (4).Es war wirklich tiefe Verzweiflung (1.1.2.3). Ich war soweit, dass ich mir mit einerSchere den Arm aufgeschnitten habe (1.1.2.3). Ich habe dich gehasst, als dugetrunken hast (1.1.2.5). Es war Wut und sehr tiefe Enttäuschung (1.1.2.2). Als dubesoffen warst, hast du dich von einer Minute in jemand verwandelt, den ichgehasst und verabscheut habe (2.1.3). Immer hast du versprochen, du wirstaufhören, und immer wieder hast du <strong>die</strong>ses Versprechen nicht gehalten (2.1.2).Ich hab mich immer gefragt wieso (4)? Ich hatte am Anfang wirklich Mitleid mit dir,weil du deine Sucht nicht unter Kontrolle bekommen hast (1.1.1.2). Doch mit derZeit schlug das Mitleid in puren Hass um (1.1.2.5). Den Respekt vor dir verlor ichimmer mehr (1.1.2.7). Ich habe immer gedacht, warum soll ich jetzt noch auf denhören, der mir bzw. uns soviel Leid und Kummer bereitet hat, und <strong>die</strong> Familiezerstört hat (2.1.2)? Ich habe immer Mamas, Omas und meine tränen gesehen,und habe alles in mich reingefressen (1.1.2.11). Du warst anders, du warst nichtder verständnisvolle und liebe Papa, der immer ein ohr für mich hatte (2.1.3). Duwarst ein Scheußal (2.1.3). Kurz vor deiner Therapie, habe ich <strong>die</strong> totale Krisebekommen (1.1.2.11). Immer, fast täglich warst du sturzbesoffen (2.1.1). DU hastMama und unsere Familie mit deinem Scheiß Verhalten total fertig gemacht(2.1.2). Ich wusste nicht, wo ich <strong>die</strong>sen Kummer und <strong>die</strong>se unheimlichenseelischen Schmerzen verarbeiten sollte (1.1.2.9). Ich war so hilflos (1.1.2.3). Alsdu Mama geschlagen hast, wollte ich dich anschreien, dir in dein besoffenesGesicht mit den roten Augen, <strong>die</strong> du immer hast, wenn du betrunken bist, was fürein Arschloch du doch bist wenn du besoffen bist, ich wollte dir alles, was mir so


Seite 29unbeschreiblich wehgetan hat ins Gesicht schreien, nein, das wäre gelogen(1.1.2.5). Ich war in <strong>die</strong>sem Augenblick kurz davor dir eine zu klatschen (1.1.2.2).Ich hatte so dermaßen Wut im Bauch (1.1.2.2). Doch ich konnte nur weinen(1.1.2.1). Es hat so unbeschreiblich doll wehgetan (1.1.2.9). Zu wissen, wozu derAlkohol im Stande ist, deine reine und nette Seele so zum negativen zu verändern(2.1.3). Und das schlimmste war, dass ich mit niemandem darüber reden konnte(1.1.2.11). Ich habe mich geschämt (1.1.2.10). Ich war so wütend, so traurig(1.1.2.11). Ich hab mich auch über Mama aufgeregt, weil sie immer zu dir gehaltenhat und du sie als dank immer total fertig gemacht hast (1.1.2.2). Und als du siegeschlagen hast, dachte ich, Mama hätte es endlich begriffen, dass du sieunterdrückst, und sie dir viel zu viel Liebe entgegenbringt (4). Doch sie hat weiterzu dir gestanden (4). Ich hätte das nicht getan (4). Ich wollte ausziehen, weit wegvon <strong>die</strong>sem ganzen Scheiß, den ich nicht verarbeiten konnte (1.1.2.11). Es warpurer Hass (1.1.2.5). Hinterher war mir das total egal, wenn du wie ein irrer sturzbetrunken rumgeschrien hast und irgendwas auf deiner toilette geredet hast(1.1.2.11). Aber es war furchtbar alle weinen zu sehen, auch als du geweint hast,war das sehr schlimm für mich (1.1.2.11). Ich hatte immer Angst, dass du dir wasantust, weil ich dich lieb hab (1.1.3). Aber es hat so unbeschreiblich weh getan(1.1.2.9). Und als es dann hieß, du müsstest in <strong>die</strong> Psychiatrie, da hab ich mich sogeschämt (1.1.2.10). Du warst so runter mit den Nerven (2.1.1). Aus meinemgroßen starken vorbildlichen Papa war da nur noch ein kleineselbstbemitleidendes Kind (2.1.3). Dein Selbstmitleid war das schlimmste für mich(1.1.2.11). Es schien immer so als würde dich <strong>die</strong> Familie garnicht kümmern, alswäre es dir egal dass du unsere Seelen kaputt gemacht und zerissen hast (2.1.2).Nein, du hast immer nur geweint, weil du dir Leid tatest (2.1.2). Auch das tat weh(1.1.2.9). Ich hätte dich umbringen können, so verzweifelt war ich (1.1.2.3). Ichwollte in den Keller ziehen, mich bei J. verkriechen, einfach weg (1.1.2.11). Ausmeinem Liebevollen Papa war in <strong>die</strong>ser kurzen Zeit der von mir meistgehassteMensch in meiner kleinen grauen zerstörten Welt (2.1.3). Ich hätte nie gedacht,dass es soweit kommen könnte (4). Weihnachten war so schlimm, auch da hatsich mein Hass wieder bekräftigt (1.1.2.5). Du hast nur geweint, warst totalsentimental (2.1.1). Das hat mich so aufgeregt, ich weiß nicht warum (1.1.2.2).Zuerst hieß es, du sollst für 6 Monate in Kur (4). Ich habe gehofft, dass das baldkommt, du solltest uns endlich in Ruhe lassen (1.1.1.4). Mein letztes Jahr war für


