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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Herausgegeben vom<br />

57. Jahrgang<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Nr. 1 - März 2007 E 3828<br />

Dieses Bild zeigt das Portal des Westgiebels der Weiler Kirche bei Owingen, der ältesten erhaltenen Kirche Hohenzollerns.<br />

Das Tyinpanon. die halbrunde Steinplatte über der Eingangstür, trägt in sich einen bedeutungsvollen Inhalt:<br />

Es verrät, dass die Weiler Kirche vor 855 Jahren geweiht wurde. m o. p m l Bossenmaier


ANNALIES KELLER:<br />

Alter Stein - bedeutungsvoller Inhalt.<br />

Die Weiler Kirche bei Owingen feiert<br />

855-jähriges Weihejubiläum<br />

Die romanische Weiler Kirche in Haigerloch-Owingen erweckt bei<br />

interessierter Betrachtung mehrere Fragen, wie z.B.: Wie alt ist die<br />

Kirche? Wer hat sie erbaut? Wer waren die Baumeister? Geschichtliche<br />

Abhandlungen über die ehemalige Besiedlung des Eyachtales<br />

(3. bis 5. Jh. N. Chr.), in dessen Tal die Weiler Kirche steht, auch<br />

die Berichte über die Adelsfamilien, zu deren Herrschaftsbereich<br />

die Kirche gehörte, geben auf diese Fragen Antwort.<br />

Die Weiler Kirche, in romanischem Stil als Ostturmkirche erbaut,<br />

ihr Portal des Westgiebels und das Tympanon (halbrunde Steinplatte<br />

über dem Eingang) bergen in ihrer kunstvollen, im Original<br />

erhaltenen Gestaltung, wesentliche Aussagen über ihr Alter,<br />

ihre Bauherren und Baumeister. [Siehe dazu auch die Beiträge<br />

über die Weiler Kirche in der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong> 2 und<br />

3/2005, sowie 1/2006.]<br />

Wie dem Owinger <strong>Heimat</strong>buch (1993) zu entnehmen ist, stiftete<br />

der wohlhabende Suitgerus (Swigger) zu Owingen 1094 seine Güter<br />

dem Kloster St. Georgen im Schwarzwald, gegründet 1085. In<br />

den Besitz dieses Klosters kamen noch weitere Güter, in der Umgebung<br />

der Weiler Kirche gelegen. Etwa 400 Jahre lang waren die<br />

Benediktinermönche Eigentümer desselben. In dieser Zeit beauftragten<br />

Klöster italienische Baukolonnen mit der Errichtung von<br />

Klostergebäuden und Kirchen. So dürften auch die Mönche des<br />

Klosters St. Georgen im Schwarzwald und weitere adlige Herrschaften<br />

des Eyachtales Bauherren der Weiler Kirche gewesen sein.<br />

Den Nachweis, dass die aus Oberitalien kommenden langobardischen<br />

Baukolonnen als Architekten und Baumeister der Kirche zu<br />

betrachten sind, hefern uns der Westgiebel, das Portal und das<br />

Mauerwerk des Kirchenschiffes.<br />

Weiler Kirche Süd- West-Sicht, Foto: Paul Bosse?imaier<br />

Der Westgiebel [siehe Titelbild] mit seinem 5,60 m breiten Portal<br />

ist der architektonisch interessanteste Bauteil und größter<br />

Schmuck des Kirchengebäudes. Der äußere Türbogen wird getragen<br />

von Dreiviertelsäuelen mit monohthen (aus einem Stein bestehend)<br />

Achteckschäften, deren Kapitelle mit religiösen und mathematischen<br />

Zeichen geschmückt sind. Durch zwei Rundsäulen werden<br />

die Achtecksäulen bis zum Dachgesims weitergeführt und<br />

durch Würfelkapitelle abgeschlossen. Das äußere Türgewände<br />

2<br />

und die Rundsäulen tragen einen auffallenden, gut gearbeiteten,<br />

kordelartigen Rundstab, der sich an den Rundsäulen in zierhcher<br />

Form als Abschluss wiederholt. Für den Türbogen wurden verschiedenfarbige<br />

Sandsteine versetzt angeordnet. Sie bewirken in<br />

ihrer Farbigkeit eine Auflockerung des schweren Bogens. Seine<br />

Oberkante ist ebenfalls mit seilförmigem Wulst abgeschlossen.<br />

Dieser ist besonders bei dem sandfarbenen Stein und bei den rötlichen<br />

Sandsteinen noch gut wahrnehmbar. Dem Betrachter des<br />

Portals sei geraten, die einmalige Gestaltung der Steinsäule zu beachten,<br />

die auf der linken Seite den Türsturz trägt.<br />

Den Ausführungen von Manfred Eimer in seinen .Arbeiten langobardischer<br />

Steinbildner und Architekten in Südwestdeutschland"<br />

ist folgendes zu entnehmen: „Ihr Wahrzeichen, der Nachweis für<br />

die Ausführung ihrer Arbeit, ist das Schiffstau", das in Stein gehauene<br />

kordelartig gewundene Seil, das die Abschlüsse der Steinsäulen<br />

ziert. Ein weiteres Zeichen der Tätigkeit dieser Steinmetzmeister<br />

sind die Würfelkapitelle der Säulen und das Tympanon.<br />

Die Äbte der Klöster und die langobardischen Architekten sowie ihre<br />

Steinmetzmeister wussten um die Bedeutung der verschieden geformten<br />

Kreuzeszeichen, und sie kannten die symbolisch enthaltene<br />

mathematische Aussage der im Tympanon dargestellten Zeichen. In<br />

der Form rechtwinklig oder schräg miteinander verbundenen Linien<br />

kommt das Kreuz schon in der Jungsteinzeit vor als kosmisches<br />

und rehgiöses Ursymbol. Seine Ausdehnung in die vier Himmelsrichtungen<br />

symbolisiert die Welt. Dieses archaische Zeichen bildet den<br />

Menschen nach, der selbst ein Kreuz darstellt, wenn er aufrecht stehend<br />

die Arme ausbreitet. Kreuzeszeichen, Kreis, Quadrat und Dreieck,<br />

in verschiedener Ausformung und Kombination, sind von jeher<br />

symbolisch und in alten Kulturen mathematisch gedeutet worden.<br />

Seit den Anfängen christlicher Kunst werden sie auf Christus und<br />

seine Verheißung bezogen, Christus (Kreuz), Christus Herr des Himmels<br />

(Kreis) und der Erde (Quadrat). So stellt der von den langobardischen<br />

Steinbildnern meisterhaft dargestellte halbrunde Stein<br />

mit seinen religiös und mathematisch symbolisch zu deutenden Zeichen<br />

einen Kalenderstein dar. Das Tympanon ist also der Stein, der<br />

uns eine bedeutungsvolle Aussage macht über das Alter der romanischen<br />

Weiler Kirche. Diese Angaben können jedoch wir heute Lebenden<br />

wegen des hohen Alters ihrer Entstehung nur noch durch<br />

eingehende Studien und Forschung ergründen und verstehen. Genaue<br />

Untersuchungen und Beschäftigungen, die von Herrn Martin<br />

Kieß, Stuttgart, Mathematiker und Kalenderexperte, 2001 bis 2003<br />

durchgeführt wurden, erbrachten die Erkenntnis, dass die Weiler<br />

Kirche am Sonntag, den 27. April 1152 zu Ehren ihres Patrons, dem<br />

heiigen Georg, eingeweiht wurde, und dieses Datum im Tympanon<br />

festgehalten wurde [Siehe dazu Ausführliches in der Hohenz. <strong>Heimat</strong><br />

3/2005 Seite 45 f.].<br />

So können wir in diesem Jahr 2007 das 855-jährige Einweihe-Jubiläum<br />

der Weiler Kirche festlich begehen. Am 8. Juli 2007 soll ein<br />

ökumenischer Gottesdienst die Feierlichkeit in der Weiler Kirche<br />

eröffnen. Dazu sind alle Freunde des altehrwürdigen Gotteshauses,<br />

der ältesten Kirche Hohenzollerns, dem Wahrzeichen von Owingen,<br />

herzlich eingeladen. Nähere Angaben darüber können den Tageszeitungen<br />

entnommen werden.


Mitteilungen<br />

aus dem<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong><br />

Veranstaltungen im 2. Quartal 2007<br />

I. Mitgliederversammlung<br />

Meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder des<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s!<br />

Ich lade Sie hiermit recht her/lieh zur Mitgliederversammlung<br />

am Montag, 11. Juni 2007, um 18.30 Uhr in das Nebenzimmer<br />

der Brauereigaststätte „Zoller-Hof" in der Leopoldstraße 42 in<br />

Sigmaringen ein.<br />

Tagesordnung:<br />

1) Begrüßung und Nachrufe.<br />

2) Tätigkeitsbericht des Vorsitzenden,<br />

3) Tätigkeitsbericht des Schatzmeisters,<br />

4) Rechnungsprüfungsbericht zum 31. Dez. 2006,<br />

5) Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden,<br />

6) Anträge und Verschiedenes.<br />

Anträge sind bis spätestens 8. Juni dem Vereinssekretariat, Karlstraße<br />

1/3, 72488 Sigmaringen (Tel. 07571/101-580 oder<br />

559) mitzuteüen.<br />

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung findet um 20 Uhr<br />

ein öffentlicher Vortrag statt. Es spricht<br />

STADTARCHIVDIREKTOR DR. HANS-BERND SPIES, ASCHAFFENBURG<br />

Von Carl zu Carol - der Weg eines Hohenzollernprinzen auf<br />

den rumänischen Thron,<br />

II. Vorträge<br />

DR. ANDREAS ZEKORN, BALINGEN<br />

Von der Zensur zur Gleichschaltung. Presse in Hohenzollern<br />

1808-1945<br />

Dienstag, 24. April, um 20 Uhr im <strong>Hohenzollerische</strong>n Landesmuseum<br />

in Hechingen<br />

Der Vortrag wird im Rahmen der Ausstellung „Literatur vom<br />

Neckar bis zum Bodensee 1800 bis 1950" gehalten, die in der<br />

Zehntscheuer, Neue Str. 59, Balingen vom 17 März bis 10. Juni<br />

gezeigt wird. Öffnungszeiten: Sonntags und an Feiertagen 14<br />

bis 17 Uhr<br />

CARSTEN KOHLMANN M.A., SIGMARINGEN<br />

Landjuden am Oberen Neckar<br />

Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die gleichnamige<br />

Exkursion am Samstag, 12. Mai, nach Rexingen und nach Horb<br />

(s. unten)<br />

3<br />

Montag, 23. April, um 20 Uhr im Prinzenbau (Staatsarchiv) in<br />

Sigmaringen<br />

Mittwoch, 2. Mai, um 20 Uhr in der Alten Synagoge in Hechingen<br />

DR. OTTO H. BECKER, SIGMARINGEN<br />

Die Schenken von Stauffenberg<br />

Dienstag, 22. Mai, um 20 Uhr im <strong>Hohenzollerische</strong>n Landesmuseum<br />

in Hechingen<br />

Vortrag im Rahmen des Stauffenbergjubiläums 2007<br />

III. Exkursion<br />

Landjuden am Oberen Neckar<br />

Exkursion des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s am Samstag,<br />

12. Mai, unter der Leitung von Archivassessor Carsten<br />

Kohlmann M.A., Sigmaringen<br />

Einer der wichtigsten Siedlungsschwerpunkte der südwestdeutschen<br />

Laridjuden war der Obere Neckar in der Umgebung<br />

von Horb. In den letzten 25 Jahren hat eine verstärkte Erforschung<br />

der .Judendörfer" zwischen Schwarzwald und Schwäbischer<br />

Alb begonnen und führt zu einem immer vielfältiger<br />

werdenden Bild. In den oben angekündigten Einführungsvorträgen<br />

von Archivassessor Carsten Kohlmann M.A. wird ein<br />

Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben. In<br />

der anschließenden Exkursion am 12. Mai wird unter der Leitung<br />

des Referenten die Synagoge und der Friedhof in dem<br />

früher größten „Judendorf" Rexingen und das derzeit entstehende<br />

„Haus der Erinnerung und Begegnung" der „Förderstiftung<br />

Jüdischer Betsaal Horb" besichtigt werden. Männliche<br />

Teilnehmer werden gebeten, für den Besuch des Judenfriedhofs<br />

eine Kopfbedeckung mitzubringen. Auch an gutes Schuhwerk<br />

sollte gedacht werden.<br />

Programm:<br />

8.00 Uhr Abfahrt in Sigmaringen beim Marstall<br />

9.00 Uhr Abfahrt in Hechingen am Obertorplatz<br />

ca. 10.00 Uhr Besuch der Synagoge und des Judenfriedhofs<br />

in Rexingen<br />

ca. 12.30 - 14.30 Uhr Mittagspause mit der Möglichkeit<br />

zur Einnahme des Mittagessens;<br />

anschließend Fahrt nach Horb a.N.<br />

ca. 15.00 Uhr Besichtigung des „Hauses der Erinnerung<br />

und Begegnung" in Horb<br />

ca. 16.00 Uhr Cafe-Besuch in Horb; Abfahrt von Horb<br />

um ca. 17. 00 Uhr<br />

ca.18.00 Uhr Rückkehr am Obertorplatz in Hechingen<br />

ca. 19.00 Uhr Rückkehr am Marstall in Sigmaringen.


Die Fahrtkosten inkl. Führungen werden sich je nach Teilneh-<br />

merzahl zwischen 15 und 20 Euro pro Person bewegen.<br />

Anmeldungen zur Exkursion nimmt das Sekretariat des Ge-<br />

schichtsvereins, Karlstraße 1/3,<br />

72488 Sigmaringen (Tel. 07571/101-580 oder 559) entgegen.<br />

Ausstellungen in Hohenzollern<br />

Spuren: Schulkunst<br />

Vom 21. März bis 1. Mai im <strong>Hohenzollerische</strong>n Landesmuseum<br />

in Hechingen. Öffnungszeiten: Dienstags bis samstags jeweils 14<br />

bis 17 Uhr, Sonntags: 10 bis 17 Uhr, Eintritt: Erwachsene 2, 50<br />

Euro, Schüler und Studenten 1, 50 Euro<br />

Das Augustinerchorfrauenstifi Inzigkofen: Geschichte, Kultur<br />

und Frömmigkeit eines Frauenklosters in Oberschwaben<br />

1354-1856<br />

Vom 16. März bis 20. Mai im ehemaligen Mesnerhaus des Klosters<br />

Inzigkofen, Samstags und sonntags einschl. Feiertage jeweils<br />

von 14 bis 18 Uhr, mittwochs jeweils von 17 bis 20 Uhr<br />

Eintritt: Erwachsene 3 Euro; Schüler über 16 Jahre, Studenten<br />

und Arbeitslose 2 Euro; Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre ist<br />

der Eintritt frei.<br />

MARGARETE KOLLMAR<br />

Aufsicht in der ehemaligen Synagoge<br />

in Haigerloch<br />

[Anmerkung der Schriftleitung: In diesem Beitrag schildert Frau<br />

Kollmar auf unkonventionelle Art ihre Gedanken und Eindrücke<br />

über die ständige Ausstellung in der restaurierten ehemaligen Synagoge<br />

in Haigerloch, die ihr während eines Nachmittags als Aufsichtsperson<br />

durch den Kopf gingen. Diese Ausstellung wurde vom<br />

4<br />

Bismarcks Reichstag. Das Parlament in der Leipziger<br />

Straße, fotografiert von Julius Braatz<br />

Ausstellung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus<br />

und der politischen Parteien im Staatsarchiv Sigmaringen.<br />

Vom 20. Juni bis 26. Oktober 2007 im Staatsarchiv, Karlstraße<br />

1/3, Sigmaringen. Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags jeweils<br />

9 bis 17 Uhr, Eintritt frei<br />

Hinweis<br />

„Familienforschung im Internet". Der Betreiber des Internet-<br />

Familienforschungs-Portals www. Ahnen-und-Wappen.de. Josef<br />

Rampsberger SIG, bietet hiermit allen Vereinsmitgliedern<br />

des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s die kostenlose Teilnahmemöglichkeit<br />

an den genealogischen und heraldischen<br />

Fachforen auf www.Ahnen-und-Wappen.de an. Erforderlich ist<br />

nur eine kurze Registrierung. Danach stehen den Forschern<br />

viele Diskussionsthemen zur aktiven Teilnahme zur Verfügung.<br />

Auch ein Forum zum Thema Hohenzollern wurde angelegt.<br />

Internetadresse: www.Ahnen-und-Wappen.de<br />

Betreiber: Josef Rampsberger. E-Mail: ramsperger@ahnenund-wappen.de<br />

[Josef Ramsperger, Sonnenhalde 43, 72488 Sigmaringen]<br />

gez. Dr. Otto H. Becker, Vorsitzender<br />

Haus der Geschichte in Stuttgart konzipiert und trägt den Namen<br />

„Spurensicherung. Jüdisches Leben in Hohenzollern". Gerade zur<br />

Winterszeit hält sich der Andrang der Besucher in Grenzen. Der<br />

Verein „Gesprächskreis Ehemalige Synagoge" ist über jeden Besucher<br />

froh, hat dieser doch die Organisation der Aufsichten zu übernehmen<br />

und diese auch zu finanzieren. Geöffnet ist die Ausstellung<br />

ganzjährig samstags und sonntags jeweils von 11 bis 17 Uhr, zwischen<br />

1. April und 31 • Oktober zusätzlich auch donnerstags von 14<br />

bis 19 Uhr. ]<br />

Ehemalige Synagoge in Haigerloch<br />

von Nordosten gesehen.<br />

Links neben dem Eingang<br />

hat der Verein Ehemalige<br />

Synagoge Haigerloch im<br />

Herbst 2005 eine fünfteilige,<br />

aus widerstandsfähigem Glas<br />

bestehende Gedenktafel herstellen<br />

lassen. Auf dieser sind<br />

die ermordeten Juden aufgeführt.<br />

Auch die Überlebenden<br />

finden hier Erwähnung. Diese<br />

wurde am 9• November 2005<br />

feierlich eingeweiht. Anwesend<br />

waren auch ehemalige<br />

jüdische Mitbürger.<br />

Foto: Robert Frank


Sie ist die steile Straße zum Haagviertel hochgefahren. - Kein Glatt-<br />

eis! - Hat das Auto unter den entlaubten Akazien abgestellt. Vom<br />

Römerturm schlägt es zwei. Der Mann, der den Schlüssel bringt, ist<br />

noch nicht da. Auf dem Platz vor der ehemaligen Synagoge hat der<br />

Schneepflug eine U-förmige Spur gezogen. Auf dem nassen Asphalt<br />

erscheinen in Weiß auf roten Bändern Teile von Schriftzügen: „30.<br />

Mai 1783...",... 3- Februar 1941",... Dezember 1999". Hinter dem<br />

Platz, am Haus gegenüber, schaut eine Frau zum offenen Fenster<br />

heraus. -Da ist sie ja wieder, hat sie gewartet? - Gegenseitiges Winken.<br />

- Ob sie wohl diesmal in die Ausstellung kommt? - Eine andere<br />

Frau tritt unters Fenster, ihre Stimmen sind bis zum Museumsvorplatz<br />

zu unterscheiden.<br />

Der Schlüssel wird gebracht. Aus ihrer Hüfttasche holt sie ein Kärtchen,<br />

auf dem die Anleitung für die Schließanlage steht. - Bloß<br />

nicht wieder Alarm auslösen! - Sie steckt den Schlüssel in das<br />

Schloss der Alarmanlage und dreht nach links: Es klackt vorschriftsmäßig,<br />

sie kann aufschließen. - Heute klemmt nichts. -Sie<br />

faltet ein Papierhandtuch zusammen und steckt es zwischen Tür<br />

und Türrahmen, damit Besucher sie leicht aufstoßen können. - Sicher<br />

ist sicher. - Der Kundenstopper mit den Öffnungszeiten wird<br />

vor die Tür gestellt, das Hinweisblatt „Museum geöffnet" in die<br />

Klarsichtfolie an der Tür geschoben.<br />

In der ehemaligen Synagoge - angenehme Temperatur - geht sie<br />

zum Technikraum. Sie berührt den Touchscreen und setzt damit<br />

die Geräte in Gang. Die Lichtstärke für die Vitrinen wird auf die<br />

niedrigste Stufe eingestellt, damit die Exponate nicht vergilben. Das<br />

Licht für Damen- und Herren-WC wird mit Schalthebeln angeknipst.<br />

Seit ihrer Aufsicht in der vergangenen Woche hat jemand<br />

zum Wasserkocher einen Trinkbecher mit zwei Teebeuteln und<br />

eine Cromargan-Zuckerdose hingestellt. Als nächstes holt sie die<br />

Kasse unter der Verkaufstheke hervor und platziert sie in bequemer<br />

Höhe auf dem Regal mit dem Diaprojektor. Die Summe in der<br />

Kasse ist korrekt: 100 Euro in Scheinen und Münzen. Sie steckt ihr<br />

Namensschild an und trägt sich in die Tagesliste ein: Mittwoch, 2.<br />

Februar 2005,14 bis 17 Uhr.<br />

Rundgang durchs Haus: Im WC gebrauchte Papierhandtücher leeren.<br />

- Ob die Männer öfters die Hände gewaschen haben oder waren<br />

mehr männliche Besucher da? - Auf der Empore schaltet sich<br />

beim Vorbeigehen der Ton von der letzten Filmspule aus dem Jahr<br />

1955 ein. Damals wurde das Gebäude als Kino genutzt. Den dazu<br />

gehörenden Filmausschnitt von der Wochenschau setzt sie per<br />

Knopfdruck in Gang. Der Sprecher hat die gleiche schnarrende<br />

Stimme wie bei Wochenschauen in der NS-Zeit. - Wann haben die<br />

aufgehört, so zu sprechen? - Sie erinnert sich an zwei Nachkriegsfotos<br />

aus dem Eisenbahn-Museum in Nürnberg. - Wie steif die Eisenbahner<br />

auf dem Foto winken, denen steckt noch der Hitlergruß<br />

im Körper, auf dem andern Foto, ganz entspannt winkende GI's auf<br />

einem Jeep. - Zwei Körperwelten. -<br />

Noch sind keine Besucher da. In der Wartezeit liest sie in der Jüdischen<br />

Allgemeinen vom 27.1.2005. Um 15.15 Uhr hat sie alle Artikel<br />

über die Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz vor 60<br />

Jahren gelesen. Vom Sitzen wird ihr kühl. 19,8 Grad Celsius und 36<br />

Prozent Luftfeuchtigkeit zeigt das Messgerät über der Diawand mit<br />

Fotos von jüdischen Familienfesten im Haigerlocher Haagviertel.<br />

Sie gießt aus der Thermoskanne mitgebrachten bittersüßen Grüntee<br />

in den grauen Deckelbecher. Das Getränk wärmt ein wenig. In<br />

der Stille ist das Rauschen des Diaprojektors zu hören. Er wirft ein<br />

altes rotbraun verfärbtes Bild von der Synagogenrückwand auf<br />

5<br />

blanke weiße Kacheln aus der Nachkriegszeit. Als SPAR-Markt<br />

wurde das Gebäude genutzt, die Riesen haben die Rückwand hinter<br />

der Fleischtheke bedeckt. Beim zweiten WC-Gang fällt ihr Blick<br />

auf den leuchtend blauen Kleiderhaken an der Tür, bei dem noch<br />

die Bleistiftmarkierung von der Montage im Frühjahr 2004 zu sehen<br />

ist, als das Museum eingerichtet wurde.<br />

Sie schlendert durch den abgedunkelten Museumsraum mit den<br />

schmalen Rundbogenfenstern: Gedämpftes Licht fällt durch den<br />

mattweißen Lichtschutz an den Fensterscheiben und taucht den<br />

Raum in diffuses Halbdunkel. Die Vitrinen sind von innen beleuchtet<br />

und präsentieren den Inhalt wie einen Schatz. Meist ist nur<br />

ein Objekt ausgestellt. Es sind spärliche Zeugnisse von vergangenem<br />

Leben in Hohenzollern, die aus der ganzen Welt zusammengetragen<br />

wurden. Die Lebensspuren in den 25 Vitrinen sind nicht<br />

chronologisch geordnet, um ihren fragmentarischen Charakter zu<br />

betonen.<br />

Vor Vitrine 5 bleibt sie stehen und beugt sich über kleine Schmuckstücke,<br />

die sorgfältig angeordnet in Reihen hegen. Auch ein winziger<br />

Korallenanhänger, der vielleicht einem Kind gehörte, ist dabei.<br />

Auch wenn der Schmuck in Haigerloch verbheben war, ist seine<br />

Herkunft im einzelnen nicht bekannt. - Ob der Schmuck vor einer<br />

Emigration an den Juwelier verkauft wurde, um einen Teil der Reisekosten<br />

zu decken? - Möglicherweise stammt er von der Leibesvisitation<br />

auf dem Haigerlocher Bahnhof Ende November 1941.<br />

Diese Deportation war als Umsiedlung in den Osten getarnt worden.<br />

An Wertsachen durften die jüdischen Bürger nur noch ihre<br />

Eheringe behalten. - Waren es womöglich persönliche Erinnerungsstücke,<br />

die sie heimlich auf die erste Deportation mitgenommen<br />

hatten? - Eine Haigerlocherin hatte als junge Frau den<br />

Schmuck in den 1960er Jahren im örtlichen Juweliergeschäft gekauft<br />

und ihn 40 Jahre später beim Bürgermeister fürs Museum<br />

abgegeben. Sie berichtete, sie habe immer das Gefühl gehabt, dass<br />

der Schmuck ihr nicht gehöre.<br />

Die Schritte hallen im menschenleeren Raum. Vitrine 19 zeigt eine<br />

zierhche Handtasche, die aus Hechingen stammt. Dort war 1941<br />

eine Jüdin aus der Gruppe der Deportierten herausgetreten und<br />

hatte die Tasche einer Hechinger Frau anvertraut mit der Bitte, sie<br />

gut aufzubewahren. Jetzt steht sie hier unter Glas und wird mit gedämpftem<br />

Licht angestrahlt.<br />

In einer Vitrine nah bei den Resten der Torawand hegen vergilbte<br />

Garne aus der ehemaligen Hechinger Zwirnerei und Nähfadenfabrik<br />

Julius Levi & Co. Ein Kärtchen ist mit lachsfarbenem Stopf-<br />

IWist umwickelt. - Die Farbe braucht man heute nicht mehr zum<br />

Stopfen. - Bei genauem Hinsehen ist der Umriss der Hohenzollernburg<br />

als Warenzeichen und der Firmenname ILCO zu erkennen. In<br />

den 1930er Jahren wurde es lebensbedrohend, den jüdischen Namen<br />

Levi in der Firmenbezeichnung zu führen. Familie Levi wurde<br />

1942 nach Theresienstadt deportiert. Dem Mitinhaber Alfred Weil<br />

war es 1938, wenige Wochen vor der Reichspogromnacht, gerade<br />

noch gelungen, mit seiner Familie in die USA zu emigrieren. Die<br />

Emigranten hatten Garne als materielle Erinnerung mitgenommen<br />

und gehütet. Die Weils gaben einige Garnrollen ins New Yorker<br />

Museum of Jewish Heritage, andere nach Haigerloch.<br />

Um die besucherlose Zeit zu überbrücken, steigt sie die Treppe zur<br />

rekonstruierten Frauenempore hinauf. Für die oberen Räume haben<br />

die Besucher meist keine Zeit mehr. Oben stehen Videogeräte,<br />

an denen man Interviews mit betagten jüdischen KZ-Überlebenden,


mit Emigrierten und mit alten Haigerlocherinnen sehen kann. Die<br />

meisten Interviewpartner hat sie noch persönlich kennen gelernt.<br />

- Erstaunlich versöhnliche Interviews. Ist die zweite Judenverfolgung<br />

in Haigerloch -1939- bereits vergessen? -<br />

An einem anderen Videogerät kann man einen Film über den Beginn<br />

der kollektiven Erinnerung in Hechingen sehen: Ein Zahnarzt<br />

hatte 1982 zu einem Treffen in seiner Praxis eingeladen. Haigerloch<br />

war viel später dran. Erst 1988, 50 Jahre nach der Reichspogromnacht<br />

hat sich eine Gruppe gebildet.<br />

Sie betritt den ehemaligen Filmvorführraum, in dem kopierte Akten<br />

ausgestellt sind, auch Polizeiprotokolle, die aufgenommen<br />

wurden, nachdem einem alten jüdischen Herrn der Zutritt in einen<br />

Lebensmittelladen verwehrt worden war.<br />

FRANZ-SEVERIN GÄßLER<br />

Gartendirektor Heinrich Grube - der<br />

Schöpfer des Sigmaringer Prinzengartens<br />

Eine biographische Notiz<br />

Kaum eine Stadt in Südwestdeutschland war - abgesehen von den<br />

Residenzen des württembergischen und des badischen Hofs - in<br />

der zweiten Hälfte des 19- Jahrhunderts derart eingebettet in eine<br />

gärtnerisch gestaltete und mit Wegen und Aussichtspunkten erschlossene<br />

Landschaft wie die Residenzstadt Sigmaringen 1 . Voraussetzung<br />

dafür waren der gewaltige Grundbesitz des Fürsten von<br />

Hohenzollern-Sigmaringen und insbesondere dessen Schlösser in<br />

Sigmaringen und den benachbarten Dörfern Krauchenwies und Inzigkofen<br />

sowie das zwischen Sigmaringen und Krauchenwies gelegene<br />

Jagdschlösschen Josephslust. Die äußerst reizvollen landschaftlichen<br />

Formationen dieser Gegend waren geradezu prädestiniert<br />

für die ausgedehnten Anlagen in diesen Orten und im sogenannten<br />

Bittelschießer Täle, das eine knappe Wegstunde östlich<br />

von Sigmaringen im Tal der Laudiert liegt: die Feuchtigkeit, die erfrischende<br />

Kühle und der Klang des Wassers von Donau und Laudiert,<br />

Andelsbach und Ablach, hell in der Sonne leuchtende, jäh<br />

abstürzende Felspartien, steile, waldbestandene Hänge, deren<br />

dunkler Farbton in starkem Kontrast dazu steht wie auch zu den<br />

Wiesen der ehemals weitestgehend unberührt daliegenden Talauen<br />

und den in sanften Schwüngen ausgleitenden, teils als Äcker, teils<br />

als Wiesen genutzten, flachen Hängen. Diese kontrastreiche Landschaft,<br />

deren Büder von Schritt zu Schritt wechseln und neue Perspektiven<br />

eröffnen, kokettiert nicht nur mit Enge und Weite, Höhe<br />

und Tiefe, sondern auch mit Nähe und Distanz, einer Distanz, die<br />

das Tiefgründige und Unerreichbare, das Rätselhafte und Geheimnisvolle<br />

im Leben widerspiegelt.<br />

Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Inszenierung der<br />

Landschaft in diesem Teil Schwabens mit der Allee von Sigmaringen<br />

nach Hedingen ihren Anfang gefunden 2 . Mitte des 19- Jahrhunderts<br />

war die Ausdehnung der Anlagen in den oben genannten<br />

Orten weitgehend festgelegt 3 . Die Rückkehr des fürstlichen Hofs<br />

nach Sigmaringen 1871 und der zur selben Zeit erfolgte Bahnbau<br />

setzten mit unterschiedlicher Wirkung nochmals Impulse. Denn in<br />

dieser Zeit erhielt der Prinzengarten in Sigmaringen seine heute<br />

noch erkennbare Form, und zugleich setzten die geometrischen<br />

Gartenteile nördlich und südlich des fürstlichen Landhauses in<br />

Krauchenwies dort neue Akzente 4 . Die Pracht der blühenden Stau-<br />

6<br />

Sie geht die Treppe hinunter und blättert im Gästebuch: „Es war gut<br />

und ich werde über Ihr Museum grenzenlos in Israel / USA / Russland<br />

informieren." - „A very moving exhibition." - „Mir gefällt<br />

diese Synagoge sehr." - „Absolutely fascinating!" - Lob und Anerkennung<br />

from all over the world.-<br />

Sie löscht die Lichter, stellt den Kundenstopper, der keinen Besucher<br />

angelockt hat, wieder in den Innenraum, nimmt das Schild<br />

„Museum geöffnet" von der Tür, schließt ab und stellt die Alarmanlage<br />

an. Draußen hat die Nachmittagssonne etwas vom Schnee<br />

weggeschmolzen und mehr Text auf dem ehemaligen Synagogenvorplatz<br />

frei gegeben: „Umbau zur Turnhalle 3. Februar 1941". Die<br />

Fenster im Haus gegenüber sind geschlossen. Vom Römerturm<br />

schlägt es fünf.<br />

den ist längst dahin, die Natur hat sich einen Teil der Anlagen<br />

zurückerobert, und die Nachpflanzungen ignorierten oft Gestalt<br />

und Gefüge der Anlagen. Und dennoch ist der Stil jener Zeit unverkennbar,<br />

in der die fürstliche Gartendirektion geschaffen wurde<br />

und der Gartendirektor Heinrich Grube (Abb. 1) für die fürstlichen<br />

Anlagen verantwortlich war 5 .<br />

Heinrich Grube (24. Mai 1840-28. Dezember 1907)<br />

Abb. 1: Heinrich Grube, Abb. aus: Die Gartenwelt, 11. Jg. 1907, S. 276<br />

Heinrich Grube wurde am 24. Mai 1840 in Düsseldorf als jüngstes<br />

von fünf Kindern in eine weltoffene und rege Familie hineingeboren".<br />

Sein 1845 auf Java verstorbener Vater, der Konsul Friedrich<br />

Wilhelm Grube, war 1825-27 in Mexiko gewesen, hatte 1828 eine<br />

Stelle als Regierungssekretär in Düsseldorf erhalten und war 1842<br />

nach Berlin berufen worden, um die Handelswege nach China zu<br />

erkunden. Bereits in jungen Jahren unterhielt er eine Leihbibliothek<br />

und war 1829 Gründungsmitglied des Kunstvereins für die<br />

Rheinlande und Westfalen. Seine Frau Elisabeth geb. Dietz (1803-<br />

71) und deren Schwester Katharina (1809-82) hatten aktiv Anteil<br />

am literarischen Leben ihrer Zeit 7 . Theaterstücke von Katharina<br />

Dietz wurden beispielsweise in Augsburg und Sigmaringen aufgeführt<br />

8 . Über die älteste Tochter des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern,<br />

die Königin Stephanie von Portugal, verfasste sie eine Biographie<br />

und die Briefe Heinrich Grubes aus Mexiko verarbeitete<br />

sie zu einer Erzählung 1 '.


Vom 18. Oktober 1856 bis 17. Juli 1857 besuchte Heinrich Grube<br />

die Bauschule der kgl. Kunstakademie Düsseldorf und vom 1. März<br />

1857 bis 1. März 1858 war er in den kgl. Gärten Düsseldorfs, im<br />

Jägerhofgarten und im botanischen Garten eingesetzt bei den un-<br />

terschiedlichsten Pflanzen-Kulturen. Dort arbeitete er unter dem<br />

kgl. Garten-Inspektor Joseph Weyhe, Sohn und Nachfolger des bedeutenden<br />

Parkschöpfers Maximilian Friedrich Weyhe, der beide<br />

Anlagen gestaltetet hatte 10 . Vom 1. April 1858 bis 31. März 1860<br />

studierte Grube an der kgl. Gärtner-Lehr-Anstalt zu Potsdam. Seine<br />

Lehrfächer umfaßten mathematische Wissenschaften, Naturwissenschaften,<br />

Botanik, Zeichnen von Plänen, Blumen und Früchten<br />

sowie Landschaftsgärtnerei. Die Kenntnisse Grabes wurden mit<br />

„vorzüglich gut" beurteilt. Das Zeugnis trägt die Unterschriften von<br />

Kette, Bouche und Lenne. Während dieser Zeit war er vom 1. April<br />

1859 bis zum 1. April 1860 als Gartengehilfe beim kgl. Hofgärtner<br />

und Professor an der kgl. Lehranstalt, Wilhelm Legeier, eingesetzt.<br />

Über die Tätigkeit Grabes im botanischen Garten und Palmenhaus<br />

bei Berlin vom 15. April 1860 bis zum 15. August 1860 gibt ein<br />

Zeugnis des kgl. Garten -Inspektors Bouche Auskunft. Den Militärdienst<br />

absolvierte Grube als einjähriger Freiwilliger beim 3- Westphälischen<br />

Infanterie-Regiment No. 16 in Düsseldorf, das er im<br />

September 1861 als Unteroffizier verließ. Wenige Wochen später,<br />

am 21. November 1861 immatrikulierte sich Grabe an der Friedrich-Wilhelms-Universität<br />

zu Berhn, belegte im Wintersemester<br />

die Fächer „Physik, spezielle Botanik, Anatomie der Pflanzen, Agrikultur,<br />

Botanisches und Physiologie der Zeugung" und im darauffolgenden<br />

Sommersemester die Fächer „allgemeine Botanik, spezielle<br />

Botanik, Botanik geogr., Entomologie [Insektenkunde] und<br />

Geographie". Das Zeugnis Lennes, General-Direktor der kgl. Hofgärten<br />

vom 25. Oktober 1862 bescheinigte Grube die „Qualifikation<br />

zum Garten-Ober-Gehilfen als gut bestanden" und gleichzeitig<br />

„besonders gute Kenntnisse in der Botanik".<br />

Nach Abschluß seiner Ausbildung in Berlin ging Grabe nach Köln,<br />

wo er als Obergärtner bei der Anlage des Kölner botanischen Lustund<br />

Ziergartens beschäftigt war". 1864 erhielt er auf der internationalen<br />

Ausstellung in Brüssel die süberne Medaille für Gartenarchitektur,<br />

legte den Garten für den Fabrikbesitzer Blöm in Düsseldorf<br />

an und änderte die Homberg'sche Anlage in Eupen. Mit staatlicher<br />

Unterstützung unternahm er eine Instruktionsreise durch<br />

ganz Belgien, nach Paris und zu den Baumschulen im Elsaß, bevor<br />

er über Basel und Karlsruhe nach Düsseldorf zurückkehrte. In jenem<br />

Jahr heirate er Emmy Flender. Aus dieser Ehe gingen zwei<br />

Töchter und ein Sohn hervor.<br />

In Düsseldorf erreichte ihn der Ruf Kaiser Maximilians von Mexiko<br />

12 , der ihn am 20. Dezember 1864 zum Garten-Direktor der<br />

kaiserlichen Besitzungen ernannte 13 . Noch kürzer als die Epoche<br />

Maximilians in Mexiko war Grabes Dienstverhältnis und Aufenthalt<br />

in diesem Land. Denn bereits mit Schreiben vom 3- November<br />

1866 wurde der Kontrakt als kaiserlicher Gartendirektor liquidiert,<br />

woraufhin Grube im April 1867 nach Europa zurückkehrte. Im<br />

Nachruf auf Grabe wird erwähnt, er sei in der Folgezeit Hofgärtner<br />

in Laxenburg bei Wien gewesen 14 .<br />

Ob er über den Gräflichen Hof in Brüssel zum Hof des Fürsten Karl<br />

Anton fand, letzterer residierte zu jener Zeit in Düsseldorf, oder direkt<br />

von dort aus an ihn herantrat, ist nicht belegt. Mit Verfügung<br />

Karl Antons vom 30. Juni 1867 wurde Heinrich Grube jedenfalls<br />

zum „Fürstlichen Garten-Director" ernannt und bestellt 15 . Sein Geschäftskreis<br />

umfasste die Aufsicht und technische Leitung über die<br />

Gärten und Anlagen in Sigmaringen, Inzigkofen, Krauchenwies,<br />

Bittelschieß und Weinburg", die der Hofverwaltung unterstanden,<br />

7<br />

sowie die Oberaufsicht über die Hofgärtner in Inzigkofen. Über Hechingen<br />

und Lindich sind in jener Verfügung keine Aussagen getroffen.<br />

Mitte der Siebziger Jahre gehörten zum Hofstaat des Fürsten,<br />

was die Gärtner betraf, außer Grube in Sigmaringen die beiden<br />

Gartengehilfen Juhus Keebach und Julius Schlegel, in Krauchenwies<br />

Hofgärtner Fidel Schnell und die beiden Gartengehilfen<br />

Albert Waldraff und Gasper, in Inzigkofen der Gärtner Josef Jägge<br />

und der Gartengehilfe Erhart Miller und auf der Weinburg der<br />

Obergärtner Franz Reineke; für Hechingen ist der Hofgärtner Karl<br />

Käsmodel verzeichnet und für den nahe bei Hechingen gelegenen<br />

Lindich der Gärtner Xaver Daiker 17 . Der Hofstaat des Erbprinzen<br />

verzeichnete zudem den Gartengehilfen Herrmann Gotthardt 18 . Neben<br />

dem Unterhalt der Anlagen sollte Grube auch Verbesserangen<br />

und Verschönerungen vornehmen. Wesentliche Veränderungen an<br />

Wegen und Pflanzen bedurften jedoch der Genehmigung Karl Antons.<br />

Die Anträge, denen Zeichnungen und Kostenberechnungen<br />

beizulegen waren, hatte Grube unmittelbar an Carl Anton zu richten<br />

und sie zunächst der Hofverwaltung vorzulegen, damit jene,<br />

falls erforderlich, Anmerkungen beifügen konnte. Grabe wurde<br />

das Gärtnerhaus in Sigmaringen als Domizil und eine Stube im Alten<br />

Prinzenbau als Büro zugewiesen. Zu jener Zeit wurde er vom<br />

Landschaftsmaler August Becker, der im Juli 1867 am Sigmaringer<br />

Hof weilte, als still und bescheiden beschrieben 19 .<br />

Im Herbst 1869 reiste Grube zur Gartenbauausstellung über Düsseldorf<br />

und Berhn nach Hamburg. Auf dieser Reise besichtigte er<br />

den Schloßgarten in Neuwied, den Poppelsdorfer Garten bei Bonn,<br />

seine ehemalige Arbeitsstätte, die Flora bei Köln sowie die Gärten<br />

von Berlin und Potsdam. Dort festigte er seine Bekanntschaft mit<br />

dem kgl. Preußischen Hofgartendirektor Tühlke 20 . Ein Jahr darauf<br />

wurde Grabe nach Hohlstein, auf die schlesischen Besitzungen des<br />

Fürsten, gesandt, um die botanischen Kostbarkeiten, die dort noch<br />

vorhanden waren nach Hohenzollern zu bringen 21 . Und für 1879 ist<br />

wiederum ein Besuch Grabes in Berhn belegt. Mit Einwilligung<br />

Karl Antons wurde Grube nach Bukarest berufen. Dort gestaltete er<br />

die Gärten des Landsitzes Cotroceni für Karl, den Zweitältesten<br />

Sohn des Fürsten. Dieser war 1866 Fürst von Rumänien geworden<br />

und regierte das Land seit 1881 als König Carol I. 1875 beteiligte<br />

sich Grube am Wettbewerb für den Floragarten in seiner <strong>Heimat</strong>stadt<br />

Düsseldorf, den er gewann und der nach seinem Entwurf ausgeführt<br />

wurde 22 .<br />

Welche Anlagen Grube unter Fürst Karl Anton neu gestaltete und<br />

wie er sie ausstattete, ist im Detail nicht überliefert 23 . Grube<br />

schreibt nur, dass er während jener Zeit „Gelegenheit hatte, in Hohenzollern<br />

und in der Schweiz viele neue Anlagen und Einrichtungen<br />

zu treffen und auszuführen". Neben dem Prinzengarten in Sigmaringen,<br />

den er für den damahgen Erbprinzen Leopold gestaltete<br />

24 , hat auch der Park um Schloß und Landhaus in Krauchenwies,<br />

die Sommerresidenz des Fürsten Karl-Anton, durch Grube<br />

neue Akzente erhalten. Aufsätze, Karten und Pläne dokumentieren,<br />

dass wohl in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Gestalt<br />

des Parks durch architektonische Ausstattung, neue Wegeführung,<br />

Bosketts und Springbrunnen und auch durch die weitere Aufstellung<br />

von Findlingen, den sog. erratischen Blöcken, verändert und<br />

bereichert wurde 25 . In Sigmaringen legte er den Carlsplatz gärtnerisch<br />

an 26 , gestaltete zudem die Anlagen vor dem Bauhof, nachdem<br />

die Straße dort einen neuen Verlauf erhalten hatte 27 sowie die Anlagen<br />

vor dem evangelischen Pfarrhaus. Zudem gab er an der<br />

Ackerbauschule Zeichenunterricht 28 . Er unterstützte als Mitglied<br />

der Centraistelle zur Förderung der Landwirtschaft und des Gewerbes<br />

in Hohenzollern dessen Vereinsblatt durch Fachbeiträge 2 ',


stellte dem Vorstand sein Fachwissen in Gartenkultur, Obstbaum-<br />

zucht und Naturwissenschaften zur Verfügung und ordnete und katalogisierte<br />

die ungefähr 2000 Bände umfassende Vereinsbibliothek<br />

30 . Vom Sommer 1870 ab nahm Grube am Krieg gegen Frankreich<br />

teil 31 .<br />

Grube wurde auf eigenes Ersuchen hin mit dem 1. September 1879<br />

aus fürstlichen Diensten entlassen 32 . Er ließ sich in Godesberg nieder,<br />

schloß sich vom 1. Mai 1880 dem Unternehmen des Ernst<br />

Grosch an, der eine Rosen- und Baumschule unterhielt, und übernahm<br />

darin den Bereich der Landschaftsgärtnerei 33 . Während dieser<br />

Zeit schuf er Anlagen in Krefeld, Barmen, Düsseldorf und in<br />

Remscheid sowie für die Drachenburg. Zugleich wurde er vom<br />

Oberpräsidenten der Rheinprovinz mit der Untersuchung des<br />

Weinbauausbaus im Ahrtal und in der Umgebung von Bonn sowie<br />

mit der Reblausbekämpfung beauftragt 34 .<br />

Im Mai 1882 bewarb sich Grube um die Stelle eines Stadtgärtners<br />

in Aachen und legte dort am 30. Juni 1882 seinen Diensteid ab. In<br />

seiner zwanzigjährigen Dienstzeit als Stadtgärtner und Gartendirektor<br />

baute er die Gartenverwaltung und die Stadtgärtnerei auf,<br />

bepflanzte zahlreiche Straßen, veränderte die Anlagen auf dem Salvatorberg<br />

und schuf die Anlagen auf dem Lousberg sowie zwei<br />

Friedhöfe 35 . Er vergrößerte den Stadtgarten, baute den botanischen<br />

Garten aus und schuf den dendrologischen Garten, wohl einen der<br />

ersten im Rheinisch-Westphälischen Gebiet 36 . 1884 war ihm auch<br />

die Leitung des botanischen Gartens übertragen worden. 37 1887 ernannte<br />

ihn die Stadt zum Gartendirektor 38 .<br />

Während seiner Zeit in Aachen unternahm er 1890 Reisen nach<br />

Berlin zur Gartenbauausstellung sowie nach Bonn, Koblenz, Geisenheim,<br />

Mainz, Frankfurt, Bad Ems, Wiesbaden und Homburg,<br />

um dort die gärtnerischen Anlagen zu besuchen. Im selben Jahr<br />

bereiste er auch die Baumschulen in Engers, Neuwied, Oberursel,<br />

Trier und Langsar bei Trier. Sieben Jahre später führte ihn die Reise<br />

über Hagen nach Berlin und von dort über Hannover zurück. Im<br />

August 1900 besichtigte er Paris, um neue Erkenntnisse hinsichtlich<br />

der Pflanzung von Straßenbäumen zu gewinnen 35 . Eine seine<br />

letzten Reisen führte ihn ins Siegener Land 40 . Als Preisrichter wirkte<br />

Grube 1897 in Berlin und 1902 in Düsseldorf und als Gutachter<br />

u.a. zusammen mit dem Kölner Stadtbaurat Stübben gegen den Eisenbahnfiskus.<br />

In Aachen wirkte er als langjähriger Vorsitzender<br />

des Gartenbauvereins zu Aachen und Burtscheid" und im Verein<br />

Deutscher Gartenkünstler leitete Grube fast ein Jahrzehnt lang den<br />

Ausschuß für Gartentechnik als Vorsitzender 42 . Zudem war er Mitherausgeber<br />

des von 1883 bis 1889 erschienenen Jahrbuchs für<br />

Gartenkunde und Botanik und veröffentlichte über drei Jahrzehnte<br />

hinweg zahlreiche Aufsätze, Berichte und Rezensionen zur Gartenkunst<br />

und Gartentechnik sowie zur Vereinstätigkeit 43 . Grabes Aufsätze<br />

zeigen eine intensive Auseinandersetzung sowohl mit der Gartentechnik<br />

als auch mit der Gartenkunst". Bei der Anlage von Grotten,<br />

Felsen und Gewässern in Landschaftsgärten beispielsweise<br />

mahnte er, die vorhandenen Gegebenheiten zu nutzen, sich auf das<br />

Wesentliche zu konzentrieren und Kleinliches zu vermeiden 45 . Gegen<br />

Ende seines Lebens machte er auf die Standortgerechtigkeit bei<br />

Gehölzen aufmerksam 46 .<br />

Der Herzstillstand am 28. Dezember 1907, dem ein Leiden am<br />

Speiseröhrenkrebs voranging, beschloß ein bewegtes und wirkungsreiches<br />

Leben (Abb. 2), dessen Werke längst Wert sind, ins<br />

Gedächtnis einer größeren Öffentlichkeit zurückgerufen zu werden.<br />

8<br />

Anmerkungen<br />

1 Allenfalls Donaueschingen, die Residenz der Fürstenberger<br />

mit den Gärten und den ausgedehnten Parkanlagen sowie<br />

den unweit der Stadt gelegenen Anlagen Wartenbergs und<br />

bei der Gruftkirche in Neidingen kommt noch dem Sigmaringer<br />

Beispiel nahe. Zu den Gartenanlagen der Fürstenberger<br />

Residenz vgl. O. Berndt: Die Gartenanlagen zu Donaueschingen,<br />

Wartenberg und Neidingen. Ihre Entstehung<br />

und Entwicklung. In: Schriften des Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte der Baar und der angrenzenden Landesteile<br />

in Donaueschingen. Tübingen 1909, S. 1-64 und<br />

Timo John: Der Fürstlich Fürstenbergische Schloßpark zu<br />

Donaueschingen. In: Die Gartenkunst 15. Jg. 1999 S. 169-<br />

184.<br />

2 vgl. Franz-Severin Gäßler: Die Allee in Sigmaringen - barocke<br />

Landschaftsinszenierung und fürstliches Herrschaftssymbol.<br />

In: <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> (HH) 55. Jg.<br />

2005, 20-23, 54-56 und 56. Jg. 2006,4-6.<br />

3 Vgl. Franz-Severin Gäßler: Der Ursprung des Sigmaringer<br />

Prinzengartens. In: HH 50. Jg. 2000, 55-60.<br />

4 Zu Grubes Planungen für die Parkanlagen in Sigmaringen<br />

und Krauchenwies beabsichtigt der Verfasser eigenständige<br />

Beiträge zu veröffentlichen, da sie den Umfang dieses Beitrags<br />

erheblich sprengen würden.<br />

5 Die Gartendirektion wurde mit dem Eintritt Grubes in den<br />

fürstlichen Dienst geschaffen; vgl. Staatsarchiv Sigmaringen<br />

(StAS), Dep. 39, NVA 15720.<br />

6 Den besten Überblick über die Vita Grabes bietet die Personalakte<br />

im Stadtarchiv Aachen (StAA) G 12, auf die sich<br />

sämtliche Zitate, sofern nicht anders angegeben, beziehen;<br />

zu Details während seines Aufenthaltes in Hohenzollern vgl.<br />

auch StAS, Dep. 39, NVA 15270. Zur Familie Grubes vgl. Joachim<br />

Fischer, Ingeborg Längsfeld u.a.: Elisabeth Grube &<br />

Katharina Diez. Zwei Dichterinnen und ihre Zeit. Siegen<br />

und Netphen 1992, insbes. S. 33, 36, 38,40, 52 und 70.<br />

Vgl. hierzu Elisabeth Grabe, Katharina Diez: Zur Feier der<br />

Verlobung Ihrer Hoheit der Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen<br />

mit Seiner Majestät dem Könige<br />

Dom Pedro V von Portugal. Fest-Vorstellung im Stadttheater<br />

zu Düsseldorf 15. Dezember 1857. Düsseldorf o.J.<br />

8 Die Uraufführung des Dramas „Frithjof" fand am 12. Februar<br />

1878 im Sigmaringer Hoftheater statt; vgl. Fischer;<br />

Längsfeld wie Anm. 6, S. 127. Über die erfolgreiche Inszenierung<br />

des „Frithjof" am Augsburger Stadttheater ließ<br />

Heinrich Grabe seiner Tante mit Datum vom 4. April von<br />

dort aus eine Postkarte zugehen; vgl. Stadtarchiv Siegen,<br />

Bestand Sammlungen Nr. 12: Nachlaß Diez-Grube.<br />

9 Katharina Diez: Stephanie, Königin von Portugal. Lebensbild<br />

einer deutschen Fürstentochter aus unserer Zeit. Stuttgart<br />

1864; dies.: Nach Mexiko und zurück in die <strong>Heimat</strong>h.<br />

Eine Erzählung nach Briefen bearbeitet. Stuttgart 1868.<br />

10 Zu Maximilian Friedrich Weyhe vgl. Helmut Schildt, Maximilian<br />

Friedrich Weyhe und seine Parkanlagen. Düsseldorf<br />

1987.<br />

11 Vgl. StAS, Dep. 39, NVA 15270, Zeugnis der Aktien-Gesellschaft<br />

Flora in Cöln vom 15- Februar 1864, unterzeichnet<br />

vom Präsidenten Oppenheim und dem Gartendirektor Niepraschk;<br />

vgl. auch Gerd Bermbach: Die Flora zu Köln am<br />

Rhein. Köln 1991, S. 28.