Seite 30mich der reinste Alptraum, doch mittlerweile habe ich <strong>die</strong> Schmerzen verkraftet(1.1.2.9). Mir geht es wieder gut (1.1.1.6).Doch eins weiß ich: ......... (Satz unkenntlich gemacht, Anm. d. Verf.) (4)Ich liebe dich Papa, und ich bin sicher, dass du wieder mein vorbildlicher netterPapa wirst, den ich so lieb hab (1.1.1.3).Inewiger LiebeN.


Seite 31Brief 13Hallo PapaEs ist ziemlich schwer all meine Gefühle <strong>die</strong> zu dir stehn, <strong>die</strong> negativen, hier indem Brief wieder zugeben (1.1.2.11):Es fing an mit Streitereien zwischen Mama und Papa (4). Sie schrien sichmeistens Abends an, wenn N. und ich im Bett lagen (4). Wir wurden oft gestört (4).Dann gingen wir immer abwechelnd zu ihnen beruhigten oder schimpften (4). Amschlimmsten waren <strong>die</strong> Wochenenden (1.1.2.11). da rastete Papa fast immer aus(2.1.1). An einem Wochenende drohte er uns, wegen einer kleinenMeinungsverschiedenheit mit N. und Oma, für immer weg zufahren (2.1.1). Papatat es auch (2.1.1). Die ganze Familie weinte bestimmt zehn Minuten durch(1.1.2.1). Nach einer viertel Stunde war Papa wieder da, nahm uns in den Armund entschuldigte sich bei uns (2.1.1). Ich fand das total okay (1.1.1.6). Papablamierte uns auch mal (1.1.2.10). Einmal war es in einer Pizzaria, wo es hießSelbstbe<strong>die</strong>nung doch das sah Papa nicht ein, schimpfte und schrie <strong>die</strong> Leute an(2.1.1). Dann flogen wir raus (4). Nach <strong>die</strong>ser Blamage erfuhren wir endlich dasPapa Alkoholiker ist und das wir ihn unterstützen müssen (1.1.2.10). Es fing eineharte Zeit für uns alle an (1.1.2.11). Wir mussten Papa nach Alkohol durch suchenund immer wenn wir denken er sei betrunken sollen wir ihn darauf ansprechen(1.3). Jetzt fing es an mit der Heulsituation (1.1.2.1)! N. konnte es nicht verstehen,warum ich nicht weinte (4). Innerlich und Abends habe ich genug geweint, und tuees noch heute (1.1.2.1)! Ich glaube ich habe innerlich genauso viel geweint, wiesie alle äußerlich (1.1.2.1). Oft habe ich ohne Grund geweint, ich weiß auch nichtwarum, aber ich schätze wegen Papa (1.1.2.1). Ich schimpfe innerlich über Mama,weil sie Papa viel zu viel bemitleidet, genauso wie Papa (1.1.2.2). Papabemitleidete sich selbst (2.1.1). Das war echt bescheuert (1.1.2.11). Zuerst tat ermir auch leid, aber später nicht mehr (1.1.1.2). Mama war schon so weit, dass sie<strong>die</strong> Scheidung einreichen wollte, aber das hat sie Gott sei dank nicht getan(1.1.1.6). Als Mama arbeiten ging, haben N. und ich ihm mal richtig <strong>die</strong> Meinung