12<br />

13<br />

14<br />

IS<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

Maximilian war seit 1857 mit Prinzessin Charlotte, der<br />

Tochter des Belgischen Königs Leopolds I. verheiratet, die<br />

nach der Erschießung ihres Mannes durch die Revolutionstruppen<br />

am 19. Juni 1867 dem Wahnsinn verfiel und 27<br />

auf Schloß Bouchoute nahe Brüssel bis zu ihrem Tod ihr<br />

Dasein fristete. Charlotte wiederum war Schwester des Grafen<br />

Philipp von Flandern, der am 25. April 1867 in Berhn<br />

die jüngste Tochter des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern,<br />

Prinzessin Marie, geheiratet hatte und mit ihr am 30. 28<br />

April in Brüssel in das gemeinsame Domizil einzog.<br />

In der Erzählung von Katharina Diez: Nach Mexiko und<br />

zurück in die <strong>Heimat</strong>h. Eine Erzählung nach Briefen bear- 29<br />

beitet. Stuttgart 1868 ist die mexikanische Zeit Grubes verarbeitet,<br />

der dort Hubert genannt ist und von dem S. 2 f. zu<br />

lesen ist, „dass ein reicher, vornehmer Freund seines seligen<br />

Vaters, der schon lange in Amerika lebte und unfern<br />

der Hauptstadt Mexikos eine reizende Hazienda besaß, ihm 30<br />

die Mittel gegeben hatte, seinen heißesten Wunsch von<br />

früher Jugend an befriedigen zu können: fremde Länder zu<br />

bereisen und sich neue Kenntnisse im Gebiet der Naturwis- 31<br />

senschaft zu sammeln". 32<br />

Vgl. Die Gartenwelt, 10. Jg. 1908, Heft 3, S. 8.<br />

Vgl. StAS, Dep. 39, NVA 15720, die Verfügung Karl Antons,<br />

ausgestellt in Düsseldorf am 6. Juh 1867. Sie enthält auch<br />

die dienstlichen Instruktionen.<br />

Mit Bittelschieß dürften die Anlagen im Bittelschießer Täle,<br />

unweit von Hornstein, zwischen Sigmaringen und Bingen<br />

gelegen, gemeint sein, die Weinburg hegt bei Rheineck in<br />

der Schweiz.<br />

Vgl. Hof- Hand- und Adressbuch für die Hohenzollernschen<br />

Lande 1876, S. 70.<br />

Ebda, S. 72.<br />

Vgl. Lotte Hoffmann-Kuhnt (Hrsg): August Becker. 1821-<br />

1887. Das Leben eines Landschaftsmalers. Reiseberichte<br />

und Briefe. Nürnberg [2000], bes. S. 532, den Brief vom 9-<br />

Juh 1867.<br />

Vgl. StAS, Dep. 39, NVA 15270, die Erläuterungen Grubes<br />

über die Reisekosten.<br />

Wie Anm. 20. 33<br />

Vgl. auch Gabriele Uerscheln (Hrsg.): Muesum für Europäische<br />

Gartenkunst. Mit Beiträgen von Karl Matthias<br />

Berg u.a. Ostfildern-Ruit 2005, S. 233 u. Abb. S. 236.<br />

Die Akten der Fürstlichen Hofgärtnerei sind nicht überlie- 34<br />

fert und Pläne sind für die einzelnen Anlagen - wenn überhaupt<br />

- nur selektiv vorhanden.<br />

Vgl. StAS, Dep. 39, K1346, K 1687, P 68 und insbesondere 35<br />

StAA, Autographen II 42 sowie II - 115 (Schreiben des damaligen<br />

Erbprinzen Leopold an Grube aus den Jahren 1876<br />

und 1877). Zu diesem Parkensemble gehörten auch die 36<br />

Anlagen östlich der Allee, die bis in die sechziger Jahre des<br />

20. Jahrhunderts bestanden.<br />

Vgl. StAS, Dep. 39, Karten: K 1654 sowie Pläne: P 60, P 6l.<br />

Zu den Erratischen Blöcken vgl. K. Zingeler: Sigmaringen<br />

und seine nächste Umgebung. Sigmaringen 1877, S. 110- 37<br />

115, sowie Grubes Aufsatz: Eine seltene Parkdekoration.<br />

In: Deutscher Garten 1881, S. 220-223, in dem er auch die 38<br />

Aufstellung der zahlreichen Findlinge im fürstlichen Park 39<br />

zu Krauchenwies beschreibt und insbesondere die Intention,<br />

die mit deren Aufstellung verbunden ist. 40<br />

Vgl. Franz-Severin Gäßler: Der Sigmaringer Leopoldplatz -<br />

Notizen zu seiner Geschichte, Gestalt und Funktion. Teil 2.<br />

Die Zeit unter preußischer Souveränität bis zum Ende der<br />

Monarchie. In: HH 48. Jg. 1898, 22-28, S. 22.<br />

Vgl. StAS, Dep. 39 Pläne: P 349/131; für den Bereich unweit<br />

des Bauhofs, an der Einmündung der Bahnhofstraße existiert<br />

zudem ein nicht realisierter Entwurf Grubes für ein<br />

Kaiser-Wilhelm-Denkmal aus dem Jahr 1873; vgl. StAS,<br />

Dep. 39 Pläne: P 535/1 und 535/2.<br />

Vgl. hierzu auch StAS, Ho 310 Bd. 1 Nr. 520 sowie Statist.<br />

Hof-, Hand- u. Adreßbuch für die Hohenzollern. Lande.<br />

Sigmaringen 1876, S. 151.<br />

Am 19. April 1868 war Grube zum Stellvertretenden Vorstand<br />

des I. Landwirtschaftlichen Bezirksvereins gewählt<br />

worden; vgl. Mittheilungen des Vereins zur Beförderung<br />

der Landwirtschaft und der Gewerbe in den Hohenzollern -<br />

schen Landen 1868, No 16, S. 6l.<br />

Vgl. Heinz Grube (Hrsg.): Catalog der Bibliothek der Centralsteüe<br />

des Vereins zur Beförderung der Landwirtschaft<br />

und der Gewerbe in Hohenzollern. Sigmaringen [1877].<br />

Vgl. StAS, Dep. 39, NVA 14660 b.<br />

Zu seiner Entlassung und zu seiner privaten Tätigkeit vgl.<br />

StAS, Dep. 39, NVA 14660b. Er erhielt bis zum 1. Januar<br />

1880 noch das volle Gehalt, für das Jahr 1880 ein Gehalt<br />

von 2200 Mark und für die folgenden Jahre bis 1885 jährlich<br />

1000 Mark, am Tage seiner Abreise 1000 Mark und einen<br />

Vorschuß von 2000 Mark vom fürstlichen Hofkassenamt.<br />

Der Kabinettchef des Fürsten Karl Anton formulierte in<br />

seinem Schreiben vom 24.9.1879 den Anlass für seine Entlassung<br />

als „einen gesellschaftlichen Conflikt in Privatsachen,<br />

der eine so akute Gestalt angenommen, dass sein sozialer<br />

Umgang in den eng begrenzten Verhältnissen der<br />

Stadt Sigmaringen beeinträchtigt wurde"; Grube selbst<br />

teilte in seinem Schreiben vom 30. Mai 1878 an den Kommissarius<br />

für die Ackerbauschule mit, dass er den Zeichenunterricht<br />

an der Ackerbauschule aufgeben muß, „da<br />

verschiedene äußere Verhältnisse, die er nicht ändern<br />

kann, ihn zu seinem großen Bedauern dazu nötigen"; vgl.<br />

StAS, Ho 310 Bd. 1 Nr. 520.<br />

Vgl. Deutsches Magazin für Garten- und Blumenkunde 33-<br />

Jg. 1880, S. 158-159 sowie die Monatsschrift des Vereins<br />

zur Beförderung des Gartenbaus 23. Jg. 1880, No. 6, S.<br />

287.<br />

Vgl. hierzu auch H. Grube: Die Reblaus im Ahrthale. In:<br />

Rhein. Jb. Für Gartenkunde und Botanik, 1. Jg. 1884, S.<br />

224-225.<br />

Vgl. hierzu auch Thomas Terhart: Der Lousberg-Park in Aachen.<br />

Neuss 1988. (Rheinische Kunststätten, Heft 338),<br />

bes. S. 20-22.<br />

Vgl. hierzu auch H. Grube: Vom Gartenbau in Aachen. In:<br />

Jb. für Gartenkunde und Botanik, 4. Jg. 1886/87, S. 6-9 und<br />

ders.: Ueber Dendrologie und Dendrologische Gärten. In:<br />

Jb. für Gartenkunde und Botanik, 6. Jg. 1888/89, S. 368-<br />

375.<br />

Vgl. Jb. für Gartenkunde und Botanik, 2. Jg. 1884/85, S.<br />

365 f.<br />

Vgl. ebda., 4. Jg. 1886/87, S. 380 f.<br />

Vgl. Heinrich Grube: Etwas über Pariser Straßenbäume und<br />

Straßenbreiten. In: Die Gartenkunst, 3-Jg. 1901, S. 95-98.<br />

Vgl. H. Grube: Die Eibe im Garten des oberen Schlosses zu<br />

Siegen. In: Die Gartenwelt, 11. Jg. 1907, S. 304 f.


41 Vgl. die Vereinsmitteilungen im Jb. für Gartenkunde und<br />

Botanik; zugleich war Grube auch Vereinsbibliothekar, wie<br />

den Mitteilungen zu entnehmen ist.<br />

42 Vgl. die Mitteilungen des Vereins Dt. Gartenkünstler in der<br />

Zschr. für bild. Gartenkunst.<br />

43 Aufsätze und Berichte erschienen in den Zeitschriften:<br />

Deutscher Garten, Deutsches Magazin für Garten- und Blumenkunde,<br />

Die Gartenkunst, Die Gartenwelt, Rhein. Jb. für<br />

Gartenkunde und Botanik, Jb. für Gartenkunde und Botanik,<br />

Zschr. für bildende Gartenkunst, Zschr. für Gartenbau<br />

und Gartenkunst.<br />

44 Vgl. beispielsweise H. Grube: Über die schöne Gartenkunst.<br />

MEXIKO Wf-fefc<br />

HAM^UKe<br />

©HANNOS<br />

141-0 M/fcO-M<br />

AACHEN 146Z-W7 • ^EN 16M-WK<br />

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OHI^TEIN<br />

PAXENWG<br />

Abb. 2: Wohn- und Studienorte, Wirkungsstätten sowie Reiseziele<br />

(in Auszügen) Heinrich Grubes<br />

EDWIN ERNST WEBER<br />

Der Chronist des Kreises Saulgau<br />

Zum Tod des <strong>Heimat</strong>forschers<br />

Walter Bleicher<br />

Wenige Wochen vor Vollendung seines 81. Lebensjahrs ist am 19.<br />

Februar 2006 im Krankenhaus Ravensburg der ehemalige Volksschulrektor<br />

und <strong>Heimat</strong>forscher Walter Bleicher aus Mengen verstorben.<br />

Als ehrenamtlicher Kreisarchivar der Landkreise Saulgau<br />

und Sigmaringen von 1967 bis 1989, vor allem aber durch zahlreiche<br />

heimatkundliche Veröffentlichungen zur Orts- und Regionalgeschichte<br />

des nordwestlichen Oberschwabens hat sich Bleicher<br />

bleibende Verdienste erworben.<br />

Walter Bleicher wurde am 28. März 1925 als Ältestes von insgesamt<br />

sechs Kindern des Bau- und Möbelschreiners Konrad Bleicher<br />

und dessen Ehefrau Maria geb. Frank in Beizkofen geboren.<br />

10<br />

In Rhein. Jb. für Gartenkunde und Botanik, 1. Jg. 1884, S.<br />

6-13. Dieser Aufsatz zeigt Grubes Kenntnis und Auseinandersetzung<br />

mit den Theorien von Hirschfeld, Pückler, Jäger<br />

und Meyer sowie mit den Kunsttheorien bei Herder, Schleiermacher,<br />

Vischer und Humboldt.<br />

45 Vgl. Grube: Eine seltene Parkdekoration. In: Deutscher<br />

Garten, 1881, S. 220-223, insbes. S. 220 f.; zugleich blitzt<br />

in diesem Aufsatz Grubes gute Kenntnis über die Gärten der<br />

damaligen Zeit sowie über die geologischen und geographischen<br />

Aspekte auf.<br />

46 Vgl. Grube: Chinesische Aussprüche über Gartenkunst.<br />

In: Die Gartenwelt, 8. Jg. 1903/04, S. 164 f.<br />

0 50 -100 KM E-* 6A«hek */•zoo?<br />

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W-Wt- Of>EK6ARTNER/A6aORA/ KOVN<br />

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m i - m FÖRSTE. HOHENZ. GAFJENpip,.,fi&M,<br />

-1462- -MOS ^TAPTekTNER/OARTENDlX.,AACHEN<br />

Während von seinen drei Brüdern immerhin zwei den Schreinerberuf<br />

ergriffen und damit die Tradition der alteingesessenen<br />

„Holzdynastie" in der Göge fortsetzten, wurde dem Erstgeborenen<br />

die Chance einer höheren Schulbildung geboten, die ihn über die<br />

Volksschule in Beizkofen und die Oberschule für Jungen in Mengen<br />

schließlich 1941 an die Oberschule für Jungen in Riedlingen<br />

führte. Mit einem provisorischen „Reifevermerk" in der Tasche<br />

musste Walter Bleicher Ende Juni 1942 die Schule verlassen, als er<br />

inmitten des Zweiten Weltkriegs mit 17 Jahren zum Kriegsdienst<br />

einberufen wurde. Als Unteroffizier und späterhin als Leutnant erlebte<br />

er an der Ostfront seit 1943 den Krieg in all seiner Brutalität<br />

und wurde mehrfach verwundet. Das Kriegsende und den Untergang<br />

des Hitler-Reiches erlebte er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft,<br />

aus der er im Herbst 1945 entlassen wurde, um den<br />

Heimweg zurück ins Elternhaus zu Fuß anzutreten. Die furchtbaren<br />

Kriegserlebnisse haben bei Walter Bleicher tiefe, ja traumatische<br />

Spuren hinterlassen und zu einer gewissen Verhärtung seines<br />

Charakters beigetragen.


Zum 1. November 1945 wurde der 20jährige junge Mann als Laienlehrkraft<br />

eingestellt, um dem gravierenden Mangel an Lehrern<br />

im Gefolge von Krieg und Entnazifizierung abzuhelfen. Die ersten<br />

Einsatzorte waren die Volksschulen in Hohentengen, Littenweiler,<br />

Renhardsweiler und seit 1. Mai 1947 wiederum Uttenweiler. Parallel<br />

zur Schulpraxis absolvierte Walter Bleicher eine Lehrerausbildung<br />

am Pädagogischen Institut in Reutlingen, wobei er die Fahrten<br />

über die Alb bei jeder Witterung mit einem Motorrad unternahm.<br />

1949 legte er in Reutlingen die erste und 1952 die zweite<br />

Prüfung für das Lehramt an Volksschulen ab, das Thema seiner Zulassungsarbeit<br />

war die „Geschichte des Marktfleckens Uttenweiler".<br />

Mit dem 1. Mai 1952 erhielt er eine Anstellung als außerplanmäßiger<br />

Volksschullehrer, am 5. März 1953 wurde er zum<br />

Hauptlehrer ernannt und verfügte damit erstmals über eine Planstelle<br />

und eine sichere Besoldung zur Ernährung seiner Familie,<br />

die er 1947 mit der vier Jahre älteren Anny Moll aus Uttenweüer<br />

begründet hatte. Völhg selbstverständlich war in jenen Jahren die<br />

Residenzpflicht eines Volksschullehrers, und so wohnte das junge<br />

Ehepaar Bleicher mit seinen beiden Kindern Doris (geb. 1948)<br />

und Edwin (geb. 1952) im Lehrerhaus neben der Schule, von Uttenweiler.<br />

Öffentliches Engagement im Schulort<br />

Ebenso „normal" war in jener Zeit ein öffentliches Engagement eines<br />

Lehrers im Kultur-, Vereins- oder Kirchenleben seines Schulortes.<br />

Aus dem Bestreben, der Dorfjugend eine musikalische Ausbildung<br />

zu ermöglichen, stellte sich Walter Bleicher von 1950 bis<br />

1956 dem örtlichen Musikverein als erster Vorsitzender zur Verfügung<br />

und betrieb mit Erfolg die Wiederbesetzung der vakanten Dirigentenstelle,<br />

die Werbung passiver Vereinsmitglieder, die Förderung<br />

der Nachwuchsarbeit und die Teilnahme an Wertungsspielen.<br />

Unter seiner Regie wurden auch Fasnachts-Veranstaltungen in den<br />

Sälen der Gasthäuser „Rössle" und „Bären" organisiert. Der junge<br />

Lehrer zählte zu den „Honoratioren" seines Dorfes, der mit Bürgermeister,<br />

Pfarrer, Förster und weiteren Angehörigen der „Bildungsschicht"<br />

einen engen Kontakt pflegte. Auch betätigte sich<br />

Walter Bleicher bereits in Uttenweüer als „Ortschronist", der im<br />

Anschluss an seine Zulassungsarbeit sich auch weiterhin mit der<br />

Geschichte seiner Schulgemeinde befasste und seine aus Quellenstudien<br />

gewonnenen Befunde in seinem Unterricht verwertete. In<br />

der Erinnerung der Kinder waren die Uttenweiler Jahre bis 1958<br />

die glücklichsten der Familie.<br />

Zum 1. April 1958 übernahm Bleicher, der im Jahr darauf zum<br />

Oberlehrer ernannt wurde, die Leitung der vierklassigen Volksschule<br />

in Scheer. Auch am neuen Tätigkeitsort bezog die Lehrerfamilie<br />

eine Dienstwohnung im Schulhaus. Neben seiner schulischen<br />

Arbeit gewannen jetzt die Beschäftigung mit der <strong>Heimat</strong>geschichte<br />

und das Studium der historischen Quellen eine immer größere Bedeutung<br />

für Walter Bleicher. Aus seinem 1967 mit Beifall des<br />

Schulamts entwickelten Plan zur Herausgabe eines vorrangig für<br />

die schuhsche Nutzung gedachten <strong>Heimat</strong>blattes mit regionalgeschichtlichen<br />

Themen entstand seit 1968 die „Schwäbische Kunde.<br />

Aus der Geschichte des Kreises Saulgau". In dieser in Chronikform<br />

angelegten und nach Orten gegliederten heimatgeschichthchen<br />

Materialsammlung von Quellenexzerpten erschienen bis kurz vor<br />

seinem Tod mit Unterstützung des Kreises Saulgau und sodann der<br />

Nachfolgekreise Biberach und Sigmaringen sage und schreibe 43<br />

Bände. Das zeitliche Spektrum reicht vom Beginn des 14. Jahrhunderts<br />

bis 1831.<br />

11<br />

Bestellung zum nebenamtlichen Kreisarchivar<br />

1967 wurde der Scheerer Schulleiter auf Veranlassung des geschichts-<br />

und kulturinteressierten Landrats Karl Anton Maier zum<br />

nebenamtlichen Kreisarchivar des Kreises Saulgau bestellt. Mit beeindruckender<br />

Schaffensfreude übernahm er Ordnungs- und Inventarisierungsarbeiten<br />

in den Gemeindearchiven Ennetach, Eningen<br />

und Mengen und sorgte in allen drei Orten auch für die Einrichtung<br />

und Ausstattung geeigneter Archivräume. Daneben wurde<br />

Bleicher von Landrat Maier und seinem Nachfolger Dr. Wilfried<br />

Steuer als Ratgeber für historische Fragestellungen herangezogen<br />

und mit der historiographischen Begleitung von Orts- und Vereinsjubiläen<br />

betraut. Zum 1971 vom Theiss-Verlag herausgegebenen<br />

Saulgauer Kreisbuch steuerte Walter Bleicher einen umfangreichen<br />

geschichtlichen Überbück bei. In Ertingen veranlasste er die<br />

Einrichtung einer „Stube" für den <strong>Heimat</strong>schriftsteller Michel<br />

Buck, für den schulischen Gebrauch stellte er eine Diareihe zum<br />

„Bussenland" zusammen. „Wenn irgendwo ein <strong>Heimat</strong>fest, eine<br />

Einweihung, ein Jubiläum zu feiern ist, dann stellt Oberlehrer Bleicher<br />

den geschichtlichen Abriss, die Festschrift, ein Theäterchen,<br />

gibt Hinweise für Gestaltung und Embleme", würdigte das Schulamt<br />

das historiographische Engagement des Volksschullehrers.<br />

Nicht zuletzt dank seines außerschulischen Engagements und Ansehens<br />

als Kreisarchivar und <strong>Heimat</strong>forscher wurde Walter Bleicher<br />

im Herbst 1973 zum Leiter und Rektor der Ablachschule in<br />

Mengen, einer im Gefolge der Schulreformen in jenen Jahren geschaffenen<br />

Nachbarschaftsgrundschule mit ca. 600 Schülern und<br />

30 Lehrkräften berufen. Die Leitung der großen Bildungseinrichtung,<br />

die Koordination des zahlenstarken Lehrerkollegiums und<br />

zumal der Umgang mit den von der Studentenbewegung geprägten<br />

Junglehrern überforderten indessen den neuen Rektor mit seinem<br />

traditionell-autoritären Führungsstil. Die zunehmenden Spannungen<br />

und Konflikte führten zur Erkrankung Bleichers und letztlich<br />

im Juli 1977 zu seiner vorzeitigen Pensionierung mit gerade einmal<br />

52 Jahren.<br />

Das Scheitern Bleichers als Schulleiter und sein Ausscheiden aus<br />

dem pädagogischen Dienst waren der Ausgangspunkt für eine verstärkte,<br />

über nahezu drei Jahrzehnte anhaltende Beschäftigung mit<br />

der <strong>Heimat</strong>geschichte und eine beeindruckende publizistische<br />

Produktivität bis kurz vor seinem Tod. Walter Bleicher wurde zum<br />

Historiographen des Kreises Saulgau, auch über dessen Auflösung<br />

im Gefolge der großen Kreisreform von 1973 hinaus. Bei seinen<br />

geschichtlichen Interessen und Forschungen war er ein Allrounder<br />

alter Schule, der sich mit der Vor- und Frühgeschichte ebenso auseinandersetzte<br />

wie mit der Familienforschung, den regionalen Sagen<br />

und Anekdoten, biographischen Studien, der Geschichte von<br />

Mittelalter, Frühneuzeit und Moderne. Zahlreiche Ortschaften des<br />

Altkreises Saulgau und seit 1973 auch des neuen „Dreiländerkreises"<br />

Sigmaringen verdanken ihm kleinere oder größere Darstellungen<br />

ihrer Geschichte in Festschriften oder auch umfänglichen<br />

<strong>Heimat</strong>büchern. Besondere Erwähnung verdienen darunter seine<br />

Stadtgeschichte von Scheer, die <strong>Heimat</strong>bücher von Heudorf und<br />

Hundersingen sowie zwei reich bebilderte Bände zur Geschichte<br />

von Mengen, wo er sich mit seiner Familie 1973 in einem Eigenheim<br />

im Schlehenweg niedergelassen hatte und von 1975 bis 1993<br />

überdies auch als ehrenamtlicher Stadtarchivar tätig war. Im Mittelpunkt<br />

seiner quellennahen Forschungs- und Veröffentlichungstätigkeit<br />

stand indessen die bereits erwähnte „Schwäbische Kunde.<br />

Aus der Geschichte des Kreises Saulgau".


Selbstverständnis als neutraler Chronist<br />

Bei seiner Beschäftigung mit der regionalen Geschichte war Walter<br />

Bleicher ein Autodidakt ohne eigentliche wissenschaftliche Ausbildung.<br />

Theorien der aktuellen Geschichtswissenschaft stand er<br />

ebenso fern wie modernen fachlichen Standards der Quellenkritik,<br />

der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte oder auch der Einbettung<br />

seiner lokalen Befunde in den allgemeinen Forschungskontext.<br />

Bleicher verstand sich als neutraler Chronist, der die Quellen<br />

selbst sprechen ließ und sich mit dem eigenen Urteil und der eigenen<br />

Bewertung bewusst zurückhielt - getreu dem Leitmotiv des historiographischen<br />

Altmeisters Leopold von Ranke, wonach der Historiker<br />

nicht die Vergangenheit zu richten und die Gegenwart zu<br />

belehren habe, sondern „blos zeigen (solle), wie es eigentlich gewesen".<br />

Seine Forschungen führten Walter Bleicher in alle für<br />

seine Fragestellungen relevanten Archive, die Staatsarchive in Sigmaringen,<br />

Stuttgart und Ludwigsburg suchte er ebenso auf wie die<br />

kirchlichen Archive, die Kommunalarchive oder auch die für die<br />

Geschichte des Saulgauer und Sigmaringer Raums in besonderer<br />

Weise gehaltvollen Adelsarchive, darunter auch das Thum und Taxis<br />

Zentralarchiv in Regensburg mit seiner wichtigen Überheferung<br />

zur Grafschaft Friedberg-Scheer.<br />

Höchst bedauerhch ist, dass sich Bleicher als exzellenter und intimer<br />

Kenner der regionalen Geschichtsquellen trotz allen Einwirkens<br />

von Historikern und Archivaren bis zum Schluss nicht dazu<br />

entschließen konnte, seine Veröffentlichungen mit nachvollziehbaren<br />

Quellenbelegen zu versehen und damit seinem heimatgeschichthchen<br />

Lebenswerk einen bleibenden Nutzwert auch für<br />

künftige Forschergenerationen zu verleihen. Bei seinen Forschungen<br />

und Veröffentlichungen war Walter Bleicher ein Einzelkämpfer<br />

und Generalist alter Schule, der sich einen historischen Durch-<br />

Walter Bleicher an seinem 80. Geburtstag2005. Vorlage: Privatbesitz<br />

OTTO H. BECKER<br />

„Die letzten Tage der französischen<br />

Regierung von Sigmaringen"<br />

nach Francis Bout de l'An<br />

Teil II und Schluss [Teil I in HH Nr. 3/2006 S. 37 f.]<br />

12<br />

marsch durch alle Geschichtsepochen, von den erdgeschichtlichen<br />

Grundlagen und ersten Siedlungsspuren bis zur Gegenwart zutraute.<br />

Teamarbeit, das Einfügen in ein Publikationsprojekt mit<br />

mehreren Autoren und verteilten Themen und Schwerpunkten,<br />

war seine Sache nicht. Als ihm bei der Vorstellung des Bandes<br />

„Mengen. Erinnerungen in Bildern" 1999 von seinen Mitautoren<br />

„Teamunfähigkeit" vorgehalten wurde, verstand er dies sichtlich<br />

als Kompliment für seinen autonomen Arbeitsstil!<br />

Ungeachtet solcher Einwände aus fachlich-wissenschaftlicher Sicht<br />

hat Walter Bleicher ein respektables Lebenswerk hinterlassen, das<br />

nach seiner Ordnung und Verzeichnung durch das Kreisarchiv Sigmaringen<br />

entsprechend dem Willen des Verstorbenen dauerhaft<br />

als Forscher-Nachlass im Stadtarchiv Mengen verwahrt werden<br />

soll. Bleicher war in den vergangenen Jahrzehnten zweifellos einer<br />

der produktivsten <strong>Heimat</strong>forscher Oberschwabens, der mit seinen<br />

Quellenrecherchen, Veröffentlichungen, Vorträgen und Auskünften<br />

vielen Menschen die Geschichte ihrer eigenen <strong>Heimat</strong> nahe gebracht<br />

und erschlossen hat. Auch wenn er mit einer gewissen Härte<br />

des Charakters und der Neigung zu raschem Gekränktsein sich im<br />

Umgang mit anderen Menschen häufig schwer tat, bleibt die Erinnerung<br />

an eine markante und willensstarke Persönlichkeit, die<br />

sich noch im Alter mit enormer Disziplin die Geheimnisse der edv<br />

aneignete und über Jahre hinweg mit selbstloser Treue seine zum<br />

Pflegefall gewordene Ehefrau versorgte. In seinem Forschernachlass<br />

und seinen zahlreichen Veröffentlichungen wird der Chronist<br />

des Altkreises Saulgau über seinen Tod hinaus fortwirken.<br />

Quellen und Literatur:<br />

Landratsamt Sigmaringen, Stabsbereich Kultur und Archiv, Dienstregistratur<br />

Az. 361.26 Persönhchkeiten A - H<br />

Lebensbeschreibung von Walter Bleicher<br />

(„Mein Vater") durch seine Tochter Doris<br />

Kummli-Bleicher v. 6. März 2006 (Kreisarchiv<br />

Sigmaringen)<br />

Doris Kummli-Bleicher: Werksliste Walter Bleicher.<br />

Masch.-schr. 2006.<br />

Protokoll der Zeitzeugenbefragung von Doris<br />

Kummli-Bleicher durch Kreisarchivar Dr. E.<br />

Weber v. 8. März 2006<br />

(Kreisarchiv Sigmaringen)<br />

Protokoll der Zeitzeugenbefragung von Walter<br />

Bleicher, Mengen, durch Kreisarchivar Dr. E.<br />

Weber v. 11. Okt. 1996<br />

(Kreisarchiv Sigmaringen)<br />

Edwin Ernst Weber: Vorstellung des Buches<br />

„Chronik der Gemeinde Heudorf" von Walter<br />

Bleicher am 27. Mai 1994 in Scheer-Heudorf,<br />

TVposkript (Kreisarchiv Sigmaringen)<br />

Im dritten Abschnitt mit der Überschrift „Von Sigmaringen nach<br />

Wangen" geht Bout de l'An zunächst auf den Abzug der Franzosen<br />

im Frühjahr 1945 ein. Danach war jedes Ministerium, jede Partei<br />

und jede mehr oder weniger geduldete Organisation mit der Abfahrt<br />

ihrer Anhängerschaft in Richtung Tirol beschäftigt. Die Züge<br />

wurden geradezu im Sturm genommen. Der Arzt Ferdinand Destouches,<br />

besser bekannt unter dem Pseudonym „Celine", der nach<br />

dem Berichterstatter aufgebrachter wie noch nie war, soll seine


Frau und seinen Kater durch die Gruppen geführt und zwischen<br />

lautstarken Beschimpfungen seine Abfahrt nach Dänemark angekündigt<br />

haben, wo die germanische Rasse nicht unterdrückt sei<br />

(...Celine, plus furieux que jamais, promenait dans les groupes sa<br />

femme et son chat, annongait son depart pour Danemark entre<br />

deux sonores invectives oü la race germanique n'etait pas menagee).<br />

Es gab, wie der Autor weiter berichtet, herzzerreißende Szenen<br />

und sonderbare Episoden. Andere zogen es vor, sich im letzten Augenblick<br />

noch aus der Affäre zu ziehen. Die deutschen Funktionäre<br />

wurden derweil immer empfindlicher, bestanden freilich auf ihren<br />

Rechten. Die deutsche Unduldsamkeit vermochte, wie Bout de l'An<br />

ausführt, dem französischen Unternehmungsgeist jedoch nicht zu<br />

widerstehen. Die rechtschaffenden Schutzpolizisten ließen die Besetzung<br />

der reservierten Abteüs und die falschen Anordnungen zu.<br />

Auf den Straßen soll es genügt haben, zu sagen, „mit der Autorität<br />

von Marschall Petain", und man konnte passieren.<br />

Francis Bout de l'An erkannte freilich an, dass die deutschen Verantwortlichen<br />

zugunsten der Franzosen im dem Maße handelten,<br />

wie es die Zeit und die Mittel zuließen. Seit zwei Wochen hätten sie<br />

verkündet: „Vorzug für die Franzosen, die am stärksten bedroht<br />

sind". Unser Gewährsmann gab freilich auch zu bedenken, dass<br />

die Intentionen von den Tatsachen weit entfernt waren. Am 19.<br />

April, so fährt der Berichterstatter fort, blieben die Nachzügler<br />

überall auf den Wegen der Katastrophe wie in Frankreich 1940.<br />

Von den Konvois, welche Franzosen nach dem Süden bringen sollten,<br />

wusste man, wie Bout de l'An äußerte, jedoch wenig. Das Telefon<br />

funktionierte schlecht. Das Warten dauerte Stunden. Um den<br />

Wartenden die Zeit zu vertreiben, sollen die reizenden Telefonistinnen<br />

der Sigmaringer Post gesungen haben: „Ich werde Tag und<br />

Tag warten. Ich werde immer warten...(Pour nous aider ä passer<br />

le temps, les charmantes standardistes de la poste de Sigmaringen<br />

nous chantaient « J'attendrai le jour et la nuit. J'attendrai toujours...<br />

»)"<br />

Der Autor verließ um 9 Uhr Sigmaringen und schlug, um das andauernd<br />

beschossene Lager Mengen zu umgehen, den Weg über<br />

Krauchenwies und Saulgau ein, Dabei stieß er auf eine endlose<br />

Reihe ukrainischer Soldaten auf dem Rückzug, die auf ihren mageren<br />

Pferden unglaubliche Ballen von Lumpen und Schrott mit<br />

sich führten. Bis Ravensburg, so schreibt der Autor, war es ein Spaziergang.<br />

Beschlagnahme durch den „Volkssturm" hatte Bout de<br />

l'An nicht zu befürchten, da er einen fast magischen Schein besaß,<br />

signiert von Heinrich Himmler.<br />

Bout de l'An stellte fest, dass die Disziplin der Deutschen auch in<br />

der schrecklichen Katastrophe noch funktionierte. So wurden Lebensmittelkarten<br />

auch noch wenige Kilometer vor dem nahenden<br />

Feind anerkannt. Der Bürgermeister des kleinsten Dorfes grüßte<br />

das Zeichen des Reichsführers SS, beschlagnahmte ohne Murren<br />

ein Zimmer für den Verfasser und bot ihm manchmal auch seinen<br />

Tisch an. Nach den Beobachtungen des Autors gab es kerne Erregung,<br />

keinen Aufruhr (Pas d'affolement; pas de revolte). Da und<br />

dort fragten Motorradfahrer versprengte Soldaten aus und gaben<br />

ihnen Instruktionen. Einen Augenbhck begann der Verfasser zu<br />

glauben, dass der fürchterliche Rückgang des Widerstandes kein<br />

Märchen mehr war.<br />

Am frühen Nachmittag des 21. April 1945 traf Bout de l'An in Wangen<br />

[im Allgäu] schließlich den Konvoi der Regierungskommis-<br />

13<br />

sion. Die Wagen, die kein Benzin mehr hatten, waren, so gut es<br />

ging, in den Biegungen der Gassen und unter den Bäumen des Platzes<br />

versteckt.<br />

Im vierten Abschnitt des Berichts mit der Überschrift „Handlungsfreiheit<br />

(Liberte de manoeuvre)" schildert unsere Gewährsmann<br />

zunächst den Zustand, in welchem sich die Angehörigen der Regierungskommission<br />

befanden. Danach waren die Männer<br />

schlecht rasiert, die Frauen hatten zerknitterte Kleider an. Alle wiesen<br />

Spuren von einer schlaflosen Nacht auf. Vor allem aber htten<br />

sie Hunger. Die Gardisten von de Brinon, dem Präsidenten der Regierungskommission,<br />

suchten nach einem angeblichen Benzindepot,<br />

das zu Diensten von Deat gestanden haben sollte.<br />

Bout de l'An wurde von Bömelburg, dem Chef der Gestapo in Vichy<br />

und dann in Sigmaringen, mit einem Ausdruck des Bedauerns begrüßt.<br />

Letzterer nahm Anweisungen bezüglich der Kolonne entgegen,<br />

die sich folgendermaßen zusammenfassen ließen: „Jeder<br />

kann dorthin gehen, wo es ihm gut dünkt. Das bedeutete „Handlungsfreiheit".<br />

Über allem aber stand das Problem mit dem Treibstoff.<br />

Laval, seine Frau und seine „schlafenden Minister" befanden sich<br />

in der Nähe der Kirche. Der Ministerpräsident erklärte französischen<br />

Arbeitern, in deren Mitte er stand, seine langen Kämpfe mit<br />

Gauleiter Sauckel über den Abzug französischer Arbeiter aus<br />

Deutschland. Er sprach mit seiner einnehmenden Stimme die klassische<br />

Ausführung: „Ich bin ein Landmann. Ich liebe mein Land...<br />

(Je suis un paysan. J'aime mon pays)". Man hörte ihm nach dem<br />

Bericht mit Aufmerksamkeit und Respekt zu. Frau Laval habe dabei<br />

jedoch eine verstörte Miene zur Schau gestellt.<br />

Der Adjutant von Deat, so berichtet Bout del'An weiter, suchte seinen<br />

Minister, der sich aufgemacht hatte, um Marschall Petain in einem<br />

benachbarten Marktflecken (bourg) einen Besuch abzustatten.<br />

Dabei handelte es übrigens um das Schloss Zeil in Reichenhofen<br />

bei Leutkirch. Er, Bout de l'An, habe ihm angeboten, ihn<br />

dorthin zu führen. Sie seien jedoch zwei Stunden umhergeirrt.<br />

Danach hätten sie sich getrennt. Der Autor kehrte nach Wangen<br />

zurück und fand den Ort leer vor. Wie durch ein Wunder hatte die<br />

Regierungskommission ihren Weg fortsetzen können. Von einem<br />

Nachzügler erfuhr der Autor schließlich, dass sich die Regierungskommission<br />

nach Italien begab und dass der Marschall über die<br />

Schweiz nach Frankreich zurückkehrte. Bout de l'An resümierte:<br />

„Das war wohl das Ende (C'etait bien la fin)".<br />

Bei der Fahrt durch Vogt [Lkr. Ravensburg] diente sich der Berichterstatter<br />

als Schiedsrichter zwischen französischen Arbeitern<br />

und deutschen Stellen an. Letztere waren im Begriff, die Bekleidungs-und<br />

Lebensmittelgeschäfte vor der Ankunft des Feind auszuräumen,<br />

wollten dabei aber die Franzosen ausschheßen. Dies<br />

konnte jedoch durch das Vorzeigen des Himmler-Papiers verhindert<br />

werden. In der Herberge beobachtete der Autor, wie eine Bedienstete<br />

das Porträt Hitlers vom Haken nahm, um es auf den<br />

Dachboden zu bringen.<br />

Die Weiterfahrt geschah ohne Vorfall. Wie Bout de l'An weiter<br />

schreibt, wurde er dann aber am Ortseingang von Immelstadt [?]<br />

von freudigen Ausrufen angehalten. Eine Abteilung der „Brigade<br />

Charlemagne" war auf dem Weg zu einem Reorganisationszentrum.<br />

Die französischen Soldaten erläuterten ihre letzten Gefechte<br />

in Kolberg und auf dem Friedhof von Neu-Stettin. Die Begegnung<br />

schloss der Autor mit den Worten ab: „Viel Glück! Wie werden uns


in Italien wiedersehen oder im Himmel (Bonne chance! Nous nous<br />

retrouverons en Italie. ..Ou ciel !)". Die anschließende Passage<br />

durch das Gebirge raubte dem Verfasser die letzten Illusionen über<br />

das österreichische Rückzugsgebiet, bestanden die Sperren doch<br />

zumeist nur aus umgeworfenen Karren.<br />

Wie es in dem Bericht weiter heißt, wurde der Autor in Reuthe [in<br />

Vorarlberg] von einem Ägypter, der sich über die Identität von Bout<br />

de l'An geirrt hatte, gefragt, ob die Amerikaner bereits in der Nähe<br />

wären. Zwischen zwei Luftalarmen in Innsbruck entschied sich der<br />

Gewährsmann schließlich, seiner Sendung zu folgen, und passierte<br />

in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1945 den Brenner. Dies geschah<br />

freilich nicht ohne Probleme, da sein Wagen im Morast<br />

stecken blieb. Soldaten der Wehrmacht, die die Beförderung eines<br />

Kameraden zum Unterleutnant feierten, zogen den Wagen heraus<br />

und erhielten dafür Rotwein. Bout de l'An kündigte den Wehrmachtsoldaten<br />

die Ankunft des Botschafters de Brinon für die<br />

Nacht an. Die Soldaten versprachen, diesem bei Bedarf zu helfen.<br />

Der Autor hat de Brinon dann auch tatsächlich beim Aufstieg des<br />

Passes getroffen.<br />

Auf dem Weg nach Mailand macht Bout de l'An schließlich in Bozen<br />

in Südtirol Halt. Der folgende Abschnitt ist denn auch mit dem<br />

Titel „Entscheidung in Bozen" überschrieben. Nach dem Verfasser<br />

war es nicht leicht, über den Vormarsch der alliierten Kolonnen Informationen<br />

zu erhalten. Im „Corpo armata", dem Sitz des SD, und<br />

im Palais der Herzöge von Pisteia (Palais des ducs de Pisteia), Sitz<br />

der SS, erhielt er eine korrekte, aber gleichgültige Aufnahme.<br />

Wie weiter zu lesen ist, waren glücklicherweise Laval und seine<br />

„schlafenden" Minister am Ort. Der Regierungspräsident unterrichtete<br />

unseren Gewährsmann besser und bot ihm sogar einen<br />

Platz in seinem Flugzeug an, das ihn nach Spanien bringen sollte.<br />

Bout de l'An konnte das Angebot nicht annehmen, da er an der Sicherheit<br />

des Asyls Zweifel hegte. Dem soll er entgegnet haben: „Ich<br />

nehme meinen Schriftwechsel mit Franco mit und wir werden uns<br />

schließlich verstehen". Der Ministerpräsident soll noch beigefügt<br />

haben: „Später sogar noch mit den Befreiern (Meme avec les<br />

Liberateurs, plus tard)!". Anschließend soll er Bout de l'An am<br />

Arm genommen haben, um ihn zu seiner Regierung zu führen. Die<br />

Regierungsmitglieder waren in einem benachbarten Saal bei der<br />

Eingangshalle, getarnt als Soldaten (ils etaient lä, enfouis sous des<br />

couvertures de soldats).<br />

Eine halbe Stunde lang, so lesen wir weiter, hat Laval Francis Bout<br />

de l'An über die aktuelle und künftige Politik unterrichtet. Nach<br />

Laval würden die von Vichy für Frankreich geleisteten Dienste in<br />

naher Zukunft anerkannt (Selon lui, les services rendus par Vichy<br />

ä la France seraient un jour prochain reconnus)". Wörtlich heißt<br />

es sodann: „Stalin ist zu stark geworden. Zwangsläufig wird sich<br />

das Bündnis gegen die Kommunisten wieder bilden. Frankreich<br />

wird wieder genauso wie zuvor werden (Staline est devenu trop<br />

fort. Fatalement l'union refera contre les communistes. La France<br />

redeviendra radicale, comme avant)".<br />

Das Gespräch wurde nach Bericht von einem Kameraden des Berichterstatters<br />

unterbrochen, der eine telegrafische Botschaft von<br />

Pavolini vom 23. April übergab. In dieser wurde angefragt, ob man<br />

verfügbare französische Streitkräfte zur Straße von Sondrie senden<br />

könne, um beim Rückzug von Mussolini behilflich zu sein. Doch<br />

hierzu war es freilich schon zu spät.<br />

Einige Minuten später erhielt der Berichterstatter einen Bericht<br />

14<br />

von „Pelikan 88", einem Agenten, der ihm zwei Katastrophen verkündete.<br />

Danach existierten zwei Bataillone der Miliz nicht mehr.<br />

Eines hatte sich mit Joseph Darnand am 25. April 1945 in Tirano<br />

zu den italienischen Partisanen begeben. Das andere, das sich auf<br />

dem Weg nach Bozen befand, war zwischen München und Salzburg<br />

in Gefangenschaft geraten.<br />

Daraufhin verließ Bout de l'An nach eigenen Angaben Laval, um<br />

sich bei der SS etwas Benzin zu besorgen. Der hierzu angesprochenen<br />

Soldat soll zu dem Dolmetscher gesagt haben: „Sie brauchen<br />

sich nur zu bedienen (Vous n'avez qu' ä vous servir)". Der<br />

Autor hatte, wie er schreibt, nunmehr begriffen, dass Deutschland<br />

den Krieg verloren hatte.<br />

Am Ende dere Berichts fasst Bout de l'An unter der Überschrift<br />

„Was aus ihnen geworden ist" die weiteren Geschehnisse. Die<br />

Schicksale der Überlebenden der Regierungskommission gehörten<br />

naxch dessen Überzeugung nicht zu der Geschichte, über die<br />

berichtet wird. Marcel Deat sei nach wenig glaubwürdigen Berichten<br />

in Bressanone, Bozen, Rom, Madrid und in Südamerika im Besitz<br />

von Pass, Auto und Eskorte gesehen worden. Die „schlafenden<br />

Minister" irrten, wie er selbst, als vorläufige Flüchtlinge umher.<br />

Die anderen wurden nach dem Bericht eines Morgens auf einer<br />

Anhöhe des Forts von Montrouge getötet und ruhen anonym in<br />

einer Ecke des Friedhofs von Thiais.<br />

Darnand und Laval wurden, wie der Autor berichtet, im Oktober<br />

1945 hingerichtet. Der Ministerpräsident, der einen Selbstmordversuch<br />

überlebt habe, fiel, wobei der Hals mit einer Schärpe mit<br />

den Farben Frankreichs versehen gewesen sein soll. Nach dem Bericht<br />

vermochte Jean Luchaire in Meran als Protege der Amerikaner<br />

eine Weile zu überleben. Erst nach mehr als drei Jahren sei er<br />

an einem Sommertag in der Morgendämmerung, die Zigarette zwischen<br />

den Lippen, in die Falle gegangen.<br />

Als letzter der Regierungskommission wurde nach dem Bericht de<br />

Brinon verurteilt. Dieser, der Hunderte von Franzosen vor deutschen<br />

Zuchthäusern gerettet habe, soll vor seinem Tod gesagt haben:<br />

„Ihr werdet viel später verstehen, dass ich ein guter Verräter<br />

war (Vous comprendrez plus tard que j'etais un bon traitre)". Lediglich<br />

General Bridoux habe aus der Krankenstation des Gefängnisses<br />

entrinnen können.<br />

Bout de l'An kommentiert diese Vorgänge folgendermaßen: „So<br />

verschwand die Regierung von Sigmaringen und hat dabei so<br />

viele Männer in den Untergang gerissen, die leidenschaftlich an<br />

den Marschall und an ein neues Frankreich geglaubt hatten". Der<br />

Bericht endet mit der Wiedergabe eines Ausspruchs, den Hiltler am<br />

8. September in seinen Hauptquartier in Ostpreußen, der Wolfsschanze,<br />

Joseph Darnand gegenüber geäußert haben soll: „Euere<br />

Männer sind meinen Soldaten von Stalingrad ebenbürtig. Die Geschichte<br />

erkennt immer die Größe der selbstlosen Opfer an. Ihr<br />

Andenken wird wird niemals untergehen (Vos hommes sont les<br />

egaux de mes soldats de Stalingrad. L'histoire reconnait toujours la<br />

grandeur des sacrifices desinteresses. Leur souvenir ne perira<br />

pas)".<br />

Die Erinnerungen von Francis Bout de 1 'An enthalten viele interessanten<br />

Nachrichten und Details über den Aufenthalt der Vichy-Regierung<br />

und ihren Anhängern in Sigmaringen, deren Auszug aus<br />

der Stadt an der oberen Donau und Flucht nach dem Süden sowie<br />

über die Verhältnisse in den letzten Kriegstagen in Süddeutschland,


Österreich und in Südtirol. Über das Schicksal der Exponenten der<br />

Kollaboration war der Flüchtling in Bozen jedoch nicht in jedem<br />

Fall zutreffend informiert. Jean Luchaire, der Delegierte für Propaganda,<br />

wurde nämlich bereits am 22. Februar 1946 in Frankreich<br />

hingerichtet. Aus dem Kreis der Mitglieder der Regierungskommission<br />

konnte neben General Bridoux auch Marcel Deat seinen<br />

Landsleuten entrinnen. Letzterer war nämlich in Turin untergetaucht,<br />

wo er 1955 eines natürlichen Todes gestorben ist. Das war<br />

freilich auch fünf Jahre nach der Abfassung des Berichts „Die letzten<br />

Tage der französischen Regierung von Sigmaringen".<br />

WOLFGANG HERMANN<br />

Mitteilung an die Leser<br />

der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong><br />

Die <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>bücherei hat im vergangenen Jahr<br />

wieder große Erweiterungen gemacht. Die Buchanschaffungen be-<br />

trafen vor allem die Kategorie Geschichte und Landesgeschichte<br />

(„G"). Es wurden u. a. die Kataloge zu den großen Ausstellungen<br />

über das „Alte Reich" in Berlin und Magdeburg, sowie der Katalog-<br />

Doppelband über die Anstellung zu Albrecht v. Brandenburg in<br />

Halle, und zu „Adel im Wandel" in Sigmaringen angeschafft. Auch<br />

konnten Bücher aus Nachlässen eingegliedert werden. Interessant<br />

für die Fußballfreunde sind zwei neuerschienene Bücher über den<br />

deutschen Fußball und den aus Hechingen stammenden Nationaltrainer<br />

Otto Nerz. In der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong> Nr.4/2006<br />

stellte Andreas Zekorn die Dissertation von Georg Schmitt, Die Alamannen<br />

im Zollernalbkreis vor. Seit Mitte 2006 hegt sie in gebundener<br />

Form in der <strong>Heimat</strong>bücherei vor, nachdem dankenswerter<br />

Weise die im Artikel angesprochene CD- ROM zur Verfügung gestellt<br />

wurde. Der Katalog über die Werke von Victor Arnaud ist seit<br />

Herbst gleichfalls in der <strong>Heimat</strong>bücherei ausleihbar.<br />

Die Abteilung für die Geschichte und Kultur in den hohenzollerischen<br />

Orten („K") wurde erweitert. Bislang lebte diese Reihe vom Sammeln<br />

von Kleinbroschüren und Zeitungsartikeln. Leider ist der Aufwand<br />

des Sammeins, Ausschneidens und Aufklebens der Zeitungsartikel zu<br />

aufwendig und die <strong>Heimat</strong>bücherei dafür personell unterbesetzt. Die<br />

Ortsmappen konnten daher seit 2004 im bisherigen Umfang nicht<br />

weitergeführt werden. Neue Zeitungsartikel werden nur dann noch in<br />

den Ortsmappen aufbewahrt, wenn deren Inhalt in die Jahre vor der<br />

Kreisreform zurückreicht. Die beiden Hechinger Zeitungsausgaben,<br />

nämlich die „<strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung" und der „Schwarzwalder<br />

Bote" werden nicht mehr bezogen, und das eingesparte Geld für die<br />

Restaurierung bzw. Aufbinden von wertvollen Büchern verwendet,<br />

damit diese benutzbar werden.<br />

Ein wertvolles Bild, bedeutsam für die Geschichte Ostrachs und<br />

1906 von Wilhelm Waldraff gemalt, konnte dank der außerordentlichen<br />

Hilfe von Landrat Willi Fischer Zollernalbkreis) und Bürgermeister<br />

Jürgen Weber (Hechingen) durch den Restaurator<br />

Franz Xaver Heinzler in Inzigkofen gerettet werden.<br />

Die <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>bücherei in Hechingen, von der in<br />

der HH schon 2003, S.6 und 2004, S.3, berichtet wurde, findet<br />

seine hauptsächlichen Nutzer im Altkreis Hechingen und Umgebung.<br />

Da sie jedoch schon seit etwa 1930 besteht, sind viele Ortsmappen,<br />

Monographien und Quellensammlungen auch für Forschende<br />

im Landkreis Sigmaringen interessant. Da die Bestände jedoch<br />

ein weit größeres Feld, als Hohenzollern es darstellt, ab-<br />

15<br />

decken, ist unsere Bücherei für Forscher und Studierende zwischen<br />

Schwarzwald und Allgäu, zwischen Neckar und Bodensee interessant.<br />

Daraufhat auch der Kreisarchivar des Zollernalbkreises,<br />

Andreas Zekorn, in einem Beitrag in der Schwäbischen <strong>Heimat</strong><br />

(Nr. 4, 2005) hingewiesen. Im Hinblick auf die moderne Zeit werden<br />

seit ein paar Jahren die Bestände der <strong>Heimat</strong>bücherei elektronisch<br />

durch Frau Helma Luigart erfasst. Die Anregung dazu gab Alf<br />

Müller, der Vorgänger in der Leitung der <strong>Heimat</strong>bücherei vor einigen<br />

Jahren. Herr Zekorn besorgte das Programm und führte Frau<br />

Luigart darin ein. Die Fortführung erfolgt durch den Leiter der <strong>Heimat</strong>bücherei<br />

nun selbständig. Um einem größeren Interessentenkreis<br />

als bisher die vorhandene Literatur bekannt zu machen, ist<br />

beabsichtigt, die Dateien über die Bestände mittels einer CD-Rom,<br />

basierend auf einer PDF-Datei, an das Staatsarchiv in Sigmaringen,<br />

die benachbarten Kreis- und Stadtarchive, den <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>, große Bibliotheken und universitäre Forschungsinstitute<br />

weiterzugeben. Für private Nutzer wird es möglich<br />

sein, die CD gegen eine Schutzgebühr zu erwerben. Jedes Jahr<br />

kann die CD dann erneuert werden.<br />

Eine wichtige Quelle sind die Zeitungsbände des 19. Jahrhunderts.<br />

Besonders sind die drei Epochen der preussischen Periode Hohenzollerns<br />

bevorzugte Forschungsgebiete: Hohenzollern als Teil des<br />

preußischen Königreichs, des II. Kaiserreichs und der Weimarer Republik.<br />

Nicht lückenlos hegen die „Hohenzollernschen Blätter", der<br />

„Zoller" und der „<strong>Hohenzollerische</strong> Neckarbote" vor. Wenn auch<br />