Seite 32gesagt, dass er – wenn er betrunken ist – ein ekliges Arschloch ist (2.1.3). Ichhabe endlich mal meine Wut rausgelassen, ich habe ihm gedroht, wenn er nochmal was trinkt, bringen wir ihn in <strong>die</strong> Anstalt (1.1.2.2). Papa lag an Weihnachtennur ihm Bett (2.1.1). Am liebsten hätte ich ihn aus dem Bett geprügelt (1.1.2.2).Das war das döfste Weihnachten, dass ich je erlebt habe (2.1.2). Auf derRückreise aus dem T. ( Papa hatte vorgetäuscht das ihm schlecht sei) hat erMama <strong>die</strong> ganze Zeit grundlos zur Sau gemacht (2.1.2). N. und ich waren sowütend.......das ist total unbeschreiblich (1.1.2.2)! Als Papa zu seiner Therapeutinmusste, sich aber weigerte, mussten wir ihn Brutal aus dem Bett holen (1.3). Opahabe ich noch nie so wütend gesehen (4). An einem Abend hat Papa Mamageschlagen (2.1.1). Wir waren so wütend (1.1.2.2). Ich hätte Papa am liebsten denKopf abgerissen (1.1.2.2). Ich habe Papa in seiner betrunkenen Zeit gehasst(1.1.2.5). Papa ist eigentlich so ein vorbildlicher Mann, nett und hilfsbereit (2.1.3).Dein dich liebender und vermissender Sohn A.P.S.: Ich hoffe wir müssen NIEWIEDER Alkohol in deinen Taschen finden (2.1.3).Hab dich trotz alledem super doll lieb (1.1.1.3)!!!!!!!!!!!!!!!


Seite 33Altersangaben der StichprobeAltersangaben4Anzahl321010 Jahre11 Jahre12 Jahre13 Jahre14 Jahre15 Jahre16 Jahre17JahreAlter18 Jahre19 Jahre20 Jahre21 Jahreunbekannt


Seite 34Ko<strong>die</strong>rungs- und Auswertungsschema1 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ....................................................................................1.1 GEFÜHLE .............................................................................................................................1.1.1 Positive Gefühle .........................................................................................................1.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ...................................................................................................1.1.2 Negative Gefühle .......................................................................................................1.1.2.1 Trauer .................................................................................................................................1.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ..................................................................................................................................1.1.2.5 Hass ...................................................................................................................................1.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham ................................................................................................................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle .................................................................................................1.1.3 Ambivalente Gefühle .................................................................................................1.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) ......................................................................................................1.3 KONTROLLVERSUCHE ...........................................................................................................2 BEZIEHUNGSASPEKT ..........................................................................................................2.1 DU-ASPEKT ..........................................................................................................................2.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ...........................................................2.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol .........................................................................2.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil .............................2.2 WIR-ASPEKT ........................................................................................................................2.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ...................................................................................................................3.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT .......................................................................................................................


Seite 35BriefauswertungAuswertung Brief 11 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT .................................................................................. 41.1 GEFÜHLE ........................................................................................................................... 41.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 11.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ................................................................................................................................ 11.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ...................................................................................................1.1.2 Negative Gefühle ..................................................................................................... 31.1.2.1 Trauer .................................................................................................................................1.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ................................................................................................................................ 11.1.2.5 Hass ...................................................................................................................................1.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham ................................................................................................................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 21.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 01.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ........................................................................................................ 12.1 DU-ASPEKT ........................................................................................................................ 12.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ...........................................................2.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol .........................................................................2.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil .............................2.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 13.1 ABSTINENZ ......................................................................................................................... 13.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ................................................................................................................................. 1