Verfilmungen der geschlossenen Reihen der einen oder anderen Zeitung<br />

im Staatsarchiv in Sigmaringen, im Kreisarchiv des Zollernalbkreises<br />

oder im Stadtarchiv Hechingen vorhanden sind, so betonen<br />

alle seitherigen Nutzer, dass ihnen die Bearbeitung der Micro-Fiches<br />

äußerst unangenehm und anstrengend sei. Die auf dem Tisch ausgebreitete<br />

Seite bietet ihnen die ideale Übersicht.<br />

Was jedoch zu schaffen macht ist oftmals der katastrophale Zustand<br />

der Bände. In diesem Falle ist es das gebrochene Buchgelenk<br />

oder die Fadenbindung wie auch eingerissene Seiten. Es wäre jammerschade,<br />

die originalen Zeitdokumente würden ganz zu Bruch<br />

gehen, womit sie der Forschung entrissen würden. Man muss die<br />

Zeitungsbände erhalten. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um<br />

Spenden bzw. Patenschaften für die Restaurierung. Eine solche kostet<br />

- mit Erhaltung des originalgetreuen Bindevorgangs zwischen<br />

90 und 140 Euro, je nach Zustand. Die Stadt Hechingen ist bereit,<br />

eine Spendenbescheinigung auszustellen. Zunächst wäre die Rechnung<br />

der Stadt einzureichen und sie würde diese bezahlen. Danach<br />

würde der Spender diese Auslage der Stadt vergüten und im Gegenzug<br />

die Spendenbescheinigung erhalten.<br />

Die schwer beschädigten Zeitungsbände sind diese:<br />

- vom Zoller die Jahrgänge 1908,1910,1914,1917,1919,1920,<br />

1927<br />

- von der <strong>Hohenzollerische</strong>n Blättern 1890, 1891, 1899, 1900,<br />

1909,1923,1924,1926<br />

- vom <strong>Hohenzollerische</strong>n Neckarboten (für Dettingen, das<br />

Dießer Tal, Empfingen, Fischingen, Betra, Dettensee) die Jahrgänge<br />

1927,1929,1930,1931,1932.<br />

Es wäre schön, wenn sich einige Mitglieder des <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>s oder Sympathisanten desselben bereitfänden,<br />

die Erneuerung dieser Bände zu unterstützen. In diesem Falle bitte<br />

ich, sich mittwochnachmittags in der <strong>Heimat</strong>bücherei unter der<br />

Nummer 07471/934318 oder privat beim Leiter Wolfgang Hermann<br />

unter der Nummer 07485/1403 zu melden. Die <strong>Hohenzollerische</strong><br />

<strong>Heimat</strong>bücherei befindet sich in der Heiligkreuzstraße 10 in<br />

72379 Hechingen.


EDMUND BAUER<br />

Biographische Daten der Seelsorger<br />

von Hausen im Killertal<br />

(Fortsetzung von Heft 4/2006 und Schluss)<br />

Die Abkürzungen bedeuten: * = geboren, o. = ordiniert bzw. geweiht,<br />

+ = gestorben. In Klammern stehen die Quellennachweise<br />

in abgekürzter Form, deren Bedeutung in Heft 1/2006 auf S. 10 f.<br />

erläutert wurde.<br />

Sattler (Sellatoris bzw. Sellarius), Johannes [Liste Pfarrer Nr. 1]<br />

von Hechingen, 29.6.1483 in Tübingen immatrikuliert, 1485 baccal.<br />

art., Hausen i.K. 25.6.1488 - 24.6.1492, danach Killer.<br />

(1, FDA 56/351, FDA 41/357 A)<br />

Schirott (Schiroth) Johann Nepomuk [Liste Vikare Nr. 7]<br />

* 14.5.1764 Hechingen<br />

Hausen i.K. 1794 - 1797, Thanheim 1797 - 1805, Owingen 1805<br />

- 1808. (8, HH 77/58, HH 78/32, HH 97/11, PA 220)<br />

Schmid, Leonhard [Liste Vikare Nr. 2] aus Überlingen<br />

Hausen i.K. 1775 - 1778. (PA 220)<br />

Schmid, Mathias [Liste Pfarrer Nr. 31]<br />

aus Menningen bei Meßkirch, + 30.6.1703<br />

Hausen i.K. 9-12.1700 - Februar 1703. (1, PA 220)<br />

Schmidt, (Karl) August [Liste Vikare Nr. 14]<br />

»22.1.1841 Mindersdorf, o. 1.8.1866, + 20.1.1926 Trochtelfingen<br />

Hausen i.K. ab September 1864, Ostrach 17.10.1867 - 19-8.1868,<br />

Einhart 20.8. - 21.10.1868, Dießen 22.10.1868 - 5-7.1869, Burladingen<br />

6.7.1869 - 25.10.1871, Jungnau ab 26.10.1871, Steinhilben<br />

1872, Ruhestand 1919-<br />

(2/9723,6/Diessen 679 (dort Karl August), 9/46, FDA 31/6, ABEF)<br />

Schopf, Leopold [Liste Pfarrer Nr. 33]<br />

von Hechingen *l679, + 6.12.1729<br />

Hausen i.K. 16.8.1708 - 6.12.1729 (1, FDA 53/180, PA 220)<br />

Schweinler, Lorenz [Liste Pfarrer Nr. 41]<br />

»3.8.1803 Hechingen, o. 17.9 1828, +12.3.1862 Hechingen,<br />

Möhringen 1828, Hechingen (Kapitelsvikar) 1828-1830, Steinhofen<br />

1830-1839(Kaplan), Hausen i.K. 26.6.1839- 12.3.1862.<br />

(1, 2/9802-03, FDA 1885/58, ABEF)<br />

Seih, Michael [Liste Pfarrer Nr. 12]<br />

Hausen i.K. 1601. (1)<br />

Speh, (Johann) Constantin [Liste Vikare Nr. 20]<br />

*23-5.1844 Bingen Hohenzollern), o. 24.7.1870, +1.9.1902<br />

Höfendorf Juli 1870 - 6.8.1871, Hausen i.K. 7.8. - 2.11.1871, Hechingen<br />

3.11.1871 - 4.9.1872, Weilheim 5.9.1872 - 1902.<br />

(2/9838 (dort Johann Konstantin), HH 83/47, FDA 1906/37,<br />

ABEF)<br />

Stein bzw. Stainer, Johannes [Liste Pfarrer Nr. 24]<br />

Hausen i.K. 16.11.1657- 1660. (1, PA 220)<br />

Stengele, Josef [Liste Pfarrer Nr. 37]<br />

•16.3.1721 Kolbingen, + 21.9.1790 zuvor Kaplan in Frielingen,<br />

dann Pfarrer in Jungingen 1753 - Februar 1761, Hausen i.K.<br />

12.3.1761 - 21.9.1790.(1, 3/30, HH 74/55, PA 220)<br />

Stickel johannes [Liste Pfarrer Nr. 4]<br />

von Hechingen , Hausen i.K. 15-12.1527 - um 1532. (1)<br />

16<br />

Stotz, Johann Georg [Liste Pfarrer Nr. 27]<br />

Hausen i.K. 25.6.1673 - 1682. (1, PA 220)<br />

Syber, Klemens [Liste Pfarrer Nr. 11]<br />

1575 - höchstens 1580 und 1588 - 1590 in Burladingen, Hausen<br />

i.K. 1592 - 1597 (vielleichtlänger).<br />

(1, 9/14 u. 17, HH 94/60, FDA 53/147 u. l49f.)<br />

Thoni (Thorn), Georg [Liste Pfarrer Nr. 14]<br />

aus Eutingen, Hausen i.K. 1608. (1, HH 94/61, FDA 53/151)<br />

Veser, Kaspar [Liste Pfarrer Nr. 8]<br />

+ 1571, Hausen i.K. 1562 - 1571. (1)<br />

Vogt, Hermann [Liste Vikare Nr. 25]<br />

* 1.4.1880 Döggingen, o. 5.7.1905, + 9-2.1961 Stühhngen<br />

Burladingen Juh 1905 -1.8.1906, Hausen i.K. ab 2.8.1906, Trochtelfingen<br />

bis 31-3-1910, Odenheim ab 1.4.1910, Kiechlinsbergen<br />

bis 31.3.1913, Pfarrer Brenden 1.4.1913 - 5.10.1914, Schwaningen<br />

6.10.1914 - 8.11.1916, Hänner 9.11-1916 - 22.5.1918, Illingen<br />

23.5.1918, Trinitarier-Orden 1918 - 1922, Sumpfohren<br />

3.5.1923 - 10.10.1928, Fürstenberg 11.10.1928 - 15.4.1947, Ruhestand<br />

in Epfenhofen. (2,10064, FDA 69/465ff., ABEF, PA 135)<br />

Volm, Konrad [Liste Pfarrer Nr. 40]<br />

*21.12.1796 Hechingen, 0. 20.9.1819, + 31.3.1877 Hechingen<br />

Zimmern (Benefiziat, Kapitelsvikar) bis November 1821, Hausen<br />

i.K. 27.11.1821 -25-6.1839, Weilheim 1839- 1863.<br />

(1, 2/10076, HH 83/46, EDA 1885/111, ABEF, PA 220)<br />

Vöringer, Johann Conrad [Liste Pfarrer Nr. 22]<br />

Aus Trochtelfingen, 0.17.3-1646<br />

Hausen i.K. November 1647 - 1648, Boll bei Hechingen<br />

18.12.1648 - 1651, Hailfingen. (1, 17/149 (dort „Fehringer"),<br />

HH 76/19 (dort „Veringer", PA 220)<br />

Warter, Kurt Georg [Liste Pfarrer Nr. 55]<br />

»7.6.1927 Endingen am Kaiserstuhl,<br />

0. 30.5.1954, + 4.4.1988 bei Landeck/Tirol<br />

Vikar in Mannheim-Friedrichsfeld<br />

23.6.1954 - 30.6.1955, Hechingen<br />

1.7.1955-2.10.1956, Bilfingen<br />

3.10.1956 - 30.4.1957, Leipferdingen<br />

1.5.1957 - 30.7.1957, Oberkirch<br />

31.7.1957 - 7.4.1959, Rheinfelden<br />

8.4.1959 - 24.4.1962, Hausen<br />

i.K. 25.4.1961 -15.4.1983, suspensio<br />

ab officio totalis 3.5.1983,<br />

Exkommunikation 11.4.1984.<br />

(PA, 1, FDA 91/337f., ABEF)<br />

Wehrlein, Josef Anton [Liste Vikare Nr. 27]<br />

»1.5.1883 Konstanz, 0. 2.7.1907, + 16.3.1958 Konstanz<br />

Rippoldsau August 1907 - 8.4.1908, Müllheim 9-4.1908 -<br />

7.10.1909, Hausen i.K. 8.10.1909 - 22.4.1910, Trochtelfingen<br />

23.4. - 27.7.1910, Endingen 28.7.1910 - 8.1.1912, Kirchhofen<br />

9.1.1912 -15.10.1913, Todtnau 16.10.1913 -11.10.1915, Mainwangen<br />

12.10.1915 - 10.7.1917, Boll bei Meßkirch 11.7.1917 -<br />

5.12.1936, Horn 6.12.1936, außer Dienst 1937, Konstanz 1941.<br />

(FDA 62/473f-, ABEF, PA 135)<br />

Werner, Bartolomäus [Liste Vikare Nr. 5]<br />

Hausen i.K. 1790 - 1792,1794 (1, PA 220)


Winter, Franz Xaver [Liste Pfarrer Nr. 44]<br />

*7.3.1830 Jungingen, o. 8.8.1853, + 6.1.1904<br />

zuvor Vikar in Hechingen, Fischingen 1854, Klosterwald 1855,<br />

Wilflingen 1857 - 1863, Hausen i.K. Juli 1863 - 4.9.1872, Habs-<br />

thal 1872 - 1886, Langenenslingen 1886 - 1904.<br />

(PA, 1, 2/10191-93, 3, 18/278, FDA 1906/61, ABEF)<br />

Winter, Matthäus [Liste Vikare Nr. 18]<br />

*1.12.1845 Jungingen, 0. 4.8.1869, + 18.7.1898<br />

Hausen i.K. September 1869-31.8.1870, Langenenshngen (Vikar,<br />

Kaplaneiverweser, Kaplan, Pfarrverweser) ab 1.9.1870 - 1886,<br />

Habsthal 1886, Veringenstadt 1887 - 1898.<br />

(2/10197, 3, FDA 1900/295, ABEF)<br />

Wolf, Wilhelm [Liste Pfarrer Nr. 50]<br />

•18.6.1881 Grosselfingen, 0.<br />

5.7.1904, + 3.7.1966 Hechingen<br />

Studium in Freiburg im Breisgau,<br />

Wald Juli 1904 - 8.2.1906, Nordrach<br />

9.2.1906 - 2.3.1907, Gengenbach<br />

4.3.1907 - 24.8.1908, Stein<br />

25.8.1908 - 15.4.1910, Hausen i.K.<br />

28.4.1910 - 15.11.1926, Thanheim<br />

16.(21.)6.1926 - 1.11.1954, Ruhestand<br />

in Hechingen.<br />

(PA (vermutlich Ausschnitt aus Konradsblatt, dort * 16.6.), 1, HH<br />

78/48, FDA 73/289f., ABEF)<br />

Woschek, Manfred (Liste Pfarrer Nr. 58]<br />

•18.4.1961 Oppeln, 0. 30.5.1987<br />

Engen 1987-19-9.1990, Biihl-Vimbach 20.9.1990- 14.10.1997,<br />

Hausen i.K. ab 15.10.1997.<br />

(ABEF, PA, PS 2002)<br />

Zilhart, Xaver [Liste Vikare Nr. 4]<br />

Hausen i.K. 1782 - 1790. (PA 220)<br />

Zornner, Wolfgang [Liste Pfarrer Nr. 6]<br />

Hausen i.K. ab 27.5.1535 -1540, nahm dann ein Jahr Absenz, war<br />

danach aber noch länger da. (1)<br />

Anmerkungen:<br />

Hausen, Dekanat Hechingen ist Hausen im Killertal,<br />

Hausen, Dekanat Sigmaringen ist Hausen am Andelsbach,<br />

Hausen, Dekanat Meßkirch ist Hausen im Tal (Donautal).<br />

WILLY BEYER<br />

Michael Lehmann - ein vergessener<br />

Kulturschaffender und Kulturkämpfer<br />

Hohenzollerns<br />

Betrachtungen über einen Verdrängungsprozess und der<br />

Versuch einer Erklärung<br />

(Fortsetzung)<br />

Die Funktion von August Evelt - ein Beitrag zu Lebenslauf<br />

und Wirken des Landgerichtspräsidenten und Politikers<br />

In der letzten Folge wurde aufgeführt, wie aus den einstigen Freunden<br />

Ludwig Egler und Michael Lehmann Feinde wurden. Eine<br />

Feindschaft, die sich mit Bezug auf den früher beschriebenen Prozess<br />

des Vergessens ziemlich negativ auf Lehmanns Publizität aus-<br />

17<br />

gewirkt haben muss. Der Beginn dieser Feindschaft ist auf das Jahr<br />

1873 anzusetzen. Dem Jahr, in dem durch das Erscheinen des Zoller<br />

unter Lehmanns Leitung ein oppositionelles Parteiorgan in Hohenzollern<br />

erschien, das als Zentrumsblatt dem regierungstreu<br />

und Bismarck ergebenen, liberalen Parteiorgan Hohenzollernsche<br />

Blätter unter Eglers Leitung gegenüberstand. Im selben Jahr übernahm<br />

Egler den Vereinsvorsitz im Musikverein, dessen Dirigent<br />

Lehmann seit 17 Jahren war.<br />

Mit Ludwig Egler und dem Kreisgerichtsdirektor August Evelt waren<br />

Lehmanns erbitterste politische Gegner aus Hechingen in wichtigen<br />

Positionen des Musikvereins gewesen. Es ist durchaus vorstellbar,<br />

dass es innerhalb des Vereins zur Bildung eines liberalen<br />

Lagers gekommen war, das die Entlassung oder Abdankung des<br />

langjährigen Dirigenten forciert hat.<br />

Unter Berücksichtigung der damaligen gesellschaftlich-sozialen<br />

Normen und Wertevorstellungen war es sogar eine folgerichtige<br />

Konsequenz, dass Lehmann 1874 sein Dirigat niederlegen musste,<br />

oder, was wohl eher zutrifft, aus dem Musikverein entfernt wurde.<br />

Jedenfalls griffen sich beide Redakteure schon in 1873 gegenseitig<br />

in schärfster Form öffentlich an. Im Juh 1874 verkündete Lehmann<br />

stolz in seinem Blatt, dass der Zoller mit 1700 Exemplaren auflagenstärkste<br />

Zeitung Hohenzollerns sei. Im selben Jahr erhob der<br />

neue Musikvereinschef Ludwig Egler die schon erwähnte "Kotklümpchen-Klage"<br />

gegen Lehmann. Spätestens, nachdem Lehmann<br />

wegen "Amtsehrenbeleidigung des Reichskanzlers" Bismarck im<br />

Oktober 1874 seine fünfte Verurteilung und zweite Gefängnisstrafe<br />

erhielt, war der mehrfach vorbestrafte Dirigent schlichtweg nicht<br />

mehr tragbar für den Verein.<br />

Ob August Evelt Lehmann persönlich verurteilt hat, lies sich nicht<br />

nachweisen, ist aber denkbar. Entsprechende Dokumente, die darüber<br />

Aufschluss geben können sind derzeit, falls überhaupt vorhanden,<br />

nicht zugänglich. Gemeint ist ein Wust von vielen hundert<br />

Aktenbündel, die dem Brand von 1940 im Hechinger Landgericht<br />

nicht zum Opfer fielen und dort ungeordnet in desolatem Zustand<br />

lagern. Dass sich Evelt an der Verfolgung politischer Gegner wie<br />

auch immer beteiligt hat, ist anzunehmen. Immerhin war er ein<br />

sehr hoher Beamter im preußischen Obrigkeitsstaat und ein<br />

glühender Verehrer von Reichskanzler Bismarck, dessen persönliches<br />

Werk der Kulturkampf war. Als Chef des Kreisgerichts in Hechingen<br />

und liberaler Mandatsträger dürfte Evelt die politischen<br />

Urteile auch anderer, untergebener Richter nicht nur geduldet,<br />

sondern ausdrücklich forciert haben. Letztlich waren sie eine willkommene<br />

und legitime Art, sich politischer Gegner zu entledigen -<br />

auch wenn das nur zeitweise gelang. In diesem Zusammenhang sei<br />

auf den Sigmaringer Benefizat Dr. Johannes Evangelista Maier hingewiesen,<br />

der als pohtischer Häftling 1875 auf der Festung Ehrenbreitstein<br />

in Koblenz vier Wochen Festungshaft absitzen musste,<br />

um später trotzdem die Wahl gegen Hohenzollerns höchsten Justizbeamten,<br />

eben gegen August Evelt, zu gewinnen. Sowohl der<br />

Kreisgerichtsdirektor Evelt als auch die Richter Cramer und Büharz<br />

- alle liberale Wahlkandidaten - sind in der Abteilung für<br />

Strafsachen täüg gewesen. Und die Strafgerichtsinstanz sprach<br />

während der Kulturkampfzeit Urteile bei Verstößen gegen die Kirchengesetze<br />

aus. Etwa die wiederholten Verurteilungen des Freiburger<br />

Bischofs und Erzbistumsverweser Dr. Lothar Kübel. So erging<br />

am 14. Februar 1874 durch die I. Instanz der Abteilung für<br />

Strafsachen des Königlichen Kreisgerichts in Hechingen eine Verurteüung<br />

des Bischofs zu 300 Talern respektive 3 Monate Gefängnis,<br />

weil er die Versetzung eines Priesters von Trillfingen nach<br />

Empfingen nicht an die Königliche Regierung gemeldet hatte und


damit gegen das Gesetz vom 11. Mai 1873 verstoßen hatte (Die sogenannten<br />

Maigesetze, hier das Gesetz über die Vorbildung und Anstellung<br />

der Geistlichen). Kübel blieb von 1868 bis zu seinem Tod<br />

1881 der Verweser des Erzbistums Freiburg, weil die badische Regierung<br />

durch diverse "unerfüllbare Forderungen" im Sinne des<br />

(badischen) Kulturkampfs die Wahl zum Erzbischof unmöglich gemacht<br />

haben soll.<br />

Sicherlich wurde die Gerichtsbarkeit dazu benutzt, eine starke<br />

Staatsmacht zu demonstrieren, wobei der hohe Beamtenstand sich<br />

selbst als unantastbar zu respektierende Autorität zeigte. Die Urteile<br />

machen dabei durchaus die Machtstrukturen sowie eine gewisse<br />

Beamtenwillkür im Obrigkeitsstaat transparent. Erwähnt sei<br />

eine schwer nachzuvollziehende Verurteilung des Zollerverlegers<br />

Romuald Sulger vom 25. Februar 1879 zu 3 Wochen Gefängnis,<br />

weil August Evelt sich durch einen Zollerartikel beleidigt fühlte, in<br />

dem vermutet wurde, er habe im Kommunallandtag ein bestimmtes<br />

Steuergesetz durchgesetzt. Das gleiche Schicksal ereilte Michael<br />

Lehmann im Zusammenhang der Wahlagitationen von 1876,<br />

nur dass sich diesmal Richter Melchers beleidigt fühlte.<br />

Eine Karriere als Politiker dürfte Michael Lehmann durch die<br />

Kennzeichnung als mehrfach Vorbestrafter wenn nicht verwehrt,<br />

dann doch zumindest sehr erschwert worden sein. Ob er allerdings<br />

die Befähigung zum rhetorisch versierten Politiker besaß bleibt dahingestellt.<br />

Eine genauere Beleuchtung dieses Sachverhalts liefert<br />

die heitere Anekdote "Eine Wahlagitation mit Hindernissen" von<br />

Roman Sauter (* 11.3.1850 in Trillfingen, f 25.6.1935 in Hechingen).<br />

Darin vermittelt der fast 80-jährige Postmeister a.D. aus seiner<br />

Sicht als Zentrumsmann und Weggefährte Lehmanns die Verhältnisse<br />

zur Zeit des Kulturkampfes im Hohenzollern der 1870-er<br />

Jahre. Da diese Darstellung zudem die Ausführungen über den Kulturkampf<br />

in den Teilen II. und III. der Biographie von Michael Lehmann<br />

ergänzt, soll sie hier auszugsweise zitiert werden.<br />

Kreisgerichtsdirektor Evelt um 1870, Reproduktion: Willy Beyer<br />

18<br />

Polizei macht Jagd auf "Schwarzwild" - Verkleidete Priester<br />

taufen heimlich in der Nacht<br />

"Am 4. November 1873 wurden Kreisrichter von Kleinsorgen in<br />

Hechingen und Hirschwirt Schmid in Gammertingen in das Preußische<br />

Abgeordnetenhaus gewählt, [mit 135 und 133 Stimmen gegenüber<br />

den liberalen Kandidaten Kreisrichter Cramer 87-, sowie<br />

Kreisgerichtsdirektor Evelt 88 Stimmen]. Die Wahlperiode dauerte<br />

damals 3 Jahre. Die Wahlprüfungskommission im Landtag arbeitete,<br />

scheint es, langsam, denn erst im Herbst 1875 fiel die Entscheidung<br />

über die in Hohenzollern getätigte Wahl. Sie wurde für<br />

ungülüg erklärt [aufgrund klerikaler Wahlbeeinflussung]. Von liberaler<br />

Seite war sie angefochten worden wegen einer Aeußerung<br />

des damaligen Pfarrers Speidel in Stein von der Kanzel aus, die als<br />

Wahlbeeinflussung ausgelegt wurde [Im Zusammenhang der Beweiserhebung<br />

zu dieser Wahlbeanstandung führte die 5. Abtl. des<br />

Preuß. Abgeordnetenhauses im Januar 1874 insgesamt 16 Positionen<br />

an, u.a., dass ein ultramontanes Flugblatt als Beilage zum Zoller,<br />

sowie die Zeitung selbst an die Kinder der Schule zu Sickingen<br />

(bei Hechingen) verteilt wurde]. Am 25- Oktober 1875 wurde nun<br />

Kreisgerichtsrat Kramer [wie zuvor "Cramer"] und Kreisgerichtsdirektor<br />

Evelt - unsere Gegenkandidaten - ins Abgeordnetenhaus<br />

gewählt. Das konnte von Seite des Zentrums bei der damaligen<br />

Stimmung und der scharfen Agitation der Liberalen nicht verhindert<br />

werden, aber die Tätigkeit dieser beiden Vertreter unseres<br />

Ländchens im Preußischen Landtag dauerte nur knapp ein Jahr, da<br />

im Herbst 1876 bereits wieder Neuwahlen stattfanden.<br />

Nun galt es aber sich gewaltig zu bemühen, um wieder dem Zentrumskandidaten<br />

Hirschwirt Schmid und dem neu aufgestellten<br />

Professor Maier aus Sigmaringen [wie zuvor "Benefiziat Maier"],<br />

der als Lehrer am Gymnasium zu Hedingen wegen einer Predigt in<br />

der Stadtkirche abgesetzt worden war, von der Preuß. Regierung<br />

zum Siege zu verhelfen. Es war nicht leicht, denn Gerichtsrat Kramer,<br />

der Verfasser der Geschichte der Grafschaft Hechingen, war<br />

ziemlich populär geworden in Hohenzollern und durch seine<br />

Freundlichkeit im Umgang in weiten Kreisen beliebt. Noch weit gefährlicher<br />

für das Zentrum war die Kandidatur des Kreisgerichtsdirektors<br />

Evelt. Dieser Herr hatte überhaupt keine persönlichen Gegner,<br />

war unseres Glaubens, hatte sich stets für das Wohl des Landes<br />

bemüht u. im Gegensatz zu den ersten aus dem Norden zu uns gekommenen<br />

hohen Beamten, unsere Eigenart respektiert. Von zuvorkommender<br />

Freundlichkeit, dienstlich, wie außerdienstlich,<br />

gegen alle Schichten unserer Bevölkerung, besaß er das volle Vertrauen<br />

der Einwohnerschaft. [...] Die Maigesetzgebung tat ihre<br />

Wirkung. Mehrere Pfarreien waren verwaist und konnten nicht<br />

mehr so wie ehedem besetzt werden. Die Jesuiten von Gorheim waren<br />

ausgewiesen, die Mönche von Beuron waren abgezogen,<br />

ebenso die Franziskaner in Stetten, das Fidelishaus in Sigmaringen<br />

war geschlossen, die jungen Geistliehen konnten bei uns keine Anstellung<br />

finden und mußten außer Landes gehen usw. [Mit dem Gesetz<br />

über die Ausweisung der Mitglieder von religiösen Orden und<br />

Kongregationen sowie weiteren Gesetzen war 1875 wohl die<br />

schlimmste Phase des Kulturkampfs erreicht]. Die Gehaltssperre<br />

der Geistlichen berührte Hohenzollern weniger, als die anderen<br />

preußischen Landesteile, weil unsere Kirchengemeinden noch im<br />

Besitz ihres Vermögens waren [Gesetz über die Beschränkung der<br />

Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden (1875)]. [...] Dagegen<br />

fielen die Hemmnisse in der Seelsorge und dem Kultus dem<br />

Volk auf die Nerven. Die Primizianten mußten z. B. außerhalb der<br />

Landesgrenze gehen, um ihr erstes hl. Meßopfer zu feiern. Was<br />

dort selbstverständlich und erlaubt war, das war in Preußen nun


nicht mehr gestattet. Die Pflichtmessen der Neupriester durften nur<br />

bei verschlossener Kirchentür ohne Zeugen gelesen werden, die<br />

Spendung der Sakramente, selbst der Sterbesakramente in der Todesstunde,<br />

war den Neupriestern verboten, die nach ihrem seitherigen<br />

Studium vom Bischof zur Pastoration ausgesandt waren. Kaplan<br />

Stopper von Berenthal war gepfändet und dem Gericht bereits<br />

vorgeführt worden zur Bestrafung; Kaspar Leibold war schon im<br />

Gefängnis wegen Vornahme geistlicher Amtshandlungen, der Vikar<br />

Josef Pfister frequentierte nächtlicher Weile seinen angewiesenen<br />

Wirkungskreis Wilflingen, um zu taufen und Kranke zu versehen.<br />

Wie ein Verbrecher mußte er bei Nacht und Nebel in Verkleidung<br />

verschwinden, um nicht der Gendarmerie direkt in die Hände zu<br />

fallen. Und so ging es allerwegen. Für die Gendarmerie gab es in<br />

jener Zeit nichts Wichtigeres als die Jagd auf .Schwarzwild', das<br />

war erstens ungefährlich für ihre eigene Person, und dann brachte<br />

es Anerkennung der vorgesetzten Behörde u. auch noch Ehrenzeichen."<br />

Sauter erinnert schließlich daran, was König Friedrich Wilhelm<br />

IV. bei der Erbhuldigung am 23. August 1851 auf der Burg<br />

Hohenzollern sagte: "Die Ehre Preußens verpfände ich in dieser<br />

feierlichen Stunde, daß an Euren Institutionen nicht gerüttelt und<br />

Eure Religion geschützt werden soll."<br />

Staatsanwalt Evelt um 1860, Reproduktion Willy Beyer<br />

Der Preußische Richter tritt nicht mit einem vorgestraften<br />

Lehmann auf<br />

Sauter berichtet weiter, dass wegen der Kandidatur von Evelt und<br />

Cramer nicht mit einem Erfolg im Mittelbereich Hechingen bei der<br />

19<br />

Wahl am 27. Oktober 1876 gerechnet wurde und sich die Agitationen<br />

deshalb auf das Unter- und Oberland konzentrierten. Auf eine<br />

große Wahlveranstaltung in der Oberamtsstadt Gammertingen, bei<br />

der wegen dem großen Andrang der Wählermassen Parallelveranstaltungen<br />

im Gasthaus "Kreuz" und "Hirsch" anberaumt wurden<br />

und sich dort die Redner abwechseln sollten, geht Sauter genauer<br />

ein: "Kreisrichter von Schiigen aus Glatt, wo damals noch eine Gerichtskommission<br />

amtete, sollte zuerst im ,Hirsch' beginnen. Er<br />

war spät mit seinem Fuhrwerk in Gammertingen angelangt und<br />

frug nun, wer als weiterer Redner nach ihm auftreten werde. Als<br />

ihm mitgeteilt wurde, das sei Michael Lehmann, der Zollerredakteur,<br />

machte Herr von Schiigen ernste Schwierigkeiten, indem er<br />

erklärte, er als Königlich Preußischer Kreisrichter könne unmöglich<br />

mit einem vorbestraften Manne in einer Vollversammlung auftreten.<br />

Alle Versuche, den Herrn umzustimmen, da Lehmann ein<br />

Ehrenmann und nur wegen seiner Tätigkeit als Redakteur einer katholischen<br />

Zeitung im Dienste der guten Sache vorbestraft sei, blieben<br />

erfolglos. Er blieb bei seiner kategorischen Erklärung, nicht<br />

mit einem Manne, der von einem Preußischen Gericht überhaupt<br />

rechtsgültig verurteilt worden sei, öffentlich auftreten zu können.<br />

Die Verlegenheit war groß angesichts der Wichtigkeit dieser Versammlung<br />

und der ganz gewaltig angewachsenen Wählermassen.<br />

Der anwesende, stets redegewandte Pfarrer Kernler aus Steinhofen<br />

mußte nun, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, einspringen<br />

für Lehmann, dem man den Verzicht auf sein Referat<br />

schonend beibringen soll, wie Herr von Schiigen wünschte. Die<br />

Treppe hinauf lief ein junger Mann, wo auf dem oberen Flur im<br />

.Hirsch' Lehmann auf und ab ging, in der linken sein umfangreiches<br />

Manuskript und mit der rechten Hand heftig gestikulierend<br />

beim Memorieren seines Vortrages. Gerötet war sein Gesicht und<br />

dicke Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. .Herr Lehmann<br />

stecken Sie das Manuskript weg', rief der gesandte Gesinnungsgenosse.<br />

Hierauf Lehmann ganz verzagt: .Nein, nicht weg, es geht<br />

nicht, es sitzt nicht, ich muß vorlesen.' Hierauf wurde Lehmann<br />

über den entstandenen Zwischenfall aufgeklärt mit der Bitte, es<br />

nicht übel aufzunehmen. ,Uebel nehmen?', rief Lehmann, .nein,<br />

Gott sei Dank, ich bin ein Mann der Feder, aber nicht des Wortes.'<br />

Jetzt erst schmeckte ihm Speise und Trank. Inzwischen war es Zeit<br />

geworden zur Eröffnung der Versammlungen. Im Gasthaus zum<br />

.Hirsch' begann Herr von Schiigen in feiner Weise seinen Vortrag<br />

vor einer gewaltigen Zuhörerschar, während Herr Pfarrer Kernler<br />

im .Kreuz' in seiner kräftigen Art sprach." [...]<br />

Sauters Anekdote beschreibt noch weitere "Hemmnisse an diesem<br />

Tage". So hatte sich während der Wahlrede im übervollen Gasthof<br />

der Boden gesenkt und einige Besucher der Veranstaltung fanden<br />

sich im darunter gelegenen Stall bei den Kühen wieder, ohne dass<br />

es Verletzte gab. Schließlich klang der Sonntag nach der Gammertinger<br />

Wahlveranstaltung in "feucht-fröhlicher Stimmung" aus. Bevor<br />

es zum letzten Umtrunk im Hechinger Stammlokal in der<br />

"Krone" an der Ecke Schlossstrasse/Kirchplatz kam, war man auf<br />

dem Rückweg in Jungingen beim "Reichskanzler" im Gasthof zur<br />

Post eingekehrt. Unter diesem Namen war der Gastwirt Eduard<br />

Bumüller wegen seiner äußerlichen Ähnlichkeit mit Bismarck bekannt.<br />

Der Wirt war auch für sein Lager mit guten französischen<br />

Weinen bekannt. Sauter weiter: "Es wurden Bedenken gegen die<br />

Einkehr beim Reichskanzler' laut, da er nicht unser Gesinnungsgenosse,<br />

also nicht unserer Farbe sei; aber Lehmann zerstreute<br />

diese Bedenken in humorvoller Weise. Bei unserem Eintritt in die<br />

mit Sonntagsgästen angefüllte Wirtsstube ging Lehmann auf den<br />

.Reichskanzler' zu mit den Worten: .Ihr Christentum hat zwar Kil-


lertäler Färbung, aber wir sind ja nicht so', und mit den Worten:<br />

.Seid umschlungen Millionen, diesen Kuß der ganzen Welt', nahm<br />

er den dicken Wirt in seine langen Vaterarme und applizierte des-<br />

sen feisten Wangen unter dem schallenden Gelächter aller Gäste ei-<br />

nen kräftigen Kuß, ehe der .Reichskanzler' zur Besinnung kam. Es<br />

war ein unvergeßhches Bild, zu dem als Motto das Wort von Goethe<br />

paßte: Ein echter Deutscher mag keinen Franzmann leiden, doch<br />

ihre Weine trinkt er gern!"<br />

Die Anekdote endet mit der Erfolgsmeldung, dass am 27. Oktober<br />

1876 die Zentrumskandidaten Schmid und Maier in den Preußischen<br />

Landtag gewählt wurden und bei der folgenden Reichstagswahl<br />

am 10. Januar 1877 ebenfalls Maier das Mandat erhielt.<br />

Roman Sauter beschrieb den unterlegenen Evelt als freikonservativen<br />

Liberalen, der sich nicht den eigentlichen Trägern des Kulturkampfes,<br />

den Nationalliberalen, angeschlossen habe. Er hätte<br />

während seiner einjährigen Tätigkeit im Preußischen Landtag<br />

(1875 bis 1876) auch nie für ein Kampfgesetz gestimmt. Tatsächlich<br />

gab Evelt im Oktober 1873 in einer Erklärung in den Hohenzollernschen<br />

Blättern an, dass er zwar als Abgeordneter gegen die<br />

wichtigsten kirchenpolitischen Gesetze gestimmt habe, aber auch,<br />

dass diese zu respektieren wären. In der Erklärung wehrte sich<br />

Evelt gegen Angriffe des Zoller, wonach er eigentlich für das Zentrum<br />

kandidieren wollte. Aber weil die Partei ihn "beiseite setzte",<br />

er aber unbedingt ein Mandat erlangen wollte, wäre er nun "über<br />

Nacht liberal geworden". Evelt führt an, dass er der "altliberalen<br />

Partei", dem "liberalen Centrum" und im Reichstag der "liberalen<br />

Reichspartei" zugehörte, sowie Gegner des Zentrums war und<br />

bleibt. Bei der 1873-er Wahl zum Abgeordnetenhaus kandidierte<br />

Evelt allerdings doch für die Nationalliberalen.<br />

"August Alexander Oskar Evelt - Geheimer Oberjustizrat<br />

u. Landger.-Präsident<br />

1828-1904"<br />

a.D. - Ritter Hoher Orden -<br />

So lautet die Inschrift auf dem Grabdenkmal in Eingangsnähe des<br />

Hechinger Heiligkreuzfriedhofs. Ganz in der Nähe des Landgerichts<br />

befindet sich die Eveltstraße. Zumindest sie ist den meisten<br />

Hechingern ein Begriff. Wer sich jedoch hinter dem Namen verbirgt,<br />

ist weniger bekannt. Dabei könnte Evelt durchaus zu den<br />

großen Söhnen der Stadt gezählt werden.<br />

Wie viele Beamte der preußischen Zeit stammte er aus dem "Land<br />

der Roten Erde", wie es 1904 ein Nachruf formuherte. Evelt könnte<br />

auch als Paradebeispiel für einen der schwäbischen Lebensart<br />

Fremden gelten, der sich vorzüglich den regionalen Eigenarten<br />

und Gewohnheiten anpasste und ein heimatverbundener Hohenzoller<br />

wurde.<br />

August Evelt wurde am 21. Januar 1828 als Sohn des Gerichtsdirektors<br />

Franz Josef Johann Evelt (1794-1861) und der Maria Bernai'dina<br />

Josefa Carolina, geb. Reckmann (1793-1861), im westfälischen<br />

Dorsten, Kreis Recklinghausen, geboren. Der Vater war<br />

später Kreisgerichtsdirektor in Dorsten, preußischer Parlamentarier<br />

und Ordensträger. Er schien seinen Sohn inspiriert zu haben,<br />

der ebenfalls die juristische Laufbahn einschlug. 1854 zum Gerichtsassessor<br />

ernannt, kam er im gleichen Jahr erstmals als Hilfsrichter<br />

nach Hechingen. Nach den Tätigkeiten im Berliner Justizministerium<br />

und als Staatsanwaltsgehilfe in Warendorf/Westfalen<br />

trat er am 1. September 1860 zunächst die gleiche Stellung im Königlichen<br />

Kreisgericht zu Hechingen an, um bald zum Staatsanwalt<br />

befördert zu werden. Am 9- Juni 1869 wurde Evelt Kreisgerichtsdi-<br />

20<br />

rektor und am 1. Oktober 1879 durch die Neuordnung der Gerichtsbehörden<br />

erster Landgerichtspräsident Hohenzollerns. 1887<br />

erhielt er den Titel eines Oberjustizrates und war zuletzt Geheimer<br />

Oberjustizrat. Zum 1. Januar 1900 wurde er in den Ruhestand versetzt.<br />

Die berufliche Tätigkeit war nur ein Aspekt im Schaffenswerk<br />

Evelts. Andere Schwerpunkte seines Wirkens waren die Politik und<br />

sein Einsatz für Hohenzollern. Bereits 1861 war er zum Wahlkandidaten<br />

für den Preußischen Landtag vorgeschlagen worden. Er<br />

verlor die Wahl, bemühte sich aber damals schon für einen Eisenbahnanschluss<br />

Hechingens. Nach dem Weggang des Regierungspräsidenten<br />

Seydel setzte er sich 1863/64 leidenschaftlich für die<br />

Eisenbahninteressen Hohenzollerns ein. So schrieb er etliche<br />

Briefe, Eingaben, Zeitungsartikel, berief Versammlungen ein und<br />

verfasste 1863 die Schrift "Fliegende Blätter zur Beleuchtung des<br />

Eisenbahn-Projektes Tübingen-Balingen-Hechingen-Ebingen-Sigmaringen".<br />

Seine Bemühungen, die <strong>Hohenzollerische</strong>n Interessen<br />

gegen den Widerstand Württembergs durchzusetzen, hatten<br />

schließlich mit den zwischen Preußen, Württemberg und Baden<br />

abgeschlossenen Eisenbahnverträgen Erfolg. Um den Bau der Eisenbahnstrecke<br />

Tiibingen-Sigmaringen erwarb sich Evelt große<br />

Verdienste. So verlieh ihm etwa die Stadt Hechingen 1865 bereits<br />

als 37-jähriger das Ehrenbürgerrecht.<br />

Als Verdienst wurde Evelt auch angerechnet, dass er während der<br />

württembergischen Okkupation Hohenzollerns im Zusammenhang<br />

des "Deutschen Krieges" gegenüber dem württembergischen Kommissär<br />

Graf Leutrum durch "tapfere Haltung" auffiel (Der Krieg<br />

zwischen Preußen einerseits und Österreich mit Italien andererseits,<br />

Beginn 15. Juni 1866, entschieden am 3- Juli 1866 durch den<br />

preußischen Sieg in der Schlacht bei Königgrätz; durch den Frieden<br />

von Prag am 23. August stimmte Österreich der Auflösung des<br />

Deutschen Bundes zu). Nachdem am 28. Juni 1866 eine württembergische<br />

Kompanie in Hechingen einrückte, weigerte sich Evelt,<br />

im Namen des Deutschen Bundes die Justizgeschäfte fortzuführen<br />

und erklärte dem Grafen Leutrum," im übrigen existiere der Bund<br />

für einen preußischen Beamten nicht mehr". Am 6. August rückten<br />

die Württemberger wieder ab.<br />

Evelt wird auch angerechnet, dass das Landgericht in Hechingen<br />

und nicht woanders seinen Sitz bekam. Er unterstützte zudem verschiedene<br />

städtische Einrichtungen in Hechingen, wie die "Höhere<br />

Bürgerschule" und die "Höhere Mädchenschule" respektive<br />

"Höhere Töchterschule". Evelt war jahrzehntelang freier Mitarbeiter<br />

der Hohenzollernschen Blätter sowie Freund und Syndikus des<br />

Fürsten Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen. In den Bau des<br />

Hechinger Justizgebäudes war Evelt ebenfalls verwickelt. Noch als<br />

Staatsanwalt erwarb er dafür 1868 bei einer Zwangsversteigerung<br />

zwei Grundstücke. Im Juni 1876 zog das Kreisgericht in den Neubau<br />

ein. Am 12. Dezember 1877 setzte er den Schlussstein mit den<br />

Worten "Mit Gott für Kaiser und Reich".<br />

Zum Gerichtsgebäude gehört auch das Gefängnis, dessen erster<br />

Gefangener laut Roman Sauter Michael Lehmann gewesen sein<br />

soll. Das könnte zeitlich hinkommen, weil er 1877 zweimal zu je 3<br />

Wochen Gefängnis verurteilt wurde - u.a. im Januar "wegen wiederholter<br />

öffentlicher Beleidigung des Kreisgerichtsrats Melchers".<br />

Dem liberalen Melchers, der bei der 1876-er Wahl gemeinsam<br />

mit Evelt den Zentrumsmännern Schmid und Maier unterlag.


Inschrift auf dem Grabdenkmal in Eingangsnähe des Hechin-<br />

ger Heiligkreuzfriedhofs. Foto: Willy Beyer<br />

Mandate in verschiedenen Fraktionen -<br />

Initiator der <strong>Hohenzollerische</strong>n Selbstverwaltung<br />

Von 1867 bis 1869 war Evelt Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses<br />

(Rechtes Centrum). Weil seine Ernennung zum Kreisgerichtsdirektor<br />

eine Beförderung bedeutete, wurde eine Neuwahl<br />

erforderlich, der er sich jedoch nicht stellte. Das gleiche galt für<br />

das Abgeordnetenmandat im konstituierenden sowie im ersten<br />

Reichstag des Norddeutschen Bundes (1867 bis 1870). Bei der<br />

Nachwahl am 30. November 1869 wurde Evelt aber wiedergewählt<br />

und war ebendort Mitglied der Kommission für die Revision des<br />

Strafgesetzbuches. Von März 1871 bis Januar 1874 war er erneut<br />

Mitglied des Reichstags (Vertreter des Wahlkreises Königreich<br />

Preußen XII, Hohenzollern - Fraktion Liberale Reichspartei). Sein<br />

Mandatsnachfolger war der Hechinger Kreisrichter Adolf von<br />

Kleinsorgen (Zentrum), der die Wahl gegen den liberalen Kreisrichter<br />

Bilharz gewann. Gleichzeitig zum Reichstagsmandat war<br />

Evelt von 1870 bis 1873 wieder Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses<br />

(Liberales Centrum) und unterlag schon bei der<br />

Wahl 1873 als nationalliberaler Bewerber für das Abgeordnetenhaus<br />

gegen Adolf von Kleinsorgen. Durch diese Niederlage lehnte<br />

er, wie auch sein Mitkandidat Kreisrichter Cramer, eine Wiederwahl<br />

in den Reichstag ab. Nach der Ungültigkeitserklärung der<br />

1873-er Wahl (wegen klerikaler Wahlbeeinflussung) wurde Evelt<br />

1875 für den Rest der Wahlperiode bis 1876 nochmals Mitglied<br />

des Preußischen Abgeordnetenhauses, wobei er sich keiner Fraktion<br />

anschloss. Im Oktober 1876 scheiterte er wie erwähnt bei der<br />

Neuwahl zum Preuß. Abgeordnetenhauses.<br />

August Evelt war von 1874 bis 1879 und von 1892 bis 1899 als Vertreter<br />

der Stadt Hechingen, 1880 bis 1891 der Amtsversammlung<br />

Hechingen, Mitglied des <strong>Hohenzollerische</strong>n Kommunallandtags.<br />

Vom 22. Januar 1874 bis Januar 1899 war er zudem Vorsitzender<br />

des Kommunallandtags und des Kommunalausschusses, dessen<br />

21<br />

Gründung maßgebhch ihm zu verdanken ist. Evelt setzte nach der<br />

Einfuhrung der Selbstverwaltung in den altpreußischen Provinzen<br />

(mit anderen) eine entsprechende Selbstverwaltung für die<br />

preußische Exklave der <strong>Hohenzollerische</strong>n Lande durch.<br />

Ein Augenleiden und das fortgeschrittene Alter gab Evelt im Januar<br />

1899 als Grund an, den Vorsitz des Kommunallandtags abzugeben,<br />

und natürlich nicht die Auseinandersetzungen, die es in der letzten<br />

Zeit gegeben habe - eine Rechtfertigung, die auch heute noch stutzig<br />

machen würde. Sicherhch wird es Evelt so gegangen sein, wie<br />

es vielen Politikern geht, die zu lange an ihrem Amt geklebt haben:<br />

Eine 25 Jahre währende Ära ging zu Ende - und das war gut so.<br />

Man gönnte dem alten Mann seinen Ruhestand.<br />

Vielleicht war dies auch schon ein Grund dafür, dass Evelts Verdienste<br />

bald in Vergessenheit gerieten. Oder hatte er vielleicht die<br />

Sympathien seiner Gläubiger verloren, weil er während dem Kulturkampf<br />

ein chamäleonartiges Verhalten zeigte, nicht zuletzt<br />

durch seine schwankenden pohtischen Bekennungen und Fraktionszugehörigkeiten?<br />

Von Preußen wurde Evelt mit einigen hohen Orden dekoriert. Auch<br />

von Hohenzollern, etwa der Hohenzollernsche Hausorden und das<br />

Ehrenkomturkreuz.<br />

August Evelt hatte mit seiner Ehefrau Anna (geborene Speidel,<br />

* 12.12.1835 in Hechingen, f 19-12.1914 ebd.) drei Kinder: August<br />

(1859-1913), Anna Maria Crescentia Bernardina (1861-<br />

1941) und Wilhelm (1877-1954). Evelt starb am 11. Dezember<br />

1904 in Hechingen.<br />

Quellennachweise und weiterführende Schriften:<br />

- Wetzel, Johann Nepomuk: Veränderungen in der Regierung der<br />

Erzdiözese Freiburg. Der Kulturkampf und seine Folgen, in:<br />

Wetzel, Hrsg., Geschichte der katholischen Kirche in Schwaben-<br />

Hohenzollern, Teil II, Bühl 1931, S.383-407, hier S.383 u.384,<br />

S. 403-404<br />

- Sauter, Roman: Erinnerungen aus der Zeit des Kulturkampfes in<br />

Hohenzollern. Eine Wahlagitation mit Hindernissen, in: Beilage<br />

zum "<strong>Hohenzollerische</strong>r Neckarbote", 4.Jhrg. Nr. 44, vom<br />

22.Februar 1930<br />

- Wenzel, Wolfgang: Weshalb die Hohenzollernbahn in Dettingen<br />

ihren Anfang hat, in: <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>, 2/2003, S. 18-<br />

22 und 3/2003, S. 39-43, hier S. 41,43<br />

- <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>bücherei Heclüngen: Bestandsmappe üb 83<br />

- Landgerichtspräsident Geh. Oberjustizrat Evelt. *1828 | 1904.<br />

Sonderabdruck aus den "<strong>Hohenzollerische</strong>n Blättern" Nr. 208<br />

vom 12. Dezember 1904<br />

- Irene Widel-Senn: Landgerichtspräsident August Evelt 1828-<br />

1904, <strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung Nr. 16,17,18 (1953)<br />

- Wax, Peter: Die Geschichte der Justiz in Hechingen, in: Zeitschrift<br />

für <strong>Hohenzollerische</strong> Geschichte, 41. Band - der ganzen<br />

Reihe 126. Band 2005, S. 77-116, hier S. 89,90,101,114<br />

- Hohenzollernsche Blätter: Nr. 7 u. 30 (1874), bez. Beanstandung<br />

und Beweisführung wegen klerikaler Beeinflussung der<br />

1873-er Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus<br />

- Hohenzollernsche Blätter: Nr. 40, 57,161,170 (1873); Nr. 8,<br />

17,27,39,70,119,159,180 (1874); Nr. 14,89 (1877), Nr.32<br />

(1879)<br />

- Der Zoller: Nr. 14, 70, 89 (1877), Nr. 3 (1879)<br />

- Chronik der Stadt Hechingen. Von deren erstmaligen urkundlichen<br />

Erwähnung am 3. Mai 786 bis heute. Zusammengestellt<br />

von Ludwig Egler, Hechingen 1887, bez. württ. Okkupation: S.<br />

259-262


- Sauter, Roman: Michael Lehmann/Der erste "Zoller"-Redakteur,<br />

"Der Zoller" vom 5. Februar 1927<br />

- Staatsarchiv Sigmaringen: Ho 235 T3 Nr. 369, bez. "Fliegende Blätter"<br />

(Eisenbahnprojekt 1863)<br />

- Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Frank Raberg, Neresheim,<br />

wurden aus seinem Manuskript, einem Auszug aus "Biographisches<br />

Staatshandbuch des deutschen Südwestens 1802-1952", die wesentlichsten<br />

Angaben zur politischen Laufbahn und der personenbezogenen<br />

Daten August Evelts entnommen. Dieses Text- und Quellenmaterial<br />

war u.a. Grundlage seines am 13. Dezember 2004 in Hechingen<br />

gehaltenen Vortrages über August Evelt. Die verwendeten<br />

Quellen sind (nach Raberg, Februar 2007): Stammreihe Evelt in: Dt.<br />

Geschlechterbuch 181 S. 117-120<br />

- Bernd Haunfelder, Biographisches Handbuch für das preußische<br />

Abgeordnetenhaus 1849-1867 (Handbücher zur Geschichte des<br />

Parlamentarismus und der politischen Parteien Band 5), Düsseldorf<br />

1994S. 96 (Nr. 395)<br />

- Phillips (Hg.), Die Reichstags-Wahlen von 1867-1883. Statistik der<br />

Buchbesprechungen<br />

Eine fast tausendjährige Geschichte spannend erzählt<br />

Am Neujahrstag 1806 wurde Württemberg zum Königreich erhoben.<br />

Die Geschichte des Hauses, eines der ältesten Fürstengeschlechter<br />

Europas, lässt sich bis zum Jahr 1083 zurückverfolgen.<br />

Auf 292 Seiten hat der Historiker Harald Schukraft unter dem Titel<br />

„Kleine Geschichte des Hauses Württemberg" ein Buch vorgelegt,<br />

das einen gut lesbaren Gesamtüberblick gewährt. Die Wortwahl<br />

„kleine Geschichte" soll vermutlich signalisieren, dass sich der Autor<br />

darauf beschränkt hat, die Geschichte „skizzenhaft" darzustellen,<br />

wie er im Vorwort mitteilt. Was sich jedoch im Haus Württemberg<br />

mit all seinen Seitenlinien in fast tausend Jahren abspielte, hat<br />

den Ausdruck „klein" nicht verdient. Harald Schukraft arbeitete das<br />

historisch und kulturell Bedeutsame in den württembergischen Grafen-,<br />

Herzogs- und Königszeiten gut und pointiert heraus. Er liefert<br />

aber keineswegs nur „trockene" Daten, sondern erhellt auch Zusammenhänge,<br />

schildert, wie sich Entwicklungen anbahnen, und<br />

versteht es, das Ganze in einen spannenden Erzählstil, gespickt mit<br />

interessanten Episoden, einzubetten. Eine Bereicherung stellen zudem<br />

die zahlreichen, meist farbigen Abbildungen (196) dar.<br />

(ba)<br />

Harald Schukraft: „Kleine Geschichte des Hauses Württemberg",<br />

Silberburg- Verlag Tübingen, 24,90 Euro, JSBN 3-87407- 725-X<br />

Sabine Thomsen - Die württembergischen Königinnen<br />

Die Historikerin Sabine Thomsen bekennt, ihren Onkel Professor<br />

Hansmartin Decker-Hauff verehrt und gehebt zu haben. In geradezu<br />

faszinierender Weise hatte er es einst verstanden, seine Zeitgenossen<br />

für Geschichte zu begeistern. Mit „Bücken hinter die Kulissen"<br />

und einer Fülle von Anekdoten, mit Humor und großer Erzählkunst<br />

hatte er sein umfassendes Wissen umrahmt und gewürzt<br />

und so mit der Mär aufgeräumt, Geschichte sei ein trockener Lehrstoff.<br />

Sabine Thomsen hat ihren Onkel offensichtlich nicht nur geschätzt,<br />

sondern sie hat auch viel von ihm gelernt und „geerbt". In<br />

ihrem Buch „Die württembergischen Königinnen" stellt sie auf erfrischende,<br />

leicht lesbare und dennoch fundierte Weise Leben und<br />

Wirken von Charlotte Mathilde (1766 - 1828), Katharina (1788 -<br />

1819), Pauhne (1800 bis 1873), Olga (1822 -1892) und Charlotte<br />

(1864 - 1946) vor. Sie schließt damit nicht nur eine Lücke in der<br />

Literatur und vermittelt viel Geschichtswissen, sondern sie erzählt<br />

auch auf spannende, aber keineswegs oberflächliche Weise, Zu-<br />

22<br />

Wahlen zum Konstituierenden und Norddeutschen Reichstage, zum<br />

Zollparlament sowie zu den fünf ersten Legislaturperioden des Deutschen<br />

Reichstages, Berlin 1883<br />

- Winfried Grohs, Die Liberale Reichspartei 1871-1874. Liberale Katholiken<br />

und föderalistische Protestanten im ersten deutschen<br />

Reichstag. Frankfurt/Bern 1990<br />

- Thomas Kühne, Handbuch der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus<br />

1867-1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten,<br />

Düsseldorf 1994<br />

- Bernhard Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus<br />

1867-1918 (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus<br />

und der politischen Parteien, Band 3), Düsseldorf<br />

1988, S. 125 (Nr. 540)<br />

- Wilfried Schöntag, Landeskommunalverband, in: Preußen in Hohenzollern.<br />

Begleitband zur Ausstellung Sigmaringen 1995. Hg. vom<br />

Haus der Geschichte Baden-Württemberg und dem Staatsarchiv Sigmaringen.<br />

bearb. von Otto H. Becker u. a., S. 51-69 hier bes. S. 55<br />

sammenhänge herstellend und Hintergründe beleuchtend,<br />

packende Lebensgeschicke und mutige Königinnen-Initiativen, die<br />

zum Teil bis heute nachwirken. Die fünf württembergischen Königinnen<br />

haben vielfältige Spuren hinterlassen, wie die aulwendigen<br />

Recherchen der Historikerin Thomsen ergaben. Ihr Buch gibt aber<br />

auch Einblick in die damalige Heiratspolitik der Mächtigen, die<br />

Familienverknüpfungen und Herrschaftsinteressen. Die persönlichen<br />

Neigungen und Schicksale, die mit hereinspielten, geben dem<br />

Werk überdies eine weitere interessante Prägung. 77 Färb- und<br />

Schwarz-Weiß-Fotos oder Abbildungen von Zeichnungen und<br />

Gemälden sowie die Stammtafeln der Königinnen bereichern den<br />

300seitigen Band, dem ein Vorwort der Herzogin Diane von Württemberg<br />

vorangestellt ist.<br />

Sabine Thomsen: „ Die württembergischen Königinnen - Charlotte<br />

Mathüde, Katharina, Pauline, Olga, Charlotte - ihr Leben und Wirken".<br />

24,90 Euro. Silberburg-Verlag, Tübingen. ISBN-13: 978-<br />

87407-714-9. (ba)<br />

Register 2006<br />

Altendickingen, Vermutungen über Anfang und Bedeutung<br />

der Wüstung Altendickingen S. 7<br />

Burkarth, Herbert, Zum Abschied von<br />

Herrn Dr.med. Herbert Burkarth S. 61<br />

Fidelistag, Der Fidelistag in Hohenzollern S. 54<br />

Fürstliche Hofkammer, Eine altehrwürdige Verwaltungseinrichtung<br />

im Wandel: Die Fürstliche Hofkammer S. 6<br />

Haigerloch, Schlössle und Zufahrt ins „Haag" -<br />

ehemalige jüdische Siedlung in Haigerloch.<br />

Anmerkungen zum Buch „Erinnerungen an die<br />

Haigerlocher Juden-Ein Mosaik" S. 49<br />

Hausen im Killertal, Biographische Daten der Seelsorger<br />

von Hausen im Killertal, Teil 1 S. 9<br />

Hausen im Killertal, Biographische Daten der Seelsorger<br />

von Hausen im Killertal, Teil 2 S. 58<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong>, Die Mitgliederversammlung<br />

des <strong>Geschichtsverein</strong>s S. 22<br />

Hohenzollern, Das Wappen des Burggrafen Friedrich V.<br />

auf der Burg Hohenzollern S. 35<br />

Hünengräber und Knöpflemesser -<br />

Die Alamannen im Zollernalbkreis S. 56<br />

Jungnau, Die Jungnauer Gemeindekarte von 1731/1812. Zur<br />

Bedeutung und historischem Kontext einer restaurierten


Zimelie, Fortsetzung und Schluss<br />

Kalkofen, Die Kalkofer Steige- ein frühes Großprojekt des<br />

S. 2<br />

Straßenbaus in Hohenzollern, Teil 1<br />

Kalkofen, Die Kalkofer Steige - ein frühes Großprojekt des<br />

S. 26<br />

Straßenbaus in Hohenzollern, Teü 2 und Schluss<br />

Lehmann, Michael, ein vergessener Kulturschaffender<br />

S. 39<br />

und Kulturkämpfer Hohenzollerns, Fortsetzung<br />

Meßkirch, Der heilige Jakobus als Püger -<br />

S. 22<br />

Ein Tafelgemälde des Meisters von Meßkirch<br />

Owingen, Die romanische Weiler Kirche von Owingen,<br />

S. 43<br />

Teil 3 und Schluss<br />

Römerstraße, Zur Römerstraße im oberen Starzeltal und<br />

S. 12<br />

Straßenstationen daran<br />

Schalksburg, Die Herrschaft Schalksburg zwischen Zollern<br />

S. 42<br />

und Württemberg, Teil 1<br />

Schalksburg, Die Herrschaft Schalksburg zwischen Zollern<br />

S. 29<br />

und Württemberg, Teil 2 und Schluss<br />

Sigmaringen, Albert Geyer und der Ausbau des Residenz-<br />

S. 45<br />

schlosses der Hohenzollern in Sigmaringen 1893 -1908 .. S. 17<br />

Sigmaringen als Standort badischer und württembergischer<br />

Polizeieinheiten<br />

Sigmaringen, Die Allee in Sigmaringen - barocke<br />

Landschaftsinszenierung und fürstliches Herrschafts-<br />

S. 53<br />

symbol, Teil 3 und Schluss<br />

Sigmaringen, „Die letzten Tage der französischen Regierung<br />

S. 4<br />

von Sigmaringen" nach Francis Bout de l'An, Teil 1<br />

Sigmaringen, Die Sigmaringer Heimsuchungstafel -<br />

Einflüsse Hans Baidung Griens auf das Werk des Meisters<br />

S. 37<br />

von Meßkirch<br />

Sigmaringen, Gedenkstein für 90 ermordete Patienten<br />

S. 15<br />

des Sigmaringer Landeskrankenhauses<br />

Sigmaringen, Runder Turm. <strong>Heimat</strong>museum<br />

S. 33<br />

Sigmaringen e.V.<br />

Buchbesprechungen<br />

S. 55<br />

Auf den Spuren von Dichtern durch Baden-Württemberg .. S. 61<br />

Das Dorf. Neue Geschichten aus Baden-Württemberg .... S. 47<br />

Der Schneckenfänger S. 46<br />

Der Schwarzwald S. 14<br />

Die Schicksalsfürstin Amalie Zephyrine S. 13<br />

Flakhelfer Jakob S. 60<br />

Gammertingen in alten und neueren Ansichten S. 15<br />

Im Schwarzwald S. 47<br />

Inzigkofen, 650 Jahre Kloster - 700 Jahre Inzigkofen S. 32<br />

Jakobswege S. 31<br />

Kleine Tübinger Stadtgeschichte S. 47<br />

Klöster im Landkreis Sigmaringen S. 14<br />

Naturerbe Truppenübungsplatz S. 61<br />

Schwäbische Dorfgeschichten S. 32<br />

Schwäbischer Parnass S. 31<br />

Spazier-Ziele auf der westlichen Alb S. 31<br />

Stocklandzeit S.. 46<br />

Wanderziel Westliche Alb S. 47<br />

HERBERT RÄDLE<br />

Zwei Porzellanfiguren aus den<br />

Sigmaringer Sammlungen<br />

Zu den Beständen der Fürstlich <strong>Hohenzollerische</strong>n Sammlungen in<br />

Sigmaringen gehören sechs schöne Porzellanfiguren aus dem Besitz<br />

der Prinzessin Luise von Hohenzollern, geb. von Thum und Taxis<br />

(1859-1948), Gemahlin des Prinzen Friedrich von Hohenzol-<br />

23<br />

lern (1843-1904). Sie wurden kürzlich im Rahmen der Ausstellung<br />

Adel im Wandel, 200 Jahre Mediatisierung in Oberschwaben einer<br />

breiteren Öffentlichkeit gezeigt.<br />

Die Figuren haben einen humanistischen Hintergrund. Sie verkörpern<br />

Musen und Kardinaltugenden. Hergestellt wurden sie im späten<br />

19. Jahrhundert in der Königlich Preußischen Manufaktur, und man<br />

kann sie (soweit sie Musen verkörpern) durchaus als zeitgemäße<br />

Transformationen der homerischen Musen aus der Ilias (Buch 1,<br />

Vers 601ff.) sehen.<br />

Aus den sechs Sigmaringer Figuren greifen wir zwei heraus, um sie<br />

im Folgenden in Bild und Text vorzustellen, nämlich zum einen Terpsichore,<br />

die Muse des Tanzes und der Lyrik (Abb. 1), und zum anderen<br />

Urania, die Muse der Sternkunde und der Naturwissenschaft<br />

(Abb. 2). Sie sind, wie wir sehen, dargestellt als Ganzfiguren in sehr<br />

griechisch anmutendem Habitus, bekleidet mit einem Unter- und einem<br />

Obergewand, das die Schultern freiläßt.<br />

Terpsichore (Abb. 1) greift mit der Rechten in die Saiten der Leier<br />

(griech. Lyra), die sie in der Linken hält. Zu ihren Füßen sitzt, ähnlich<br />

dem antiken Erosknaben, dem ständigen Begleiter der Liebesgöttin<br />

Aphrodite, hier ein nackter Putto als Allegorie der Lyrik. Er hält<br />

ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß.<br />

Büdliche Darstellungen der Musen tauchen in der europäischen<br />

Kunsttradition seit der Renaissance verstärkt auf, meist in humanistisch<br />

gelehrtem Zusammenhang. So etwa in Hans Burgkmairs Holzschnitt<br />

des Wagens der Hofkapelle im Triumphzug Kaiser Maximilians<br />

(um 1515), wo ihr Spiel der Verherrlichnug des Herrschers<br />

dient.<br />

In der antiken Mythologie gelten die Musen als Töchter des Zeus und<br />

der Mnemosyne, der Göttin der Erinnerung. Als Töchter des Zeus<br />

drücken sie die göttliche Fülle und die Schönheit des Gesanges und<br />

der Musik aus. Die Musen sind (in griechischem Kontext) auch anwesend<br />

bei den Festgelagen der Götter, die sie mit ihrem Gesang bereichern.<br />

Ihr Wohnsitz ist manchmal der Dichterberg Parnaß bei<br />

Delphi, manchmal der Musenberg Helikon in Boiotien, ihr Anführer<br />

ist der Gott Apollon Musagetes, der "Musenführer".<br />

Der Dichter Hesiod, ein etwas jüngerer Zeitgenosse Homers, berichtet<br />

über seine Dichterweihe am Berg Helikon. Er erzählt, wie er, als<br />

Hirte mit seiner Herde umherstreifend, die Musen sah, welche, in<br />

dichten Dunst gehüllt, sich ihm tanzend näherten und ihm die Dichterweihe<br />

gaben, auf daß er, nunmehr als Wissender, "von den gegenwärtigen,<br />

vergangenen und zukünftigen Dingen Kunde gebe".<br />

In diesen Zusammenhang gehört auch die Muse Urania (wörtlich die<br />

"Himmlische", von griech. Uranos=Himmel), die wir in Abb. 2 zeigen.<br />

Ihr Name verweist auf die himmlische, also göttliche Herkunft<br />

aller Musenkunst, und sie führt uns auch hinüber in den zweiten,<br />

weiter gefaßten Bereich, den die antiken Musen verkörpern, den Bereich<br />

von Wissen und Wissenschaft. Im Laufe ihrer Entwicklung nahmen<br />

die Musen unter der Führung des Lichtgottes Apoll in der Tat alle<br />

geistigen Betätigungen unter ihren Schutz. Eine der angesehensten<br />

Wissenschaften war bei den Griechen aber die (ursprünglich aus<br />

dem Orient stammende) Stern- und Himmelskunde.<br />

Urania ist hier (vgl. Abb. 2) dargestellt wiederum in griechisch anmutender<br />

Gewandung, die diesmal effektvoll in den Komplementärfarben<br />

Grün und Rot gestaltet ist. Sie trägt in der Rechten einen Stab<br />

als Sinnbild der Meßkunst, also von Mathematik und Naturwissenschaft;<br />

und zu ihren Füßen erscheint rechts ein Globus, während<br />

links vorne ein Putto mit ausgeschüttetem Füllhorn wohl den Nutzen<br />

der angewandten Naturwissenschaften versinnbildlichen soll.<br />

Die mit Sockel ca. 35 cm hohen Figuren strahlen viel Anmut und<br />

Liebreiz aus. Sie sind aber auch ein schönes Beispiel für die beachtliche<br />

Präsenz und Lebendigkeit antik-humanistischer Vorstellungen<br />

gerade im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts - nicht nur im sogenannten<br />

"deutschen Bildungsbürgertum", sondern auch in Kreisen<br />

des Adels.


Verlag: <strong>Hohenzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Abb. 1:<br />

Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen<br />

E 3828<br />

PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«<br />

Porzellanfigur der Terpsichore, Muse<br />

der Lyrik und des Tanzes, Höhe mit<br />

Sockel ca. 35 cm. Spätes 19. Jahrhun-<br />

dert. Fürstlich <strong>Hohenzollerische</strong> Samm-<br />

lungen Sigmaringen. Bildnachweis:<br />

Ausstellungskatalog Adel im Wandel,<br />

Sigmaringen (Thorbecke) 2006, S.<br />

389.<br />

Abb. 2:<br />

Porzellanfigur der Urania, Muse der<br />

Sternkunde und der Naturwissen-<br />

schaft. Bildnachweis: wie Abb. 1.<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

herausgegeben vom <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>, Postfach 1638,<br />

72486 Sigmaringen<br />

ISSN 0018-3253<br />

Erscheint vierteljährlich.<br />

Die Zeitschrift »<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>« ist<br />

eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders<br />

die Bevölkerung im alten Land Hohenzollern<br />

und den angrenzenden Landesteilen mit der<br />

Geschichte ihrer <strong>Heimat</strong> vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene<br />

Beiträge.<br />

Bezugspreis:<br />

Für Mitglieder des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

ist der Bezugspreis im Beitrag<br />

enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder<br />

€ 11,-. Abonnements und Einzelnummern können<br />

beim <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

(s. o.) bestellt werden.<br />

Die Autoren dieser Nummer<br />

Gerd Bantle<br />

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen<br />

Edmund Bauer<br />

Ebinger Straße 79, 72393 Burladingen-Hausen i.K.<br />

Dr. Otto H.Becker<br />

Hedinger Straße 17, 72488 Sigmaringen<br />

Willy Beyer<br />

Kaufhausstraße 5, 72379 Hechingen<br />

Franz-Severin Gäßler<br />

Jakobsplatz 28 b, 86152Augsburg<br />

Wolfgang Hermann<br />

Dettenseer Straße 10/1, 72186Empfingen<br />

Annalies Keller<br />

Hauptstraße 58, 72401 Haigerloch-Owingen<br />

Margarete Kollmar<br />

Rossbergstrasse 52, 72072 Tübingen<br />

Dr. Herbert Rädle<br />

Veit-Jung-Straße 13 a, 92318Neumarkt<br />

Dr. Edwin Emst Weber<br />

Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen<br />

24<br />

28<br />

Gesamtherstellung:<br />

Druckerei Acker GmbH,<br />

Mittelberg 6, 72501 Gammertingen<br />

Telefon (07574) 9301-0, Fax9301-30<br />

info@druckerei-acker.de<br />

www.druckerei-acker.de<br />

Schriftleitung:<br />

Robert Frank<br />

Fliederstraße 8, 72401 Haigerloch-Weildorf<br />

Tel.: (07474) 2161, robertgfrank@web.de<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich.<br />

Mitteilungen der Schriftleitung sind<br />

als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden<br />

an die Adresse des Schriftleiters erbeten,<br />

Wir bitten unsere Leser, die »<strong>Hohenzollerische</strong><br />

<strong>Heimat</strong>« weiterzuempfehlen.


<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />

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germeister und Gemeindepfleger neben ihrem bäuerlichen Hauptberuf<br />

mit engem Zeitbudget und ohne fachliche Vorbildung ausübten.<br />

Im Unterschied zu Herdwangen und Großschönach besaß<br />

Oberndorf auch zu keiner Zeit ein eigenes Rathaus als Sitz seiner<br />

Kommunalverwaltung, Tagungsort des Gemeinderats und nicht zuletzt<br />

Heimstatt des kommunalen Verwaltungsschriftguts. Die kommunalen<br />

Versammlungen, Sitzungen und Wahlen fanden zumeist<br />

im einzigen Gasthaus in Waldsteig statt, und geamtet wurde in der<br />

hohenzollerischen Kleingemeinde bis zur Gemeindereform 1974<br />

im Privathaus des jeweiligen Bürgermeisters. Dieser erhielt, wie<br />

ein Gemeinderatsprotokoll vom April 1933 dokumentiert, neben<br />

seiner eigentlichen Besoldung aus der Gemeindekasse auch noch<br />

eine Jahresaufwandsentschädigung von damals 50 Reichsmark für<br />

Licht und Heizung seines im Privathaus unterhaltenen Geschäftszimmers<br />

sowie überdies als Miete für die Unterbringung der Gemeinderegistratur<br />

(GA Oberndorf III Best.-Nr. 150).<br />

Dass es mit dieser Lagerung und Betreuung der Gemeinderegistratur<br />

in primär landwirtschaftlich genutzten Privathäusern so seine<br />

Tücken und Gefahren hatte, offenbaren die Inspektionsberichte<br />

der Archivberatungsstelle des Landeskommunalverbandes der <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

Lande: Nach einer Inspizierung im November<br />

1942 beispielsweise wird vermeldet, dass sich sowohl die älteren<br />

Akten wie auch die Rechnungen im Haus des Bürgermeisters befänden<br />

und dieser über Raummangel klage. 1956 berichten die<br />

Sigmaringer Archivpfleger von einer in Umschlägen verwahrten<br />

laufenden Registratur in einem Aktenschrank des Dienstzimmers<br />

von Bürgermeister Keller sowie von einer Altregistratur mit Unterlagen<br />

ab etwa 1840 in einem weiteren Aktenschrank. Das ca. 3 laufende<br />

Meter umfassende „Archiv" mit einer Laufzeit ab etwa 1890<br />

sodann befindet sich, gestapelt in einem Schrank, noch im Haus<br />

von Altbürgermeister Geng. Ausgeschiedene Altakten von gleichfalls<br />

ca. 3 Meter Umfang wurden bei der Inspektion schließlich<br />

noch auf dem Dachboden des Bürgermeisterhauses entdeckt. Gemeinsam<br />

haben alle dieser unterschiedhchen Registraturkörper,<br />

dass sie nach Befund der Archivpfleger „ziemlich" oder gänzlich<br />

„ungeordnet" sind und die damals für die hohenzollerischen und<br />

württembergischen Gemeindeverwaltungen verbindliche Gemeinderegistraturordnung,<br />

der sog. Flattich-Plan, in Oberndorf offenkundig<br />

nur sehr unzulänglich angewendet wurde.<br />

Verlust älterer Archivalien<br />

Angesichts derart problematischer Registraturverhältnisse und Lagerungsbedingungen<br />

ist der Verlust wichtiger Dokumente zur Ortsgeschichte<br />

nahezu zwangsläufig. Von den insgesamt drei 1904 im<br />

Besitz der Gemeinde Oberndorf ermittelten „Urkunden und<br />

Schriftstücken von geschichtlichem Wert" (GA Oberndorf I Best.-<br />

Nr. 33) beispielsweise sind einhundert Jahre später deren zwei -<br />

ein 1782 in der Deutschordenskanzlei Altshausen entstandener<br />

Hofgüter-Beschrieb u.a. von Heggelbach sowie ein Beibuch zum<br />

Urbar von Heggelbach, Oberndorf, Höllsteig und Waldsteig aus<br />

dem Jahr 1832 - gänzlich verschwunden, von den seinerzeit genannten<br />

vier Vereinödungskarten von 1832/33 sind jetzt noch zwei<br />

vorhanden. Während in der Regel in den Archiven hohenzollerischer<br />

wie auch badischer und württembergischer Landgemeinden<br />

die Serie der Rechnungsbände spätestens in der ersten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts einsetzt, datiert die älteste Oberndorfer Gemeinderechnung<br />

von 1905/06 (GA Oberndorf III Best.-Nr. 29). Enttäuschend<br />

dünn ist sodann auch die Überlieferung an Gemeinderatsprotokollen,<br />

die in einem ungebundenen Büschel lediglich aus<br />

dem Zeitraum von 1909 bis 1939 vorhegen (GA Oberndorf III<br />

26<br />

Best.-Nr. 150). Die beiden Aktenschichten schließlich erscheinen<br />

in ihrer Zusammensetzung nahezu durchgehend lückenhaft und<br />

erlauben vielfach nur sehr bedingt eine Rekonstruktion des kommunalen<br />

Verwaltungshandelns und der ortsgeschichtlichen Entwicklungen.<br />

Ungeachtet dieser Defizite und obgleich im Gemeindearchiv von<br />

1000 Jahren Ortsgeschichte seit der ersten schriftlichen Nennung<br />

Oberndorfs um 975 gerade einmal die letzten 200 Jahre dokumentiert<br />

sind, waren Erhalt, Sicherung und Erschließung der in<br />

der dortigen Kommunalverwaltung entstandenen Unterlagen auf<br />

jeden Fall die Mühe der Archivare und das Geld der Gemeinde<br />

wert. Trotz aller Lücken bildet das Gemeindearchiv mit seinen 8,5<br />

laufende Meter umfassenden Akten, Büchern und Karten die<br />

Grundlinien der Entwicklungs- und Wandlungsprozesse in Landwirtschaft,<br />

Infrastruktur und dörflicher Gesellschaft von der ersten<br />

Hälfte des 19- Jahrhunderts bis zur Gemeindereform von 1974 ab.<br />

Dass die Oberndorfer bei der napoleonischen Territorial-Flurbereinigung<br />

zu Beginn des 19- Jahrhunderts - im Unterschied zu<br />

ihren unter badisches Regiment gelangenden Nachbarn - zunächst<br />

zu fürstlich-hohenzollerischen und 50 Jahre später dann zu<br />

preußischen Untertanen wurden, sieht man im übrigen sogar den<br />

Akten an: Während nämlich die Archivalien von Herdwangen und<br />

Großschönach vom berühmten „badischen Knoten", der sog.<br />

Oberrandheftung, zusammengehalten werden, erlangten die<br />

preußischen Akten ihre stabile Struktur durch das blattweise<br />

Einnähen in kompakte Hefte. In Oberndorf mit seiner „Feierabendverwaltung"<br />

hatte man für dieses zeitaufwendige Aktenvernähen<br />

aber möglicherweise nicht genügend Zeit, so dass sich nur<br />

einige wenige genähte Aktenhefte im Bestand finden lassen.<br />

Vereinödungskarten aus den 1830er Jahren<br />

Mit zu den ältesten Dokumenten des Gemeindearchivs gehören<br />

zwei sog. Vereinödungskarten von Oberndorf und Heggelbach von<br />

1832 und 1833 (GA Oberndorf IV Best.-Nrn 1 und 2), die im Auftrag<br />

der Gemeinde Herdwangen-Schönach zuletzt in mustergültiger<br />

Weise restauriert worden sind. Die Karten dokumentieren die<br />

sog. Vereinödung, eine im 18. und 19. Jahrhundert in vielen Dörfern<br />

und Weilern vor allem des Neusiedellandes zwischen Allgäu<br />

und Linzgau praktizierte frühe Form der Flurbereinigung durch<br />

freiwillige Vereinbarung der bäuerlichen Grundbesitzer. Der Neuzuschnitt<br />

der Felder mit den überwiegend nach Heiligennamen benannten<br />

Bauernhöfen ist in diesen beiden agrar- und siedlungsgeschichtlich<br />

gleichermaßen interessanten Quellen ebenso festgehalten<br />

wie die landwirtschaftliche Flurnutzung, die traditionellen Flurnamen<br />

und nicht zuletzt der damalige Sigmaringer Fürst Karl als<br />

Auftraggeber der Vereinödung. Weitere Schmuckstücke des Archivbestandes<br />

sind mehrere Büschel mit handgezeichneten und vielfach<br />

kolorierten Bau- und zugehörigen Lageplänen, die die bauliche<br />

Entwicklung des Fünf-Weiler-Dorfes bis zurück in die Mitte des<br />

19- Jahrhunderts dokumentieren. Zum von den Ortsbewohnern im<br />

Umlageverfahren und mit Arbeitsleistungen finanzierten Neubau<br />

der Oberndorfer Kapelle 1868 finden sich unter den Bauakten<br />

mehrere Gestaltungsvarianten der Eingangsfront (GA Oberndorf I<br />

Best.-Nr. 181).<br />

Das zeitliche und inhaltliche Spektrum des Oberndorfer Archivs<br />

spannt sich von der Feudallastenablösung in der Mitte des 19- Jahrhunderts,<br />

als die Bauern ihrer grund-, leib-, orts- und zehntherrschaftlichen<br />

Leistungsverpflichtungen durch Geldzahlungen ledig<br />

und zu freien Eigentümern ihres Bodens werden, bis zur Kommu-


Mitteilungen<br />

aus dem<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong><br />

I. Homepage des <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

Der <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Geschichtsverein</strong> hat seit Februar dieses<br />

Jahres eine eigene Homepage.<br />

Darin enthalten sind die Satzung des <strong>Geschichtsverein</strong>s, ein Ver-<br />

zeichnis mit Nennung des Protektors, der Ehrenmitglieder und<br />

der Mitglieder von Vorstand und Beirat und die Mitteilungen<br />

des Vereins mit dem jeweils aktuellen Programm. Vorgestellt<br />

werden ferner die Zeitschrift für <strong>Hohenzollerische</strong> Geschichte<br />

und die <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> mit den Registern von Casimir<br />

Bumiller und Helmut Göggel zu den Jahrgängen 1951 bis<br />

2000.<br />

Die Internet-Adresse lautet:<br />

www.hohenzollerischer-geschichtsverein.de<br />

II. Veranstaltungen des <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

im 3. Quartal 2007<br />

1) Höhlenführung<br />

Im Anschluss an seine interessante und sehr aufschlussreiche<br />

Abhandlung in der Zeitschrift für <strong>Hohenzollerische</strong> Geschichte<br />

42 (2006), S. 91 - 203 unternimmt Jürgen Scheff, Albstadt, am<br />

Samstag, 14. Juli, eine Urgeschichtliche Höhlenführung in<br />

Veringenstadt auf den Spuren von Eduard Peters.<br />

Treffpunkt: 14.00 Uhr am Rathaus in Veringenstadt<br />

2) Museumsführung<br />

Für die Mitglieder des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

unternimmt der Fürstl. Konservator Peter Kempf am Donnerstag,<br />

19- Juh, eine Sonderführung im neu eröffneten und neu<br />

konzipierten Fürstl. Museum in Sigmaringen.<br />

Treffpunkt: 18.30 Uhr am Portal des Schlosses Sigmaringen<br />

Eintritt: Erwachsene 4 €, Schüler und Senioren 3 €<br />

nalreform von 1974, als das hohenzollerische Oberndorf durch<br />

Mehrheitsvotum seiner Bürger in der neuen Einheitsgemeinde<br />

Herdwangen-Schönach aufgeht. Unübersehbar sind in diesen<br />

mehr als eineinhalb Jahrhunderten die stets bescheidenen Verhältnisse<br />

der Zwerggemeinde und ihrer auf fünf Weiler und zahlreiche<br />

Außenhöfe verstreuten Bewohner. Die Einwohnerzahl der Gemeinde<br />

steigt dabei zunächst an von 131 im Jahr 1844 auf 1881<br />

233, um im 20. Jahrhundert sukzessive auf deutlich weniger als<br />

200 Seelen abzusinken. Auf die unterentwickelten Verwaltungsverhältnisse<br />

mit einem nebenamtlich tätigen Bürgermeister, einen Gemeinderechner<br />

und allenfalls noch einem „Hilfsarbeiter", d.h. einem<br />

Verwaltungsgehilfen wurde bereits hingewiesen. 1852 will<br />

sich die Gemeinde in einem Bittgesuch an die preußischen Staatsbehörden<br />

von ihrer Verpflichtung zur Anstellung eines Nachtwächters<br />

befreien lassen, da dies im weit zerstreuten Siedlungsgebiet<br />

keinen Sinn mache (GA Oberndorf I Best.-Nr. 132). Während<br />

27<br />

3) Ankündigung<br />

Der <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Geschichtsverein</strong> wird am 13. Oktober<br />

2007 in der restaurierten Villa Eugenia in Hechingen eine<br />

ganztägige Vortragsveranstaltung die Umwidmung herrschaftlicher<br />

Schlösser und Landhäuser in Hohenzollern anbieten.<br />

Das genaue Programm wird im nächsten Heft der HH<br />

bekannt gegeben.<br />

III. Hinweise auf weitere Veranstaltungen in Hohenzollern<br />

1) Ausstellung<br />

Bismarcks Reichstag. Das Parlament in der Leipziger<br />

Straße, fotografiert von Julius Braatz<br />

Ausstellung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus<br />

und der politischen Parteien im Staatsarchiv Sigmaringen.<br />

Vom 20. Juni bis 26. Oktober 2007 im Staatsarchiv, Karlstraße<br />

1/3, Sigmaringen<br />

Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags jeweils von 9 bis 17 Uhr.<br />

Eintritt frei.<br />

2) Lesung<br />

Alles Theater? Von Schauspielerrivalitäten, vom Theater im<br />

Theaterensemble, von erfolglosen Autoren, einer entnervten<br />

Hofverwaltung und einem impertinenten Publikum -<br />

Geschichten um das Hoftheater Sigmaringen.<br />

Lesung mit Sibylle Brühl und Birgit Meyenberg am Sonntag,<br />

15- Juli, um 18 Uhr im Staatsarchiv, Karlstraße 1/3, Sigmaringen<br />

gez. Dr. Otto H. Becker<br />

Vorsitzender<br />

man den Anschluss an das Stromnetz bereits 1922 durch einen<br />

Vertrag mit dem Badenwerk bewerkstelligt (GA Oberndorf I Best.-<br />

Nr. 54), kann sich die Gemeinde zum Aufbau einer zentralen Wasserversorgung<br />

erst 1970, nach massivem Drängen des Gesundheitsamtes<br />

durchringen (GA Oberndorf II Best.-Nr. 100).<br />

Unterschiedliche Kirchen- und Schulzugehörigkeit<br />

Charakteristisch für Oberndorf ist die Zweiteüung der kirchlichen<br />

und schulischen Zugehörigkeiten. Während Breitenerlen, Heggelbach<br />

und Höllsteig nach Billafingen eingepfarrt und die Kinder aus<br />

diesen Weilern dort auch die Schule besuchen, sind die Oberndorfer<br />

und Waldsteiger kirchlich und schulisch von jeher nach<br />

Herdwangen ausgerichtet. In der Ausstellung dokumentieren<br />

Schulverbands-Satzungen von 1912 und 1913 diese in unterschiedliche<br />

Richtungen strebenden Zugehörigkeiten (GA Oberndorf<br />

I Best.-Nr. 132). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es in


Obemdorf Bestrebungen, eine eigene Schule zu gründen und ein<br />

Schulgebäude zu errichten. Das erforderliche Kapital will man<br />

über einen Stiftungsfonds ansparen (GA Oberndorf I Best.-Nr.<br />

134), der dann vermutlich der Inflation von 1923 zum Opfer fällt,<br />

so dass die Oberndorfer bis heute Kirche und Schule in Billafingen<br />

bzw. Herdwangen besuchen.<br />

Gut dokumentiert ist im Gemeindearchiv die Freiwillige Feuerwehr,<br />

der - abgesehen von der Kriegerkameradschaft und dem Spar- und<br />

Darlehenskassenverein - einzige Verein in Oberndorf. Hervorgegangen<br />

aus einem Spritzenverband der Gemeinden der ehemaligen<br />

Deutschordens-Herrschaft Hohenfels besteht in Oberndorf<br />

zunächst eine Pflichtfeuerwehr, der die Gemeinde 1888 eine eigene<br />

Saugfeuerlöschspritze beschafft (GA Oberndorf I Best.-Nr.<br />

87). 1935 kommt es dann zur Gründung der Freiwilligen Feuerwehr<br />

Oberndorf-Waldsteig, der alsbald 28 Wehrmänner und damit<br />

vermutlich nahezu alle männlichen Dorfbewohner im Erwachsenenalter<br />

beitreten (GA Oberndorf H Best.-Nr. 84). Dass die Verhältnisse<br />

in Oberndorf im Brandfall angesichts der fehlenden Zentralwasserversorgung<br />

noch lange schwierig, um nicht zu sagen riskant<br />

blieben, illustriert in der Ausstellung eine Stellungnahme von<br />

Bürgermeister Keller aus dem Jahr 1954 nach einem verunglückten<br />

Löscheinsatz (GA Oberndorf I Best.-Nr. 88).<br />

Votum für Gemeindeehe mit badischen Nachbarn<br />

Die Geschichte der selbstständigen Gemeinde Oberndorf und damit<br />

auch die Überlieferung des Kommunalarchivs endet mit der<br />

Gemeindereform von 1974, die in der Ausstellung mit der Niederschrift<br />

einer Bürgeranhörung sowie der von den drei Bürgermeistern<br />

Fecht, Siebler und Herrmann abgeschlossenen Vereinbarung<br />

über den Zusammenschluss von Herdwangen, Großschönach und<br />

Oberndorf zur neuen Gemeinde Herdwangen-Schönach vertreten<br />

ist (GA Oberndorf II Best.-Nr. 2). Während sich auch in der Nachbarschaft<br />

die Bürger nicht weniger Gemeinden dem Verlust der<br />

kommunalen Eigenständigkeit widersetzen, sprechen sich die<br />

Oberndorfer am 9. Dezember 1973 mit 41 zu 29 Stimmen für einen<br />

Zusammenschluss mit den badischen Nachbarn aus (GA<br />

Oberndorf II Best.-Nr. 31).<br />

Das Oberndorfer Gemeindearchiv dokumentiert die Geschichte einer<br />

kleinen hohenzollerischen Landgemeinde über nahezu zwei<br />

Jahrhunderte hinweg. Im Unterschied zur Überlieferung in den<br />

Staats- und Kirchenarchiven und auch dem Kreisarchiv finden sich<br />

hier geschichtliche Zeugnisse, die von den Ortsbewohnern selbst<br />

gestaltet worden sind und in denen sich das dörfliche Leben gewissermaßen<br />

aus der Innenansicht widerspiegelt. Trotz aller<br />

Lücken und Verluste bildet der Archivbestand mit seinen nahezu<br />

500 Akten, Bänden und Karten die Entwicklung von Oberndorf und<br />

seiner Bevölkerung in einer höchst vielschichtigen Weise ab. Diese<br />

geschichtlichen Dokumente gehören nicht weniger zum erhaltenswerten<br />

Erbe der Vergangenheit wie die Kapellen von Heggelbach<br />

und Oberndorf oder manches denkmalwürdige Bauernhaus. Es<br />

verdient Anerkennung, dass sich die Gemeinde Herdwangen-<br />

Schönach ihrer gesetzlichen Verantwortung gestellt und die Sicherung<br />

und Erschließung des Oberndorfer Gemeindearchivs mit Kosten<br />

von immerhin knapp 3500 € finanziert hat. Ordnung, Verzeichnung,<br />

archivgerechte Verpackung und zuletzt die Redaktion<br />

des Findbuchs haben von 1997 bis 2003 unter der fachlichen Aufsicht<br />

des Kreisarchivars der Werkstudent Manfred Waßner und der<br />

Archivpfleger Dr. Armin Heim besorgt. Seinen Standort hat der Archivbestand,<br />

nach seiner Rückgabe durch das Kreisarchiv an die<br />

Gemeinde Herdwangen-Schönach, im Archivraum des Herdwan-<br />

28<br />

ger Rathauses gefunden. Für die Bearbeiter und den Kreisarchivar<br />

wäre es der schönste Lohn ihrer Arbeit, wenn das neu geordnete<br />

und nutzbare Archiv das Interesse der Oberndorfer für ihre eigene<br />

Geschichte anregen und als kostbares Erbe der Vergangenheit eine<br />

bleibende Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfahren würde.<br />

Geringfügig überarbeitete Fassung eines Vortrags zur Eröffnung<br />

einer Ausstellung mit „Schätzen" aus dem Gemeindearchiv<br />

Oberndorf am 18. Dezember2004 im Bürgersaal Herdwangen.<br />

Quellen und Literatur:<br />

Gemeindearchiv Oberndorf<br />

Manfred Waßner u. Armin Heim (Bearb.): Das Gemeindearchiv<br />

Oberndorf. Findbuch. 1821 - 1981. Kreisarchiv Sigmaringen<br />

1998/2003 (masch.-schr. vervielfältigt).<br />

Archivpflege in den Gemeinden K-01934-1971 (StASHo 337Nr. 13).<br />

Kreiskultur- und Archivamt Sigmaringen, Dienstregistratur, Az.<br />

044.30/Herdwangen-Schönach.<br />

Hof- und Adress-Handbuch des Fürstenthums Hohenzollern-Sigmaringen<br />

nebst einer Uebersicht des Organismus der Verwaltung<br />

und der geographischen Verhältnisse des Landes. Stuttgart und Sigmaringen<br />

1844.<br />

Adreßbuch für Stadt und Kreis Sigmaringen. Sigmaringen 1939.<br />

Einwohnerbuch für Stadt und Kreis Sigmaringen. Sigmaringen<br />

1950.<br />

K. Th. Zingeler: Statistisches Hof-, Hand- und Adreßbuch für die<br />

hohenzollernschen Lande. Sigmaringen 21881.<br />

Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen<br />

und Gemeinden. Bd. VII Regierungsbezirk Tübingen. Hg. v. d.<br />

Landesarchivdirektion Baden-Württemberg. Stuttgart 1978.<br />

EDWIN ERNST WEBER<br />

300 Jahre Ortsgeschichte auf 36,5 Metern<br />

Das Gemeindearchiv Krauchenwies und<br />

seine Schätze<br />

Entwurf für die neue Fahne der Freiwilligen Feuerwehr Krauchenwies,<br />

gefertigt von Edmund Lutz 1911 (GA Krauchenwies IBet. -Nr. 312)


Die Gemeinde Krauchenwies konnte am 4. und 5. Juni 2005 eine -<br />

im tatsächlichen Sinne des Wortes - „historische" Leistung feiern:<br />

Zum ersten Mal in ihrer urkundlich belegten Geschichte von immerhin<br />

800 Jahren besitzen Krauchenwies und seine Bürger eine<br />

„geordnete" und „gesicherte" Vergangenheit. Diese „Ordnung"<br />

und „Sicherung" ist in genau 2464 Akten, Bänden, Karten und Plänen<br />

erfolgt, die mit einem Umfang von immerhin 36,5 laufenden<br />

Metern das Kommunalarchiv der Ortschaft ausmachen. Nach langen<br />

Jahren der Verwahrlosung und schmerzlicher Verluste wurden<br />

die im Gemeindearchiv enthaltenen einmaligen Zeugnisse der dörflichen<br />

Vergangenheit im Auftrag und mit beträchtlichem Kostenaufwand<br />

der Gemeinde jetzt erstmals durch Mitarbeiter und Hilfskräfte<br />

des Sigmaringer Kreisarchivs geordnet, konservatorisch<br />

sachgemäß verpackt und in einem dickleibigen Findbuch von über<br />

500 Seiten verzeichnet - als Grundlage für eine verstärkte Beschäftigung<br />

mit der Krauchenwieser Geschichte in der Zukunft<br />

durch die Ortsbevölkerung, durch <strong>Heimat</strong>forscher und Wissenschaftler.<br />

Ausgewählte „Schätze" aus dem kommunalen Archivbestand<br />

wurden bei einer Ausstellung am 4. und 5. Juni 2005 in der<br />

Gemeindehalle „Waldhorn" in Krauchenwies der zahlreichen Öffentlichkeit<br />

vorgestellt.<br />

Dokumente aus der dörflichen Innenschau<br />

Im Unterschied zur vorrangig obrigkeitlich bestimmten Außenschau<br />

der Überlieferung in den Staats- und Adelsarchiven enthalten<br />

die Unterlagen in den Kommunalarchiven die Innensicht der<br />

dörflichen Geschichte. Während in den von fremden Schreibern<br />

und Herren verfassten obrigkeitlichen Quellen die Bauern, Taglöhner,<br />

Handwerker und Gewerbetreibenden des „Dritten Standes" in<br />

allererster Linie als Abgaben- und Steuerzahler, als zu reglementierende<br />

und zu verwaltende Untertanen oder auch als zu maßregelnde<br />

Übeltäter in Erscheinung treten, finden sich in den von<br />

schreibkundigen Leuten aus den eigenen Reihen geführten kommunalen<br />

Schriftzeugnissen die Dorfbewohner als „Subjekte" der<br />

Geschichte, die ihre innerörtlichen Angelegenheiten vielfach<br />

höchst selbstbewusst und streitbar selbst bestimmen und gestalten.<br />

Erwachsen sind die „Schätze" des Kommunalarchivs auch im Fall<br />

von Krauchenwies aus der „normalen" und alltäglichen Verwaltungstätigkeit<br />

des örtlichen Bürgermeisteramtes und seiner Vorgängerdienststellen.<br />

Über ihren ursprünglichen verwaltungsbezogenen<br />

Daseinszweck hinaus erfahren die älteren Akten, Rechnungen,<br />

Amtsbücher, Karten und Pläne mit wachsender Patina gewissermaßen<br />

eine Metamorphose zu aussagekräftigen und wertvollen<br />

Zeugnissen zur Geschichte des Ortes und seiner Bevölkerung<br />

durch die Jahrhunderte.<br />

Wie bei so vielen kleineren Gemeinden zumal im ländlichen Raum,<br />

wo die Kommunalverwaltung lange Zeit eine Feierabendangelegenheit<br />

ortsansässiger Bauern und Gewerbetreibender war, ließ auch<br />

in Krauchenwies die Fürsorge für die Zeugnisse der eigenen Geschichte<br />

häufig arg zu wünschen übrig. Zwar lässt sich im Unterschied<br />

zu den meisten kleineren Nachbarorten in Krauchenwies<br />

bereits im 18. Jahrhundert ein „Gemeindshaus" nachweisen (GA<br />

Krauchenwies III Best.-Nr. 1098) und besitzt das kommunale Verwaltungsschriftgut<br />

im 19- Jahrhundert im eigenen Rathaus (GA<br />

Krauchenwies III Best.-Nrn. 790 sogar ein festes Domizil. Damit<br />

nicht genug: Die Anfänge eines geordneten Registraturwesens können<br />

anhand der Archivunterlagen bis in die 1830er Jahre zuriickverfolgt<br />

werden: Schultheiß Stökle legt im April 1837 ein „Inventarium<br />

über die Gemeinde-Acten von Krauchenwies" an, das die in<br />

der „Gemeindslade" verwahrten aktuellen und historischen<br />

29<br />

Rechts- und Verwaltungsdokumente minutiös auflistet und durchnummeriert<br />

(GA Krauchenwies I Best.-Nr. 275). Der Verweis auf<br />

die „Gemeindslade" offenbart, dass auch in Krauchenwies zu dieser<br />

Zeit die Gemeindeunterlagen noch in einem mobilen Behältnis<br />

aufbewahrt wurden, wie dies bis weit in das 19- Jahrhundert hinein<br />

in den oberschwäbischen und hohenzollerischen Landgemeinden<br />

verbreitet üblich bleibt. Einige Jahre darauf werden auf der<br />

Grundlage des Registraturplans für die Justiz- und Verwaltungsbehörden<br />

im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen vom 3- Mai<br />

1843 dann auch in Krauchenwies die Gemeindedokumente nach<br />

dem vorgegebenen alphabetischen Rubrikensystem geordnet und<br />

abermals in einem Inventar der Gemeinderegistratur sorgfältig erfasst<br />

(GA Krauchenwies I Best.-Nr. 275).<br />

Die solchermaßen vor mehr als 150 Jahren angelegten Registraturlisten<br />

lassen das Herz jedes Geschichtsfreunds und Archivars<br />

spürbar höher schlagen: Neben Sigmaringer Regierungsverordnungen<br />

aus der ersten Hälfte des 19- Jahrhunderts sowie den obligatorisch<br />

von den hohenzollerischen Gemeinden zu abonnierenden<br />

Amtsblättern (zunächst seit 1809 das Wochenblatt und sodann<br />

seit 1835 das Verordnungs- und Anzeigeblatt) und Gesetzessammlungen<br />

führen die Verzeichnisse ortsgeschichtliche Zeugnisse bis<br />

zurück in das 15. Jahrhundert auf. Eine nahezu durchlaufende Serie<br />

von Gemeinderechnungen ab 1773/74 befindet sich ebenso<br />

darunter wie Urbare von 1680 und 1760, drei Steuerbücher von<br />

1741, Herrschaftsverträge über die Eidsteuer von 1604 und die<br />

dörflichen Fronverpflichtungen von 1618, diverse Grenz- und<br />

Triebbeschriebe mit den Nachbarorten aus dem 17. und 18. Jahrhundert,<br />

eine Grenzbereinigung mit Hausen von 1517 und gar ein<br />

Weidbrief mit Ablach von 1444.<br />

Ungeachtet dieser hoffnungsvollen Anfänge gerät die kommunale<br />

Schriftgutverwaltung in Krauchenwies alsbald wieder in Unordnung<br />

und erleiden zumal die älteren, für die laufenden Verwaltungsgeschäfte<br />

nicht mehr benötigten archivalischen Dokumente<br />

ein bitteres Geschick. Ein Großteil der im Inventar von 1837 aufgehsteten<br />

„Schätze" aus der dörflichen Geschichte geht in der<br />

Folge durch Vernachlässigung, ungünstige Lagerbedingungen,<br />

Platzmangel und zumal die noch zu schildernden Einbußen beim<br />

Kriegsende 1945 verloren und war bei der jetzt erfolgten Ordnung<br />

und Erschließung des Krauchenwieser Kommunalarchivs nicht<br />

mehr auffindbar.<br />

Ordnung und Inventarisierung des Gemeindearchivs 1939<br />

Ende der 1930er Jahre unternimmt die auf Initiative des damaligen<br />

Sigmaringer Staatsarchivleiters Dr. Franz Herberhold geschaffene<br />

Archivberatungsstelle des Landeskommunalverbandes der <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

Lande eine breit angelegte Aktion zur Sicherung und<br />

Erschließung des allenthalben von Vernachlässigung und Verlust<br />

bedrohten kommunalen Archivgutes in Hohenzollern. Im Zusammenhang<br />

dieser auch vom Sigmaringer Landratsamt unterstützten<br />

archivpflegerischen Intervention in den Kommunen richtet auch<br />

der Krauchenwieser Bürgermeister offenbar 1939 erstmals einen<br />

Archivraum in seinem Rathaus ein und wird im Sommer desselben<br />

Jahres von zwei preußischen Archivreferendaren, die innerhalb<br />

weniger Wochen eine Vielzahl hohenzollerischer Kommunalarchive<br />

besuchen, auch die hiesige Archivüberlieferung geordnet<br />

und in einem Inventar kursorisch erfasst. Das Verzeichnis listet mit<br />

Kopftitel und Laufzeit insgesamt 384 archivwürdige Gemeindearchivalien<br />

auf, unter denen sich immerhin noch ein beträchtlicher<br />

Teil der 1837 inventarisierten Dokumente entdecken lässt (GA<br />

Krauchenwies II Best.-Nr. 61).