Seite 36Auswertung Brief 21 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT .................................................................................. 81.1 GEFÜHLE ........................................................................................................................... 81.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 01.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ...................................................................................................1.1.2 Negative Gefühle ..................................................................................................... 51.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................... 11.1.2.2 Wut ................................................................................................................................... 11.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ................................................................................................................................ 11.1.2.5 Hass ...................................................................................................................................1.1.2.6 Ekel/Abneigung ................................................................................................................ 11.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham ................................................................................................................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 11.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 31.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ........................................................................................................ 42.1 DU-ASPEKT ........................................................................................................................ 42.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 22.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 22.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil .............................2.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 03.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ..................................................................................................................... 3


Seite 37Auswertung Brief 31 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 111.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 111.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 41.1.1.1 Freude/Glück .................................................................................................................... 11.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl ............................................................................................................... 11.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung ........................................................................................................................... 21.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ...................................................................................................1.1.2 Negative Gefühle ..................................................................................................... 61.1.2.1 Trauer .................................................................................................................................1.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ................................................................................................................................ 21.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 11.1.2.6 Ekel/Abneigung ................................................................................................................ 11.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham ................................................................................................................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 21.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 11.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ........................................................................................................ 32.1 DU-ASPEKT ........................................................................................................................ 32.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 12.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 12.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ........................... 12.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 03.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ..................................................................................................................... 1


Seite 38Auswertung Brief 41 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT .................................................................................. 11.1 GEFÜHLE ........................................................................................................................... 11.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 01.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ...................................................................................................1.1.2 Negative Gefühle ..................................................................................................... 11.1.2.1 Trauer .................................................................................................................................1.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ..................................................................................................................................1.1.2.5 Hass ...................................................................................................................................1.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham ................................................................................................................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle .................................................................................................1.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 01.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ...................................................................................................... 162.1 DU-ASPEKT ........................................................................................................................ 12.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 12.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol .........................................................................2.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil .............................2.2 WIR-ASPEKT .................................................................................................................... 152.2.1 Fremdheit ............................................................................................................... 132.2.2 Gemeinsamkeit ........................................................................................................ 23 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 13.1 ABSTINENZ ......................................................................................................................... 13.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ..................................................................................................................... 5


Seite 39Auswertung Brief 51 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 441.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 381.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 51.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung ........................................................................................................................... 31.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 21.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................... 301.1.2.1 Trauer .................................................................................................................................1.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung ................................................................................................... 21.1.2.4 Angst ................................................................................................................................ 11.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 71.1.2.6 Ekel/Abneigung ................................................................................................................ 41.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid .................................................................................................................................. 31.1.2.10 Scham .............................................................................................................................. 31.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................. 101.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 31.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 51.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 12 BEZIEHUNGSASPEKT ...................................................................................................... 432.1 DU-ASPEKT ...................................................................................................................... 392.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ....................................................... 182.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ..................................................................... 182.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ........................... 32.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 42.2.1 Fremdheit ................................................................................................................. 42.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ............................................................................................................... 163.1 ABSTINENZ ....................................................................................................................... 163.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ................................................................................................................... 28


Seite 40Auswertung Brief 61 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 351.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 271.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 71.1.1.1 Freude/Glück .................................................................................................................... 11.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl ............................................................................................................... 11.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung ........................................................................................................................... 21.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 31.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................... 191.1.2.1 Trauer .................................................................................................................................1.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ................................................................................................................................ 11.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 31.1.2.6 Ekel/Abneigung ................................................................................................................ 11.1.2.7 Respektverlust .................................................................................................................. 11.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham .............................................................................................................................. 11.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................. 121.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 11.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 21.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 62 BEZIEHUNGSASPEKT ...................................................................................................... 432.1 DU-ASPEKT ...................................................................................................................... 422.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ....................................................... 202.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ..................................................................... 222.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil .............................2.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 12.2.1 Fremdheit ................................................................................................................. 12.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 53.1 ABSTINENZ ......................................................................................................................... 13.2 SONSTIGE .......................................................................................................................... 44 SACHASPEKT ................................................................................................................... 35