Auch auf diese lobenswerte Initiative folgt der Rückschlag postwendend:<br />

Der neu eingerichtete Archivraum, in dem 1939 die zuvor<br />

auf dem Rathausspeicher und in einem alten Nachbargebäude<br />

ungeordnet verteilten Archivalien zusammengeführt worden waren,<br />

zeigt sich den Sigmaringer Archivpflegern bereits zwei Jahre<br />

später mit „Gerümpel angefüllt". Die von den Archivreferendaren<br />

verzeichneten Archivalien sind bei einem Kontrollbesuch der Archivberatungsstelle<br />

im November 1942 großenteils noch immer<br />

unverpackt, und das der Gemeinde einige Monate zuvor übersandte<br />

Inventar ist mittlerweüe nicht mehr auffindbar. Der archivische<br />

Super-GAU folgt dann bei Kriegsende 1945 und zu Beginn der<br />

französischen Besatzungszeit, als, angeblich durch französische<br />

Soldaten und Kinder der Besatzungstruppen, das 1939 geordnete<br />

Archiv in ein totales Chaos gerät und zahlreiche wertvolle Zeugnisse<br />

zur Krauchenwieser Ortsgeschichte verloren gehen (GA<br />

Krauchenwies II Best.-Nr. 6l).<br />

Dr. Franz Herberhold, der Leiter des Sigmaringer Staatsarchivs und<br />

zugleich der Archivberatungsstelle, stößt bei seinem Besuch im<br />

Krauchenwieser Rathaus im März 1946 mit unübersehbarer Bestürzung<br />

auf eine „totale Unordnung" im gemeindlichen Archivraum<br />

und die Zerstörung der 1939 hergestellten Gliederung. Bei<br />

einer weiteren Archiv-Visitation 1956 wird festgehalten, dass zwar<br />

die älteren Amtsbücher und Rechnungen aus der Zeit vor 1800<br />

großenteils erhalten gebheben, der Aktenbestand jedoch um rund<br />

ein Drittel geschrumpft sei. Während einige der damals vermissten<br />

Archivalien, darunter auch zahlreiche Bauakten aus der zweiten<br />

Hälfte des 19- Jahrhunderts, bei der jetzt durch das Kreisarchiv<br />

vorgenommenen Ordnung und Erschließung doch wieder auftauchen,<br />

bleiben zahlreiche ortsgeschichtlich unersetzliche Quellen,<br />

darunter auch die ältesten Gemeinderechnungen, mehrere Grenzund<br />

Weidverträge mit den Nachbarorten aus der Frühen Neuzeit<br />

und etliche Flurkarten aus dem 19. Jahrhundert, dauerhaft verschwunden.<br />

Gemeinsam mit dem Bürgermeister fasst die Archivberatungsstelle<br />

1956 und abermals 1959 Maßnahmen zur Verbesserung der Krauchenwieser<br />

Archivsituation ins Auge: So soll der in einem unbeleuchteten<br />

Speicherraum ungeordnet verwahrte Archivbestand in<br />

einen Registraturraum im Rathaus-Obergeschoss umgelagert und<br />

von dem aus Krauchenwies stammenden Archivbeamten Adolf<br />

Guhl auf der Grundlage des Inventars von 1939 neu geordnet und<br />

durch archivwürdige Unterlagen aus der Altregistratur ergänzt<br />

werden. Ungeachtet des Kompliments der Sigmaringer Archivpfleger<br />

für den Krauchenwieser Bürgermeister, der „volles Verständnis<br />

für die notwendige bessere Unterbringung und Ordnung des Gemeindearchivs<br />

zeigte", geschieht tatsächlich in der Folge gar<br />

nichts, und verbleiben die Krauchenwieser Archiv-„Schätze" noch<br />

weitere vier Jahrzehnte in Verwahrlosung und Unordnung.<br />

Ein Zentralarchiv für die Gesamtgemeinde<br />

Bürgermeister Heinz Schöllhammer war es Mitte der 1990er Jahre<br />

ein unverkennbares Anliegen, zum Abschluss seiner über 30jährigen<br />

Amtszeit das lange vernachlässigte Kommunalarchiv in seiner<br />

durch die Kreisreform auf sechs Teilorte angewachsenen Gesamtgemeinde<br />

in geordnete Verhältnisse zu bringen. Er ließ sich bei<br />

Rundreisen durch die verschiedenen, durchweg desolaten Archivstandorte<br />

seiner Gemeinde vom Sigmaringer Kreisarchivar davon<br />

überzeugen, dass nur die Schaffung eines konservatorischen Mindestanforderungen<br />

genügenden Zentralarchivs für die Gesamtgemeinde<br />

die Archivmisere dauerhaft beheben könne. Nachdem zeitweise<br />

auch das „Waldhorn" als Archiv-Quartier ins Auge gefasst<br />

30<br />

worden war, wurde 1997 schließlich die leer stehende Werkswohnung<br />

im Ersten Obergeschoss des kommunalen E-Werks als Krauchenwieser<br />

Zentralarchiv ausgewählt und bis zur Jahresmitte 1998<br />

nach den konservatorischen Empfehlungen des Kreisarchivs umgestaltet<br />

und mit Standregalen eines örtlichen Herstellers ausgestattet.<br />

Bei insgesamt fünf Räumen konnte für die Archive der vier<br />

größeren Teilorte jeweils ein eigener Lagerort zur Verfügung gestellt<br />

werden, während sich die nur wenig umfänglichen Bestände<br />

von Bittelschieß und Ettisweiler ein Zimmer teilen müssen. Mittlerweile<br />

wurden die Archive sämtlicher Krauchenwieser Ortsteile<br />

in das neue Zentralarchiv umgesiedelt.<br />

j- V<br />

Aufriss fiirein neues Wohnhaus mit Erker des Gerbereibesitzers<br />

Ambros Weber in der Sigmaringer Straße in Krauchenwies 1898<br />

(GA Krauchenwies IBest. -Nr. 313)<br />

Nachdem solchermaßen konservatorisch akzeptable Lagerungsbedingungen<br />

für die Archivüberlieferung der Gesamtgemeinde hergestellt<br />

waren, konnte 1998 mit der Ordnung und Erschließung<br />

des Kommunalarchivs des Hauptorts Krauchenwies begonnen werden.<br />

Mit der Umlagerung des ungeordnet auf mehrere Rathausspeicher-Räume<br />

verteilten Archivguts in das Kreisarchiv war 1999<br />

eine umfangreiche Aktenaussonderung verbunden, bei der rund<br />

50 laufende Meter nicht archivwürdiger Unterlagen, vor allem jüngere<br />

Rechnungsbeüagen, ausgeschieden wurden. In mehreren<br />

Etappen, die von den personellen Kapazitäten des Kreisarchivs und<br />

den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde bestimmt waren,<br />

wurde sodann von 1998 bis 2005 die gesamte archivwürdige Kommunalüberlieferung<br />

von Krauchenwies erstmals fachlich geordnet,<br />

archivtauglich verpackt und verzeichnet. Die Ordnungs- und Erschließungsarbeiten<br />

wurden unter der Aufsicht des Kreisarchivars<br />

von der Werkstudentin Sybille Glatz, der Zeitkraft Irmgard Christel<br />

sowie Archivpfleger Dr. Armin Heim ausgeführt. Mehrere pilzkon-


taminierte Archivalien mussten einem Fachrestaurator zur Sterilisierung<br />

übergeben werden, ein besonderes Schmuckstück im Bestand,<br />

ein - auch in der Ausstellung zu sehender - großformatiger<br />

Plan zur Abiachkorrektion von 1882 (GA Krauchenwies V Best.-Nr.<br />

16), wurde restauratorisch instand gesetzt. Die Gemeinde Krauchenwies<br />

stellte, verteilt über mehrere Haushaltsjahre, für diese Sicherung<br />

und Erschließung ihrer archivalischen „Schätze" mehr als<br />

20.000 € zur Verfügung. Mit der Fertigstellung eines 547 Seiten<br />

starken Findbuchs konnte die Maßnahme im Frühjahr 2005 abgeschlossen<br />

werden.<br />

Breitere Verwaltungsüberlieferung ab 1800<br />

Welcher Art sind denn nun aber die „Schätze", die in den drei Aktenbeständen<br />

sowie den Abteilungen Amtsbücher und Rechnungen<br />

sowie Karten und Pläne des Gemeindearchivs Krauchenwies zu finden<br />

sind? Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen sind es Unterlagen<br />

aus den vergangenen drei Jahrhunderten; noch älter sind lediglich<br />

ein Vertrag zur Nutzung des Weithart-Genossenschaftswaldes<br />

von 1593 (GA Krauchenwies I Best.-Nr. 309) sowie - allerdings<br />

lediglich in später gefertigten Abschriften vorhegende - Extrakte<br />

aus Innsbrucker Lehensregistern zur Verleihung des österreichischen<br />

Lehens in Krauchenwies von 1361 bis 1609 (GA Krauchenwies<br />

I Best.-Nr. 193) • Während aus der Zeit vor 1800 lediglich<br />

einzelne Rechtsdokumente wie Nachbarschaftsverträge, ein Steuerbuch<br />

oder ein Urbar vorhegen, gewinnt die Überlieferung in der<br />

ersten Hälfte des 19- Jahrhunderts mit der zunehmenden Verschriftlichung<br />

und obrigkeitlichen Reglementierung auch der<br />

Kommunalverwaltungen eine wachsende Breite, die alle Bereiche<br />

der gemeindlichen Aufgabenerfüllung abdeckt. Besondere Fundgruben<br />

sind die ab 1782/83 erhaltenen Gemeinderechnungen, die<br />

in ihrem ältesten, in der Ausstellung gezeigten Exemplar u.a. die<br />

Existenz eines „Gemeindshauses", einer Feuerspritze, eines Schulmeisters<br />

und nicht zuletzt auch eines neu beschafften Hebammenstuhls<br />

als Elemente der damaligen dörflichen Infrastruktur bezeugen<br />

(GA Krauchenwies III Best.-Nr. 1098). Besondere Schmuckstücke<br />

bilden die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vorhegenden<br />

Bauakten mit zumeist farbigen Grund- und Aufrissen, die die bescheidene<br />

bauliche Entwicklung des damaligen Bauern- und<br />

Handwerkerdorfes Krauchenwies bis zum Ersten Weltkrieg dokumentieren.<br />

Neben zahlreichen Bauern- und Taglöhnerhäusern finden<br />

sich darunter auch manche der repräsentativen Bürgerbauten,<br />

die neben dem fürstlichen Gebäudebestand zum zeitweiligen Ruf<br />

von Krauchenwies als „Klein-Paris" beigetragen haben (GA Krauchenwies<br />

I Best.-Nrn. 313 - 315).<br />

Beim Vergleich mit dem Inventar von 1939 werden indessen die<br />

schmerzlichen und unersetzlichen Einbußen deuthch, die das<br />

Krauchenwieser Archiv zumal durch die Verluste der Kriegs- und<br />

Besatzungszeit erlitten hat. Abgesehen von den Dokumenten zur<br />

Feudallastenablösung und diversen Rechtsstreitigkeiten etwa zur<br />

bürgerlichen Holznutzung in den fürstlichen Wäldern (GA Krauchenwies<br />

I Best.-Nrn. 6, 276) oder zur Ablösung der Kirchenbaulast<br />

(GA Krauchenwies I Best.-Nr. 151) finden sich im Archivbestand<br />

kaum Unterlagen zum prominentesten Bewohner des Ortes,<br />

dem in Schloss und Landhaus als Neben- und Sommersitz residierenden<br />

Fürsten von Sigmaringen nebst umfangreicher Hofhaltung.<br />

Kaum dokumentiert ist gleichfalls der Bahnanschluss mit der Errichtung<br />

des repräsentativen Bahnhofs Anfang der 1870er Jahre,<br />

der für die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes neue Horizonte<br />

eröffnete. Ausgesprochen lückenhaft erscheint die Überlieferung<br />

besonders zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das in den ver-<br />

31<br />

schiedenen Aufgabenfeldern der Gemeindeverwaltung nur recht<br />

spärlich dokumentiert ist. Auch hier ist ein Zusammenhang mit<br />

den Aktenverlusten beim Kriegsende 1945 zu vermuten. Es ist mithin<br />

ein „Restbestand" der ursprünglich umfangreicheren kommunalen<br />

Verwaltungsüberlieferung, der über die verschiedenen Einbußen<br />

hinweg Eingang in das jetzt bestehende Gemeindearchiv gefunden<br />

hat.<br />

Ausstellung zeigt inhaltliche und ästhetische Besonderheiten<br />

Für die Ausstellung wurden aus dem Gesamtbestand des Gemeindearchivs<br />

inhaltlich oder ästhetisch besonders sehenswerte und attraktive<br />

„Schätze" ausgewählt und mit knappen Beschrieben präsentiert.<br />

Vorgestellt wurde mithin eine Auslese von Besonderheiten<br />

aus einem sehr viel breiteren und auf den ersten Bhck wenig spektakulären<br />

Spektrum von Verwaltungsschriftgut. Besondere Erwähnung<br />

verdienen neben den farbigen Bauplänen die Unterlagen aus<br />

einer reichhaltigen Dokumentation zur Geschichte der örtlichen<br />

Feuerwehr (GA Krauchenwies I Best.-Nrn. 312, 326, III Best.-Nrn.<br />

1102), Zeugnisse zur Ablösung der Feudallasten in der Mitte des<br />

19. Jahrhunderts (GA Krauchenwies I Best.-Nrn. 57,304, III Best.-<br />

Nrn. 1043), zur dörflichen Gemeindeverwaltung mit ihrem Spektrum<br />

vom Bürgermeister über die Hebamme bis zum Maulwurffänger<br />

(dem „Mauser"). Die wirtschaftliche Entwicklung ist vertreten<br />

durch die Marktordnung von 1809 und Unterlagen zur Ansiedlung<br />

der Firma Tegometall 1966 (GA Krauchenwies I Best.-Nr.<br />

85, IV Best.-Nr. 287) als einer entscheidenden Etappe im Wandlungsprozess<br />

von Krauchenwies zum Gewerbestandort in den<br />

zurückliegenden Jahrzehnten. Interessante Dokumente finden sich<br />

im Gemeindearchiv zum Einzug der Moderne mit dem Aufbau einer<br />

zentralen Wasserversorgung bis 1915, zur Errichtung eines<br />

kommunalen Elektrizitätswerks zusammen mit Ablach bis 1922<br />

und nicht zuletzt zur Regulierung des stark mäandrierenden Ablachflusses<br />

in den 1880er Jahren (GA Krauchenwies I Best.-Nrn.<br />

273, 316, II Best.-Nrn. 344, 586, 641, III Best.-Nr. 1071, V Best.-<br />

Nr. 16).<br />

Nicht ausgeblendet werden dürfen bei einer Archivalien-Schau die<br />

auch im Krauchenwieser Bestand umfangreich vertretenen Dokumente<br />

zum Dritten Reich, zum Zweiten Weltkrieg und zur französischen<br />

Besatzungszeit. Die Nutzung des alten Schlosses zunächst als<br />

Landjahrlager und sodann als Lager für den weibhchen Reichsarbeitsdienst<br />

ist dabei ebenso dokumentiert wie der Einsatz ausländischer<br />

Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter in den Kriegsjahren<br />

auf den Bauernhöfen und in den Gewerbetrieben des Ortes, weiter<br />

der Zustrom von Evakuierten und sodann von Vertriebenen und<br />

nicht zuletzt die auch in den Krauchenwieser Archivalien erkennbare<br />

verbrecherische Herrschaft des Nationalsozialismus mit ihren<br />

schrecklichen Repressionen gegen Gegner und Missliebige (GA<br />

Krauchenwies II Best.-Nrn. 332, 372, 467, 530, 534, 619, 663,<br />

664, 668, III Best.-Nr. 445). Stellvertretend für die im Gemeindearchiv<br />

dokumentierten örtlichen Vereine wurden in die Ausstellung<br />

Unterlagen zum Krauchenwieser Fußballclub aufgenommen (GA<br />

Krauchenwies II Best.-Nr. 423, 424, 492).<br />

Die Archivausstellung sollte einen Einblick gewähren in die Fülle<br />

des im Gemeindearchiv enthaltenen Quellenmaterials zur Geschichte<br />

von Krauchenwies in den zurückliegenden drei Jahrhunderten<br />

- und damit zugleich auch offenbaren, dass die in die Sicherung,<br />

Ordnung und Erschließung der archivalischen „Schätze"<br />

investierten Geldmittel der Gemeinde und Arbeitsstunden der Mitarbeiter<br />

des Kreisarchivs gut angelegt sind. Es sind einmalige Zeugnisse<br />

der Vergangenheit dieses Ortes und seiner Bewohner und da-


mit wichtige Bausteine zur besonderen Identität und zum eigenen<br />

Profil dieser Gemeinde. Die besondere Achtsamkeit und Fürsorge<br />

gegenüber diesen jetzt gesicherten und für die heimatkundliche<br />

wie wissenschaftliche Forschung zugänglichen Schätzen ihrer eigenen<br />

Geschichte legte der Kreisarchivar den Verantwortlichen der<br />

Gemeinde, aber auch allen Bürgern von Krauchenwies ausdrücklich<br />

ans Herz.<br />

Geringßigig überarbeitete Fassung eines Vortrags zur Eröffnung<br />

einer Ausstellung mit „Schätzen" aus dem Gemeindearchiv<br />

Krauchenwies am 4. Juni 2005 in der Gemeindehalle<br />

„Waldhorn" in Krauchenwies.<br />

JÜRGEN SCHEFF<br />

Aus der Not geboren: Bohnerzabbau<br />

auf der Zollemalb bei Salmendingen<br />

im 18. und 19. Jahrhundert.<br />

1 Einleitung<br />

Die Förderung eisenhaltiger Bohnerze aus Karsthohlformen der<br />

Schwäbischen Alb durch die einheimische Bevölkerung im 18. und<br />

19- Jahrhundert stellt ein bisher kaum bearbeitetes Kapitel Wirtschafts-<br />

und Sozialgeschichte dar. Obwohl seit langem als wichtige<br />

ehemalige Zuverdienstquelle von Bauern und Tagelöhnern erkannt,<br />

fehlt bislang eine umfassende Aufarbeitung der zum Teil<br />

bergmännisch betriebenen Bohnerzförderung auf der Alb. Mit Ausnahme<br />

der Arbeiten von ZILLENBILLER (1975), der schwerpunktmäßig<br />

das Fördergebiet um Veringenstadt behandelt, und MAIER<br />

(1958) ist das Phänomen des Erzsuchens, soweit mir bekannt, in<br />

seiner gesamten sozialen Bedeutung ganzheitlich nie bearbeitet<br />

worden. Zwar ist das Phänomen des Bohnerzgrabens dank der vielerorts<br />

zu findenden Abbaugruben in der Bevölkerung noch gegenwärtig,<br />

doch sind schriftlich fixierte Zeitzeugenberichte über<br />

das Vorgehen und die Probleme der Erzgräber bei ihrer nicht ungefährlichen<br />

Tätigkeit nur selten und meist in Zusammenhang mit<br />

Unfällen vorhanden. Der Bohnerzabbau um Salmendingen bildet<br />

hier eine Ausnahme! Es ist das Verdienst zweier <strong>Heimat</strong>forscher,<br />

unabhängig voneinander Fakten über den lokalen Bohnerzabbau<br />

gesammelt zu haben, welche sich gegenseitig ergänzen: Pfarrer<br />

Friedrich Eisele in seiner im Jahr 1899 niedergeschriebenen<br />

Pfarrchronik von Salmendingen sowie Lehrer Josef Bieger, der<br />

1935 die Erinnerungen der 84-jährigen Tochter des letzten Erzmeisters<br />

von Salmendingen, Johann Georg Schmid, schriftlich festhielt.<br />

Mit Hilfe dieser beiden Quellen soll versucht werden, einige<br />

bislang kaum beachtete Aspekte des Bohnerzabbaus auf der Zollemalb<br />

bei Salmendingen zu beleuchten.<br />

2 Anfänge der der Bohnerznutzung auf der Alb<br />

Die Kunst, aus Erzen metallisches Eisen zu gewinnen, hat ihren Ursprung<br />

in Vorderen Orient sowie in Ägypten. Im 2. vorchristlichen<br />

Jahrtausend, vereinzelt bereits im 3. Jahrtausend, sind dort eiserne<br />

Waffen und Schmuckstücke belegt, doch überwiegt noch die Bronzenutzung.<br />

Ab dem 12. Jahrhundert v. Chr. wird im Vorderen Orient<br />

sowie in Griechenland das Eisen das gewöhnliche Metall für<br />

Gebrauchsgegenstände. Nördlich der Alpen treten vereinzelte Eisengegenstände<br />

erstmals im 10. bis 8. Jahrhundert v. Chr. im Fun-<br />

32<br />

Quellen und Literatur:<br />

Gemeindearchiv (GA) Krauchenwies<br />

Sybille Glatz, Irmgard Christel und Armin Heim (Bearb.): Das Gemeindearchiv<br />

Krauchenwies. Findbuch. (1453) - 1593, 1701 -<br />

1991. Kreisarchiv Sigmaringen 2005 (masch.-schr. vervielfältigt)<br />

Landratsamt Sigmaringen, Stabsbereich Kultur und Archiv, Dienstregistratur,<br />

Az. 044.30 Kommunale Archivpflege: Krauchenwies<br />

Archivpflege in den Gemeinden K - 0,1934 - 1971 (Staatsarchiv<br />

Sigmaringen Ho 337 Nr. 13)<br />

Entsendung der Archivreferendare Dr. Schwebel und Dr. Nissen<br />

nach Hohenzollern, um Gemeindearchive zu ordnen, 1939,1942<br />

(Staatsarchiv Sigmaringen Ho 337 Nr. 18)<br />

dinventar von Gräbern der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur<br />

auf, wohl Importartikel aus Süd- und Südosteuropa. Während der<br />

frühkeltischen Hallstattzeit (8. - 5. Jh. v. Chr.) lässt sich einheimisches<br />

metallverarbeitendes Gewerbe nachweisen. Die ältesten ergrabenen<br />

Verhüttungsplätze in Baden-Württemberg datieren in die<br />

2. Hälfte des 5- Jahrhunderts und somit bereits in die spätkeltische<br />

Latenezeit. Auf der Uracher Alb, nahe des Landesgestüts St. Johann,<br />

konnten in den Jahren 1995/96 nach intensiver geomagnetischer<br />

Prospektion einer vor Schlacken übersäten Ackerfläche mehrere<br />

kleine Rennöfen ergraben werden.<br />

Während für die Zeit der römischen Okkupation im 1. bis 3- nachchristlichen<br />

Jahrhundert bislang Hinweise auf einheimische Erzverhüttung<br />

gänzlich fehlen, setzt nach der alamannischen Landnahme<br />

ab dem 5. Jahrhundert im Umfeld der Schwäbischen Alb<br />

eine intensive Nutzung sowohl der Braunjuraerze als auch der<br />

Bohnerze der Albhochfläche ein, die bis in die Neuzeit Bestand haben<br />

sollte (KEMPA 1996). Für Salmendingen ist der Betrieb von<br />

Rennöfen urkundlich erstmals für das Jahr 1525 gesichert (KRAUS<br />

1978: 26). Im Salmendinger Heiligenrodel werden "Bläwinen",<br />

also Blauöfen in der Nähe von Monk und Kornbühl erwähnt. Ab<br />

dem 16./17. Jahrhundert wurden die kleinen, in der Nähe der lokalen<br />

Lagerstätten errichteten Rennöfen von echten Hochöfen verdrängt,<br />

welche unter herrschaftlicher Obhut von Fachkräften geführt<br />

wurden. Von Salmendingen aus durften auf Grund landesherrlicher<br />

Verträge im Allgemeinen nur das fürstlich fürstenbergische<br />

Hammerwerk Thiergarten im Donautal (gegründet 1671) als<br />

auch die hohenzollerischen Hüttenwerke Laucherthal nahe Sigmaringen<br />

(gegründet 1708) beliefert werden. Vereinzelt durfte gegen<br />

Entrichtung eines Zolls auch an einen Zwischenhändler im württembergischen<br />

Ofterdingen geliefert werden; der Verhüttungsplatz<br />

war dann Friedrichsthal bei Freudenstadt.<br />

Mit dem Beginn der Mechanisierung und Industrialisierung gegen<br />

Ende des 18. Jahrhunderts bzw. in der ersten Hälfte desl9- Jahrhunderts<br />

stieg die Nachfrage nach dem Werkstoff Eisen weltweit rasant<br />

an. Technische Neuerungen wie Dampfmaschinen, mechanische<br />

Webstühle, Rundwirkstühle, aber auch die aufkommende Rüstungsindustrie<br />

waren ohne dieses Metall nicht denkbar. Als die Eisenbahn<br />

nach der Jungfernfahrt der legendären Dampflok "Adler"<br />

im Jahr 1835 zwischen Nürnberg und Fürth ihren kometenhaften<br />

Aufstieg auch in Deutschland nahm, war der Eisenbedarf für Schienen<br />

und anderes Zubehör kaum mehr zu decken, so dass systematisch<br />

nach sämtlichen nutzbaren Erzvorkommen gesucht wurde.<br />

Noch 1776 betrug die Roheisenproduktion der Welt etwa 0,2 Mio<br />

Tonnen, 1865 waren es etwa 10 Mio Tonnen, was in gerade 90 Jahren<br />

eine Steigerang um das 50-fache bedeutet (LINDER 1981: 331).


3 Der Bohnerzabbau in Salmendingen im 18. und 19. Jahrhundert<br />

Die mir zugängliche Quellenlage hierzu ist leider unzureichend, da<br />

bislang kaum erforscht. Im Staatsarchiv Sigmaringen lagern Akten<br />

der Hüttenwerke Thiergarten bzw. Laucherthal, welche zumindestens<br />

auszugsweise von ZILLENBILLER (1975) und MAIER (1958)<br />

ausgewertet wurden, aber sicherlich noch zahlreiche interessante<br />

Details bieten könnten.<br />

Die Bohnerzförderung im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert<br />

war in Salmendingen - wie auch andernorts - ein Nebenerwerb der<br />

Landbevölkerung, vorwiegend außerhalb der Zeit der Feldbestellung<br />

und der Ernte, also in den Wintermonaten. Geschürft wurde<br />

in kleinen Gruben, meist auf Allmandteilen und Stockwäldern. Die<br />

anschließend nicht sorgfältig wieder zugeworfenen Löcher im Boden<br />

und andere Missstände wie Verschmutzung der Fischgewässer<br />

beim Erzwaschen führten offensichtlich häufig zu Ärger mit den zuständigen<br />

Behörden. In einer Verordnung für das Fürstentum Sigmaringen<br />

über das Erzgraben, Waschen und Abführen vom 12.<br />

September 1811 erlässt die Hochfürstliche <strong>Hohenzollerische</strong> Regierung:<br />

"In der Erwägung, daß das Erzgraben seit wenigen Jahren unmäßig<br />

über Hand genommen hat, daß die vielen, ohne Ordnung<br />

eröffneten Erzgruben nicht gehörig ausgearbeitet, die<br />

Öschfelder und Waldungen zwecklos zerstöhret und endlich die<br />

in dem Lande gelegenen Eisenwerke einem fühlbaren Mangel<br />

an Erz für die Zukunft ausgesetzt werden, haben Se. Hochfürstliche<br />

Durchlaucht zu Abwendung dieses unersetzlichen Schadens<br />

und zur Einfuhrung einer ordnungsmäßigen Benutzung<br />

der in der Erde gelegenen Vorräte zu verordnen geruhet:<br />

1) Alles Privatgraben, ohne Ausnahme und Unterschied, auf eigenen,<br />

oder Gemeindsgütern soll für die Zukunft gänzlich aufgehoben<br />

seyn. Nur diejenigen Gruben, die von einzelnen Unternehmern<br />

bereits geöffnet wurden, dürfen von ihnen noch<br />

gänzlich ausgegraben, hingegen aber keine neue Gruben angefangen<br />

werden.<br />

2) In allen Orten, wo Erz gegraben wird, sollen nach den Verhältnissen<br />

der Bevölkerung bestimmte Meisterschaften durch<br />

die Ämter aufgestellt und in Pflichten genommen werden.<br />

3) Nur wirklich steuerpflichtige Bürger sind zu dem Meisterrecht<br />

zugelassen. Bloße Hintersassen aber, oder ledige Leute<br />

hiervon auszuschließen.<br />

4) Zu dem Erzgraben sollen vornehmlich Ausfelder, leerstehende<br />

Plätze in den Waldungen undAllmanden, oder anders unbenützte<br />

Gründe ausgewählt werden. Jedoch sollen die Erzmeister nach<br />

den Umständen und den Erfordernissen der Bergwerke berechtigt<br />

seyn, auch auf bewachsenen Waldflächen, oder auf angebauten<br />

Feldern Erz zu graben, in welchem Fall aber die Anzeige bei dem<br />

betreffenden Amte vorher zu machen ist.<br />

5) Die Erzmeister sind schuldig, bei dem Graben vornehmlich<br />

die bedürfigeren Einwohner aus der Bürgerschaft als Gehülfen<br />

für ihre Arbeit anzustellen, es wäre denn, daß sich diese weigernwollten,<br />

um einen billigen Lohn, worüber das amtliche Erkenntnis<br />

vorbehalten wird, in die Arbeit einzustehen....<br />

7) Keine Grube, ehe selbe gänzlich ausgebaut ist, darf bei Verlust<br />

des Meisterrechts verlassen werden. Von Seiten der Bergverwaltung,<br />

an welche das Erz geliefert wird, soll hierüber<br />

fleißiges Nachsehen gehalten werden.<br />

8) Von keiner Meisterschaft darf mehr als eine Grube zu gleicher<br />

Zeit bearbeitet werden. Währen hingegen, wie zuweilen<br />

auf der Alp geschehen kann, die Gruben sehr klein und unbe-<br />

33<br />

deutend, so dürfen 3 Gruben nebeneinander gebauet werden.<br />

9) Den Fuhrleuten aus derjenigen Gemeinde, inner deren Bahn<br />

gegraben wird, kommt die Befugnis zu, in das Fuhrwesen einzustehen<br />

und solches auswärtigen Fuhrleuten zu ziehen. Würden<br />

sie jedoch in den, von den auswärtigen Fuhrleuten angebogenen<br />

Accordpreis nicht eintreten wollen, so steht den Erzmeistern<br />

unbenommen, andere Fuhrleute aus diesseitigen Ortschaften<br />

beizuziehen.<br />

10) Das Einwaschen des Erzes in derLauchert wird überall, wo<br />

das Bett dieses Flusses noch seicht ist, gänzlich verbothen. Nur<br />

von Hitzkofen abwärts, wo der Fluß sich mehr vertiefet, kann<br />

selbes gestattet werden, Alk bereits in der Lauchert bestehenden<br />

Erzwaschen sind daher bei Verlust der Bewilligung dahin<br />

einzurichten, daß der Grund nicht in das Wasser gebracht, sondern<br />

sonst weggeschafft werde...." (MAIER 1958:134f).<br />

Zunächst scheint das Geschäft mit den Bohnerz floriert zu haben,<br />

spätestens mit dem expandierenden Eisenbahnnetz explodierte die<br />

Nachfrage nach Roheisen geradezu. Doch früh erkannte der weitsichtige<br />

Wirtschaftsökonom Ferdinand Steinbeis (1807-1893), damals<br />

als Oberhüttenverwalter in fürstlich fürstenbergischen Diensten<br />

auch für das Hammerwerk Thiergarten zuständig und später<br />

ob seiner Verdienste im Königreich Württemberg geadelt, anlässlich<br />

der Etatberatung für das Geschäftsjahr 1841/42 die daraus erwachsenden<br />

Risiken: "... weil der Eisenwerksbetrieb durch die<br />

Entstehung der Eisenbahnen in eine andere Richtung gewiesen<br />

wird, als sie bisher gangbar war. Es wird in wenigen Jahren so<br />

weit sein, daß die Eisenbahnen mit niedrigsten Frachten das in<br />

England und am Rhein mit Steinkohlen weit billiger als hier<br />

mit Holzkohlen hergestellte Eisen auch nach den süddeutschen<br />

Absatzgebieten schaffen, ganz abgesehen davon, daß künftighin<br />

durch die kommenden Erleichterungen im Transportwesen<br />

viel vorteilhaftere Auswertungsmöglichkeiten gegeben sind, als<br />

sie mit der urwäldlichen Verkohlung in den fürstlichen Werken<br />

in Frage kommen" (SIEBERTZ 1952: 94).<br />

Um die Skepsis von Ferdinand Steinbeis besser verstehen zu können,<br />

muss die wirtschaftliche Effektivität eines Bohnerzhüttenwerks<br />

des 19- Jahrhunderts betrachtet werden. Die vergleichsweise<br />

hochwertigen Bohnerze der Schwäbischen Alb weisen im<br />

Mittel einen Eisengehalt von 28 - 44 % auf, die von Salmendingen<br />

und Veringenstadt teilweise von über 50 %. Sie entstanden als kreidezeitliche<br />

Verwitterungsprodukte der Weißjuraschichten unter<br />

tropischen Klimabedingungen (BORGER 1990). Als grober Richtwert<br />

der bereits ausgereiften Hochofentechnik dieser Zeit wird angegeben:<br />

31 Bohnerz + 11 Holzkohle = 11 Roheisen.<br />

Um eine Tonne geeigneter Holzkohle zu produzieren, mussten ca.<br />

5 Tonnen Buchenholz geschlagen und von Köhlern mehrere Tage<br />

lang arbeitsintensiv aufbereitet werden. Da die Holzvorräte in der<br />

näheren Umgebung der Hochöfen rasch erschöpft waren, wurden<br />

diese aus weit entfernten Waldungen durch Fuhrleute herbeigeschafft,<br />

da weder die Donau noch ihre Nebenflüsse eine Flößerei<br />

wie im Schwarzwald ermöglichten. Vom Hammer Thiergarten ist<br />

bekannt, dass er in großen Mengen Holzkohle aus Ringingen bezog.<br />

In den Jahren 1735-37 wurden dort für das Werk 1571 Bergklafter<br />

Holz verkohlt, das Klafter zu 50 Kreuzer, was einen Gesamtpreis<br />

von 1309 Gulden und 10 Kreuzer ausmachte (KRAUS 1977:<br />

29 0-<br />

Steinbeis behielt Recht. Ende der 40-er Jahre des 19. Jahrhunderts<br />

war der Konkurrenzkampf mit den Steinkohle-Eisenhütten des<br />

Ruhrgebietes voll entbrannt. Die einheimische Verhüttung der Erze<br />

mit Hilfe von Holzkohle, eines nur sehr arbeits- und deshalb ko-


stenintensiv herzustellenden Energieträgers, war ohne die heute<br />

übliche Subventionspraktiken preishch auf Dauer nicht konkurrenzfähig.<br />

Die Randlage Salmendingens im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen<br />

(gleiches gilt für die ebenfalls erzfördernden<br />

Nachbargemeinden Melchingen und Ringingen) - umgeben von<br />

"ausländischen" Territorien mit damals schlechtnachbarlichen<br />

Beziehungen - sowie die große Entfernung zu den Hüttenwerken in<br />

Thiergarten und Laucherthal führten dazu, dass der Erzabbau in<br />

den turbulenten Revolutionsjahren 1848/49 weitgehend zum Erliegen<br />

kam.<br />

Nach der Übernahme der beiden hohenzollerischen Fürstentümer<br />

durch das Königreich Preußen wurde das hiesige Bergbauwesen<br />

durch den Berggeschwornen Adolf Achenbach reformiert und neu<br />

organisiert. Im Auftrag der preußischen Regierung untersuchte er<br />

1852/53 sämtliche Bohnerzlagerstätten in Hohenzollern und erarbeitete<br />

Vorschläge für die Verbesserung der Erzgewinnung. Salmendingen<br />

und seine Nachbarorte scheint hiervon zunächst nicht<br />

profitiert zu haben, offenbar wegen der großen Entfernung zu den<br />

Verhüttungsorten Thiergarten und Laucherthal. Der überdurchschnittliche<br />

Erzreichtum dieser Gegend war wohl bekannt, ebenso<br />

seine volkswirtschaftliche Bedeutung für die hohenzollerische Bevölkerung.<br />

Im Jahr 1857 mahnte Achenbach die Preußische Regierung:<br />

"Die Bohnerzgräberei und die Zugutemachung der<br />

Bohnerze auf den beiden inländischen Hütten zu Laucherthal<br />

und Thiergarten beschäftigen nahezu 1000 der an 66000<br />

zählenden Gesamtbevölkerung. Ohne diese Beschäftigung würden<br />

die durch Kartoffelkrankheit, Mißernten, Hagelschäden etc.<br />

in den letzten Jahren besonders hart betroffenen, weniger begüterten<br />

Einwohner in der traurigsten Lage sich befinden. Es<br />

bedarf daher keines weiteren Beweises, daß die Erhaltung und<br />

Hebung der Eisenindustrie eine der wichtigsten Aufgaben der<br />

Regierung ist." (MAIER 1958:9). Nicht von ungefähr spielte man<br />

offenbar im Jahr 1857 mit dem Gedanken, in Burladingen mit seinen<br />

starken Quellen eine weitere Eisenschmelze zu erstellen, die<br />

dann aber doch nicht mehr realisiert wurde.<br />

4 Johann Georg Schmid, letzter Erzmeister von Sahnendingen<br />

Dass der Bohnerzabbau in Salmendingen kurz vor 1860 noch einmal<br />

in Gang kam und eine neue Blütezeit erlebte, war der Beharrlichkeit<br />

und Geschäftstüchtigkeit eines Salmendinger Bürgers zu<br />

verdanken: Johann Georg Schmid, dem letzten Erzmeister dieser<br />

Gemeinde. Dank des guten Erinnerungsvermögens seiner Tochter,<br />

welche im gesegneten Alter von 84 Jahren ihr Wissen darüber Lehrer<br />

Josef Bieger anvertraute, sind wir über die letzte Phase des<br />

Bohnerzabbaus von Salmendingen gut informiert (BIEGER 1935).<br />

Johann Georg Schmid hatte sich vor seiner Heirat durch den Bau<br />

eines neuen Hauses verschuldet und benötigte eine Zuverdienstmöglichkeit.<br />

In den Waldgebieten von Köbele und Burghalden<br />

suchte er auf seinen Allmandteilen nach einer neuen Erzader, da<br />

die früheren schon längere Jahre still lagen und verfallen waren -<br />

und er wurde nach langen vergeblichen Schürfungen fündig. Überaus<br />

detailliert schildert seine Tochter die harte und gefährhche Arbeit<br />

der Erzgräber, garniert mit persönlichen Annekdoten: "Noch<br />

am Abend begab ersieh nach Ringingen, wo früher auch Erz gegraben<br />

wurde, und wo die Gruben auch still lagen. Zwei Männer,<br />

die Erfahrung im Erzgraben hatten, kamen am andern Tag<br />

und waren der Ansicht, daß hier eine sehr ergiebige Ader angeschnitten<br />

war und erklärten sich auch sofort bereit, mitzutun.<br />

Und nun ging es los. Ich war damals 10 fahre alt. Am Mittag<br />

mußte ich mit anderen Kindern den Arbeitern, es waren 10 -<br />

15, das Essen bringen. Die Grube war ziemlich tief. Vier lange<br />

34<br />

Leitern führten hinunter. Unten wurde ein breiter Gang nach<br />

Norden getrieben. Zwar durfte ich nie hinunter, Frauen und<br />

Kindern war es verboten, hineinzusteigen, aber jeden Morgen<br />

nahm mein Vater Erdöl mit, um das Licht zu unterhalten. Die<br />

Arbeit war immerhin geßhrlich. Ich kann mich noch gut erinnern,<br />

wie die Männer jedesmal bevor sie hinunter stiegen, sich<br />

um das Loch herumstellten und laut ein Vaterunser beteten und<br />

wenn sie abends herauf kamen, beteten sie wieder bevor sie<br />

nach Hause gingen. Wenn der Vater einmal eine Viertelstunde<br />

später als sonst heim kam, waren wir in Angst und Sorgen.<br />

Zwar ist ein schweres Unglück nie vorgekommen, aber verschüttet<br />

wurden doch zweimal Arbeiter. Mit einigen Quetschungen<br />

kamen sie davon." Dass es beim Bohnerzabbau auch<br />

zu tödlichen Unfällen kam, ist aus dem nahen Erpfingen belegt. Am<br />

6. Dezember 1849 wurde der dreißig Jahre alte Erzgräber Johannes<br />

Höneß in einem Untertagebau am Roßberg verschüttet. Zwar<br />

konnte er von seinen Mitarbeitern unter großer Mühe geborgen<br />

werden, doch erlag er seinen Verletzungen wenig später. Seine Gattin<br />

verwand den Verlust nicht und folgte ihm bereits vier Wochen<br />

später ins Grab. Nahe der Grube erinnert ein (leider unbeschrifteter)<br />

Gedenkstein an diesen Unglücksfall (ROMMEL 1948).<br />

Mit dem Graben des Erzes allein war es nicht getan. Die Tochter<br />

von Johann Georg Schmid berichtet weiter: "An einem langen<br />

Seil, das über eine Rolle lief, und an dem zwei Bottiche hingen,<br />

wurde das Erz, das mit Lehm vermischt war, heraufgezogen, auf<br />

den Wagen geladen und an das Bächlein gefahren, das vor dem<br />

Ort an dem Weg nach Ringingen floß. Dort wurde es abgeladen<br />

und gewaschen. Heute noch heißt der Weg dorthin Erzweg<br />

und das Gebiet, wo das Erz gewaschen wurde, die E r z w ä s c h e.<br />

Wenn dann das Erz gewaschen dalag und die Sonnne drauf<br />

schien, dann sah es wunderschön aus. War genügend Erz vorhanden,<br />

dann wurde es nach Laucherthal oder Thiergarten gefahren.<br />

Fünf Fuhrwerke fuhren miteinander. Wenn es bergauf<br />

ging, mußten die Fuhrleute einander Vorspann leisten. Einmal<br />

durfte ich auch mit. Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern<br />

gewesen. In Laiz haben wir eingekehrt und ich sehe heute noch<br />

die dicke Wirtin vor mir, die mir einen ganzen Teller voll<br />

Zuckerbrezeln brachte, es waren die ersten, die ich zu essen bekam<br />

und ich habe wacker zugegriffen. Wenn dann alles wieder<br />

daheim war, dann füllte sich abends unsere Stube mit Arbeitern<br />

und Fuhrleuten. Jetzt wurde das so schwer verdiente Geld verteilt.<br />

Der Verdienst war den damaligen Verhältnissen entsprechend<br />

gut. Einmal haben die Männer die Kronentaler und Gulden<br />

in einen neuen Stiefel meines Vaters geschüttet und der<br />

Stiefel wurde fast voll. Niemals habe ich erlebt, daß sich die<br />

Männer um ihren Verdienst gestritten haben. Nach einigen fahren<br />

hat mein Vater für sein Erz keinen Abnehmer mehr gefunden.<br />

Warum, das weiß ich nicht." (BIEGER 1935).<br />

Nach diesen Schilderungen darf man Johann Georg Schmid als<br />

Großunternehmer in Sachen Bohnerzförderung und -vertrieb ansprechen.<br />

Der Zeitzeugenbericht seiner Tochter wird durch die<br />

Eintragungen in der Salmendinger Pfarrchronik bestätigt. Im offensichtlichen<br />

Spitzenjahr der Förderung 1861 lieferte Schmid<br />

annähernd 1000 Tonnen Erz nach Thiergarten, das bessere Preise<br />

zahlte als Laucherthal. Er machte einen Umsatz von etwa 60000<br />

Gulden, die Gemeindekasse konnte durch Steuereinnahmen, sogenanntes<br />

Kübelgeld, um 600-700 Gulden aufgebessert werden.<br />

Auch 1863/64, das Hammerwerk Thiergarten hatte seinen Betrieb<br />

bereits eingestellt, lieferte Schmid immerhin noch 280 Tonnen Erz<br />

nach Laucherthal und machte einen Umsatz von 17000 Gulden.


5 Das Ende des Bohnerzabbaus<br />

Die von Ferdinand Steinbeis bereits 1841/42 vorausgesagte Krise<br />

der Bohnerzverhüttung wurde rasch zur Gewissheit. Schon 1863<br />

schloss der Hammer Thiergarten wegen Unrentabilität seine Pforten.<br />

Auch die Hüttenwerke in Laucherthal steckten bereits 1865 in<br />

einer tiefen Krise. Der Absatz des hier produzierten Eisens stockte.<br />

Die Hüttenverwaltung informierte die erzfördernden Gemeinden in<br />

Hohenzollern: "Durch die ungünstigen Conjunkturen, welche<br />

die Hüttenwerke zu bestehen haben, worunter namentlich die<br />

gedrückten Preise zu nennen sind, war es der Verwaltung nicht<br />

möglich, den Hochofen zu betreiben, so daß ein großer Vorrat<br />

von Erz vorhanden ist. Wir ersuchen deshalb das Bürgermeisteramt,<br />

dort bei Gelegenheit zum Wissen der Erzgräber zu<br />

bringen, daß sie vorerst mit der Erzgräberei sich nicht beschäftigen<br />

wollen, indessen sind wir bereit, nähere Auskunft auf<br />

mündliche Anfragen zu ertheilen." (DESCHLER 1969: 63).<br />

Im Jahr 1868 stellte auch der württembergische Hochofen zu Friedrichstal<br />

bei Freudenstadt seine Produktion ein, welcher über Zwischenhändler<br />

in Ofterdingen von den hohenzollerischen Erzgrä-<br />

Schriftenverzeichnis<br />

ACHENBACH, A. (1859): Ueber Bohnerze auf dem südwestlichen<br />

Plateau der Alp. - Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde<br />

in Württemberg, 15:103-125; Stuttgart.<br />

BIEGER, J. (1935): Wie früher in Salmendingen Erz gegraben<br />

wurde. Nach den Erinnerungen der ältesten Frau von Salmendingen.<br />

- <strong>Hohenzollerische</strong> Blätter: 22. März 1935.<br />

BORGER, H. (1990): Bohnerze und Quarzsande als Indikatoren<br />

paläogeographischer Verwitterungsprozesse und der Altreliefgenese<br />

östlich von Albstadt (Schwäbische Alb). - Kölner geographische<br />

Arbeiten, 52; Köln.<br />

bern beliefert wurde. Um 1870 war auch Hohenzollern an das<br />

flächendeckende Eisenbahnnetz in Deutschland angeschlossen;<br />

ein schnellerer und somit kostensparender Rohstofftransport, vor<br />

allem von Steinkohle aus entfernteren Gebieten Deutschlands war<br />

nun möglich. Der siegreiche 1870-er-Krieg gegen Frankreich läutete<br />

das endgültige Ende der Bohnerzgräberei ein. Die Nutzung der<br />

riesigen Eisenerzvorkommen im annektierten Lothringen führten<br />

zu einem drastischen Verfall der Marktpreise für Eisen, die Kosten<br />

für den rar gewordenen Rohstoff Holz stiegen hingegen. Die Bohnerzverhüttung<br />

war somit, trotz weiterhin vorhandener Ressourcen,<br />

nicht mehr kostendeckend. Wann genau die Bohnerzförderung in<br />

Salmendingen und seinen Nachbarorten zum Erliegen kam, konnte<br />

bisher nicht ermittelt werden. Noch im Dezember 1871 erlangte<br />

der Ringinger Bürger Jordan Dieter die Befugnis, auf dem "Burren"<br />

nach Sand oder Erz zu suchen (KRAUS 1977: 29). Im Winter<br />

1878/79 wurde der Hochofen in Laucherthal letztmals angefahren.<br />

Sein Erlöschen bedeutete das endgültige Aus für den Bohnerzabbau<br />

in Hohenzollern.<br />

Ehemalige Bohnerzabbaugruben im Salmendinger Wald mit Erläuterungen zum Bohnerzabbau. Foto Eugen Hönes, Salmendingen<br />

35<br />

DESCHLER, J. (1969): Über die Bohnerzgewinnung in der Gemeinde<br />

Bingen. - <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>, 19 (4): 61-63; Sigmaringen.<br />

EISELE, F. (1899): Pfarrchronik Salmendingen (unveröffentlicht).<br />

Pfarrarchiv Salmendingen.<br />

GASSMANN, G. (1997): Neue Forschungen zur keltischen Eisenproduktion<br />

in Süddeutschland. - Archäologische Ausgrabungen in<br />

Baden-Württemberg 1996: 94-100; Stuttgart.<br />

HÜBNER, C. (1997): Zur keltischen Eisenproduktion in Südwestdeutschland:<br />

geophysikalische und geologische Prospektion. - Archäologische<br />

Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1996: 100-<br />

104; Stuttgart.


KEMPA, M. (1996): Das eiserne Zeitalter. Frühe Eisenverhüttung<br />

im Vorland der Schwäbischen Alb. - Begleitheft zur Ausstellung in<br />

Grafenberg (Historische Kelter, 27.04. - 08.07.96) und in Konstanz<br />

(Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, 21.07. -<br />

03.11.96); Grafenberg.<br />

KRAUS, J. A. (1977): Zur Bohnerzgewinnung auf der Alb. - <strong>Hohenzollerische</strong><br />

<strong>Heimat</strong>, 27 (2): 29-30; Sigmaringen.<br />

KRAUS, J. A. (1978): Uralte Erzgewinnung. - <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>,<br />

28 (2): 26-27; Sigmaringen.<br />

LINDER, R. (1981): Eisen von der Alb. - <strong>Heimat</strong>kundliche Blätter<br />

Balingen, 28 (11): 330-331. Bahngen.<br />

MAIER, J. (1958): Geschichte des Fürstlich <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

Hüttenwerkes Laucherthal. - <strong>Hohenzollerische</strong> Jahreshefte, 18: 1-<br />

OTTO H. BECKER<br />

Beobachtungen zur Fidelisverehrung<br />

in der Nachkriegszeit<br />

Die Verehrung des Heiligen Fidelis weist in seiner Vaterstadt eminent<br />

emotionale Züge auf. So rühmen sich viele Angehörige der alt<br />

eingesessenen Familien, mit dem Stadtpatron verwandt zu sein.<br />

Das von dem glühenden Fidelisverehrer und Kapuzinerpater Ferdinand<br />

della Scala getextete und von dem Feldkircher Domorganisten<br />

Wunibald Briem vertonte Fidelislied „Nun lasst ein Lied erklingen..."<br />

pflegt bei vielen Sigmaringern geradezu Schauder auszulösen.<br />

Nicht wenige sind noch als gestandene Männer stolz, dass<br />

sie als Knaben einmal die Fideliswiege bei der Prozession am 24.<br />

April mittragen durften. Viele Katholiken in unserer Stadt bekunden<br />

mit großer Freude, nach dem Empfang des Taufsakramentes<br />

in die Wiege des Heiligen Fidelis gelegt worden zu sein. Unserer<br />

weitgehend säkularisierten Gegenwart zum Trotz hat das Fidelisfest<br />

im Jahresablauf in Sigmaringen seinen außerordentlichen Platz behaupten<br />

können.<br />

Für die Sigmaringer i^t der Bekenner Fidelis vor allem aber Stadtpatron.<br />

So wähnte sich die Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg unter<br />

dem besonderen Schutz des Heiligen Fidelis. Wie wir aus dem<br />

Tagebuch von Maximilian Schaitel entnehmen können, soll Stadtpfarrer<br />

Norbert Beuter in seiner kurzen Ansprache am 24. April<br />

1945 in Sankt Johann gesagt haben: „Sankt Fidelis hat seine <strong>Heimat</strong>stadt<br />

vor schwerem Leid bewahrt. Danket ihm!" Der Geistliche<br />

spielte dabei auf das so genannte „Fideliswunder" an. Danach<br />

sollte Sigmaringen im April 1945 durch einen Bombenangriff zerstört<br />

werden; dieses Vorhaben sei dann aber in letzter Minute<br />

durch das Walten des Heiligen Fidelis vereitelt worden. Dieser geplante<br />

Angriff auf die Stadt wird übrigens durch Zeugnisse von<br />

deutscher, aber auch von französischer Seite gestützt. Bezeugt ist<br />

ferner, dass in der Pfarrkirche Sankt Johann vor dem drohenden<br />

Bombardement die Sturmnovene abgehalten wurde.<br />

Das besondere Verhältnis der Sigmaringer zu ihrem Stadtheiligen<br />

erfuhr in der Nachkriegszeit eine üble Kolportage. So ist in der<br />

Schwäbischen Zeitung Sigmaringen vom 11. August 1949 folgender<br />

Bericht enthalten: „Ein Sturm der Entrüstung wurde unter den<br />

Katholiken der Kreisstadt durch eine Meldung der in Augsburg erscheinenden<br />

Tagespost ausgelöst, wonach Father Reichenberg, ein<br />

amerikanischer Geistlicher, in Ottobeuren vor mehr als 30 000<br />

Flüchtlingen die Sigmaringer Katholiken angeklagt habe, Andachten<br />

zum heiligen Fidels zu veranstalten, damit er das Land vor dem<br />

Zuzug von Flüchtlingen rette. Der Rundfunk übernahm diese Meldung<br />

und behauptete, daß man in Sigmaringen sogar Messen in<br />

diesem Sinne lesen würde..."<br />

36<br />

143; Gammertingen.<br />

ROMMEL, K. (1948): Erzgräber auf der Alb.- Reutlinger <strong>Heimat</strong>buch,<br />

5. erw. Aufl.: 265-268; Reutlingen.<br />

SIEBERTZ, P. (1952): Ferdinand von Steinbeis. Ein Wegbereiter<br />

der Wirtschaft. Stuttgart.<br />

STAUSS, L. (1951): Die Bohnerzgewinnung in Inneringen. - Hohenzollereische<br />

<strong>Heimat</strong>, 1: 24; Sigmaringen.<br />

WEIGER, K. (1908): Beiträge zur Kenntnis der Spaltenausfüllungen<br />

im weißen Jura auf der Tübinger, Uracher und Kirchheimer Alb. -<br />

Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg,<br />

64:187-248; Stuttgart.<br />

ZILLENBILLER, E. (1975): Bohnerzgewinnung auf der Schwäbischen<br />

Alb. Gammertingen<br />

Der Artikel wurde gekürzt in dem in Hechingen erscheinenden<br />

„Schwäbischen Tagblatt" vom 13. August 1949 abgedruckt. In der<br />

Augsburger Tagespost vom 2. August 1949 heißt es hierzu: "Wenn<br />

man, sagt F. Reichenberg wörtlich 'Andachten zum hl. Fidehs von<br />

Sigmaringen veranstaltet, daß er das Land vor dem Zuzug von<br />

Flüchtlingen verschonen solle, dann ist dies die Bankotterklärung<br />

des Christentums'".<br />

Der Ankunft der Flüchtlinge sah man in Sigmaringen wie übrigens<br />

auch anderswo mit großer Sorge entgegen. Dass die Sigmaringer<br />

zu deren Abwehr den Märtyrer Fidehs bemüht haben sollten, ist<br />

nicht belegt. In der Schwäbischen Zeitung vom 11. August 1949<br />

heißt es denn auch: „Gegen diese groben und gehässigen Verleumdungen<br />

hat Stadtpfarrer Maier sofort bei den zuständigen Stellen<br />

Beschwerde erhoben und verlangt, daß Father Reichenberg<br />

sich darüber ausspricht, was ihm Anlaß zu dieser unwahren Behauptung<br />

geben hat. Tatsächlich ist in den Sigmaringer Kirchen<br />

niemals zum heiligen Fidehs um ein solches Anliegen gebetet worden.<br />

Ein einziger derartiger Fall würde bestimmt bei der großen<br />

Zahl der Flüchtlinge und der Kirche nicht wohlgesinnter Kreise der<br />

Öffentlichkeit in Sigmaringen.. .und im ganzen Lande nicht verborgen<br />

gebheben sein..."- Obgleich diese Vorwürfe jeglicher Grundlage<br />

entbehrten, macht die Episode in Ottobeuren doch deutlich,<br />

was Zeitgenossen den Sigmaringern in Bezug auf ihren Stadtpatron<br />

zu unterstellen in der Lage waren.<br />

FRIEDRICH R. WOLLMERSHÄUSER<br />

Auswanderer aus Hermannsdorf<br />

im Jahr 1816<br />

In einer Aufstellung der für die Höfe in Hermannsdorf zu Martini<br />

1816 schuldigen Abgaben heißt es bei folgenden Bauern, sie seien<br />

nach Rußland ausgewandert: Friedrich Nagel (l'A Hof), Christian<br />

Nagel, Matheus Kiebel, Michael Wießmann, Jakob Kiedaisch (je 1<br />

Hof), Franz Schuler (l'A Hof), Johann Mauthe (1 Hof), Johann<br />

Georg Kümmerle der Vogt, Andreas Schäufele, Friedrich Baur, Johann<br />

Rein, Johann Stiefel, Melchior Stierles Witwe und Adam Vesters<br />

Witwe (je 1/2 Hof).<br />

Folgende Bauern blieben am Ort: Jakob Klein, Kaspar Stiefel, Matheis<br />

Maiers Witwe (je 1 Hof), Alt Michael Schäufele, Jung Michael Schäufele,<br />

Jakob Gaiser, Michael Weiß, Friedrich Reichart, Heinrich<br />

Wernle, Bernhard Braun,Jakob Dietz und Johann Weiß (je 'A Hof).<br />

Die frei gewordenen Höfe wurden am 22. Juh 1816 von Wendelin<br />

Mauz aus Burladingen gepachtet.<br />

(Ouelle:Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 39 DH 14 T. 1 Band 11,<br />

Renteirechnung Hechingen 1816/17, Seite 49).