Seite 41Auswertung Brief 71 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT .................................................................................. 31.1 GEFÜHLE ........................................................................................................................... 31.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 11.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 11.1.2 Negative Gefühle ..................................................................................................... 21.1.2.1 Trauer .................................................................................................................................1.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ..................................................................................................................................1.1.2.5 Hass ...................................................................................................................................1.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham .............................................................................................................................. 11.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 11.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 01.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ........................................................................................................ 12.1 DU-ASPEKT ........................................................................................................................ 12.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 12.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol .........................................................................2.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil .............................2.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 33.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE .......................................................................................................................... 34 SACHASPEKT ..................................................................................................................... 5


Seite 42Auswertung Brief 81 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 521.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 351.1.1 Positive Gefühle ..................................................................................................... 131.1.1.1 Freude/Glück .................................................................................................................... 31.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl ............................................................................................................... 21.1.1.3 Liebe ................................................................................................................................ 11.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz .......................................................................................................... 11.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 61.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................... 191.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................... 11.1.2.2 Wut ................................................................................................................................... 11.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ..................................................................................................................................1.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 11.1.2.6 Ekel/Abneigung ................................................................................................................ 11.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid .................................................................................................................................. 11.1.2.10 Scham .............................................................................................................................. 21.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................. 121.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 31.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 31.3 KONTROLLVERSUCHE ....................................................................................................... 142 BEZIEHUNGSASPEKT ...................................................................................................... 202.1 DU-ASPEKT ...................................................................................................................... 192.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ....................................................... 112.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 12.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ........................... 72.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 12.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ........................................................................................................ 13 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 03.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ................................................................................................................... 25


Seite 43Auswertung Brief 91 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 291.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 291.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 01.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ..................................................................................................................................1.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ...................................................................................................1.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................... 281.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................... 21.1.2.2 Wut ................................................................................................................................... 11.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ................................................................................................................................ 31.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 31.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld .............................................................................................................................. 41.1.2.9 Leid .................................................................................................................................. 21.1.2.10 Scham ................................................................................................................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................. 131.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 11.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ........................................................................................................ 92.1 DU-ASPEKT ........................................................................................................................ 92.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 42.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 42.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ........................... 12.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 13.1 ABSTINENZ ......................................................................................................................... 13.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ..................................................................................................................... 7


Seite 44Auswertung Brief 101 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 231.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 221.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 81.1.1.1 Freude/Glück .................................................................................................................... 31.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ................................................................................................................................ 11.1.1.4 Hoffnung ........................................................................................................................... 11.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 31.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................... 131.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................... 21.1.2.2 Wut .....................................................................................................................................1.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ................................................................................................................................ 31.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 11.1.2.6 Ekel/Abneigung ................................................................................................................ 11.1.2.7 Respektverlust .................................................................................................................. 11.1.2.8 Schuld .............................................................................................................................. 21.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham .............................................................................................................................. 11.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 21.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 11.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 12 BEZIEHUNGSASPEKT ........................................................................................................ 72.1 DU-ASPEKT ........................................................................................................................ 72.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 32.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 32.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ........................... 12.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 03.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ..................................................................................................................... 4


Seite 45Auswertung Brief 111 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 121.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 121.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 51.1.1.1 Freude/Glück .................................................................................................................... 11.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl .................................................................................................................1.1.1.3 Liebe ................................................................................................................................ 21.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz .......................................................................................................... 11.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 11.1.2 Negative Gefühle ..................................................................................................... 61.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................... 11.1.2.2 Wut ................................................................................................................................... 11.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ..................................................................................................................................1.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 11.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust .................................................................................................................. 11.1.2.8 Schuld .............................................................................................................................. 11.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham ................................................................................................................................1.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 11.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 11.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ...................................................................................................... 142.1 DU-ASPEKT ...................................................................................................................... 142.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 02.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 42.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ......................... 102.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 23.1 ABSTINENZ ......................................................................................................................... 23.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ..................................................................................................................... 1


Seite 46Auswertung Brief 121 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 371.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 371.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 41.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl ............................................................................................................... 11.1.1.3 Liebe ................................................................................................................................ 11.1.1.4 Hoffnung ........................................................................................................................... 11.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 11.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................... 321.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................... 11.1.2.2 Wut ................................................................................................................................... 51.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung ................................................................................................... 41.1.2.4 Angst ..................................................................................................................................1.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 51.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust .................................................................................................................. 11.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid .................................................................................................................................. 51.1.2.10 Scham .............................................................................................................................. 21.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 91.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 11.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 02 BEZIEHUNGSASPEKT ...................................................................................................... 142.1 DU-ASPEKT ...................................................................................................................... 142.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 32.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 52.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ........................... 62.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 03.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ................................................................................................................... 11