ULRICH FELDHAHN<br />

Der „Columbus von Hohenzollern":<br />

Rudolf Graf von Stillfried-Alcäntara<br />

(1804-1882)<br />

Ausstellung zum 125. Todestag<br />

Rudolf von Stillfried war eine der vielseitigsten und schillerndsten<br />

Figuren am preußischen Hof im 19- Jahrhundert. Als Spross einer<br />

in Schlesien beheimateten Adelsfamilie zeigte er schon früh ein<br />

ausgeprägtes Interesse an Geschichte und Kunst. Die Bekanntschaft<br />

mit dem sich im benachbarten Hirschberger Tal verschiedene<br />

Sommersitze einrichtenden preußischen Königshaus bildete<br />

den Auftakt einer glänzenden Karriere, die u. a. das Amt des Oberzeremonienmeisters,<br />

die Leitung des königlichen Hausarchivs sowie<br />

zahlreiche Würden und Auszeichnungen umfassen sollte. Im<br />

Auftrag des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV.<br />

(1795-1861) erforschte Stillfried die ältere Geschichte der Hohenzollern<br />

und konnte die lückenlose Abstammung des .preußischen<br />

Herrscherhauses von den schwäbischen Grafen von Zollern<br />

nachweisen, weshalb ihn Alexander von Humboldt (1769-1859)<br />

humorvoll als „Columbus von Hohenzollern" bezeichnete.<br />

Portrait des Grafen Stillfried in der Bibliothek der Burg Hohenzollern<br />

Stillfrieds Erkenntnisse flössen auch unmittelbar in den 1850 bis<br />

1867 erfolgten Wiederaufbau der Burg Hohenzollern ein, den er<br />

maßgeblich mitgestaltete und unermüdlich vorantrieb. Seine Rolle<br />

als Berater und Vermittler erlangte bei der vorausgegangenen<br />

Übernahme der hohenzollerischen Fürstentümer durch Preußen<br />

auch politische Dimensionen. Erfolgreich appellierte er damals an<br />

das dynastische Selbstverständnis des preußischen Königs, indem<br />

er ihm nach den Unruhen von 1848/49 erfolgreich vermitteln<br />

konnte, dass ohne einen derartigen Schritt die etwaige Übernahme<br />

der Stammlande durch Württemberg drohe.<br />

Bereits 1835 war Stillfried erstmals nach Südwestdeutschland gereist,<br />

um sich von der seinerzeit noch ruinösen Stammburg ein<br />

Bild zu machen und die vor Ort befindlichen Quellen und Zeug-<br />

37<br />

nisse zu den Anfängen der Hohenzollern zu studieren. Die Ergebnisse<br />

seiner Forschungen begann er bereits wenig später in umfangreichen<br />

und aufwendig gestalteten Publikationen, wie den ab<br />

1838 erscheinenden „Alterthümerfn] und Kunstdenkmale[n] des<br />

Erlauchten Hauses Hohenzollern" zu veröffentlichen. Mit dem offiziell<br />

mit der Wiederherstellung der Burg betrauten Architekten<br />

Friedrich August Stüler (1800-1865) verband ihn ein respektvollkollegiales<br />

Verhältnis, wenngleich sich dessen an einer internationalen<br />

Neugotik orientierten Entwürfe nicht immer mit den betont<br />

dynastisch ausgerichteten Vorstellungen Stillfrieds deckten. Nach<br />

dem Tode Stülers übernahm Stillfried die Bauleitung und hielt<br />

schließlich bei der am 3- Oktober 1867 erfolgten Einweihung der<br />

Burg in Gegenwart König Wilhelms I. (1797-1888) eine enthusiastische<br />

Rede, die gewissermaßen die Krönung semer jahrzehntelangen<br />

Bestrebungen bildete.<br />

II •w -y-' t h<br />

iifr.. y p !<br />

Burg Hohenzollern, Federzeichnung des Grafen Stillfried in seinem Tagebuch<br />

von 1867 (Privatbesitz)<br />

Auch bei Angehörigen der süddeutschen Familienzweige genoss<br />

Stillfried Ansehen und Vertrauen. So begleitete er die 1858 mit König<br />

Pedro V. von Portugal (1837-1861) vermählte Prinzessin Stephanie<br />

von Hohenzollern-Sigmaringen (1837-1859) nach Lissabon<br />

und erhielt hierfür den Titel eines Granden von Portugal und<br />

Grafen von Alcäntara. Nachdem er infolge seines Mitwirkens an der<br />

1861 in Königsberg abgehaltenen Krönungsfeier Wilhelms I. auch<br />

in den preußischen Grafenstand erhoben war, nannte er sich<br />

fortan „Graf von Stillfried-Alcäntara".<br />

Die zu seinem 125. Todestag im eigens hierfür renovierten und<br />

erstmals öffentlich zugänglichen Torturm präsentierte Ausstellung<br />

zeichnet den steilen Aufstieg Stillfrieds nach und beleuchtet<br />

Aspekte seines umfangreichen Schaffens. An Hand von Gemälden,<br />

Grafiken, Fotografien, persönlichen Objekten und Publikationen,<br />

darunter bibliophile Kostbarkeiten wie die seltene „Fürstenausgabe"<br />

seines erfolgreichsten Werkes „Die Hohenzollern und das<br />

deutsche Vaterland", wird die einstige Bedeutung dieses ambitionierten<br />

Mannes vor Augen geführt.


Die Ausstellung auf der Burg Hohenzollern dauert von 11. August<br />

bis 28. Oktober 2007 und ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.<br />

Weitere Informationen:<br />

Verwaltung Burg Hohenzollern<br />

72379 Burg Hohenzollern<br />

Tel. +49-(0)7471-2428<br />

Fax: +49-(0)7471-6812<br />

verwaltung@burg-hohenzollern.com<br />

www.burg-hohenzollern.com<br />

JOSEF SCHNEIDER<br />

Als man in Gruol noch das Wasser hütete<br />

Die Wiesenbewässerung im Hausertal<br />

Auf der Gemarkung Gruol gibt es noch den alten Flurnamen „Wässergraben".<br />

Die junge Generation kann damit nicht viel anfangen,<br />

so wichtig die Bezeichnung gewesen sein mag. Gemeint ist damit<br />

ein alter, im Sommer trockener Wassergraben im Hausertal zwischen<br />

Gruol und Binsdorf, der in der Zeit des einstigen Wässerrechts<br />

wirtschaftliche Bedeutung hatte. Dieses Wässerrecht hat<br />

eine lange Vergangenheit. „Schon seit urdenklichen Zeiten", so<br />

heißt es in einer Verlautbarung im „<strong>Hohenzollerische</strong>n Wochenblatt<br />

1851, „benützen unsere Voreltern dieses Wasser zur Bewässerung,<br />

woher es auch kommt, dass der Ertrag der betreffenden<br />

Wiesen mit keinem anderen Dungmittel so hoch gesteigert werden<br />

kann als mit dem Wasser aus Erlaheim und Binsdorf."<br />

Denn bei hohen Niederschlägen nach Gewittern oder Schneeschmelzen<br />

pflegten die Gülle- und Abortgruben in diesen beiden<br />

Orten überzulaufen. Das von hohen Nährstoffen angereicherte<br />

Wasser des Hausertalbaches und den Nebenfluss Keinbach war den<br />

Landwirten, die in der Tallage Wiesengrundstücke besaßen, geradezu<br />

willkommen. Die Ertragssteigerung der Wiesen bheb bei diesem<br />

angereicherten Wasser nicht aus. In vielen Fällen war diese so<br />

hoch, dass Trocknung auf dem Boden kaum mehr möglich war<br />

und das Heu auf die Heinzen gebracht wurde, wo es dann mehrere<br />

Tage Zeit bis zu einem guten Heu brauchte.<br />

Nun war allerdings ein System erforderlich um das kostbare Wasser<br />

gleichmäßig auf die Grundstücksbesitzer zuzuleiten. Denn keiner<br />

wollte auf die „Wässere" verzichten und noch viel weniger auf<br />

das Wasser, das ihm aufgrund des Rechts zustand. Über die beiden<br />

Wasserführungen, dem Hausertalbach und dem Wässergraben,<br />

wurde das Wasser erfasst, über anschließende Gräben zu den Wiesen<br />

geleitet.<br />

Im Hausertalbach waren von altersher massive Fallen eingebaut,<br />

die bei Hochwasser mit einem Holzverschlag versehen wurden,<br />

um das Wasser in die Wiesen zu leiten. Kein Tropfen durfte daneben<br />

gehen; die Falle wurde noch mit Rasen abgestopft. Im Frühjahr<br />

wurden zumeist die oft zugeschwemmten kleinen Gräben von<br />

Hand oder mit einem Pflug wieder freigelegt. Man geht zum „Wässere"<br />

hieß es früher, wenn das Wasser vom kleinen Heuberg ins<br />

Hausertal floss und manchmal auch den Landwirten übel mitspielte,<br />

wenn es neben dem Wässern das Heu wegschwemmten.<br />

Das Wässern wurde je nach Niederschlägen mehrmals im Jahr<br />

durchgeführt. Die Zeitdauer über die ein Grundstücksbesitzer<br />

Wasser einleiten durfte, bestimmte der „Wässermeister", der bei<br />

38<br />

Überschreiten eingreifen und die betreffenden Gräben zumachen<br />

durfte. Dennoch gab es mitunter Landwirte, die der Regel nicht<br />

trauten. Sie begaben sich zur Nachtstunde auf ihre Wiesen im Hausertal<br />

und achteten darauf, dass ihnen nicht der Nachbar oder<br />

auch oberhalb ansässige Grundstücksbesitzer das „Wasser nicht<br />

abgruben". Es soll auch Landwirte gegeben haben, die ständig mit<br />

der Hacke den Schlamm in diese Wiesen leiteten. Das hatte den<br />

Sinn, möglichst viel Wasser zu ergattern, und zum anderen war<br />

auch der Schlamm nährstoffangereichert. Die Wiesenbewässerung<br />

war aber nur im Hausertal möglich. Früher soll eine solche auch<br />

in der Flur „Lehen", man sagt landläufig „Laien" dazu, die Regel<br />

gewesen sein.<br />

Ob die Geschichte auf Wahrheit beruht, ist nicht sicher. Jedenfalls<br />

soll es mal zwischen zwei Landwirten wegen des Wassers zu einem<br />

heftigen Streit nüt Totschlag gekommen sein. Das Sühnekreuz am<br />

„Krotenbühl" soll damit im Zusammenhang stehen. Es gibt aber<br />

auch noch eine andere Version: Zwei Fuhrleute seien sich in dem<br />

engen Hochweg in die Haare geraten, wobei es ebenfalls zu einem<br />

Morde gekommen sei.<br />

Übrigens ist auf Veranlassung des früheren Ortsvorstehers Erwin<br />

Pfister (+ 2006) das Kreuz renoviert und auf eine Platte gestellt<br />

worden, wo es vor der Bodenfeuchtigkeit geschützt ist.<br />

Die Wiesenbewässerung ist nur noch ein Stück Wirtschaftsgeschichte.<br />

Mitte der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts ging sie<br />

zu Ende. Die alte Hausertaleiche könnte wohl viel erzählen aus der<br />

Zeit, wo jede Gabel Heu gut gebraucht wurde.<br />

Die alte Hausertaleiche im gleichnamigen<br />

alt. Foto: Josef Schneider<br />

Tal ist über500Jahre


Mit dem Hausertalbach verband sich schon immer eines der reiz-<br />

vollsten Wiesentäler des hohenzollerischen Unterlandes. Der Bach<br />

durchfloss in einigen Windungen das von anmutigen Waldbildern<br />

umrahmte Tal, wobei sich die alte Keinbachmühle nahezu hedhaft<br />

(„In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad..") in das Gesamtbild<br />

harmonisch einfügte. Diese hegt nahe der Landesgrenze<br />

und gehört kommunal zu Binsdorf. Über ihr Alter ist wenig bekannt.<br />

Schon 1748 erwähnt, wurde sie 1888 von Valentin Schluck<br />

aus Geishngen käuflich erworben. In der dritten Generation befin-<br />

Der Müller vom Keinbach hatte es früher nicht leicht. Bei den unwegsamen<br />

Verhältnissen hatte er viel Mühe, die Getreide- und<br />

Mehlfuhren zur und von der Mühle zu bringen. Erst 1884/85<br />

wurde die Kreisstraße Gruol - Binsdorf gebaut und der Durchstich<br />

oberhalb der Eiche gemacht. Hyronimus Schluck hatte zwölf Kinder<br />

zu ernähren. Im Zuge der Kriegsereignisse im April 1945 war<br />

das Anwesen in großer Gefahr. Das Loreto-Wäldle wurde am 20.<br />

April zusammengeschossen und auch im nahen Binsdorf gab es Ziviltote.<br />

Von Gruol herkommend tauchten nachmittags französische<br />

Panzer auf, die auf dem einsamen Gehöft deutsche Soldaten vermuteten<br />

- und bei dieser Gelegenheit den guten Most probierten.<br />

Und da trat auch ein Kuriosum ein: Tatsächlich hatten sich deutsche<br />

Soldaten auf dem Heuboden versteckt, während zur gleichen<br />

Zeit unten in der Scheune Franzosen ihre Fahrzeuge reparierten.<br />

Zum Glück wussten beide nichts von einander. Die Deutschen verließen<br />

in den darauf folgenden Tagen die Keinbachmühle Richtung<br />

<strong>Heimat</strong>. Sie brauchten nicht abgeführt zu werden wie einst der Zigeunerhannes<br />

zu Fürst Josephs Zeiten, als dieser ebenfalls in der<br />

Keimnachmühle campierte.<br />

Der Hausertalbach, der mit seiner Buschlandschaft der Talaue das<br />

Gepräge gibt, hat sich in den Siebzigerjahren zu einem großen Sorgenkind<br />

entwickelt. Schuld daran war der Mensch, der in den<br />

natürhchen Bachlauf eingriff. Im Zuge der 1968 beschlossenen<br />

Flurneuordnung wurde der Bachlauf als Vorfluter für Dränageflächen<br />

kerzengerade ausgebaut. Die Folge war, dass die Uferböschung<br />

auskolkte. Die Uferbefestigung war den zuweilen großen<br />

Wassermassen, die der Bach vom Kleinen Heuberg brachte, nicht<br />

gewachsen. Dieses riss Löcher in die Ufer und schwemmte viel Boden<br />

weg. Die Reparaturen gingen in die Tausende. Der Gemeinderat<br />

Haigerloch war nicht mehr bereit, Unsummen in den Bach zu<br />

werfen und einem Fass ohne Boden gegenüber zu stehen. Ge-<br />

39<br />

det sie sich im Besitz der Familie Schluck, die heute noch dort<br />

schaltet und waltet, allerdings nur noch mit Landwirtschaft. Die geringe<br />

Wasserkraft, die der Keinbach über einen Kanal lieferte, ließ<br />

den Mühlenbetrieb nicht mehr zu. Hyronimus, der Sohn des 1904<br />

verstorbenen Valentin, erwarb 1919 die Untere Mühle in Gruol, die<br />

bis zuletzt vom Sohn Klemens betrieben und auch modernisiert<br />

worden war. Im Zuge des allgemeinen „Mühlensterbens" nach<br />

dem 2. Weltkrieg stellte auch die Untere Mühle ihren Betrieb ein.<br />

Die Kainbachmühle bei<br />

Binsdorf erhielt ihren<br />

Namen von dem bei<br />

Binsdorf entspringenden<br />

Kainbach (Keinbach),<br />

einem kleinen<br />

Zufluss des Hausertalbacbes.<br />

Die Mühle wurde<br />

schon 1748 erwähnt.<br />

Postkarte aus der<br />

Sammlung Josef<br />

Schneider.<br />

meinde- und Ortschaftsrat erkannten das Problem. Man merkte,<br />

dass der um 500 Meter verkürzte Bach den Eingriff in seinen natürhchen<br />

Lauf übel genommen hat. Der Ausbau und die Sicherung der<br />

Ufer hielten nicht stand. Eingelegte Bongosischalen wurden vom<br />

Wasser weggeschwemmt, Tiefenerosion, Böschungs- und Uferauskolkungen<br />

versetzten den Bach in einen Zustand der ernste Sorgen<br />

machte und darüber hinaus die Schönheit des Tales beeinträchtigte.<br />

Über 30 Jahre brachte er die Gemeindepolitiker auf Trab.<br />

Der arg mitgenommene Hausertalbach unterhalb des Kain-<br />

bachs. Die 1968 beschlossene Flurneuordnung verursachte<br />

durch die Begradigung des Baches diese Schäden.<br />

Foto: Josef Schneider.


Man wollte daran gehen den angerichteten Schaden wieder gut zu<br />

machen und den Bach zu renaturieren. Die Verwaltung ließ sich<br />

vom Institut für Wasserbau und Kulturtechnik an der Technischen<br />

Hochschule Karlsruhe die Technik des mäandierenden Bachlaufes<br />

aufzeigen. Es wurden Bemühungen um Grunderwerb getätigt und<br />

der Bach abermals in eine Baustelle verwandelt. Jetzt drehte man<br />

den bisherigen Sachverhalt ins Gegenteil um: Es gab jetzt Flachufer<br />

und eine neue angepasste Uferböschung. Es entstand ein neuer<br />

Hausertalbach und ein schöner dazu. Das Tal erhielt wieder sein<br />

altes vertrautes Bild. Und der Bach hat in seiner neuen Ufergestaltung<br />

fürs erstemal die Probe bestanden. Als man den Bach in sein<br />

neues Bett auf die Wanderschaft schickte, dachte man auch ökologisch:<br />

Die Lebewesen wurden in ihre neue Lebenswelt mit umgesiedelt.<br />

Die Baukosten lagen bei 450 000 Mark. Vom Land bekam<br />

die Gemeinde 70 Prozent Zuschuss. Ebenso wurde der Grunderwerb<br />

für die Neuanlage des Baches vom Staat mit 80 Prozent bezuschusst.<br />

Das war nun die zweite „Restaurierung", die der Hausertalbach<br />

über sich ergehen lassen musste. Eine der ersten fand 1851 statt.<br />

Daüber berichtet das „<strong>Hohenzollerische</strong> Wochenblatt" 1851:<br />

„Restaurierung einer Wiesenbewässerung auf der<br />

Gruol.<br />

Gemarkung<br />

Auf der Gemarkung Gruol, gegen Erlaheim und Binsdorf bin,<br />

liegt ein, den Grundbesitzern zu Gruol zugehöriges Wiesen thal.<br />

Mitten durch dieses Thal, sogenanntes Hauserthal, führt ein<br />

Graben, sog. Kainbach, welcher das Abwasser von genannten<br />

Orten ableitet. Wenn z. B. Regenwetter eintritt, so macht das<br />

Wasser die Güllenbehälter in E. [Erlaheim] und B. [Binsdorf]<br />

überlaufend, nimmt überhaupt jeden dunghaltigen Stoff in<br />

sich auf, und geht so mit Nahrungsstoff geschwängert, durch<br />

genanntes Wiesenthal. Natürlich benutzten unsere Voreltern<br />

schon vor urdenklichen Zeiten dieses Wasser zur Bewässerung,<br />

woher es auch kommt, dass der Ertrag betr. Wiesen mit keinem<br />

andern Dungmittel so hoch gesteigert werden kann, als mit<br />

dem Abwasser von E. undB.<br />

Das Hauserthal hat einerseits eine mäßige Erhöhung, und kann<br />

das Wasser, des mitten durch das Thal führenden Kainbachs<br />

beim Eintritte in' s Thal am Rande der Erhöhung hingeleitet<br />

werden, wodurch und von wo aus die Bewässerung des ganzen<br />

Thaies bewerkstelligt werden kann, indem man das mäßig<br />

schnell abgelaufene Wasser der Wässerungswiesen am sog.<br />

Wässergraben wiederum diejenigen Wiesen bewässert, welche<br />

unter dem länglich dahinziehenden Abhang liegen. Die Wiesen,<br />

welche unmittelbar am Wässergraben liegen, und so durch die-<br />

ROLF VOGT<br />

Krach und Irrtum -<br />

eine Fußballgeschichte<br />

Zum 100. Jubiläum des FC Hechingen<br />

100 Jahre Fußball in Hechingen im Jahr 2007? Kann sein. 100<br />

Jahre FC 07 Hechingen, wie es in diesem Sommer gefeiert wird?<br />

Kaum. So geradlinig läuft die Geschichte nicht, schon gar nicht die<br />

deutsche.<br />

Gegründet wurde der FC 07 Hechingen am 16. Januar 1951. Die<br />

Gründungsversammlung fand im Konstantinsaal des Museums statt.<br />

Sie war aus der Not geboren. Der Sportverein Hechingen, zu dem bis<br />

40<br />

sen bewässert werden können, betragen ungefähr 80 Morgen;<br />

diejenigen, welche durch das ablaufende Wasser von diesen<br />

wiederum bewässert werden können, eben so viel, oder auch<br />

mehr.<br />

Seit vielen Jahren her lag aber leider der Wässergraben im Hauserthal<br />

im Argen, indem die Zeit denselben mit Schlamm verebnete,<br />

ohne dass er ausgeschlagen wurde. Abgesehen davon,<br />

dass den betr. Wiesen durch Bewässerung kein Nahrungsstoff<br />

mehr zugeführt wurde, konnten die Mäuse, da der Boden sehr<br />

locker ist und die Wiesen, oder vielmehr das ganze obere Thal<br />

vom Walde umgeben ist, so überhand nehmen, dass durch deren<br />

Verwüstung der Ertrag der Wiesen, weniger als nur auf die<br />

Hälfte gegenüber früher verminderte. Dies nun wohl einsehend,<br />

namentlich aber fühlend, waren auch recht gerne die betr. Wiesenbesitzer<br />

bereit und erbötig, gedachte Bewässerung auf Anregung<br />

des Herrn Bürgermeisters Flaiz wieder in einen solchen<br />

Zustand zu bringen, dass eine vollkommene Bewässerung, wie<br />

ehemals, stattfinden kann. Unter Aufsicht wurde der Wässergraben<br />

wieder vom Schlamm befreit, demselben die gehörige<br />

Weite und Tiefe gegeben, Fallen angebracht, so, dass die Bewässerung<br />

nun vor ungefähr 14 Tagen beginnen konnte. Von den<br />

Wässermeistern, Joseph Münzer undJohann Kränzler, wurde die<br />

„Wässere" den obersten Wiesenbesitzem angesagt, dieses durften<br />

sie eine gewisse Zeit, je nach der Größe des Grundstücks,<br />

behalten, und hatte sie sodann wiederum seinem Nachbarn anzusagen,<br />

und so geht's fort bis zum untersten Wiesenbesitzer,<br />

dann fängt's wieder oben an. Daß die Sache immer ihren<br />

gehörigen, oder vielmehr ortsübl. Gesetze geht, darüberhaben<br />

die beiden Wässermeister zu wachen, und allenfallsige Uebertretungen<br />

mit Strafe zu rügen. In 6 Stunden können bei mittlerem<br />

Wasser-Zudrang 2 Morgen bewässert werden. Ist das<br />

nicht schön? Ganz versiegbar, auch bei anhaltend trockener<br />

Witterung, ist das Wasser niemals, indem in gedachten Orten<br />

Brunnen sich befinden, welche immerhin Wasser liefern, auch<br />

vom Felde her sich ganz geeignetes Wasser beimischt.<br />

Die Kosten und Mühen der Erneuerung - Restaurirung des seit<br />

mehreren Jahren her gleichsam „wüst" gelegenen Wässergrabens<br />

im Hauserthal auf der Gemarkung Gruol werden durch<br />

den erhöhten und bessern Futter-Ertrag schon im ersten Jahre<br />

mehr ah vollkommen gedeckt werden, und die Wiesenbesitzer<br />

werden sich gewiß zu großem Danke verpflichtet fühlen gegen<br />

utisem, in dieser Hinsicht ganz besonders eifrigen und thätigen<br />

Ortsvorstand."<br />

dahin die Sparte Fußball gehörte, hatte sich im Herbst 1950 aufgelöst,<br />

weil die wichtige Turnabteilung aus dem Verein ausgetreten<br />

war, um einen eigenen Verein zu bilden. Die Auflösung des Sportvereins<br />

wurde zum 1. Januar 1951 wirksam. Die Fußballsparte<br />

musste sich neu organisieren.<br />

74 Hechinger traten dem neuen Verein als Gründungsmitglieder<br />

bei. Zwei fast gleich große Gruppen saßen im Museum. Das zeigte<br />

sich in der Vorstandswahl. Nachdem es nicht gelungen war, den<br />

bisherigen Spartenleiter Wolfgang Walhshauser zur Kandidatur zu<br />

überreden, wurde „mitgeringer Stimmenmehrheit" in geheimer<br />

Wahl der Zahnarzt Dr. Erich Buri zum Vorsitzenden gewählt. Er<br />

nahm das Amt nicht an, erklärte sich aber zum stellvertretenden<br />

Vorsitz bereit. In einem zweiten Wahlgang wurden danach „durch


Zuruf einstimmig" der Rechtsanwalt Dr. Oswald Reinhardt zum<br />

Vorsitzenden und Buri zu seinem Stellvertreter gewählt 1 . Was kann<br />

das heißen?<br />

Erich Buri war der Mann der bisherigen Fußballgesellschaft Hechingen<br />

1909, die er von 1932 bis 1934 zuerst als Vorsitzender<br />

und dann als Vereinsführer geleitet hatte. Die Gleichschaltung<br />

durch die Nationalsozialisten hatte er gut überstanden. „Der richtige<br />

Hitlergeist" zog am 26. Juli 1933 in der Fußballgesellschaft<br />

ein. So war damals zu lesen 2 . Buri nannte sich seit dieser Generalversammlung<br />

Vereinsführer und ließ seinen Vorstand nicht mehr<br />

wählen, sondern ernannte ihn selbst. Er blieb bis 1935 Vorsitzender<br />

und war danach Jugendleiter. Sein Club spielte - im Jugendbereich<br />

- Fußball bis in die letzten Kriegstage und schickte schon am<br />

23. September 1945 wieder eine Mannschaft zum „Wettspiel" auf<br />

den Platz 3 . Dahn ging die Fußballgesellschaft auf Geheiß der Militärregierung<br />

als Fußball-Sparte im Sportverein auf.<br />

Oswald Reinhardt war Rechtsanwalt in Hechingen, fast 42 Jahre alt<br />

und nach dem Krieg im Juli 1945 wohl als „Fliegergeschädigter"<br />

aus Wuppertal in die Stadt gekommen 4 . 1951 richtete er sich eine<br />

Kanzlei auf dem Schlossplatz ein. Vorsitzender blieb er zwei Jahre<br />

lang, 1994 starb er. Mehr ist über ihn letztlich nicht mehr bekannt.<br />

Reinhardt der Zugezogene, Buri der Alteingesessene: Es kann gut<br />

sein, dass der eine Kopf der Hechinger Gruppe im Museum war<br />

und der andere die erste Wahl der seit einigen Jahren in die Stadt<br />

strömenden Flüchtlinge. Sie hatten exzellente Fußballer in ihren<br />

Reihen. Die erste Mannschaft der Fußballabteilung des Sportvereins<br />

spielte 1949/50 eine Saison lang in der Zonenliga sogar erstklassig.<br />

Die Namensgebung war in der Gründungsversammlung am 16. Januar<br />

1951 ein wichtiges Thema. „Bei aller Hochachtung vor der<br />

glänzenden Tradition der früheren Fußballgesellschaft" wurde<br />

ihr Name verschmäht - so schrieb der Mitarbeiter der <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

Zeitung, wahrscheinlich ihr Redakteur Walter Sauter. Einen<br />

Grund nennt sein Bericht nicht. Aber Buris Entscheidung für<br />

die zweite Reihe und der Verzicht auf den alten Namen könnten<br />

ähnliche Gründe haben. Möglicherweise wollte der neue Fußballverein<br />

den Neuanfang betonen, indem er 1951 seine NS-Vergangenheit<br />

ein Stück zurück drängte. Die Vergangenheit war kein Vorbüd<br />

für die Zukunft, aber ein Platz wurde ihr nicht verwehrt. So<br />

war die Übernahme der bisherigen Ehrenmitgliedschaften in den<br />

neuen Verein ein wichtiger Beschluss der Gründungsversammlung.<br />

Erstes neues Ehrenmitglied wurde Wolfgang Wallishauser. Der<br />

Spartenleiter stand über allen Zweifeln, wollte aus „beruflichen<br />

Gründen und wegen kulturelle[r] Verpflichtungen" aber nicht<br />

länger Frontmann sein. Wallishauser war Druckereibesitzer und<br />

leidenschaftlicher Sänger. Er machte mit dem Silcher-Doppelquartett<br />

eine erstaunliche Karriere, im Fußballclub zog er sich auf den<br />

Posten des Beisitzers zurück. In seiner aktiven Zeit war er Torwart<br />

der Fußballgesellschaft 1909 gewesen.<br />

Welcher neue Vereinsname in der Gründungsversammlung gewählt<br />

wurde, ist schwer zu sagen. Nach dem Bericht im Schwarzwälder<br />

Boten, vermutlich aus der Feder von Bruno Ewald Reiser,<br />

erhielt der Verein „den Namen des schon vor 43 Jahren in Hechingen<br />

bestandenen Fußballvereins FC Hechingen 1907<br />

e. V.'". Walter Sauter hörte für die <strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung anderes:<br />

,Als aber von der Versammlungsleitung klargelegt wurde,<br />

daß ein Jahr vor Gründung der FGH im Jahre 1908 erstmals in<br />

Hechingen ein Fußbaiklub Hohenzollern 1908' gegründet<br />

wurde, der nicht lange bestand, entschieden sich die Anwesenden<br />

geschlossen für den neuen Vereinsnamen 'Fußballclub Hechingen<br />

08', die alte Tradition im besten Sinne des Wortes wah-<br />

41<br />

rend." Dementsprechend nannte die <strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung<br />

den neuen Verein „FC 08 Hechingen", und der Schwarzwälder<br />

Bote notierte den Gründungsnamen mit „FC 07Hechingen". Wer<br />

die Versammlungsleitung hatte, schreibt keine der beiden Zeitungen.<br />

Wahrscheinlich war es Wolfgang Wallishauser. Am Vorstandstisch<br />

dürfte auch Dr. Ludwig Kinkel gesessen haben, der Vorsitzende<br />

des gerade verblichenen Sportvereins. Er sprach Wallishauser<br />

in der Versammlung die Ehrung aus.<br />

Das Protokoll der Gründungsversammlung vom 16. Januar 1951<br />

ist nicht erhalten. Die sich widersprechenden Zeitungsartikel sind<br />

die einzigen bekannten Berichte. Sie hinterlassen den Eindruck,<br />

dass in der Versammlung selbst die Konfusion um sich griff. Vielleicht<br />

war damals schon unklar, was genau beschlossen wurde.<br />

Der Rechtsanwalt Reinhardt und der Redakteur Reiser, beide nach<br />

dem Krieg in die Stadt gekommen, verstanden 1907, und der geschichtskundige<br />

Hechinger Redakteur Sauter hörte 1908. Tags<br />

darauf schrieb er neben seinem Bericht über die Gründungsversammlung<br />

eine kleine Expertise über die Anfänge des Fußballsports<br />

in Hechingen. 1908 sei nachweisbar, meinte Sauter, mehr<br />

nicht: „Als das Jahr, in dem der Hechinger Fußballsport aus der<br />

Taufe gehoben wurde, [steht] einwandfrei das Jahr 1908 fest 5 ."<br />

Trotzdem setzte sich 1907 als Geburtsstunde des Fußballsports in<br />

Hechingen durch. Mit diesem Jahr hat sich der Verein vom Amtsgericht<br />

registrieren lassen. Der Brief von Oswald Reinhardt fehlt<br />

zwar in der Akte, aber ein anderer Name als FC 07 Hechingen findet<br />

sich dort nicht. So war es konsequent, 1957 bereits das 50. Jubüäum<br />

zu feiern. Das Fest erstreckte sich über vier Tage vom 1. bis<br />

zum 4. August. Zuerst wurde der neue Sportplatz an der Zollerstraße<br />

feierlich eingeweiht, dann folgten auf der Lichtnau ein Jugendtag<br />

und am Samstag und Sonntag ein hochkarätig besetztes<br />

Pokalturnier. Mit den Top-Teams aus Reutlingen und Pforzheim<br />

gab es zwei sportliche Kracher, dazu kamen das Festbankett am<br />

Samstag und das Platzkonzert der Stadtkapelle am Sonntag. Hechingen<br />

spielte damals zweitklassig. Über der 2. Amateurliga gab<br />

es deutschlandweit nur eine höhere Spielklasse.<br />

Fußballklub Hohenzollern 1908<br />

Fußball in Hechingen im Jahre 1907 lässt sich bisher nicht nachweisen.<br />

Dass damals junge Erwachsene im Freundeskreis verschiedentlich<br />

- erstaunt beäugt von den Älteren - dem runden Leder<br />

hinterher hetzten, ist zwar gut möglich, aber einen organisierten<br />

Verein hatten sie nicht. Dieser Schritt kam im Jahr darauf. Am<br />

9. Mai 1908 schaltete ein nicht genannter Auftraggeber eine Anzeige<br />

in den <strong>Hohenzollerische</strong>n Blättern, mit der er „zwecks Gründung<br />

eines Fussball-Klubs [...] Interessenten" für den 11. Mai in<br />

das Gasthaus Fecker einlud 6 . Diese Zeitungsanzeige ist der bislang<br />

früheste bekannte schriftliche Beleg für Fußball in Hechingen.<br />

Wie die Versammlung ausging und welchen Namen der neue Verein<br />

sich gab, bleibt bis zum November 1908 im Dunkel. Dann betrat<br />

der „Fußball-Club Hohenzolkrn 1908" die Öffentlichkeit der<br />

wilheminischen Oberamtsstadt. Seine Mannschaft reiste nach den<br />

Berichten der beiden Hechinger Tagezeitungen zu ihrem „ersten<br />

Wettspiel" am 15. November 1908, einem Sonntag, nach Ebingen.<br />

Sie verlor 2:0, konnte aber gegen die komplette Ebinger Mannschaft<br />

auch nur zehn eigene Spieler aufbieten. Zwei Wochen später<br />

war Revanche auf dem Hechinger Sportplatz Lichtnau. Das Rückspiel<br />

ging mit 0:4 genauso in die Hose 7 . Trotzdem fand die Leistung<br />

der Spieler Anerkennung. Der Zoller, die katholische Tageszeitung,<br />

nannte namentlich Harter, Blum, Zoll und Hirschauer, die sich<br />

„wirklich wacker" geschlagen hätten, und wünschte sich, dass<br />

„die übrigen aktiven Mitglieder in Zukunft ebenso tatkräftig


eingreifen". Die <strong>Hohenzollerische</strong>n Blätter attestierten dem Klub,<br />

„in Anbetracht seines kurzen Bestehens, Vorzügliches" und<br />

nannten den Fußball einen „schönefn] Sport", der „mehr Anhänger"<br />

verdiene. Damals war Fußball Randsportart. Hirnen war<br />

der Sport Nummer 1.<br />

Die Gründungsversammlung - wenn das unterstellt werden darf -<br />

im „Fecker", der monatliche Stammtisch im „Sträßle" und meist<br />

im „Paradies", war der FC Hohenzollern 1908 ein Oberstadt- und<br />

Innenstadtverein. Das einzige bekannte Bild der Mannschaft zeigt<br />

27 junge Männer, davon 17 in Sportkleidung 8 . Vier andere - mit Anzug<br />

und Hut - tragen Fahnen mit den Farben Hohenzollerns. Fans.<br />

Der Verein war der Kader und sein Freundeskreis. Vorsitzender<br />

war Eugen Hirschauer 9 . Er war damals 25 Jahre alt und Kaufmann,<br />

vermuthch der Kapitän der Mannschaft, die sich im November<br />

1908 zweimal achtbar gegen Ebingen hielt. Später wurde er Betriebsleiter<br />

in der Textilfirma Carl Loewengard und nach der Arisierung<br />

1938 bei Heinrich Maute. Im Dezember 1909 war er Gründungsmitglied<br />

und Schriftführer der Freiwilligen Sanitätskolonne<br />

im Roten Kreuz, sozusagen der Bereitschaft des Ortsvereins 1 ". Exakt<br />

identifizerbar aus dem Fußball-Club Hohenzollern 1908<br />

scheint sonst nur noch Eugen Riedel zu sein". Der spätere Eisengroßhändler<br />

aus der Schlossstraße kam am 15. Juh 1907 als Junggehilfe<br />

der Firma M. A. Levy nach Hechingen. Er war nicht einmal<br />

17 Jahre alt. Geboren am 26. November 1890 in Steinheim, war er<br />

zur Lehre in Bietigheim und hatte dort vielleicht den Fußball kennen<br />

gelernt.<br />

Der FC Hohenzollern 1908 spielte länger, als ihm das nachgesagt<br />

wird. Er „konnte der außergewöhnlichen Schwierigkeiten nicht<br />

lange Herr werden" und sei „nach einjähriger Lebensdauer" von<br />

der Fußballgesellschaft 1909 abgelöst worden, schrieb 1957 Ernst<br />

Mayer, als er die Hechinger Fußballgeschichte aufarbeitete 12 . Er<br />

datiert die Gründungsversammlung der Fußballgesellschaft auf<br />

den Juh 1909-<br />

Aber im Sommer 1909 stand der FC Hohenzollern 1908 praktisch<br />

jeden Sonntag auf dem Platz und hatte sogar zwei Mannschaften.<br />

Den Reigen eröffnete.die Monatsversammlung im Cafe Sträßle am<br />

10. Juh. Tags darauf fuhr die Mannschaft zum Wettspiel nach Ebingen<br />

und in der Woche darauf, am 18. Juh, ging es auf der Lichtnau<br />

gegen den FC 05 Tübingen H. Der „F. C. H." fuhr mit 1:10 eine<br />

Schlappe ein, hatte aber auch nur zehn Mann auf dem Platz - möglicherweise,<br />

weil sich ein Spieler im Training zwei Tage vorher den<br />

Fuß gebrochen hatte. Das nächste Spiel am 8. August brachte auf<br />

der Lichtnau ein 8:1 gegen Ebingen 13 . Es war ausdrücklich die erste<br />

Mannschaft, die dieses Spiel bestritt. Auffällig ist, dass sie danach<br />

nicht mehr belegbar ist. Sie stand nie mehr auf dem Rasen.<br />

Ganz anders die zweite Mannschaft, die sich in diesem Sommer<br />

1909 bildete. Zum Training am 16. Juli, als sich ein Spieler den Fuß<br />

brach, waren bereits erste und zweite Mannschaft aufgerufen, zu<br />

ihrem „ersten Wettkampf' hef die Zweite am 25. Juh auf. Gegner<br />

war Arminia Reuthngen HI. Am 1. August fuhr die zweite Mannschaft<br />

nach Ebingen und gewann dort mit nur neun Mann 0:1. Am<br />

Sonntag danach sahen die Zuschauer auf der Lichtnau außer dem<br />

Kantersieg der ersten Mannschaft eine 3:8-Schlappe der zweiten<br />

Mannschaft gegen Tübingen. Gegen Arminia Reuthngen V am 15.<br />

und einen nicht genannten Gegner am 22. August hatte die zweite<br />

Mannschaft weitere Wettspiele in diesem Sommer, dann erst wieder<br />

Anfang Oktober, wohl am 3-, dem Sonntag 14 .<br />

Im September 1909 gab es keinen Fußball, der Verein traf sich am<br />

2. September zur Monatsversammlung im „Vereinslokal" und das<br />

nächste Mal einen Monat später am 5- Oktober im „Paradies". Die<br />

Zweite hatte ihre Mannschaftssitzung am 2. Oktober im „Silber-<br />

42<br />

groschen", einem Gasthaus vor der Stadt am Obertorplatz. Schon<br />

am 21. August hatte sie zu einer getrennten Sitzung gerufen 15 . Anscheinend<br />

bildeten sich in dieser Zeit zwei Chquen im Verein, vielleicht<br />

barg die Trennung Zündstoff. Nach der Monatsversammlung<br />

am 5- Oktober 1909 im „Paradies" gibt es jedenfalls keine Nachrichten<br />

mehr vom Fußballklub Hohenzollern 1908.<br />

Fußballgesellschaft Hechingen 1909<br />

Die neue „Fußball-Gesellschaft Hechingen 1909" wird am Jahresende<br />

1909 erstmals greifbar. Am 4. Dezember kündigte sie mit einer<br />

Anzeige in den <strong>Hohenzollerische</strong>n Blättern das Wettspiel ihrer<br />

ersten Mannschaft gegen den FC Ebingen I am Tag darauf auf der<br />

Lichtnau an. Das ist der bislang früheste schriftliche Beleg für den<br />

neuen Verein 16 .<br />

Möglicherweise findet sich in der Fußballgesellschaft eine der beiden<br />

Mannschaften des alten Vereins wieder, am ehesten die zweite.<br />

Die Fußballgesellschaft 1909 feierte ihre Stiftungsfeste, die Jahrtage<br />

der Vereinsgründung, in der Regel im August und berief sich<br />

bereits zum 25. Jubiläum im Jahre 1934 auf die Vereinsgründung<br />

im Juh 1909 17 . In dieser Zeit schlug die Geburtsstunde der zweiten<br />

Mannschaft des Fußballklubs Hohenzollern 1908. Unter eigenem<br />

Namen trat sie jedoch erst im Dezember 1909 auf.<br />

Dass die Fußballgesellschaft aus dem Fußballklub hervorgegangen<br />

ist, legt auch das Foto aus dieser Zeit nahe. Es zeigt 13 Spieler, die<br />

meisten mit Mütze, und einen Herrn mit Gehrock und Hut, der<br />

Überlieferung nach der Vorsitzende und Trainer. Die Fußballgesellschaft<br />

spielte offensichtlich in den schwarz-weiß gestreiften Trikots<br />

des Fußballklubs Hohenzollern, der Torwart in hellem Sweater.<br />

Selbst der Ball scheint identisch zu sein. Die Firma Kaibacher<br />

hatte die Ausrüstung besorgt 1S . Vielleicht gab die erste Mannschaft<br />

des Fußballklubs Hohenzollern, obwohl sie nicht mehr spielte, den<br />

Namen nicht her, aber die Zweite hatte die Trikots.<br />

Ab dem März 1910 lieferte sich die Fußballgesellschaft 1909 einmal<br />

im Monat Wettspiele, zuerst mit dem sensationellen 3:4 bei der<br />

Fußballgesellschaft Tübingen III, dann mit der Heimniederlage im<br />

„Retourwettspiel" am 3- April und am 29. Mai mit dem Rückspiel<br />

in Ebingen (3:2). Zu diesem Zeitpunkt war eine zweite Mannschaft<br />

hinzugekommen, die ihr erstes Wettspiel am 5. Juni beim 1. FC Tübingen<br />

IV bestritt. Am Tag zuvor hatte der Verein erstmals eine Versammlung<br />

in seinem „neuen Vereinslokal", der „Kaiserburg" in<br />

unmittelbarer Nähe des Sportplatzes auf der Lichtnau 19 . Dort richtete<br />

sich die Fußballgesellschaft fortan ein. Vielleicht war das „Paradies"<br />

zu klein geworden. Das Domizil bei Gastwirt Adam Wahl<br />

hatte auch den Vorteil, dass die Torstangen nicht weit vom Sportplatz<br />

verstaut werden konnten 20 .<br />

Als Männer der ersten Stunde der Fußballgesellschaft Hechingen<br />

und - wenn sie's denn ist - der zweiten Mannschaft des Fußballklubs<br />

Hohenzollern nennt die Vereinshistorie Eduard Bausinger,<br />

Anton Bogenschütz, Friedrich Braitsch, Ernst Gruhler, Richard<br />

Jost, Max Kässmodel, Karl Rieger, Max Steck, Otto Strobel, Eugen<br />

Vetter sowie einen vornamenlosen Spieler Roth. Auch Eisenmann,<br />

Moos, Nerz, Kaibacher und der erste Vorsitzende und Trainer Moll<br />

bleiben in der Überlieferung ohne Vornamen. Gruhler und Hans<br />

Scheffel werden als weitere Vorsitzende aus der Frühzeit genannt 21 .<br />

Der regelmäßige Wechsel im Vorsitz war damals durchaus üblich.<br />

Zeitgenössisch belegbar ist ein in der Vereinsgeschichtsschreibung<br />

nirgendwo auftauchender Karl Banzhaf aus der Marktstraße, der<br />

im Namen der Fußballgesellschaft Hechingen am 14. Juni 1910 im<br />

Bürgermeisteramt beantragte, dem Verein wie „seinerzeit dem<br />

nunmehr aufgelösten Fussballclub Hohenzollern 1908" die Nutzung<br />

des Spielplatzes Lichtnau zu genehmigen 22 . Der Gemeinderat<br />

gab das gewünschte Plazet.


Jost, Kässmodel, Rieger, Vetter und wohl auch Braitsch waren<br />

Kaufmänner oder Handlungsgehilfen, Strobel junger Flaschner,<br />

Gruhler Buchdrucker und Scheffel Modelleur. Trainer Moll kam<br />

aus Hamburg und war in der Buchhandlung Albrecht Walther am<br />

Obertorplatz angestellt.<br />

Die häufige Nennung von Kaufleuten im Zusammenhang mit beiden<br />

frühen Hechinger Fußballmannschaften ist auffällig, aber anscheinend<br />

alles andere als zufällig. In Balingen entstand der später VfR<br />

genannte Fußballverein an einem „Kosttisch von Kaufleuten" im<br />

Hotel Eugen Roller 23 . In beiden Städten war der Fußball anfangs<br />

bürgerlich. Als Erste begannen junge Kaufleute und Handlungsgehilfen,<br />

Lehrlinge, gegen den Ball zu treten. Sie arbeiteten in den Industriebetrieben<br />

und im Großhandel und kamen oft von auswärts,<br />

wo sie möglicherweise den Fußball kennen gelernt hatten. In Hechingen<br />

fanden sie Freunde, die ihr Faible teilten. Dass sich die<br />

Gründung von auswärts als Erfolgsnummer 100 Jahre gehalten hat,<br />

ist beachthch.<br />

Der Fußballklub Hohenzollern und die Fußballgesellschaft Hechingen<br />

waren schon zu einem frühen Zeitpunkt nicht die Einzigen<br />

auf dem Platz. 1910 spielte die Fußballgesellschaft gegen einen<br />

Lehrlingsklub aus Hechingen, kurz vor dem Kriegsausbruch 1914<br />

trat das Militärteam der Burg Hohenzollern auf der Lichtnau an.<br />

Auch am Gymnasium wurde Fußball gespielt. Nichts macht den<br />

schnellen Siegeszug des Fußballs in dieser Zeit in Hechingen deutlicher.<br />

Den nächsten Schwung brachte die Endzeit der Weimarer Republik.<br />

1930 entstand die Fußballvereinigung Friedrichstraße als Arbeiterverein,<br />

auch die katholische Deutsche Jugendkraft und die<br />

Freie Turnerschaft spielten im Ligabetrieb Fußball. Durch den Nationalsozialismus<br />

konnte sich nur die Fußballgesellschaft 1909 retten,<br />

aber große Betriebe wie die Textilfirma Grotz hatten in dieser<br />

Zeit auch Fußballmannschaften. Die französische Militärregierung<br />

setzte der Fußballgesellschaft ein Ende und zwang alle Hechinger<br />

Sportler in den Sportverein. Die anscheinend wenig behebte<br />

Zwangsehe zerbrach in der frühen Bundesrepublik schnell. Der FC<br />

07 Hechingen entstand. Er überlebte die ebenfalls neue Viktoria<br />

und ist bis heute der dominierende Faktor im Hechinger Fußballleben<br />

gebheben, den außerdem die Fußballvereinigung Friedrichstraße<br />

und der Türkische Kultur- und Sportverein bestimmen. Innerhalb<br />

der Gesamtstadt hat der FC Hechingen seine Vormachtstellung<br />

aber verloren. Die Nummer 1 ist derzeit der TSV Boll.<br />

Concordia<br />

Mit dem Jubiläum 1957 taucht erstmals die Concordia in der Vereinsgeschichte<br />

auf, die bei der Fußballgesellschaft nie eine Rolle<br />

gespielt hatte. Ernst Mayer warf sie in die Waagschale und berief<br />

sich dabei „auf das Gedächtnis der ältesten Mitglieder" 24 . Nach seiner<br />

Festschrift hielt „der 1. Fußballclub 'Concordia', mit nur wenigen<br />

Anhängern, [...] wohl eine Zeitlang regelmäßig seine Versammlungen<br />

ab, auf dem grünen Rasen aber kam er über einige<br />

Trainingsabende nicht hinaus. Schon im August 1908 mußte er<br />

dem 'Fußballklub Hohenzollern 1908' weichen." Bei dieser Begründung<br />

für das Jahr 1907 ist es bis heute geblieben. Sie findet<br />

sich in den Festschriften des FC 07 Hechingen zum 75. Jubüäum<br />

1982 genauso wie zum 90. im Jahr 1997". In der Festschrift 1982<br />

wird außerdem die Gründung der Concordia auf den Februar<br />

1907 26 datiert.<br />

Die Vereinsgeschichtsschreibung hat sich in Hechingen allgemein<br />

durchgesetzt. Als Bruno Ewald Reiser, der Redakteur, der wohl<br />

1951 für den Schwarzwälder Boten aus der Gründungsversammlung<br />

des FC 07 Hechingen berichtet hatte, die Ehrenberg-Ausgabe<br />

von Ludwig Eglers Stadt-Chronik für die Neuauflage vorbereitete,<br />

schrieb er die Jahre 1907 bis 1909 neu hinzu. „Erstmals bildete<br />

sich eine lose Vereinigung zur Ausübung des Fußball-Sports, kam<br />

jedoch nicht über Trainingsspiele hinaus", setzte er in dem chronologisch<br />

angelegten Band in das Jahr 1907 Das war 1980. Seitdem<br />

ist das Gründungsdatum des FC 07 Hechingen gewissermaßen<br />

stadtoffiziell. Selbst die Konkurrenz, die FV Friedrichstraße, übernahm<br />

in der Festschrift zu ihrem 70. Jubiläum im Jahr 2000 die<br />

Version vom ersten Fußballclub Concordia 27 .<br />

Fußballhistorisch ist die Concordia allerdings ein eher zweifelhafter<br />

Club. Der Verein fand bereits 1905 zusammen und lässt sich bis<br />

in den September 1909 hinein verfolgen 28 . 1907 scheint kein bedeutungsvolles<br />

Jahr gewesen zu sein. Im August 1906 feierte die<br />

Concordia ihr zweites Stiftungsfest, im März 1907 war Generalversammlung,<br />

1908 unternahm sie eine Schlittenfahrt nach Haigerloch,<br />

feierte Stiftungsfest, hatte Generalversammlung und traf sich<br />

zum guten Schluss zur Weihnachtsfeier. Immer wieder wird betont,<br />

dass die Concordia ein „junger Verein" sei, was offenbar auch das<br />

Alter ihrer Mitglieder bezeichnen sollte. In den Zeitungsberichten<br />

sah sich die Concordia „im Aufblühen". Trotzdem gab es im<br />

Herbst 1909 einen Bruch. Für den 18. September riefen „mehrere<br />

Mitglieder" mit Zeitungsannonce zu einer Versammlung im Ver-<br />

Schwarz-weiße Trikots,<br />

schwarz-weiße Fahnen: der<br />

Fußballklub Hohenzollern 1908


einslokal auf und eine Woche später der Vorstand zur außerordentlichen<br />

Generalversammlung 29 . Danach erscheint die Concordia<br />

nirgendwo mehr.<br />

Ihr Vereinszweck war offenbar die Geselligkeit. Wenn die Runde<br />

zusammen kam, gab es zuerst ein Festessen, und danach verging<br />

der Abend mit Gesang und Toasten. Dass getrunken wurde, darf<br />

unterstellt werden. Bisweilen ging die Concordia auf Tour. 1908<br />

stand außer der Schlittenfahrt nach Haigerloch auch ein Ausflug<br />

nach Sigmaringen auf dem Programm. Von Fußball ist im Zusammenhang<br />

mit der Concordia bisher nichts bekannt.<br />

Durchaus wahrscheinlich ist aber, dass Mitglieder der Concordia<br />

unter den Spielern des Fußballklubs Hohenzollern 1908 waren.<br />

Beide Vereine trafen sich im selben Gasthaus, dem „Paradies". Auf<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Schwarzwälder Bote (künftig: SB). Ausgabe A3. Nr.<br />

2<br />

10/18.01.1951. Vgl. <strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung (künftig: HZ)<br />

Nr. 10/19 01.1951. Amtsgericht Hechingen, Vereinsregister/FC<br />

Hechingen.<br />

Der Zoller (künftig: Z) Nr. 170/28.07.1933. Vgl. <strong>Hohenzollerische</strong><br />

Blätter (künftig: Hz. Bl.) Nr. 171/28.07.1933.<br />

3 WALTER SAUTER: Der Index zu den Hechinger Zeitungen<br />

1829-1970. Bearb. von Thomas Jauch. Hechingen 1996. S.<br />

2294. Vgl. Nachrichtenblatt für den Kreis Hechingen Nr.<br />

14/26.10.1945,<br />

21/17.12.1945.<br />

17/16.11.1945, 18/23.11.1945,<br />

4 Stadtarchiv Hechingen (künftig: StadtAH), Meldeakten, Altregistratur<br />

Einwohnermeldeamt, ohne Reg.-Nr.<br />

5 [WALTER SAUTER:] Aus den Anfängen des Hechinger Fußballsports.<br />

In: HZ Nr. 10/19.01.1951.<br />

6 Hz. Bl. Nr. 105/09.05.1908.<br />

7 HZ. Bl. Nr. 262/17.11.1908, 271/27.11.1908,<br />

272/28.11.1908, 274/01.12.1908. Z Nr. 262/17.11.1908,<br />

271/27.11.1908, 272/28.11.1908, 273/30.11.1908. Ein<br />

Wettspiel gegen Ebingen war für Walter Sauter „der erste<br />

Spielbericht in der Hechinger Presse", s. HZ Nr.<br />

8<br />

10/19-01.1951. In seinem Zeitungs-Index führt er aber nur<br />

das Retourspiel an, s. WALTER SAUTER (wie Anm. 3) S. 2289-<br />

50 Jahre Fussball-Club Hechingen. Festschrift FC 07 Hechingen<br />

(künftig: Festschrift 1957). Hechingen 1957. S. 13. 90<br />

Jahre Fussballclub 1907 Hechingen e. V. 1907-1997 (künftig:<br />

Festschrift 1997). Hechingen 1997. S. 16.<br />

44<br />

ihrem zweiten Stiftungsfest 1906 verabschiedete die Concordia<br />

ihren Vorsitzenden Moos. Moos ist auch der Name eines Spielers<br />

der neuen Fußballgesellschaft 1909- Möglicherweise sind beide<br />

identisch.<br />

Der Zeitpunkt, zu dem die Concordia verschwindet, fällt genauso<br />

auf. Im Herbst 1909 trennte sich die zweite Mannschaft vom Fußballklub<br />

1908, um sich bald danach Fußballgesellschaft 1909 zu<br />

nennen. Die Eintracht endet. Dass die Concordia unter dem Zwist<br />

im Fußballverein zerbrach, kann immerhin vermutet werden.<br />

Entstand die Fußballgesellschaft 1909 im Krach? Es könnte sein.<br />

Warum der FC 07 Hechingen nicht auch im Irrtum. Grund zum Feiern<br />

findet sich allemal.<br />

Die Fußballgesellschaft<br />

Hechingen 1909<br />

9 Festschrift 1957 (wie Anm. 8) S. 12. Festschrift 1997 (wie<br />

Anm. 8) S. 14.<br />

10 StadtAH, Meldeakten, Altregistratur Einwohnermeldeamt,<br />

ohne Reg.-Nr. Hz. Bl. Nr. 276/04.12.1909.<br />

11 [WALTER SAUTER: ] Aus den Anfängen (wie Anm. 5). SB Nr.<br />

273/26.11.1960, HZ Nr. 273/26.11.1960. Dort wird Riedel<br />

„Mitbegründer des Hechinger Fußballclubs" genannt. Vgl.<br />

SB Nr. 273/26.11.1965, HZ Nr. 273/26.11.1965. Riedel starb<br />

am 11.07.1967, s. HZ Nr. 157/12.07.1967, SB Nr.<br />

12<br />

157/12.07.1967.<br />

Festschrift 1957 (wie Anm. 8) S. 12.<br />

13 Hz. Bl. Nr. 151/09.07.1909, 156/15.07.1909,<br />

159/19.07.1909, 163/23.07.1909, 164/24.07.1909,<br />

168/29.07.1909, 172/03.08.1909, 174/05.08.1909,<br />

177/09.08.1909. ZNr. 158/17.07.1909.<br />

14 Hz. Bl. Nr. 156/15.07.1909, 163/23-07.1909,<br />

164/24.07.1909, 168/29.07.1909, 172/03.08.1909,<br />

174/05.08.1909, 177/09-08.1909, 180/12.08.1909,<br />

188/21.08.1909,223/02.10.1909.<br />

15 Hz. Bl. Nr. 188/21.08.1909, 197/01.09.1909,<br />

16<br />

223/02.10.1909.<br />

Hz. Bl. Nr. 276/04.12.1909.<br />

17 Z Nr. 185/24.08.1934. Hz. Bl. Nr. 193/24.08.1934. Die Fußballgesellschaft<br />

sah den Fußballklub Hohenzollern 1908 als<br />

ihren Vorgänger. Von Fußball im Jahr 1907 war ihr nichts bekannt.<br />

18 Festschrift 1957 (wie Anm. 8) S. 14-16. Festschrift 1997 (wie<br />

Anm. 8) S. 17-19-


19 Hz. Bl. Nr. 57/12.03.1910, 59/15.03.1910, 71/01.04.1910,<br />

72/02.04.1910, 74/05.04.1910, 95/29-04.1910,<br />

119/31.05.1910,120/01.06.1910.<br />

20 Festschrift 1957 (wie Anm. 8) S. 15. Die dort genannte Grün-<br />

dung im Gasthaus Kaiserburg ist nicht belegbar.<br />

21 25 Jahre Fußballgesellschaft Hechingen 1909 e. V. In: Z Nr.<br />

185/24.08.1934. Festschrift 1957 (wie Anm. 8) S. 12, 14,<br />

46. Festschrift 1997 (wie Anm. 8) S. 11,15,17.<br />

22 StadtAH, Reg. Nr. A200/8310, 2. Turnhalle, Turn- und Spiel-<br />

plätze. StadtAH, Bände, A 34, Beschlüsse des Gemeinderats<br />

18. Juni 1904 bis 5.7.1910. Der Gemeinderat gestattete am<br />

23.06.1910 die Nutzung der Lichtnau widerruflich, Bürgermeister<br />

Anton Häußler antwortete Banzhaf am Tag danach.<br />

23 Baiinger Volksfreund 25.07.1932, frdl. Mitt. Michael Haigis.<br />

24 Dass die Überlieferung problematisch ist, wurde schon<br />

mehrfach festgestellt. „Vereinsakten aus der ersten Zeit fehlen",<br />

schrieb Walter Sauter 1957, s. [WALTER SAUTER:] Aus<br />

den Anfängen (wie Anm. 5). Auch Vereinschronist Ernst<br />

Mayer nannte 1957 die „Unterlagen zu bescheiden, da leider<br />

Vereinsakten aus der alten Zeit völlig fehlen", s. Festschrift<br />

1957 (wie Anm. 8) S. 10. Mayer nennt auch den Aktenbestand<br />

„aus den späteren Jahren nur dürftig". Schon die Fußballgesellschaft<br />

1909 kannte sich nur ungenau aus. Akten<br />

aus der Gründungszeit gebe es „nur noch spärlich", war zum<br />

25. Jubiläum 1934 zu lesen, s. Z Nr. 185/24.08.1934. Hz. Bl.<br />

Nr. 193/24.08.1934<br />

25 Festschrift 1957 (wie Anm. 8) S. 10-12. 75 Jahre Fussball-<br />

Club 1907 Hechingen e. V. Hechingen 1982. S. (3). Festschrift<br />

1997 (wie Anm. 8) S. 14.<br />

WILLI RÖßLER<br />

Dreiländereck „Blindloch"<br />

In meiner Eigenschaft als Gaukulturwart des Schwäbischen Albvereins<br />

habe ich die beiden Landkreise Sigmaringen und Tuttlingen<br />

angeregt beim Dreiländereck „Blindloch" an der Straße Buchheim<br />

- Beuren eine Grenztafel aufstellten zu lassen. Sie ist so ausgerichtet,<br />

dass jeweils die Ausschnitte die Grenzlinien der früheren Länder<br />

Baden, Hohenzollern und Württemberg erkennen lassen. Neben<br />

der Grenztafel steht eine Informationstafel mit einem Kartenausschnitt,<br />

die von den Kreisarchivaren Dr. Ewin Weber und Dr.<br />

Hans-Joachim Schuster entwickelt wurden. Gefördert wurde die<br />

Grenztafel vom Naturpark Obere Donau.<br />

Leider ist der Grenzstein nicht mehr vorhanden. Der Grenzpunkt<br />

hegt heute in der Strasse. Früher stand hier auch eine Grenztafel,<br />

wie sie heute noch vor dem Runden Turm in Sigmaringen zu sehen<br />

ist. Dreiländerecken gibt es nicht nur im Bereich der Gemeinde<br />

Ostrach, auch im Westen des Landkreises Sigmaringen sind<br />

Dreiländerecken vorhanden. Im Dreiländereck „Bündloch"<br />

stießen vor 1803 die Herrschaftsgebiete der oberen Grafschaft Hohenberg<br />

mit Fridingen, der Freiherrn von Enzberg mit Buchheim<br />

und des Klosters Beuren zusammen. Die Grenze zwischen der Enzbergischen<br />

und der Klosterherrschaft verläuft vom Dreiländereck<br />

südlich im Blindloch bis ins Liebfrauental, auf diesem Abschnitt<br />

sind noch zwei alte Grenzsteine zu finden mit den Zeichen E (Enzberg)<br />

und B (Beuren). Nach 1810 waren es die württembergische<br />

Gemeinde Fridingen, die badische Gemeinde Buchheim und die<br />

hohenzollerische Gemeinde Beuren, die das Dreiländereck bilde-<br />

45<br />

26 Ludwig Eglers Chronik der Stadt Hechingen. Band I. Bearbeitet<br />

von Walter Sauter und Bruno Ewald Reiser. Hechingen<br />

1980. S. 334. Bearbeiter war letztlich Bruno Ewald Reiser,<br />

der auf die Vorarbeit des 1970 verstorbenen Walter Sauter<br />

zurückgreifen konnte.<br />

27 „Die ersten Vereine hatten allerdings eine kurze Lebensdauer.<br />

Der erste Fußballclub 'Concordia' wurde 1908 aufgelöst,<br />

der 'Fußballclub Hohenzollern 1908' bestand ebenfalls<br />

nur ein Jahr. 1909 wurde die 'Fußballgesellschaft 1909 Hechingen<br />

gegründet, welche [...] als Vorgänger des 'FC 07 Hechingen'<br />

gilt", s. 70 Jahre FV Friedrichstrasse e. V. 1930-<br />

2000. Hechingen 2000. S. 12.<br />

28 Nachweise von Zeitungsartikeln zur Concordia vgl. WALTER<br />

SAUTER (wie Anm. 3) S. 224. Der Index ist nicht vollständig,<br />

weitere Zeitungsberichte zum Beispiel in Hz. Bl. Nr.<br />

107/12.05.1908, 267/23.11.1908, 282/11.12.1908,<br />

289/19-12.1908. Z Nr. 267/23.11.1908. Die Concordia findet<br />

sich auch in der von der Stadtverwaltung am 07.03.1907<br />

angelegten Liste der Hechinger Vereine und in einer Aufzählung<br />

1909 in den <strong>Hohenzollerische</strong>n Blättern. In der Zeitungsübersicht<br />

werden sowohl die Concordia als auch der<br />

Fußballklub Hohenzollern genannt, s. Stadtarchiv Hechingen,<br />

A200 Reg.-Nr. 6180 Vereine. Hz. Bl. Nr.<br />

29<br />

144/01.07.1909- Die Concordia hatte Ende der 1880er Jahre<br />

einen gleichnamigen Vorgänger, der Tanz-Abende organisierte.<br />

Hz. Bl. Nr. 211/18.09.1909, 216/24.09.1909.<br />

ten. Die Grenztafel zeigt die Verhältnisse zwischen 1806 und 1850.<br />

Nach 1850 tritt an die Stelle Hohenzollerns der Staat Preußen. Die<br />

meisten Grenzsteine weisen in diesem Gebiet die Bezeichnung KP<br />

„Königreich Preußen" auf. 1918 müssen die gekrönten Häupter<br />

Deutschlands abdanken, im Blindloch stoßen nun die Grenzen der<br />

Reichsländer Baden, Württemberg und Preußen zusammen. Nach<br />

dem zweiten Weltkrieg wird Preußen von den alliierten Siegermächten<br />

aufgelöst, bei der Länderneugliederung entsteht zunächst<br />

Südwürttemberg Hohenzollern, 1952 Baden-Württemberg. Im<br />

Blindloch stoßen jetzt die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen<br />

zusammen; die Landkreise Tuttlingen, Stockach und Sigmaringen.<br />

Nach der Kreisreform 1973 wird der Landkreis Stockach aufgelöst,<br />

die Gemeinde Buchheim kommt zum Landkreis Tuttlingen,<br />

so ist heute das Blindloch die Grenze zwischen den Landkreisen<br />

Sigmaringen und Tuttlingen und Schnittpunkt der Gemeinden Beuren,<br />

Buchheim und Fridingen. Neben der Dreiländergemeinde<br />

Ostrach gibt es auch eine Dreiländer- Verwaltungsgemeinschaft<br />

Fridingen mit Buchheim (früher badisch), Bärenthal (früher hohenzollerisch)<br />

und Fridingen (früher württembergisch).<br />

Zwei weitere Dreiländerecken sind mir bekannt: Ein noch vorhandener<br />

Grenzstein hegt auf einer kleinen Insel in einem alten Donauarm<br />

zwischen der neuen Donautalstrasse L 277 und der Bahnlinie<br />

unterhalb des Eichfelsens. Beim Bahnbau 1890 wurde der<br />

Donauarm abgeschnitten und ein neues Flussbett zwischen Bahnlinie<br />

und Donauhaus geschaffen. Die Grenze zwischen Baden und<br />

Beuren verlief von dort bis St. Maurus in der Donau. Das rechtsseitige<br />

Donauhaus gehörte bis 1973 zur Gemeinde Leibertingen,<br />

heute zu Beuren. Dieses Dreiländereck ist der Schnittpunkt der<br />

früheren Länder Hohenzollern mit Beuron, Württemberg mit Irn-


dorf und Baden mit Leibertingen. Der Zugang ist außerordentlich<br />

beschwerlich, früher verhef die alte Donautalstrasse um das<br />

Käpfle, von dort konnte man den Stein gut sehen. Dieser Weg ist<br />

heute vollkommen verwachsen.<br />

Das dritte Dreiländereck befindet sich im Truppenübungsplatz und<br />

ist nur bei Führungen zugänglich. Hier stoßen die früheren Gemeinden<br />

Heinstetten (Baden), Meßstetten (Württemberg) und<br />

Frohnstetten (Hohenzollern) zusammen. Der Grenzstein von 1604<br />

weist bereits auf frühere Herrschaftsbezirke hin. Heinstetten<br />

gehörte vor 1806 zur Herrschaft Werenwag, Meßstetten war seit<br />

1403 württembergisch und Frohnstetten war dem Damenstift<br />

Buchau gehörig.<br />

Buchbesprechungen<br />

Bärbel Wolf-Gellatly: Johann Wolf, der China-Hannes.<br />

Das Lebensschicksal eines Hettingers,<br />

Biografische Aufzeichnungen aus Kreisen des so genannten kleinen<br />

Mannes müssen zumeist mit der Lupe gesucht werden. Im Bereich<br />

der mittleren Lauchen konnte bisher nur auf den von Erwin Burkarth<br />

in der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong> 1955 publizierten Beitrag<br />

mit dem Titel "Was uns Großvaters Wanderbuch erzählt" hingewiesen<br />

werden. Während sich Erwin Burkarth im Wesentlichen mit einer<br />

Inhaltsangabe der Aufzeichnungen des Zimmermannsgesellen<br />

Balthasar Burkarth begnügte, bietet Bärbel Wolf-Gellatly einen<br />

vollständigen Abdruck des Berichts ihres Urgroßvaters Johann<br />

Wolf über dessen Teilnahme an der Niederschlagung des so genannten<br />

Boxeraufstandes in China in den Jahren 1900 bis 1901.Zu<br />

diesem Einsatz hatte sich der 1878 in Hertingen geborene<br />

Schreinergeselle, der seit 1899 in Aachen beim Füsiherregiment<br />

Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nro. 40<br />

Dienst leistete, aus "Abenteuerlust" als Freiwilliger gemeldet. In<br />

seinem Bericht beschreibt er zunächst die Schiffsreise, die von<br />

Bremerhaven durch das Mittelmeer, den Suezkanal, das Rote Meer,<br />

den Indischen Ozean und das Chinesische Meer nach Tientsin in<br />

Nordchina führte.<br />

Das teilweise recht grausame Kriegsgeschehen beschreibt und bewertet<br />

Johann Wolf aus der Sicht des kleinen Mannes. Mit Interesse<br />

beobachtete er aber auch das Land China, seine Menschen und<br />

seine Gebräuche. So berichtet er, dass in China nur die Männer<br />

Zöpfe tragen. Den Zopf zu verlieren, würde Schimpf und Schande<br />

bedeuten. Er weiß auch davon zu berichten, dass die begüterten<br />

Chinesen der Vielweiberei frönten, wobei die Frauen weitgehend<br />

rechtlos waren. Nach dem Bericht verzehrten die Chinesen auch<br />

Mäuse, Schlangen und Heuschrecken. Faule Eier würden geradezu<br />

als Leckerbissen gelten. Auch die Willkürjustiz der chinesischen<br />

Mandarine blieb ihm nicht verborgen. Malariakrank kehrte Johann<br />

Wolf wieder in seine <strong>Heimat</strong> Hertingen zurück. Nach seiner<br />

Einsetzung als Postagent 1903 in Hertingen gründete er eine Familie.<br />

Im Ersten Weltkrieg wurde Johann Wolf im Westen und dann<br />

im Osten eingesetzt. Gesundheitlich stark angeschlagen starb der<br />

"China-Hannes" bereits 1921 im Alter von erst 42 Jahren. Die Postagentur<br />

und der damit verbundene Gemischtwarenladen wurden<br />

zunächst von seiner Witwe Katharina und dann von seinem Sohn<br />

weitergeführt. Karl Wolf gab die Postagentur 1955 und den Gemischtwarenladen<br />

1967 ab.<br />

46<br />

Der Grenzstein von<br />

1604 markiert das<br />

Dreiländereck Baden<br />

(Gemeinde<br />

Heinstetten), Württemberg(Meßstetten)<br />

und Hohenzollern<br />

(Frohnstetten)<br />

Mit der Geschichte von Johann Wolf und seiner Nachkommenschaft<br />

ließ es die Bearbeiterin nicht bewenden. Sie steuerte ihrem<br />

Buch auch noch eine Stammtafel der Familie Wolf vom 18. Jahrhundert<br />

bis in die Gegenwart bei. Im Zusammenhang mit der Postagentur<br />

wird ferner eine Darstellung der Hettinger Postgeschichte<br />

geboten. Die Ausführungen werden außerdem mit einer Vielzahl<br />

von eindrucksvollen Bilddokumenten illustriert. Es soll hier vor allem<br />

auf die darin enthaltenen Abbildungen von illustrierten Postkarten,<br />

von Orden und von Andenken des China-Hannes, aber<br />

auch von Famihenfotos und Ansichten von Hertingen hingewiesen<br />

werden.<br />

Die bemerkenswerte Veröffentlichung kann zum Preis von 32,90<br />

Euro zzgl. 1,40 Euro Porto bei Frau Bärbel Wolf-Gellaüy, Hainbuchenweg<br />

6, 72488 Sigmaringen (Tel. 07571/684114), bezogen<br />

werden.<br />

Sigmaringen 2006. 136 S. und 1 Falttafel mit zahlreichen Abb.,<br />

zumeist in Farbe (Bk)<br />

Manfred Mai und Roland Single:<br />

Em Durchschnitt semmer guat<br />

Der Winterlinger Manfred Mai hat sich als Kinder- und Jugendbuchautor<br />

einen Namen gemacht. In Roland Single, ebenfalls ein<br />

Winterhnger und unweit von Mai wohnend, hat er einen Partner<br />

gefunden, der sich mit seinem Können, gepaart mit hintergründigem<br />

Humor, in der Reihe der schwäbischen <strong>Heimat</strong>dichter nicht<br />

verstecken muss. Die beiden haben zusammen das hundertseitige<br />

Büchlein „Em Durchschnitt semmer guat- Schwäbisch dichtet auf<br />

dr Alb" verfasst. In ihren Gedichten und kurzen Erzählungen zeigt<br />

sich, dass sie es verstehen, dem Volk aufs Maul zu schauen und<br />

dann so wiederzugeben, dass der Leser tiefe und amüsante Einblicke<br />

in die schwäbische Seelenlandschaft erhält. Der Mundartband<br />

ist im Tübinger Silberburg-Verlag erschienen und kostet 9,90<br />

Euro. ISBN: 978-3-87407-742-2. (ba)<br />

Rainer Fieselmann: Südwestalb<br />

Der Tübinger Silberburg-Verlag legte mit dem hundertseitigen<br />

Bildband „Südwestalb" ein Werk vor, in dem der Fotograf Rainer<br />

Fieselmann mit 99 prächtigen Farbaufnahmen die Schönheit unserer<br />

schwäbischen Landschaft eindrucksvoll präsentiert und viel<br />

Raum auch der hohenzollerischen <strong>Heimat</strong> widmet. Die Bilderreise<br />

beginnt in Trochtelfingen und führt hinunter durch das Laucherttal.<br />

Weitere Stationen sind unter anderem Mengen, Scheer und Sigmaringen.<br />

Dann geht es hoch zum Heuberg, in die Landschaft rund<br />

um Tuttlingen und ins Donautal. Die Verschiedenartigkeit der ein-


zelnen Regionen wird deutlich, das Betrachten der Fotos weckt<br />

Lust zu Ausflügen und Entdeckungsreisen. Der Reutlinger Journalist<br />

Wolfgang Alber gibt am Ende des Bandes eine zweiseitige Beschreibung<br />

der Südwestalb. Diese Zeilen und auch die kurzen Büdunterschriften<br />

sind dreisprachig gehalten (deutsch, englisch,<br />

französisch). Der Bildband ist ein ideales Souvenir für Besucher<br />

und Touristen, die ein .Andenken" mit nach Hause nehmen wollen,<br />

aber auch der in der Südwestalb Beheimatete dürfte Freude an den<br />

gelungenen Fotos haben (ISBN: 978-3-87407-736-1; 17,90 Euro).<br />

(ba)<br />

Württembegische und hohenzollerische Biographien<br />

Am 27. April 2007 wurde im Großen Sitzungssaal des Tübinger<br />

Rathauses der erste Band der "Württembergischen Biographien<br />

unter Einbeziehung hohenzollerischer Persönlichkeiten" der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt. In der auf insgesamt fünf Bände geplanten<br />

Reihe der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-<br />

Württemberg mit Sitz in Stuttgart sollen Persönlichkeiten aus Württemberg,<br />

aber auch aus Hohenzollern beschrieben und bewertet<br />

werden, die im Zeitraum zwischen 1918 bis 1952, dem Jahr der<br />

Bildung des Südweststaates Baden-Württemberg, gestorben sind.<br />

Der vorgelegte Band der Reihe enthält insgesamt 179 Lebensbeschreibungen;<br />

13 Biographien davon sind Persönlichkeiten gewidmet,<br />

die aus Hohenzollern stammen oder dort wesentliche Jahre<br />

ihres Lebens und Schaffens verbracht haben.<br />

Beigesteuert hat Ines Mayer aus Bisingen Lebensbeschreibungen<br />

der jüdischen Mitbürger Paul Levi, Moritz Meyer und Leon<br />

HERBERT RÄDLE<br />

Eine Heiligenberger Wappenscheibe<br />

der Gräfin Apollonia von Zimmern<br />

zu Meßkirch, geborene von Henneberg<br />

Zu den Schätzen der Fürstenberg-Sammlungen auf Schloß Heiligenberg<br />

gehört auch eine prachtvolle Wappenscheibe der Gräfin<br />

Apollonia von Zimmern, geb. von Henneberg, Gattin des Grafen<br />

Gottfried Werner von Zimmern.<br />

Apollonia von Henneberg war seit Mitte der 30er Jahre mit Graf<br />

Gottfried Werner von Zimmern, Herrn zu Wildenstein und<br />

Meßkirch, verheiratet: die beiden sind bereits auf den Seitenflügeln<br />

des Wildensteiner Altars von 1536 als Stifterehepaar dargestellt.<br />

Gottfried Werner von Zimmern (1484-1554) war es, der die<br />

Pfarrkirche St. Martin in Meßkirch erbaute, wo noch heute ein<br />

großes Bronze-Epitaph an ihn erinnert. Bekannt geworden ist er<br />

vor allem als der große Föderer des Meisters von Meßkirch, welcher<br />

die Kirche St. Martin in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts<br />

mit zahlreichen Altären ausstattete, von denen freilich nur noch<br />

der "Dreikönigsaltar", einst Hochaltar, bis heute als Seitenaltar in<br />

der Kirche verbheben ist.<br />

Was andererseits Apollonia von Henneberg betrifft, deren obengenanntes<br />

Wappen unsere Abb. 1 zeigt, so entstammte sie dem hochangesehenen<br />

Adelsgeschlecht der Henneberger. Als deren Stammvater<br />

gilt Graf Poppo I. aus dem Geschlecht der Babenberger, welcher<br />

sich erstmals 1037 nach seiner Burg Henneberg (bei Meiningen)<br />

nannte 1 . Einer der bedeutendsten Angehörigen dieses Geschlechts<br />

war zu Beginn der Neuzeit der Mainzer Erzbischof<br />

Berthold von Henneberg (1481-1504), der als Erzkanzler des Rei-<br />

47<br />

Schmalzbach. Karl Werner Steim verfasste Biographien von dem<br />

vom Nazi-Regime verfolgten Pfarrer Franz Schach, von Pfarrer Wühelm<br />

Sickinger und von Karl Waldner, ehemals Rektor des Fideliskonvikts<br />

in Sigmaringen. Monika Spiller handelte über den Hofmaler<br />

Gustav Bregenzer. Über den Architekten und Landeskonservator<br />

Wilhelm Friedrich Laur schrieb Franz-Severin Gäßler. Die Lebensbeschreibungen<br />

von Erzabt Ildefons Schober und Pater Sebastian<br />

von Oer von Beuron übernahm Sr. Johanna Buschmann, Rietberg.<br />

Den Artikel über den in Gorheim beigesetzten ehemaligen<br />

Generalminister des Franziskanerordens und Titularerzbischof von<br />

Nazianz, Dionysius Schuler, schrieb Karl Suso Frank.<br />

Otto H. Becker schließlich steuerte in dem Band Lebensbeschreibungen<br />

von Studienrat Cyriakus Grünewald, der zeitweise Vorsitzender<br />

des Vereins für Geschichte, Kultur und Landeskunde Hohenzollerns<br />

und kommissarischer Leiter des Staatsarchivs Sigmaringen<br />

war, sowie von Gustav Hebeisen, Direktor der Fürstlichen<br />

Sammlungen, des Archivs und der Bibliothek in Sigmaringen und<br />

Vorsitzender des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in<br />

Hohenzollern, bei. Weitere Biographien hohenzollerischer Persönlichkeiten<br />

werden in den folgenden Bänden erscheinen. Mit<br />

diesem Projekt leistet die Kommission für geschichtliche Landeskunde<br />

in Baden-Württemberg unter der Mitarbeit von Forschern<br />

aus dem Hohenzollernland auch einen wichtigen Beitrag zur weiteren<br />

Erschließung der hohenzollerischen Geschichte.<br />

(Bk)<br />

ches maßgeblichen Einfluß auf den jungen König und Kaiser Maximilian<br />

I. ausübte.<br />

Die in der Überschrift genannte Wappenscheibe zeigt in einem von<br />

reichem Schweifwerk gerahmten Oval das gevierte Wappen der<br />

Apollonia von Henneberg mit den Emblemen Säule und Hahn (welche<br />

Stärke und Wachsamkeit symbolisieren). Inschrift, Signatur<br />

und Jahreszahl fehlen. Die dreidimensional sich gegenseitig durchdringenden<br />

Roll- und Beschlagwerkformen sind, wie wir sehen,<br />

mit figürlichen, tierischen und vegetabüen Motiven besetzt. Die<br />

Farbgebung in Gold, Rot und Blau macht einen vornehmen und<br />

zurückhaltenden Eindruck.<br />

Die Scheibe dürfte in Basel oder Schaföiausen in der Zeit um<br />

1570/80 entstanden sein. Ihre Gestaltung erinnert nach Ansicht<br />

von Fachleuten an ähnliche dort entstandene Arbeiten, denen niederländische<br />

Ornamentstiche zugrundehegen.<br />

Zum Schluß noch eine generelle Bemerkung! Die Gepflogenheit,<br />

Wappenscheiben anfertigen zu lassen und sie gegenseitig auszutauschen<br />

war im 16. Jh. ein weit verbreiteter Brauch geworden,<br />

nicht nur in Adelskreisen, sondern auch beim wohlhabenden städtischen<br />

Bürgertum und sogar bei Klöstern. Durch gegenseitiges<br />

Schenken von Wappen- oder Kabinettscheiben, wollte man demonstrieren,<br />

wie weit die eigenen Verbindungen reichten, mit welchen<br />

anderen Familien, Fürsten, Städten oder Klöstern man in<br />

freundschaftlichen oder politischen Beziehungen stand.<br />

ANMERKUNG<br />

1 So Gerhard Taddey, Lexikon der deutschen Geschichte, Stuttgart<br />

(Kröner) 1983, s.v. Henneberg


Verlag: <strong>Hohenzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Karlstraße 3,72488 Sigmaringen<br />

E 3828<br />

PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAI<br />

herausgegeben vom <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>, Postfach 1638,<br />

72486 Sigmaringen<br />

ISSN 0018-3253<br />

Erscheint vierteljährlich.<br />

Die Zeitschrift »<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>« ist<br />

eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders<br />

die Bevölkerung im alten Land Hohenzollern<br />

und den angrenzenden Landesteilen mit der<br />

Geschichte ihrer <strong>Heimat</strong> vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene<br />

Beiträge.<br />

Bezugspreis:<br />

Für Mitglieder des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

ist der Bezugspreis im Beitrag<br />

enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder<br />

€ 11,-. Abonnements und Einzelnummern können<br />

beim <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

(s. o.) bestellt werden.<br />

Die Autoren dieser Nummer<br />

Gerd Bantle<br />

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen<br />

Dr. Otto H.Becker<br />

Hedinger Straße 17, 72488 Sigmaringen<br />

Ulrich Feldhahn<br />

Klausener Platz22,14059 Berlin<br />

Dr. Herbert Rädle<br />

Veit-Jung-Straße 13 a, 92318Neumarkt<br />

Willi Rößler<br />

Am Schönenberg 7, 72488 Sigmaringen<br />

Jürgen Scheff<br />

Im Raidental 66, 72458Albstadt<br />

Josef Schneider<br />

Heiligkreuzstraße 16, 72401 Haigerloch-Gruol<br />

RolfVogt<br />

Marktplatz 6, 72379 Hechingen<br />

Dr. Edwin Emst Weber<br />

Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen<br />

Friedrich R. Wollmershäuser<br />

Herrengasse 8-10, 89610 Oberdiscbingen<br />

48<br />

Abb. 1: Wappenscheibe der Apollonia von Henneberg,<br />

Gattin Graf Gottfried Werners von Zimmern (1484-<br />

1554), Basel oder Straßburg um 1570/80. Hüttengläser,<br />

rotes Überfangglas, Schwarzlot, Silbergelb, blaue<br />

Schmelzfarbe, Höbe 46 cm, Breite 34 cm. Schloß Heiligenberg,<br />

Fürstlich Fürstenbergische Sammlungen. Bildnachweis:<br />

Ausstellungskatalog Die Renaissance im<br />

deutschen Südwesten, Karlsruhe 1986, Band 1, S. 286<br />

Gesamtherstellung:<br />

Druckerei Acker GmbH,<br />

Mittelberg 6, 72501 Gammertingen<br />

Telefon (07574) 9301-0,Fax9301-30<br />

info @druckerei-acker. de<br />

www.druckerei-acker.de<br />

Schriftleitung:<br />

Robert Frank<br />

Miederstraße 8, 72401 Haigerloch-Weildorf<br />

Tel.: (07474) 2161, robertgfrank@web.de<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich.<br />

Mitteilungen der Schriftleitung sind<br />

als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden<br />

an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »<strong>Hohenzollerische</strong><br />

<strong>Heimat</strong>« weiterzuempfehlen.


<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Herausgegeben vom ^ ^ H <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

57. Jahrgang ^ ^ ^ ^ ^ Nr. 3 - September 2007 E 3828<br />

Blick über den Weiher des Prinzengartens in Sigmaringen entlang der im März 2007 wieder freigelegten Sichtachse<br />

auf Prinzenbau und Schloss. Unter dem damaligen Erbprinzen Leopold (1835-1905) wurde in den siebziger Jahren<br />

des 19. Jahrhunderts die Fassade des Neuen Prinzenbaus durch den Hofkammerbaurat Josef Laur (1817-1886) neu<br />

gestaltet und bekam der Prinzengarten seine noch heute erkennbare Struktur durch den Gartendirektor Heinrich<br />

Grube (1840-1907). Foto: F.-S. Gäßler, März 2007


FRANZ-SEVERIN GÄßLER<br />

Integration der Gegensätze - vom Wesen<br />

des Sigmaringer Prinzengartens 1<br />

Jahrzehntelang verharrte der Sigmaringer Prinzengarten, ein ungefähr<br />

sieben Hektar großer Park im Zentrum der Stadt, im Dornröschenschlaf.<br />

Längst aufgegeben ist jene botanische Pracht, die ihn<br />

einstmals auszeichnete und die auf alten Aufnahmen noch zu sehen<br />

ist (Abb. 1.) Wildnis hatte sich über ihn gelegt und bot Gelegenheit<br />

für jene, die danach trachteten, Flächen aus seinem Areal als Verfügungsmasse<br />

für Straßen und Parkplätze zu rauben 2 . Glücklicherweise<br />

einigten sich Fürstenhaus und Stadt im September 2006,<br />

dem Prinzengarten im Rahmen der Kleinen Landesgartenschau<br />

2013 seine überlieferte Gestalt wieder zurückzugeben'.<br />

Abb. 1: Blick vom Oberen Parterre des Prinzengartens nach<br />

Südosten in den Landschaftspark um 1875. Vorlage: Pürstl.<br />

Hohenz. Sammlungen Sigmaringen<br />

Ideen für die Nutzung des Prinzengartens gibt es viele, und unterschiedliche<br />

Aspekte eröffnen unterschiedliche Fragen. Wäre es<br />

beispielsweise nicht sinnvoll, die ehemals domestizierte Natur sich<br />

selbst zu überlassen, oder Freizeiteinrichtungen unterzubringen -<br />

Kinderspielplatz, Bolzplatz, Cafe -, vielleicht doch den einen oder<br />

anderen Teil verkehrhch oder für Wohn- oder Dienstleistungszwecke<br />

zu nutzen und an anderer Stelle einen Ausgleich zu suchen?<br />

Wege und Wiesen, Bäume und Sträucher, Wasser, Mauern und Felsen<br />

sind auch an anderer Stelle zu finden. Spricht überhaupt etwas<br />

dafür, Gestalt und Funktion des Prinzengartens, wie sie uns überliefert<br />

sind, zu bewahren?<br />

Der Prinzengarten besitzt noch immer eine Gestalt, die aus prägnanten<br />

Teilen gefügt ist. Von Beginn an diente er sowohl der Erholung<br />

als auch der Repräsentation. Zudem ist er ein Denkmal, und<br />

er ist untrennbar mit dem Prinzenbau und dessen Geschichte verbunden.<br />

Denn Garten und Gebäude des Neuen Prinzenbaus sind im<br />

19. Jahrhundert als Stadtresidenz des Erbprinzen entstanden. Sie<br />

bilden eine Einheit: Der Garten wäre nicht ohne das erbprinzliche<br />

Stadtschloss angelegt und der Neue Prinzenbau nicht ohne den<br />

Prinzengarten errichtet worden. Beide haben sich gegenseitig bedingt.<br />

Und wie den Fassaden des Prinzenbaus ist auch dem Prinzengarten<br />

in den siebziger Jahren des 19- Jahrhunderts eine für<br />

jene Zeit typische Gestalt gegeben worden 4 . Gebäude und Garten<br />

sind Teil eines Gesamtkunstwerks, das die Hohenzollern bis zum<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts aus Stadt und Landschaft formten.<br />

Und zugleich sind Prinzengarten und Prinzenbau geschichtüche<br />

50<br />

Zeugnisse, ohne die weder Gestalt noch Gefüge der Stadt verständlich<br />

sind.<br />

Den Prinzengarten kennen zu lernen, sich auf ihn einzulassen, mit<br />

ihm vertraut zu werden und schließlich achtsam mit ihm umzugehen,<br />

kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Wann diese Anlage<br />

geschaffen wurde und von wem, welche Bäume und Sträucher dort<br />

vorhanden sind, wo und welche blühenden Stauden ihre Pracht<br />

entfalteten und welchen Tieren er Lebensraum bietet, in welchem<br />

historischen und kunsthistorischen Kontext der Garten steht, kann<br />

beispielsweise gefragt werden, um seinen Wert kennen und schätzen<br />

zu lernen. Zuallererst ist der Prinzengarten jedoch ein sinnlich<br />

wahrnehmbares Werk. Wenn wir uns auf die ursprüngliche Intention<br />

der Gartengestalt (Abb. 2) konzentrieren, darauf, wie die<br />

Flächen und Räume geformt, wie die Wege geführt und die Gehölze<br />

angeordnet sind, ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das,<br />

was wir sehen und hören, spüren und riechen, nicht willkürlich<br />

angelegt, sondern gezielt geschaffen, gestaltet und zu einer Einheit<br />

gefügt wurde. Und so stellt sich die Frage, wenn es denn ein Kunstwerk<br />

ist, wie es in sich gefügt und geschaffen ist, ob es Gestaltungsprinzipien<br />

oder Merkmale gibt, die sich wie ein roter Faden<br />

durch die Anlage ziehen, und was uns dann schließlich das Werk<br />

eröffnet und erfahren lässt.<br />

Besonders überraschend ist der erste Eindruck, wenn man den<br />

Prinzengarten durch die Vorhalle zwischen Altem und Neuem Prinzenbau<br />

betritt, weil hier der Übergang von einer Welt in die andere<br />

kontrastreicher nicht sein könnte. Mit einem Bein fast noch in der<br />

Stadt stehend, ist das Auge beim Öffnen des Durchfahrtstores bereits<br />

auf den Garten hin ausgerichtet. Schon hegt der Leopoldplatz<br />

im Rücken, jener Ort an dem sich die steinerne Stadt mit ihrem geschäftigen<br />

Treiben und dem lärmenden und abgasreichen Verkehr,<br />

mit der prägnanten Platzform und den repräsentativen Gebäuden,<br />

verdichtet; und dem vorwärts gerichteten Bhck bietet sich bereits<br />

die geformte Flora. Ruhig liegt der Garten da mit seinen Düften,<br />

den fein differenzierten Farbtönen, den leisen und subtilen Geräuschen.<br />

Bisweilen versinkt er in Stille. Zwei völlig unterschiedliche<br />

Welten, Gegensätze sind es, die hier fast unmittelbar aufeinandertreffen<br />

und im Kontrast zueinander stehen. Und treten wir vom<br />

Prinzenbau aus in den Garten, erkennen wir auch hier unterschiedliche<br />

Bereiche, die wiederum Gegensätze bilden. Denn im<br />

unmittelbaren Umfeld des Prinzenbaus, im Bereich der Parterre-<br />

Anlagen, ist der Garten geometrisch geformt; ansonsten ist er landschaftlich<br />

geprägt bis auf die Allee. Mit ihrer streng geometrischen<br />

Form und der rhythmischen Abfolge der Bäume bildet die Allee einen<br />

weiteren eigenständigen Bereich in dieser Anlage 5 . Und<br />

während das Auge vom oberen Parterre aus Gestalt und Grenzen<br />

des geometrisch geformten Teils genau zu erfassen vermag, bleiben<br />

diejenigen des Landschaftsparks in ihrer Gesamtheit dem<br />

Bhck entzogen. Hier, im geometrischenTeil, ist das Wasser durch<br />

die kreisrunde Linie des Beckens oder der Schale in eine künstliche<br />

Form gefasst; dort, im Landschaftsgarten, bleibt der Umriss des<br />

Wassers, die unregelmäßig verlaufende Uferlinie, dem Natürlichen<br />

verhaftet. Auch die Flächen der Wege und des Rasens, ja sogar die<br />

Rabatten für das Arrangement der blühenden Stauden und Gehölze<br />

sind bei den Parterre-Anlagen der Geraden, dem rechten Winkel<br />

und dem Kreisbogen untergeordnet gewesen. Blühende Stauden<br />

und Gehölze standen im Kontrast zu penibel gepflegten Rasenflächen<br />

und beschnittenen Büschen in geometrisch geformter Gestalt,<br />

wie beispielsweise den Buxuskugeln (Abb. 3). Vom oberen<br />

Parterre aus erschließt sich der Bhck nicht nur die Nähe, der Bhck<br />

schweift auch in die Ferne - über den ausgedehnten Wiesengrund


Mitteilungen<br />

aus dem<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong><br />

I. Veranstaltungen im 4. Quartal 2007<br />

I. Vortragsveranstaltung<br />

Im Anschluss an die erfolgreiche Ausstellung „Adel im Wandel" veranstaltet<br />

der <strong>Geschichtsverein</strong> am 13. Oktober in der renovierten und sanierten<br />

„Villa Eugenia" in Hechingen ein Kolloquium über das Thema<br />

Von Achberg bis Glatt. Zur Umwidmung herrschaftlicher<br />

Schlösser und Landhäuser in Hohenzollern..<br />

In den letzten Jahrzehnten wurden die meisten herrschaftlichen Sitze<br />

in Hohenzollern an Privatleute und öffentlche Körperschaften veräußert,<br />

saniert und neuen, oft ganz unterschiedlichen Nutzungen zugeführt.<br />

Diese Umwandlung soll in den angebotenen Kurzvorträgen im<br />

Einzelnen dargestellt und auch bewertet werden.<br />

Programm:<br />

9.30 Uhr Dr. Otto H. Becker, Sigmaringen<br />

Begrüßung<br />

9.30 - 9.50 Uhr Dr. Otto H. Becker, Sigmaringen<br />

Schloss Hohenfels<br />

10.00 - 10.40 Uhr Dr. Edwin Ernst Weber, Inzigkofen<br />

Schloss und Kloster Inzigkofen<br />

10.50- 11.10 Uhr Georg Loges, Hertingen<br />

Schloss Hettingen<br />

II.20- 11.40 Uhr Kai Sprenger M.A„ Ravensburg<br />

Schloss Achberg<br />

11.50 - 12.30 Uhr Uwe A. Oster M.A., Hechingen<br />

Schloss Lindich und Villa Eugenia<br />

12.40 - 14.00 Uhr Mittagspause<br />

14.00 - 14.30 Uhr Thomas Jauch M.A., Hechingen<br />

Altes und Neues Schloss Hechingen<br />

14.40 - 15.00 Uhr Dr. Ralf Laschimke, Straßberg<br />

Burg Strassberg<br />

15.10- 15.30 Uhr Dr. Andreas Zekorn, Balingen<br />

Schloss Haigerloch<br />

15.40 - 16.00 Uhr Bernhard Rüth, Rottweil<br />

Schloss Glatt<br />

Anschließend Schlussdiskussion und Verabschiedung<br />

Anmeldungen zu dieser Veranstaltung sind nicht erforderlich. Den interessierten<br />

Vereinsmitgliedern wird jedoch empfohlen, sich wegen begrenzter<br />

Raumverhältnisse rechtzeitig in der Villa Eugenia einzufinden.<br />

des Landschaftsparks und die Allee hinweg auf jene Höhen, die das<br />

Donautal begrenzen. Von hier aus bindet der Blick Vorder- und<br />

Hintergrund zusammen, die kontrastreich gegeneinander abgegrenzt<br />

sind.<br />

Beim Oberen Parterre bildet die balusterbesetzte Brüstung auf der<br />

Terrassenmauer die Grenze, beim Unteren Parterre sind es neben<br />

der Mauer die aus Geraden und Halbkreisen geformten Wege und<br />

Rabatten, die den Bereich der Parterre-Anlagen vom landschaftlich<br />

geprägten Teil abgrenzen. Bereits die Namen der beiden Parterre-<br />

Anlagen sagen schon etwas über ihre Lage und Verschiedenheit<br />

aus. Oben und Unten sind eindeutig voneinander geschieden -<br />

durch Mauer und Böschung. Und bezeichnenderweise wurde der<br />

überdachte Sitzplatz, der in seiner Funktion als schattenspendender<br />

Rückzugsort für die Hofgesellschaft in zahlreichen Fotografien<br />

dokumentiert ist, auf dem oberen Parterre angelegt und immer<br />

dort, wo Oben und Unten von zwei Seiten her am sichtbarsten ge-<br />

51<br />

2. Einzelvortrag<br />

Dr. Andreas Zekorn<br />

Von der Zensur zur Gleichschaltung. Presse in<br />

Hohenzollern 1808 -1945<br />

Montag, 19. November, um 20 Uhr im Prinzenbau (Staatsarchiv) in<br />

Sigmaringen. Wiederholung des Vortrags, den der Referent im April<br />

in Hechingen gehalten hat.<br />

3.Führungen<br />

Dr. Otto H. Becker<br />

Führung auf dem Hedinger Friedhof in Sigmaringen<br />

Samstag, 27. Oktober, und Samstag, 10. November. - Treffpunkt:<br />

14.30 Uhr am oberen Eingang Friedhofstraße<br />

Zusammen mit dem Kreiskulturforum Sigmaringen<br />

II. Hinweise<br />

Ausstellungen in Hohenzollern<br />

Bismarcks Reichstag. Das Parlament in der Leipziger<br />

Straße, fotografiert von Julius Braatz<br />

Staatsarchiv Sigmaringen (nähere Informationen HH 57, 2007. S. 4)<br />

Evangelische Kirche in Hohenzollern. 150Jahre<br />

Johanneskirche in Hechingen<br />

Vom 16. September bis 2. Dezember im <strong>Hohenzollerische</strong>n Landesmuseum<br />

in Hechingen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 14.00<br />

bis 17.00 Uhr, Sonn-und Feiertage 10.00 bis 17.00 Uhr<br />

Historische Adventskalender aus der Sammlung Esther Gajek<br />

Vom 9. Dezember 2007 bis 10. Februar 2008 im <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

Landesmuseum in Hechingen. Öffnungszeiten: Wie in der Ausstellung<br />

im <strong>Hohenzollerische</strong>n Landesmuseum davor<br />

Lesungen im Spiegelsaal des Prinzenbaus (Staatsarchiv) in Sigmaringen<br />

...sei 1000 mal innig gegrüßt und geküßt<br />

Sonntag, 7. Oktober, um 18.00 Uhr mit Gebhard Füßler und Corinna<br />

Knobloch<br />

Gute Kost am Lakaientisch<br />

Sonntag, 9- Dezember, um 18 Uhr mit Sibylle Brühl, Birgit Meyenberg<br />

und Volker Trugenberger<br />

gez. Dr. Otto H. Becker, Vorsitzender<br />

schieden waren und auch das Vorne und Hinten: direkt an der Terrassenmauer,<br />

entweder in der Achse des Oberen Parterres, direkt<br />

über der Grottenarchitektur, oder an der nordöstlichen Mauerkante''.<br />

Denn hohes Gehölz schirmte diesen Ort nach Norden hin,<br />

gegen Reithalle und Marstall hin ab. An kaum einer anderen Stelle<br />

des Prinzengartens, dessen Zugang von Osten und von Süden her<br />

wohl bis zum Ende des Kaiserreichs durch keinen Zaun geschützt<br />

war, konnte der gesellschaftliche Rang, der Gegensatz zwischen<br />

Adel und Bürger und die damit verbundene Distanz so ausgeprägt<br />

und kontrastreich dargestellt werden, wie an dieser Stelle. Es war<br />

ein intimer Ort, der einerseits abgeschirmt war und doch zugleich<br />

den Blick nach Südosten, in die Weite des landschaftlich geprägten<br />

Gartenteils und darüber hinaus in die Landschaft jenseits des Gartens<br />

und der Donau zuließ.<br />

Im Landschaftspark wechseln sich enge Räume mit weiten Räumen<br />

und helle Zonen mit dunklen Bereichen ab. Als Blickfang steht ein


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Abb. 2:<br />

Lageplm des Prinzengartens mit dem Bestand von 1934; Umzeichnung nach dem von Frick gefertigten Plan (StAS, Dep. 39, P 71)<br />