Seite 47Auswertung Brief 131 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT ................................................................................ 251.1 GEFÜHLE ......................................................................................................................... 221.1.1 Positive Gefühle ....................................................................................................... 41.1.1.1 Freude/Glück ......................................................................................................................1.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl ............................................................................................................... 11.1.1.3 Liebe ................................................................................................................................ 11.1.1.4 Hoffnung .............................................................................................................................1.1.1.5 Respekt/Akzeptanz ............................................................................................................1.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ................................................................................................. 21.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................... 181.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................... 51.1.2.2 Wut ................................................................................................................................... 61.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung .....................................................................................................1.1.2.4 Angst ..................................................................................................................................1.1.2.5 Hass ................................................................................................................................. 11.1.2.6 Ekel/Abneigung ..................................................................................................................1.1.2.7 Respektverlust ....................................................................................................................1.1.2.8 Schuld ................................................................................................................................1.1.2.9 Leid ....................................................................................................................................1.1.2.10 Scham .............................................................................................................................. 21.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................... 41.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................... 01.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................... 01.3 KONTROLLVERSUCHE ......................................................................................................... 32 BEZIEHUNGSASPEKT ...................................................................................................... 122.1 DU-ASPEKT ...................................................................................................................... 122.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ......................................................... 82.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ....................................................................... 22.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ........................... 22.2 WIR-ASPEKT ...................................................................................................................... 02.2.1 Fremdheit ...................................................................................................................2.2.2 Gemeinsamkeit ..........................................................................................................3 APPELLASPEKT ................................................................................................................. 03.1 ABSTINENZ ...........................................................................................................................3.2 SONSTIGE ............................................................................................................................4 SACHASPEKT ................................................................................................................................. 7


Seite 48Auswertung Briefe insgesamt1 SELBSTOFFENBARUNGSASPEKT .............................................................................. 2841.1 GEFÜHLE ....................................................................................................................... 2491.1.1 Positive Gefühle ..................................................................................................... 521.1.1.1 Freude/Glück .................................................................................................................... 91.1.1.2 Mitleid/Mitgefühl ............................................................................................................... 61.1.1.3 Liebe ................................................................................................................................ 71.1.1.4 Hoffnung ........................................................................................................................... 91.1.1.5 Respekt/Akzeptanz .......................................................................................................... 21.1.1.6 Sonstige positive Gefühle ............................................................................................... 191.1.2 Negative Gefühle ................................................................................................. 1821.1.2.1 Trauer ............................................................................................................................. 131.1.2.2 Wut ................................................................................................................................. 151.1.2.3 Ohnmacht/Verzweiflung ................................................................................................... 61.1.2.4 Angst .............................................................................................................................. 121.1.2.5 Hass ............................................................................................................................... 231.1.2.6 Ekel/Abneigung ................................................................................................................ 91.1.2.7 Respektverlust .................................................................................................................. 41.1.2.8 Schuld .............................................................................................................................. 71.1.2.9 Leid ................................................................................................................................ 111.1.2.10 Scham ............................................................................................................................ 121.1.2.11 Sonstige negative Gefühle ............................................................................................. 701.1.3 Ambivalente Gefühle ............................................................................................. 151.2 WUNSCH(VORSTELLUNG) .................................................................................................. 101.3 KONTROLLVERSUCHE ....................................................................................................... 252 BEZIEHUNGSASPEKT .................................................................................................... 1872.1 DU-ASPEKT .................................................................................................................... 1662.1.1 Verhalten in bezug auf Alkohol(abhängigkeit) ....................................................... 732.1.2 Vorwurf/ vorh. Defizite unter Alkohol ..................................................................... 622.1.3 Polarisierung zwischen betrunkenem und nüchternem <strong>Eltern</strong>teil ......................... 312.2 WIR-ASPEKT .................................................................................................................... 212.2.1 Fremdheit ............................................................................................................... 182.2.2 Gemeinsamkeit ........................................................................................................ 33 APPELLASPEKT ............................................................................................................... 293.1 ABSTINENZ ....................................................................................................................... 223.2 SONSTIGE .......................................................................................................................... 74 SACHASPEKT ............................................................................................................................. 133

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