52


Baum bald licht vor schattigem Grund, bald ist es umgekehrt, und<br />

die Umrisse des im Dunkeln stehenden Gehölzes heben sich ab<br />

vom hell leuchtenden Laub im Hintergrund. Im Park sind Bäume<br />

mit glatter Rinde neben solche mit stark rissiger Borke gesetzt. Und<br />

Blätter mit geschlossener Form und weichem, fließendem Rand<br />

stehen im Kontrast zu solchen mit fingerförmig aufgebrochener<br />

Kontur. Umgeben von Laubbäumen setzen dann vereinzelt Koniferen<br />

Akzente durch ihre andersartige Gestalt und Farbe - oder<br />

Gehölze, deren Blattfarbe sich von derjenigen anderer Bäume abhebt,<br />

wie jene Blutbuche nahe des Weihers, die bis zum Sommer<br />

2001 die Zäsur zweier unterschiedlicher Räume pointiert hervorhob:<br />

Das Dunkel der meist im Schatten hegenden steilen Nordund<br />

Osthänge verstärken die dort gehäuft stehenden Koniferen und<br />

bilden kontrastreiches Gegenüber zum helleren Gehölzsaum.<br />

Abb. 3: Blick vom Unteren Parterre auf die Terrassenmauer<br />

und die Fassade des Neuen Prinzenbaus um 1900. Vorlage:<br />

Fürstl. Hohenz. Sammlungen Sigmaringen<br />

In der Bewegung eröffnen sich dem Wandelnden ständig neue Bilder.<br />

Und auch für den Ruhenden bleiben die Szenen nicht statisch.<br />

Denn unaufhaltsam wandelt der Lauf der Sonne die Erscheinung<br />

der einzelnen Szenen. Und Wind und Wolken beleben die Bilder<br />

auf ihre Weise. Wer aufmerksam dem Winde lauscht, wird bald erstaunt<br />

sein, welch Unterschiede wahrzunehmen sind unter Ahorn<br />

und Buche, Linde oder Eiche. Bald erfüllt ein leises Zittern der<br />

Blätter die Luft, bald fährt der Wind durch tanzendes Geäst und<br />

entlockt dem Gehölz ein kräftiges Rascheln.<br />

Die Wege führen an der Peripherie der großen Freiräume entlang<br />

und verschwinden immer wieder hinter Büschen. Oder sie queren<br />

die Freiräume und die Sichtachsen, die den Blick lenken und auf<br />

ausgewählte Objekte richten. Immer wieder kommen auf diese<br />

Weise Prinzenbau und Schloss ins Blickfeld (Abb. 4), aber auch<br />

einzeln stehende Bäume oder die Kuppel der Hedinger Erlöserkirche.<br />

Und zugleich führen die Sichtachsen nah und fern zusammen.<br />

In der Regel sind die Wege im landschaftlich geprägten Teil so gelegt,<br />

dass der Blick von ihnen aus in die Tiefe des Raumes zu<br />

schweifen vermag, und die Distanz des Raumes vor Augen liegt.<br />

Eher selten fallen Gehrichtung und Blickrichtung zusammen, wie<br />

dies besonders im südhchen Teil des Landschaftsgartens der Fall<br />

ist. Dort taucht beispielsweise an verschiedenen Stellen in der Gehrichtung<br />

der Kuppelbau der Hedinger Kirche auf, der sich über der<br />

fürstlichen Gruft erhebt. Und ist dann doch die Richtung ein kurzes<br />

Stück gemeinsam, fängt der Weg an, sich sanft zu krümmen,<br />

und eh man sich gelenkt versieht, wird zunächst der Fuß und<br />

schließlich auch das Auge in eine andere Richtung geleitet - oder<br />

53<br />

der Weg führt nach unten und das nahende Gehölz entzieht die Architektur<br />

dem Blick. Was im Augenbhck gegenwärtig ist, ist einen<br />

Schritt weiter bereits Vergangenheit und weicht dem neu Erspähtem,<br />

dem sich neu Eröffnenden, neuen Szenen. Dann gabelt sich<br />

plötzhch der Weg, und die Entscheidung ist gefordert, links oder<br />

rechts zu gehen - oder auch umzukehren.<br />

Abb. 4: Blick über den Weiher, dem zentralen Element des landschaftlich<br />

geprägten Gartenteils, in nordwestliche Richtung<br />

entlang der im März 2007 wieder freigelegten Sichtachse mit<br />

Prinzenbau und Schloss. Foto: F.-S. Gäßler, März2007<br />

Beim Weiher sind die Gegensatzpaare gehäuft anzutreffen. Auf<br />

Himmel und Erde treffen wir, auf Land und Wasser. Das Fließende<br />

und das leicht zu Bewegende des Wassers steht der Dauerhaftigkeit,<br />

der Unbeweglichkeit und der Härte des Felsens gegenüber,<br />

die der Zeit zu trotzen scheinen. Und in ähnlicher Weise stehen<br />

sich Biegsames und Sperriges gegenüber: Gras, das sich dem Tritt<br />

des Fußes beugt, dem Gehölz, das den Schritt hemmt. Die ebene<br />

Fläche steht im Kontrast zur Böschung und die sanft ausschwingenden<br />

Hänge zum schroff abfallenden Fels. Wie auch andernorts<br />

zu sehen - möchte man einwenden. Und doch sind die einzelnen<br />

Elemente in ihrer unterschiedlichen Wesensart auf kleinem Raum<br />

so zueinander gefügt, dass sich in ihnen Grunderfahrungen widerspiegeln<br />

können: Kein Weg führt zwischen Fels und Wasser entlang;<br />

steil bricht der Fels ab ins Wasser und ist dem Zugriff des Betrachters<br />

entzogen. Wie so manches im Leben bleibt er unerreichbar.<br />

Noch auf festem Grund stehend, bringt einen Schritt weiter das<br />

Bodenlose die unüberwindbare Distanz und hemmt den Fuß, nach<br />

vorne, dorthin zu treten, wo der Grund nicht mehr sichtbar ist und<br />

unter der spiegelnden Oberfläche des Wassers verschwindet. Der<br />

Bhck unter die Oberfläche ist verwehrt; mit bloßem Auge ist die<br />

Tiefe nicht auszuloten. Erreichbares und dem Zugriff Entzogenes<br />

nimmt das Auge wahr. Derart gibt es Bereiche, die bestimmten Sinnen<br />

verschlossen bleiben - das Rätselhafte existiert neben der ver-


meintlich erfassbaren Welt. Und mit der Spiegelung treffen Wirk-<br />

lichkeit und Schein aufeinander. Vielleicht das Faszinierendste<br />

überhaupt im Park, weil die Welt hier umgekehrt erscheinen darf,<br />

Ding und Werk unvermittelt doppelt auftauchen, in ihrer Dimension<br />

um das Doppelte gesteigert sind (Abb. 5), und in derselben<br />

horizontalen Ebene neben dem dunklen Grund plötzlich die Lichte<br />

des Himmels zu sehen ist und bisweilen die Naht zwischen Wirklichkeit<br />

und Schein entschwindet und nicht mehr zu erkennen ist,<br />

wo Reales ist und wo der Schein beginnt. Während Teile des Objekts<br />

vom Geäst und Laub der Bäume verdeckt werden, eröffnet das<br />

Spiegelbild den Bhck auf das, was dem direkten Bück entzogen ist<br />

(Abb. 6). Ist die Luft einmal unbewegt und lässt die Oberfläche des<br />

Wassers still daliegen, zeigt sich das Spiegelbild unverzerrt. Den<br />

Augenblick zu erhaschen, da dies der Fall ist, gilt es abzuwarten.<br />

Zeit und Geduld sind gefordert - wie so oft im Leben.<br />

Abb. 5: Blick über den Weiher auf die Felspartien im Sigmaringer<br />

Prinzengarten, deren Dimension durch die Spiegelung gesteigert<br />

wird. Foto: F.-S. Gäßler, März2007<br />

Auf den ersten Bück scheint der Prinzengarten nur ein aus wenigen<br />

Elementen geformter Ort der Ruhe und Erholung inmitten der<br />

Stadt zu sein. Doch wenn die Sinne aufmerksam die inszenierte Natur<br />

wahrnehmen, wird sein Wesen erlebbar. Auf äußerst subtile<br />

Weise ist mit Gegensatzpaaren die Vielfalt der Welt wohlgeordnet in<br />

Szene gesetzt. Bewusst wird das „sowohl als auch", das, was wir als<br />

Kontrast, als Gegensätzhches wahrnehmen, ins Werk integriert.<br />

Der Betrachter wird damit konfrontiert und neben dem Erlebnis<br />

vielleicht auch zur Reflektion angeregt. Wer sich öffnet, wird diese<br />

Welt erkennen - bisweilen bei innehaltendem Schritt und dann<br />

wieder in der Bewegung. Und wer sich selbst zu verändern vermag,<br />

kann das Werk als Kunstwerk bestehen lassen und vermag dessen<br />

Sinn zu erfassen. Die Freude an der Vielfalt der Schöpfung, die<br />

Fähigkeit zur feinfühligen, nuancenreichen und differenzierten<br />

Wahrnehmung sowie kunstvoll das Wesentliche zu ordnen ist in<br />

diesem Werk der Gartenkunst enthalten. Volle Wirkung wird das<br />

Werk jedoch nur dann entfalten, wenn es - im Gegensatz zur lärmenden<br />

Stadt - ein Ort der leisen Töne bleibt.<br />

Einst für eine privilegierte Minderheit als paradiesischer Mikrokosmos<br />

voller Poesie geschaffen gleichsam als Spiegel der<br />

menschhchen Fähigkeit zur Sinnlichkeit und Vernunft, zur Freude<br />

an der Schöpfung und dem spielerischen Umgang mit ihr, ist heute<br />

Vielen die Chance gegeben, sich auf dieses Kunstwerk und damit<br />

auch auf sich selbst einzulassen.<br />

54<br />

Abb. 6: Blick über den Weiher des Sigmaringer Prinzengartens<br />

in Richtung Schloss und Prinzenbau. Während Teile der Gebäude<br />

vom Geäst und Laub der Bäume verdeckt werden, eröffnet<br />

das Spiegelbild den Blick auf das, was dem direkten Blick<br />

entzogen ist. Foto: F.-S. Gäßler, April2007<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Der Beitrag entstand für die Führungen durch den Prinzengarten,<br />

die der Verfasser auf Einladung des Landesamts für<br />

Denkmalpflege und auf Initiative des Kreiskulturamts Sigmaringen<br />

leitete: anlässlich der Eröffnung des Tags des Denkmals,<br />

die am 9- September 2006 für Baden-Württemberg in<br />

Sigmaringen stattfand, im Rahmen des Begleitprogramms<br />

„Adel im Wandel" am 27. Juli 2006 sowie anlässlich des Tag<br />

des Denkmals am 10. September 2007.<br />

2 Der allgemeine Unterhalt des Parks obhegt seit der Öffnung<br />

des Prinzengartens für die Öffentlichkeit im Mai 1974 der<br />

Stadt Sigmaringen, der Unterhalt für die Gehölze, die Einfriedungen<br />

und den Weiher der Fürstüchen Hofkammer; frdl.<br />

Mitteilung der Stadt Sigmaringen vom 25. August 2006. Vor<br />

mehr als zehn Jahren verlor der Prinzengarten in seinem<br />

nördhchsten Teil Fläche seines Gartenparterres an ein Parkhaus,<br />

so dass sich nun hinter dem Alten Prinzenbau statt des<br />

Gartens Blech, Asphalt und Beton ausbreiten; vgl. Schwäbische<br />

Zeitung Nr. 287 vom 13. Dezember 1993- Am Ende des<br />

vergangenen Jahrhunderts hatte die Stadtverwaltung geplant,<br />

die östliche Hauptausfallstraße durch den Prinzengarten zu<br />

führen. Die Straße hätte den Garten nicht nur sinnwidrig geteilt<br />

und in seiner Gestalt stark beeinträchtigt, sondern ihn<br />

auch weitestgehend seiner Erholungsfunktion beraubt; vgl.<br />

Franz-Severin Gäßler: Der Ursprung des Sigmaringer Prin-


zengartens. In: HH 50. Jg. 2000, S. 55-60, bes. S. 55 sowie S.<br />

60, Anm. 1. Das Stadtplanungsamt Sigmaringen hatte schon<br />

im März 1974 in der Broschüre „Generelle Verkehrsüberlegungen"<br />

mit den Varianten II, IV und V die Querung des Prinzengartens<br />

und damit zusammenhängend den Abbruch von<br />

Gebäuden am Leopoldplatz - Neuer Prinzenbau bzw. Hofbuchhandlung<br />

Liehner - zur Diskussion gestellt. Der Eigentümer<br />

des Prinzengartens, Friedrich Wilhelm Fürst von Hohenzollern,<br />

der den Prinzengarten vor mehr als dreißig Jahren<br />

der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte, bewahrte den Park<br />

vor diesem verheerenden Eingriff; vgl. Schwäbische Zeitung<br />

Nr. 238 und 239 vom 14. und 15. Oktober 1999- Den Ansprüchen<br />

der Planer hatte sich bereits dessen Großvater, Fürst<br />

Wilhelm (1860-1926), wie auch der Urahn, Fürst Karl Anton<br />

(1811-1886) erfolgreich entgegengestellt. Denn 1869 hatte<br />

die württembergische Eisenbahnverwaltung beabsichtigt,<br />

Bahnhof und Schienentrasse ins Herz des Prinzengartens zu<br />

legen, und auch die 1907 geplante Trasse der Landesbahn<br />

hätte Allee und Park schwer beeinträchtigt; vgl. StAS, Dep. 39,<br />

NVA sowie Dep. 43 Nr. 514 (Prinzengartenlinie).<br />

3 Vgl. Schwäbische Zeitung Nr. 209 vom 9- September 2006,<br />

WINFRIED HECHT<br />

Ein Empfehlungsschreiben<br />

für einen Scharfrichter nach Ostrach<br />

Empfehlungsschreiben für Berufsanfänger sind bis heute für die<br />

Betroffenen nicht selten eine wichtige Angelegenheit. Verständlicherweise<br />

galt dies einst in besonderem Maß für Vertreter eines<br />

derart außergewöhnlichen Berufs wie jenem eines Scharfrichters.<br />

Die Notwendigkeit eines solchen Empfehlungsschreibens ergab<br />

sich bei angehenden Scharfrichtern aus dem Umstand, dass sie<br />

nicht selten aus kinderreichen Familien stammten, aus standesrechtlichen<br />

Gründen beim Beruf des Vaters bleiben mussten und<br />

schließlich die betreffenden Stellen am <strong>Heimat</strong>ort in der Regel<br />

durch den Vater oder einen älteren Bruder besetzt waren, wenn ein<br />

jüngerer Sohn eines Scharfrichters das entsprechende Alter erreicht<br />

hatte. Dann gab es für den „Berufsanfänger" nur die Möglichkeit,<br />

sich nach auswärts weg zu bewerben, und gerade in solchen<br />

Fällen konnte die betreffende Obrigkeit wenigstens durch ein<br />

Empfehlungsschreiben helfen.<br />

In Rottweil war dies 1724 der Fall bei Johannes Ritter. Der junge<br />

Mann stammte aus einer Familie, deren Oberhäupter in der<br />

Reichsstadt Rottweil das Amt des Scharfrichters mit Unterbrechungen<br />

nachweislich schon fast ein Jahrhundert versahen 1 , aber mit<br />

ihrem Beruf auch andernorts in Südwestdeutschland vielfach<br />

nachzuweisen sind. In Rottweil war Ritters älterer Bruder Heinrich<br />

Ritter gerade Anfang Februar 1724 seinem verstorbenen Vater in<br />

der Reichsstadt auf Grund eines Ratsbeschlusses nachgefolgt,<br />

nachdem ihm dessen Stelle schon 1719 in Aussicht gestellt worden<br />

war 2 . Auch der jüngere Johannes Ritter hatte allerdings bereits als<br />

Scharfrichter unter der Verantwortlichkeit seines Vaters gearbeitet<br />

und sein „Meisterstück" im Jahre 1722 mit der Enthauptung eines<br />

Delinquenten abgelegt, wobei es sich um die wegen mehrfachen<br />

Ehebruchs und Diebstahls trotz eines für sie günstigen Gutachtens<br />

der Universität Tübingen am 27. Mai 1722 zum Tod verurteilte<br />

Magdalena Schoder gehandelt haben dürfte'. Derartige „Meisterstücke"<br />

wurden in Rottweil durch Angehörige der Familie Ritter<br />

auch noch später wie im Jahre 1788 abgelegt 4 .<br />

55<br />

Sigmaringen: Gartenschau-Pläne sollen zügig umgesetzt werden.<br />

4 Vgl. Franz-Severin Gäßler, Gartendirektor Heinrich Grube -<br />

der Schöpfer des Sigmaringer Prinzengartens. Eine biographische<br />

Notiz. In: <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>, 57. Jg. 2007, S.<br />

6-10; ders., Sigmaringen - Fürstliche Präsenz im Stadtbild.<br />

Der Ausbau zur Residenz- und Landeshauptstadt im 19. Jahrhundert.<br />

In: Adel im Wandel. Oberschwaben von der frühen<br />

Neuzeit bis zur Gegenwart. Hrsg. von Mark Hengerer und Elmar<br />

L. Kuhn in Verbindung mit Peter Blickle. Bd. 1, Ostfildern<br />

2006, S. 439-460.<br />

5 Die Allee wurde um 1750 angelegt und in den siebziger Jahren<br />

des 19. Jahrhunderts in den Prinzengarten integriert; zur<br />

Allee vgl. Franz-Severin Gäßler, Die Allee in Sigmaringen: barocke<br />

Landschaftsinszenierung und fürstliches Herrschaftssymbol.<br />

In: <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>. 55. Jg. 2005, [33]—37,<br />

54-56; 56. Jg. 2006, S.4-6<br />

6 Vgl. die Fotos in den Sammlungen der Fürstl. Hofbibliothek<br />

Sigmaringen.<br />

7 Die Buche hatte während eines Sturms einen Ast verloren und<br />

wurde wenige Tage später Opfer der Säge.<br />

Wenn sich die Rottweiler Obrigkeit mit Ritters Anliegen 1724 an<br />

Abt Stephan I. Jung von Salem (1698-1725) wandte, dann hatte<br />

dies vor allem zwei Gründe: Der Abt von Salem war Landesherr des<br />

Marktfleckens Ostrach und des zugehörigen Klosteramts und<br />

konnte so auch über die zugehörige Scharfrichter-Stelle verfügen 5 .<br />

Abt Stephan war ferner „Vater-Abt" für die Zisterzienserinnen der<br />

Reichsabtei Rottenmünster vor den Toren von Rottweil und dort<br />

ständig durch den Beichtvater der Schwestern vertreten.<br />

In Rottenmünster, das selbst 1651 auf die Ausübung der Hochgerichtsbarkeit<br />

zu Gunsten von Rottweil verzichtet hatte, kannte man<br />

den jungen Johannes Ritter zweifellos persönlich, lebte doch seine<br />

Familie in Rottweil-Altstadt gerade eine Viertelstunde entfernt von<br />

den Mauern der Reichsabtei. Die wiederum war auch immer wieder<br />

von guten Beziehungen zum mächtigeren Nachbarn Reichsstadt<br />

Rottweil abhängig, so dass sich die damalige Reichsäbtissin<br />

Williburg Frey (1687-1725), eine gebürtige Überlingerin, sicher<br />

im Sinn des Rottweiler Empfehlungsschreibens einsetzte, wenn<br />

dies irgendwie möglich oder nötig war. Vielleicht hat Johannes Ritter<br />

sogar umgekehrt aus Rottenmünster erfahren, dass die Stelle<br />

eines Scharfrichters in Ostrach neu durch den Reichsabt von Salem<br />

zu besetzen war. In dieser Situation entstand jedenfalls auf der<br />

Rottweiler Stadtkanzlei im Namen von Bürgermeister Ignaz Moser<br />

der folgende Brief:<br />

Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Rottweil empfehlen<br />

Reichsabt Stephan von Salem Johannes Ritter aus Rottweil<br />

für das Amt des Scharfrichters in Ostrach. - Rottweil, 1724,<br />

Februar 27.<br />

Hochwürdiger Reichs Praelat, Gnädiger Herr.<br />

Es hat Unns Fürweiser dies, Johannes Ritter, Unseres verstorbenen<br />

Nachrichters söhn, zuvernemmen gegeben, wie daß Ewer Hochw.<br />

Und Gnaden gesinnet seyen, auff Ostrach, ohnweith Pfulendorf, Einen<br />

Freymann zusetzen Und auffzunehmen, mit inständiger geziemender<br />

bitt, Wür Ihme zu solcher stelle durch Unser Vorworth<br />

verhülffhch seyn wollten: Wann Er Ritter nun von Jugent auff sich<br />

bey seinem Vatter seel. In Underschiedlichen dergleichen professionsmassigen<br />

Casibus gebrauchen lassen, uns mithin in dieser pro-


fession sich also qualificiert, das Er nicht allein vor 10 Jahren Ei-<br />

nen Soldathen mit dem sträng, sondern auch Anno 1722 Eine Person<br />

dahier mit dem schwerdt feliciter hingerichtet hat, so volglichen<br />

sein Maisterstuckh mit Satisfaction dermassen verrichtet,<br />

gleichwie von Einem Nachrichter erforderet wird, sich annebenst<br />

in seinem Thun und Lassen auch also aufferbäwlich bezeiget, das<br />

Wür Ihme ein anderwährtige Promotion von Hertzen gönneten, Ja<br />

in Unsere selbst aigene dienst hetten auffnemmen mögen, sofern sein<br />

Bruder nicht vorlängst schon darauf! were vertröstet worden.:<br />

Solchemnach recommendiren Ewer Hochw. Und Gnaden gehors.<br />

Und gantz angelegentlich, diesem Johannes Ritter besagte Vorhabende<br />

Scharpfrichterstelle vor anderen Competenten in gnaden zu<br />

verleyhen. Die ahnhoffende hoche gnaden wird der Supplicant neben<br />

Mers jederzeit geflüssen seyn, auf all ersinnliche weiß hinwieder zu<br />

demeriren, nebst Unser gehors. empfehl. stähts Verharrende.<br />

Ewer Hochw. Und Gnaden Wirkl. gehors.<br />

Buergermeister unndt Rath daselbsten.<br />

Rothweil, den 27.ten Febr. 1724.<br />

Dem Hochwürdigen des Heyl. Rom. Reichs Praelaten und Herren<br />

Herrn Stephano, des Königl. Eximirten Stüffts und Münsters Salmonsweil<br />

Abten, auch Vicario Generali des löbl. Cisterc. Ordens<br />

etc. Unserem gnädigen Herren<br />

Salmonsweill.<br />

St.A Sigmaringen Dep.30 Salem/Rottenmünster Nr. 186<br />

HERBERT RÄDLE<br />

Ein Bildnis des Johann Jakob Schad<br />

von Mittelbiberach von 1651 aus<br />

dem Ulmer Stadtarchiv<br />

Die Adelsfamilie der Schad von Mittelbiberach hat mit dem hohenzollerischen<br />

Ländchen insofern etwas zu tun, als diese Familie eine<br />

Zeitlang die Ortsherrschaft von Neufra (Krs. Sigmaringen) innehatte,<br />

und in dieser Eigenschaft 1591 die dortige, sehr sehenswerte<br />

Muttergotteskapelfe errichtete. Stifter der Neufraer Muttergottes-Kapelle<br />

waren nämlich, wie eine gemalte Inschrift innen<br />

über der Tür ausweist, der damalige Ortsherr, Reichsfreiherr Joh.<br />

Philipp Schad von Mittelbiberach und seine Gattin Margaretha,<br />

geborene Speth von Zwiefalten 1 .<br />

Der 1275 erstmals genannte Ort Mittelbiberach (wohl eine Ausbausiedlung<br />

von Biberach) war 1440 an die reiche Biberacher und<br />

Ulmer Patrizierfamilie Schad gekommen. Ein mit dem obengenannten<br />

Neufraer Ortsherrn namensgleicher Joh. Philipp Schad,<br />

kaiserlicher Rat und Beamter, ist dort bis 1571 nachgewiesen. Von<br />

seinem namensgleichen Sohn, dem Ortsherrn von Neufra und Stifter<br />

der Muttergottes-Kapelle im Jahre 1591, besitzen wir nun zwar<br />

kein Bildnis, wohl aber von seinem Vetter Joh. Jakob Schad, geb.<br />

in Ulm 1574 und dort mehrere Jahre Regierender Bürgermeister,<br />

und dieses, einen qualitätvollen Kupferstich von 1651, wollen wir<br />

im Folgenden in Bild und Text vorstellen (Abb. 1).<br />

Johann Jakob Schad von Mittelbiberach (1574-1653) hatte in<br />

seiner Jugend die Lateinschule in Ulm besucht, seit 1589 studierte<br />

er in Straßburg und Tübingen. Auf einer "Kavalierstour" durch<br />

Frankreich und Italien erwarb er weitere Sprachkenntnisse (unser<br />

Kupferstich, siehe Abb. 1, weist ein Motto in italienischer Sprache<br />

auf: Meglio invidia che compassione = "Besser Neid als Mitleid").<br />

In Padua setzte er sein Jurastudium fort. 1599 kehrte er nach<br />

56<br />

Ob das Empfehlungsschreiben des Rottweiler Magistrats für Johannes<br />

Ritter seinen Zweck erfüllte, ist nicht bekannt - jedenfalls<br />

wird Ritter in der Fachliteratur im Zusammenhang mit Ostrach<br />

nicht erwähnt 6 .<br />

AMERKUNGEN<br />

1 Nach PfarrA St. Pelagius Rottweil-Altstadt, Pfarrbuch 1601 ff<br />

p.785, heiratete schon am 1. August 1636 Scharfrichter<br />

(„Carnifex") Johannes Ritter die Jungfer Catharina Uttenriedt.<br />

Die engere Familie des hier in Frage stehenden Johannes Ritter<br />

kam 1687 aus Oberndorf nach Rottweil (vgl. RPR vom<br />

5.August 1687 p.633).<br />

2 Vgl. StadtA Rottweil, Ratsprotokoll 8.Mai 1719 P-534 und vom<br />

15. Februar 1724 p.426<br />

3 StadtA Rottweil, Ratsprotokoll vom 27. Mai 1722 p.66)<br />

4 Vgl. W. Hecht und K. Maier, „Ein neues Lied von zwey Mördern"<br />

aus Rottweil. Jahrbuch für Volkslied-Forschung 25. Jg.<br />

(1980) S.95 mit Anm. 34<br />

5 Vgl. Artikel „Ostrach" im Handbuch der Historischen Stätten<br />

Deutschlands VI. Baden-Württemberg. 2. Aufl. Stuttgart 1980<br />

S.620<br />

6 Vgl. J. Glenzdorf und F. Treichel, Henker, Schinder und arme<br />

Sünder Bd. II. Bad Münder am Deister 1970 S.81 ff Nr.3540 ff.<br />

lOjähriger Abwesenheit nach Ulm zurück, wo er bereits zwei Jahre<br />

später in den Rat aufgenommen wurde. In der Ulmer Administration<br />

durchlief er eine steile Karriere, beginnend 1609 mit dem Amt<br />

eines Wassergeschworenen. 1635 wurde er schließlich "Geheimer<br />

Rat" und übernahm im folgenden Jahr 1636 erstmals das Amt des<br />

Regierenden Bürgermeisters, welches er insgesamt fünfmal (!) innehatte.<br />

Als "Geheimer Rat" hatte er 1635 mit König Ferdinand III.<br />

über den Beitritt Ulms zum Prager Frieden (im 30jährigen Krieg)<br />

verhandelt und aus diesem Anlass vom König eine goldene Kette<br />

nebst Denkmünze zum Geschenk erhalten (Er trägt sie auf unserer<br />

Abb. 1). Solche Ketten waren nach der Ulmer Kleiderordnung von<br />

1574 den "Geschlechtern", also den noch über den Patriziern stehenden<br />

städtischen Adelsfamilien, vorbehalten und zählten nebst<br />

den Kleidern zu den wichtigsten Statussymbolen 2 . Unser Porträt ist<br />

unmittelbar nach der Bestätigung seines ritterbürtigen Adels und<br />

der Turnierfähigkeit 1651 entstanden, welche ihm das Recht gab,<br />

das quadrierte Wappen der freiherrlichen Familie Schad von Mittelbiberach<br />

zu tragen" 1 .<br />

Beschreibung des Bildnisses<br />

Der in der Tracht eines "ritterbürtigen" Ulmer Patriziers dargestellte<br />

77jährige Johann Jakob Schad ist in Dreiviertelfigur vor den<br />

Betrachter gestellt. Durch das perspektivisch vorgerückte Tischchen<br />

im Bildvordergrund, auf das sich der Porträtierte mit der<br />

Rechten leicht aufstützt, erscheint er selbst diskret in den Mittelgrund<br />

gerückt, von wo aus er den Betrachter mit Offenheit und unaufdringlichem<br />

Selbstbewußtsein ins Auge faßt. Hervorgehoben<br />

hat der Künstler außer dem Porträtkopf selbst noch die kräftigen,<br />

energischen Hände als "psychische Ausdrucksträger", deren linke,<br />

ebenso leicht vorgeschoben wie die rechte, lässig auf dem Degenknopf<br />

ruht. Von stolzem Selbstbewußtsein zeugt auch das in italienischer<br />

Sprache dargebotene Motto: "Lieber Neid als Mitleid".


Was schließlich noch die Urheber unseres Porträt-Kupferstiches,<br />

also den Maler und den Stecher, betrifft, so ist der Maler, Andreas<br />

Schuch, (Andreas Schuch pinx.) durchaus kein Unbekannter. Er<br />

ist in Ulm nachgewiesen zwischen 1600 und 1686. 1630 schließt<br />

er eine Ehe als Ulmer Bürger. Schuch war vor allem als Bildnismaler<br />

tätig, doch haben sich von seiner Hand auch Altarblätter und<br />

eine Anzahl häufig signierter Zeichnungen erhalten. Er wird als der<br />

bedeutendste in der Mitte des 17. Jh. tätige Ulmer Maler angesehen.<br />

"In seinen frühen Porträts wirken trotz barocker Auffassung<br />

gelegentlich tradierte Bildelemente des 16. Jh. nach" (Monika<br />

Kopplin).<br />

Abb. 1: Johann Jakob Schad mit goldener Kette und Denkmünze.<br />

Kupferstich von Wolfgang Kilian nach einem Gemälde von Andreas<br />

Schuch, Ulm 1651. Text oben: Johann Jakob Schad von Mittelbiberach<br />

zu Sankt Bartlmä und Palmertshofen, zur Zeit Duumvir<br />

der Stadt Ulm (=reipublicae Ulmensis pro tempore Duumvir).<br />

Text unten: Meglio invidia che compassione (=Besser<br />

Neid als Mitleid). Bildnachweis: wie Anm. 3, S. 634<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Der Text der Inschrift ist abgedruckt bei Walter Genzmer<br />

(Hrsg.), Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns, Band H, Stuttgart<br />

1948, S. 254.<br />

2 Vgl. Hartmut Bock, Goldene Ketten und Wappenhelme - Zur<br />

Unterscheidung von Patriziat und Adel in der Frühen Neuzeit,<br />

in: Ztschr. des Hist. Vereins für Schwaben, Band 97, 2004, S.<br />

59-120.<br />

3 Oliver Fieg, Das Ulmer Patriziat zwischen Zunftbürgertum und<br />

Landadel, in: Adel im Wandel, Ausstellungskatalog, Beiband<br />

H, Sigmaringen (Thorbecke) 2006, S. 636f.<br />

57<br />

HELMUT GÖGGEL<br />

Musterlehrer Heinrich Reiser<br />

aus Gammertingen<br />

Der in Gammertingen 1804 geborene Heinrich Reiser war in seiner<br />

Zeit ein über die engeren <strong>Heimat</strong>grenzen hinaus bekannter<br />

und geschätzter Lehrer. Er war von 1837 bis 1867 Erster Lehrer<br />

und Schulleiter an der katholischen Volksschule in Gammertingen<br />

und hatte, wie damals üblich, auch die Aufgaben eines Mesners zu<br />

übernehmen 1 . Da er musikalisch sehr begabt war, übernahm er<br />

auch den Organistendienst. Einem Namensvetter von ihm, Musikdirektor<br />

August Reiser, ebenfalls ein geborener Gammertinger,<br />

wurde mit der „August-Reiser-Straße" eine Ehre zuteil, die Heinrich<br />

Reiser bis jetzt versagt bheb. Daher ist es besonders erwähnenswert,<br />

dass der spätere Musikdirektor August Reiser seine musikalische<br />

Grundausbüdung bei Musterlehrer Heinrich Reiser erhielt.<br />

Jene Jahrzehnte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachten<br />

weitere Lehrerpersönlichkeiten in Hohenzollern hervor, deren Namen<br />

und Wirken mindestens in Lehrerkreisen in den jeweihgen<br />

Orten noch heute präsent sind. Sie wurden von verschiedenen Autoren<br />

schon gewürdigt: Sebastian Locher in Veringenstadt und Sigmaringen<br />

2 , Joseph Hartmann in Inzigkofen 3 , Josef Beck in Sigmaringendorf'.<br />

Diese Lehrer durchliefen, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, bereits<br />

eine standardisierte Ausbildung. Denn bis in das siebte Jahrzehnt<br />

des 18. Jahrhimderts stand die Schule in beiden Fürstentümern<br />

außerhalb des Interesses der Regierungen. Für die<br />

Annahme eines Schulmeisters oder Schulhalters war ausschließlich<br />

die einzelne Gemeinde zuständig 5 .<br />

Wie unzureichend die Fürstliche Regierung selbst noch im Jahre<br />

1809 über die schulischen Verhältnisse in ihrer Grafschaft orientiert<br />

war, ist einem Rundschreiben der Regierung in Sigmaringen<br />

an sämtliche Ämter zu entnehmen, innerhalb von drei Monaten einen<br />

vollständigen Bericht über folgende Sachverhalte zu erstellen:<br />

Ob und in welchen Orten geprüfte Lehrer vorhanden seien; ob in<br />

dem betreffenden Ort nur ein befristet angestellter Lehrer oder ein<br />

ständiger Lehrer sei; worin das Gehalt des Lehrers bestehe und ob<br />

es im Amtsbezirk Jünglinge gebe, die befähigt seien, den Beruf des<br />

Lehrer anzustreben".<br />

Schließlich kam es zu der „Allgemeinen Schulordnung für die<br />

Stadt- und Landschulen" vom 19. November 1809, in der es im<br />

Hinblick auf die Lehrer heißt: So wird auf ausdrücklich höchsten<br />

Befehl die gegenwärtige allgemeine Verordnung zu dem Ende<br />

bekannt gemacht, damit nicht nur die aufgestellten Schullehrer<br />

sich genau nach derselben benehmen, sondern auch die Aemter<br />

und Schulkommissariate auf ihrer unausgesetzten Befolgung<br />

bestehen 7 . Und an anderer Stelle: Die Obliegenheiten des<br />

Lehrers umfassen nicht bloß den Unterricht, sondern auch die<br />

sittliche Ausbildung der Schulkinder...Es werden hierüber den<br />

Lehrern für ihr Verhalten noch besondere Vorschriften ertheilet<br />

werden". Damit war man hinsichtlich des Aufbaus eines Schulwesens<br />

und einer geregelten Lehrerausbüdung ein gutes Stück voran<br />

gekommen, wenn auch in der praktischen Verwirklichung noch etliche<br />

Hindernisse zu überwinden waren.


Abb. 1. Musterlehrer Heinrieb Reiser.<br />

Vorlage: Stadtarchiv Gammertingen.<br />

Reiser als Lehrer und Ausbilder von Schulaspiranten<br />

Im folgenden soll über die Ausbildung zum Volksschullehrer in<br />

den f830/40er Jahren berichtet werden. Glücklicherweise ist uns<br />

die Autobiografie eines Lehrers überhefert, aus der wir die Vorbildung<br />

von Lehreranwärtern für die Volksschule bis zu ihrem Eintritt<br />

in die Präparandie in Habsthal mit Abschlussexamen nach zwei<br />

Jahren erfahren können. Es handelt sich um den in Krauchenwies<br />

geborenen Carl Holl', der nach Abschluss der Volksschule bei<br />

Heinrich Reiser in Gammertingen eine zweijährige Vorbereitungszeit<br />

durchlief.<br />

Heinrich Reiser wurde im August 1838 zur Ausbildung der „Schuldienstineipienten"<br />

ermächtigt 10 . Er war zu diesem Zeitpunkt Lehrer<br />

in Salmendingen. Vermuthch führte die Ernennung zu seiner<br />

anschließenden Versetzung an die größere Schule in Gammertingen.<br />

Gleichzeitig kam Rupert Fischinger aus Langenenslingen an<br />

die damit zweiklassige Gammertinger Schule. Als staatlich bevollmächtigter<br />

Ausbilder der Schulaspiranten durfte Reiser die Bezeichnung<br />

„Musterlehrer" führen.<br />

Die Schulaspiranten wurden von Musterlehrer Reiser in allen<br />

Schulfächern unterrichtet und darin auch regelmäßig überprüft.<br />

Sie durften erste Versuche im Unterrichten wagen. Neben dem Unterrichten<br />

legte Reiser großen Wert auf die körperliche Ertüchtigung<br />

und musikalische Fortbildung seiner Zöglinge. Sie gingen<br />

spazieren, botanisierten, badeten in der Laudiert und übten sich<br />

im Ball werfen. Reiser unterrichtete sie in Klavier, Orgel, Violine<br />

und Gesang. Offensichtlich hatte er zur gleichen Zeit mehrere Aspiranten<br />

zu unterrichten. Daneben unterrichtete er Klavierschüler<br />

und - Schülerinnen aus der Stadt und nahm auch andere Zöglinge<br />

unter seine Obhut und Fürsorge. In Reisers Haus schwieg das Klavier<br />

fast den ganzen Tag nicht. Schwieg es, so hörte man Violine,<br />

Gesang und Flöte. Das war eine Rührigkeit, eine wetteifrige<br />

Strebsamkeit".<br />

58<br />

Abb. 2. Als staatlich bevollmächtigter Ausbilder von Schulaspiranten<br />

durfte Reiser die Bezeichnung „Musterlehrer" führen,<br />

wie aus diesem Zeugnis eines neunjährigen Mädchens aus dem<br />

Jahre 1849 zu ersehen ist. Vorlage: Ingrid Kreidler, Sigmaringen.<br />

Nach den zwei Jahren folgte die Studienzeit am Seminar in Habsthal.<br />

Dort war damals zur gleichen Zeit die Waisen- und Taubstummenanstalt<br />

für Hohenzollern-Sigmaringen untergebracht. Die Studienfächer<br />

waren dieselben wie in Gammertingen. Im Zentrum des<br />

Studiums standen verstärkt die religiöse Erziehung und die Erziehung<br />

zur Ehrfurcht vor der Obrigkeit und zur Vaterlandshebe. Wer<br />

nach zwei Jahren die Abschlussprüfung bestand, wurde für den<br />

Schuldienst in Hohenzollern als „befähigt" erklärt. Er wurde als<br />

„Provisor" eingestellt, sofern eine Stelle frei war 12 . In seinen Erinnerungen<br />

würdigt Holl die Leistung Reisers als Musterlehrer in der<br />

Vorbereitung der „Incipienten" auf das Seminar in Habsthal und<br />

seinen dortigen hervorragenden Ruf mit den Worten: Reiser war<br />

einer der tüchtigsten Lehrer in Hohenzollern, ein ausgezeichneter<br />

Musiker und Componist und ein hervorragender<br />

Pädagoge...Die Incipienten von H. Reiser konnte man am Seminar<br />

in Habsthal am besten brauchen, insbesondere auch in<br />

der Musik' 3 .<br />

Reiser als Komponist<br />

Reiser war nicht nur ein vortrefflicher Musikpädagoge, er trat auch<br />

als Komponist in Erscheinung. Hier einige Beispiele:<br />

- Dreistimmige Lieder für die reifere Jugend, namentheh in Sonntags-,<br />

Fortbildungs- und Realschulen, 1846 und 1884, Hallberger'sche<br />

Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.<br />

- Klavierschule für Kinder, mit besonderer Rücksicht auf einen<br />

leichten und langsam fortschreitenden Stufengang und Übungsstücke<br />

für junge Klavierschüler in fortschreitender Ordnung<br />

und mit Bezeichnung des Fingersatzes, 6. Auflage, Jg.?, Hallberger'sche<br />

Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.<br />

- Deutsche vierstimmige Messe mit Orgelbegleitung, Steindruck,<br />

N. Allgaier, Veringenstadt.


Vierstimmige Messe Nr. 2, Steindruck, N. Allgaier, Veringen-<br />

stadt.<br />

Hirtenlied für gemischte Stimmen, handschriftlich.<br />

Pange lingua für Männerstimmen, handschriftlich..<br />

Requiem zweistimmig handschriftlich^.<br />

& r e t f t t m n u g e t i i e k c v<br />

für<br />

im* reifere Jlujjeiifc<br />

n a Hi t n t! i dj in<br />

©ontitagß», gortbiltmngä = imto 9?eat = ©tauten<br />

cpmpomrt<br />

A>einvtcb Reifer.<br />

S t II t t fi H t t.<br />

f i qf V'f du 4! t ti nq#Ii on» Mi im.<br />

Abb. 3- Heinrich Reiser war nicht mir ein sehr befähigter Musikpädagoge,<br />

sondern er komponierte auch. Vorlage: Grutidund<br />

Hauptschule mit Werkrealschule (GHWRS) Gammertingen.<br />

Reiser als pädagogischer Schriftsteller<br />

Reiser gab auch Schulbücher heraus für die verschiedenen Fächer<br />

und Klassenstufen und äußerte sich zu Fragen der Erziehung und<br />

Methodik. Auch hier einige Beispiele:<br />

- Lehr- und Lesebuch für die Unterklasse in katholischen Volksschulen,<br />

11. Auflage, 1885, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.<br />

- Der katholische Volksschüler in der Oberklasse. Ein Sprachund<br />

Lesebuch für Schüler von 11 bis 14 Jahren, 4. Auflage,<br />

1864, Hallberger'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.<br />

- Materiahen zum Tafelrechnen. Beispiele über Längen-,<br />

-<br />

Flächen- und Körperberechnungen, 1866, Verlag Albert Koch,<br />

Stuttgart.<br />

Die Realien. Ein Lehrbuch für gehobene Volksschulen, 1852,<br />

Hallberger'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.<br />

- Lehr- und Lesebuch für Handwerker- Fortbildungs- und männliche<br />

Sonntagsschulen,<br />

handlung, Stuttgart.<br />

1861, Hallberger'sche Verlagsbuch-<br />

- Die fünf Weltteile, dargestellt in Wort und Bild. Ein Handbuch<br />

der Länder- und Völkerkunde nach den vorzüglichsten geogra-<br />

59<br />

phischen und ethnographischen Erkenntnissen, Jg.?, Bibliographisches<br />

Institut, Hildburghausen. Seiner Hoheit, dem Durchlauchtigsten<br />

Fürsten Carl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />

ehrfurchtsvoll gewidmet.<br />

- Die Briefschule. Eine Anleitung zum Briefschreiben, enthaltend:<br />

369 neu bearbeitete Briefmuster und 304 Aufgaben und Skizzen<br />

zu Briefen, nebst einer Anleitung zur Abfassung von Eingaben<br />

und Bittschriften, 1852, Hallberger'sche Verlagsbuchhandlung,<br />

Stuttgart.<br />

- Erziehung und Unterricht. Abhandlungen und Erörterungen<br />

über die wichtigsten Fragen aus dem Gebiet der Pädagogik, Didaktik,<br />

Methodik, 1871, Verlag H.R. Sauerländer, Aarau 15 .<br />

Wie man aus den Jahreszahlen der Veröffentlichungen unschwer<br />

erkennen kann, war Reiser nicht nur während seiner aktiven Zeit,<br />

sondern auch nach seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin<br />

schriftstellerisch tätig. Manche seiner Werke erfuhren hohe Auflagen.<br />

Für die Qualität seiner Arbeiten zeugt die Zusammenarbeit mit<br />

renommierten Verlagen der damaligen Zeit.<br />

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Stuttgart.<br />

3>vii(J ttnb SBertag »Ot B. SRupjct.<br />

1889.<br />

Abb. 4. Auch als pensionierter Musterlehrer gab Heinrich Reiser<br />

Schulbücher heraus. Vorlage: GHWRS Gammertingen.<br />

Alltagssorgen des Lehrers<br />

Im Alltag ging es ihm wie vielen Lehrern damals. Es war ein ständiger<br />

Kampf um bessere Wohnverhältnisse und Bezahlung. 1850<br />

stellte Reiser bei der Gemeinde den Antrag auf eine Besoldungserhöhung.<br />

Die Gemeinde legte den Antrag der Königlich Preußischen<br />

Regierung in Sigmaringen vor, deren Bescheid letzten Endes positiv<br />

war mit der Bemerkung, eine zwangsweise Aufbesserung des<br />

Gehalts könne nicht verfügt werden, da die erste Lehrer- und Meßmerstelle<br />

in Gammertingen mit einem Einkommen von 280 Gul-


den ausgeschrieben worden sei und Musterlehrer Reiser somit das<br />

normalmäßige Gehalt beziehe. Da derselbe aber in Erziehung,<br />

Fleiß und Geschicklichkeit einer Gehaltsaußesserung sehr<br />

würdig sei, sei man gerne einverstanden, wenn ihm die Ortsschulund<br />

Gemeindebehörden eine persönliche Gehaltszulage aus dem<br />

Ortsschulfond oder der Gemeindekasse oder aus beiden mit 50<br />

Gulden bewilligten. Die Gemeinde lehnte einen Zuschuss aus der<br />

Gemeindekasse ab, fand aber eine Lösung über die Michaelspflege<br />

und den Schulfond. Reiser erhielt „widerruflich" eine jährliche Zulage<br />

von 50 Guldenl6.<br />

Ein anderes Beispiel aus dem Jahr 1857: Reiser stellte bei der Gemeinde<br />

den Antrag, dass beide Lehrerstellen gleich behandelt<br />

und das fraglich Holz samt Reisig an die erste und zweite Lehrerstelle<br />

frei geliefert werden möchte. Seinem Antrag wurde<br />

schließlich entsprochen' 7 .<br />

Öffentliches Engagement<br />

Über seine Tätigkeit als Lehrer und Schulleiter hinaus war Heinrich<br />

Reiser auch im öffentlichen Leben seiner <strong>Heimat</strong>stadt präsent. Er<br />

gründete die Musikkapelle und den Männerchor 18 . Im Revolutionsjahr<br />

1848 wurde er zum Kapellmeister im Offiziersrang ernannt.<br />

1 '.<br />

Auch im politischen Raum war er engagiert. Er wurde zwei Mal,<br />

1842 und 1845, in den Landtag des Fürstentums Hohenzollern-<br />

Sigmaringen gewählt 20 . In einer Sitzung der Ständeversammlung<br />

vom 11. April 1849 äußerte er sich zum Thema „Fortbildungsschule":<br />

Er finde es unbegreiflich, wie ein Teil der Finanzkommission<br />

sich gegen das Fortbestehen der Fortbildungsschulen habe<br />

aussprechen können, in einer Zeit, wo es allgemein anerkannt<br />

werde, dass die Jugend in ihrer Bildung weiter geführt werden<br />

müsse, als es früher der Fall gewesen sei.<br />

Für sein segensreiches Wirken auf den verschiedenen Gebieten<br />

wurde Reiser mehrfach geehrt. Er bekam den Orden „Ritter des<br />

Königlich Preußischen Kronenordens 4. Klasse". Darüber hinaus<br />

war er Inhaber mehrerer Ehrenmedaillen 21 .<br />

1867, im Alter von 63 Jahren, wurde Reiser wegen Schwerhörigkeit<br />

in den Ruhestand versetzt. Er zog zunächst nach Rheinfelden<br />

zu seinem Sohn Friedrich Hermann, der dort Musikdirektor war.<br />

Nach Angabe der „Zollerheimat" (1. Jahrgang, Nr. 9) soll er in den<br />

1880er Jahren nach Leoben in der Steiermark verzogen und dort<br />

gestorben sein. Im Familienregister der katholischen Pfarrei Gammertingen<br />

1889 ist als Sterbeort Kapfenberg in der Steiermark eingetragen,<br />

allerdings mit Fragezeichen versehen 22 .<br />

Wie sieht Heinrich Reiser seine Arbeit und sich selber?<br />

Die Volksschule soll ihre Zöglinge auf jene Stufe allgemeiner<br />

Menschenbildimg erheben, ivelche sie für ihre künftige Bestimmung<br />

in jeder Richtung fähig und tüchtig macht. Der Schüler<br />

soll besonders durch die poetischen Stücke mit Beihilfe des<br />

Lehrers die Schönheit seiner Muttersprache kennen lernen, weil<br />

diese am meisten dazu geeignet sind, die Vorzüge unserer Sprache<br />

im schönsten Lichte zu zeigen. Sie üben zugleich den größten<br />

Einfluß auf Geschmacks-, Gemüths- und Geistesbildung<br />

überhaupt und nähren den Sinn für alles Schöne, Edle und<br />

Große (Der deutsche Volksschüler, 1852, S. V und VI).<br />

Es ist eine ebenso traurige als allseitige Erfahrung, daß Schüler,<br />

welche die Werktagsschule mit sehr schönen Kenntnissen verlassen<br />

haben, in den zunächst folgenden Jahren das Meiste davon<br />

vergessen und mit einem sehr unbefriedigenden Reste von<br />

60<br />

Wissen und Können aus der Sonntagsschiüe treten. Diese Wahrnehmung<br />

ist besonders für den Lehrer sehr betrübend, indem er<br />

sich genöthigt sieht, auf einen befriedigenden, bleibenden Erfolg<br />

seiner Bemühungen, welcher ihm allein einigen Ersatz für<br />

seine Anstrengungen gewähren könnte, zu verzichten (Lehrund<br />

Lesebuch, 1861, S.V).<br />

Eine Hauptbedingung für das Gedeihen der Fortbildungsschulen<br />

liegt ohne Zweifel darin, dass der Unterricht mit Lebendigkeit<br />

und Eifer ertheilt und dem Schüler möglichst angenehm<br />

gemacht werde, weßhalb der Lehrer sich auch immer auf die<br />

Unterrichtsstunden gehörig vorbereiten soll.. Es sollte wohl<br />

kaum nöthig sein zu erwähnen, dass eine solche anstrengende,<br />

aufopfernde Thätigkeit auch eine angemessene Belohnung<br />

verdiene. Eine solche erhält jedoch der Lehrer nur da, wo die<br />

Vorstände der Gemeinden, sowie diese selbst, die Wichtigkeit<br />

des Jugendunterrichts gehörig anerkennen und würdigen und<br />

die von der Überzeugung ausgehen, dass kein Kapital nutzbringender<br />

angelegt sei, als dasjenige, das man auf den Unterricht<br />

und die Bildung der heranwachsenden jungen Gemeinde verwendet<br />

hat (Lehr- und Lesebuch, 1861, S. VII und VIII).<br />

Diese wenigen Zitate sowie das bereits Gesagte deuten darauf hin,<br />

dass die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörden, Reiser als Lehrerausbilder<br />

zu berufen, gerechtfertigt war. Nun soll aber nicht verschwiegen<br />

werden, dass auch ein begnadeter Pädagoge und Musiker<br />

einem Irrtum unterliegen kann. Obwohl seine musikalischen<br />

Fähigkeiten und Erfolge allgemein anerkannt wurden, wich er seltsamerweise<br />

gerade in der Schulmusik vom üblichen Notensystem<br />

ab und versuchte, über ein Ziffernsystem die Schüler zum rascheren<br />

- und wie er meinte - leichteren Singen und Musizieren zu<br />

führen. Seine Begründung lautete (verkürzt): Der Verfasser hat<br />

hiebei dem Ziffemsystem vor dem Notensystem den Vorzug gegeben,<br />

nicht als ob erden Werth des letzteren verkennen würde,<br />

sondern weil letzteres auf kürzerem Wege erreicht, was man in<br />

dieser Beziehung von der Volksschule, die keine kunstgerechten<br />

Sänger zu bilden hat, erwarten darf (Der deutsche Volksschüler,<br />

1852, S. VIII). Der geneigte Leser möge versuchen, die Melodie<br />

des beigefügten Liedes „Der Mond" zu erschließen und dies<br />

womöglich in trauter Stunde zweistimmig zu zelebrieren.<br />

Uro, 87. l ,= F cbtt G.<br />

2er Sütotii. »tidiam.<br />

- L ®t. 1 • 5 5 4 4 [T~2 5 j 5 4 4 31<br />

It. 3m ftit . [ru, iiei = fern Ith; et l'u fanft titu<br />

12. ttt li.djclt (tili, t!rfd)eW«i, Ba.plltfein 3n-beli, ffiif ffl -- neitt trcui-ten<br />

Iii. ©auf fftr jl • It grait», (jaf©auf f8r btL-ntu<br />

II. St. \ 113 3 2 2 1, 3 3 2 2 t<br />

/ 2 - 2 | 4 4 3 3 | 6 5 4 j 3 3 2 2<br />

I<br />

1. fiet: mir ift im SttMten*frait fo ftb&n gtjdjmüdt atä et?<br />

2. fiiljt, uuS iiifcl [t isi*! $vtttbtR mit fei:Htm tranken l'ifM.<br />

3. st!, inibwtsftbtr mü«bttt Gcr = bt inr ftiiich 31 --fctnb.-ruf'.<br />

4. £«ft; bie je* (ig=ßtn ©e ; fiijwit giejjt tr in mi * frt SJntfl<br />

5. l'iihi, JjftßgrcuVam fco * bfn Stöbert,foiijtgät>ß bu ihn uns iiidjt.<br />

8.Sionb, ber ia*gt$ ßajl uiib Stirbt» fr ititfc nnbfreuuMirf) ieijitt.<br />

|" 2 2 TT TTTj , 73<br />

'S* 7 1 1. 18 8 5 5 3<br />

Abb. 5. Heinrich Reiser glaubte mit einem Ziffemsystem statt<br />

eines Notensystems die Schüler zum rascheren und leichteren<br />

Singen und Musizieren führen<br />

Gammertingen.<br />

zu können. Vorlage: GHWRS


Wie realistisch und nüchtern Heinrich Reiser sein Wirken als Leh-<br />

rer und Musiker schon früh einschätzte und doch nicht resi-<br />

gnierte, zeigen die folgenden abschließenden Verse (Dreistimmige<br />

Lieder für die reifere Jugend, 1846, S. 51):<br />

Meine Lieder, meine Sänge, sind dem Augenblick geweiht,<br />

Ihre Töne, Ihre Klänge, schwinden mit derflüchtigen Zeit.<br />

Große Sänger sind geschieden, die kein Mensch jetzt mehr erwähnt.<br />

0, wie töricht, wenn hienieden ich den Nachruhm mir<br />

ersehnt.<br />

Abb. 6. Musikdirektor August Reiser erhielt in Gammertingen<br />

eine nach ihm benannte Straße, während Heinrich Reiser, bei<br />

dem August Reiser die musikalische Grundausbildung erhielt,<br />

diese Ehre bisher versagt blieb. Links ist das ehemalige<br />

amt zu sehen. Vorlage. Helmut Göggel,<br />

Ober-<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Josef WIEST, Lauchert-Zeitung, 25. 02.1933.<br />

2 Erwin ZILLERBILLER, Sebastian Locher, eine außergewöhnliche<br />

Persönlichkeit in Hohenzollern. Festvortrag und Historienspiel<br />

am 29. Juni 2002 in Veringenstadt.<br />

3 Gregor RICHTER, Joseph Hartmann, ein „ausgezeichneter<br />

Lehrer", <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> 1994, Nr. 1, S. 2-4.<br />

4 Der Autor dieses Beitrags wohnt in der Josef-Beck-Straße in<br />

Sigmaringendorf. Nähere Forschungen folgen.<br />

5 Fritz KALLENBERG, Die Fürstentümer in Hohenzollern am<br />

Ausgang des Alten Reiches, Dissertation 1961, S. 165.<br />

6 Verordnungs- und Anzeigeblatt für das Fürsthentum Sigmaringen<br />

(künftig: VAB), 1809,S. 202.<br />

7 VAB, 1809, S. 185.<br />

MARIUS REISER<br />

Dem Mundartdichter Bruno Gern<br />

zum 100. Geburtstag 1<br />

Es kommt nicht oft vor, daß jemand über zwanzig Jahre nach seinem<br />

Tod noch mit einem Festakt geehrt wird. So etwas geschieht<br />

gewöhnlich nur bei Politikern, die eine bleibende Leistung aufzuweisen<br />

haben, oder bei Geistesgrößen, die ein bleibendes Werk<br />

der Kunst oder Literatur geschaffen haben. Ein Politiker war Bruno<br />

Gern nicht, also eine Geistesgröße? Sehen wir genauer zu.<br />

Um 1938 beginnt Bruno Gern eine kurze Selbstcharakteristik mit<br />

folgendem Satz: „Als ältester Sohn wenig begüterter Landleute am<br />

12. März 1907 geboren und in einfachen, etwas ungesunden Ver-<br />

61<br />

8 VAB, 1809, S. 195.<br />

9 Carl HOLL, Das Leben ein Kampf, Selbstverlag des Verfassers,<br />

DruckJ Ruopp, Mengen.<br />

10 VAB, 1838, S. 300.<br />

11 Wie Anm. 9, S. 18.<br />

12 Dazu Gustav HEBEISEN, Beiträge zur Geschichte des Schulwesens<br />

in Hohenzollern 63, 1932, S. 67 ff: Im Jahre 1826<br />

wurde in Sigmaringen eine Präparandie gegründet, die 1841<br />

nach Habsthal verlegt wurde. Nach dem Anschluss Hohenzollerns<br />

an Preußen wurde die Präparandie in Habsthal geschlossen.<br />

Die Abstimmung ergab 16 gegen 2 Stimmen für die<br />

Aufhebung. Die Ausbildung der Lehreraspiranten aus Hohenzollern<br />

erfolgte ab 1851 am Lehrerseminar in Brühl a. Rh.<br />

und ab 1876 in Boppard. In der Hohenzollern'sehen Volkszeitung<br />

Nr. lo4 vom 12. Juli 1885 lesen wir: Im Laufe dieser<br />

Woche haben dahier ( in Hechingen, der Verf.) 10 Schulpräparanden<br />

ihre Aufnahmeprüfung ins Schullehrer-Seminar<br />

in Boppard zu machen versucht. Bei solchen Anlässen drängt<br />

sich immer die Frage auf: Warum hat Hohenzollern kein eigenes<br />

Schullehrer-Seminar mit einer für dasselbe vorbereitenden<br />

Präparandenschule? Ob diese Frage nicht wert wäre eingehend<br />

betrachtet und dann nach gepflogener Erwägung<br />

tatsächlich beantwortet zu werden?<br />

13 Wie Anm. 9, S. 16.<br />

14 Diese und weitere Kompositionen wie Anm. 1. Genauere Hinweise<br />

zu den einzelnen Kompositionen sind bei Wiest nicht<br />

vorhanden.<br />

15 Diese und weitere Werke wie Anm. 1. Dank des freundlichen<br />

Entgegenkommens von Herrn Rektor i.R. Diego Häußel,<br />

Gammertingen, konnte der Verfasser Einblick nehmen in weitere<br />

Werke von Musterlehrer Heinrich Reiser. Diese sind in<br />

der Mediothek der Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule<br />

in Gammertingen archiviert. Für die vorhegende Abhandlung<br />

sollen die aufgeführten Beispiele genügen.<br />

16 Stadtarchiv Gammertingen, Nr. 0849.<br />

17 Wie Anm. 16, Nr. 858.<br />

18 Wie Anm. 16, Nr. 0890.<br />

19 Herbert BURKARTH, Die Revolution 1848/49 in Gammertingen,<br />

in: <strong>Heimat</strong>kundliche Schriftenreihe des Landkreises<br />

Sigmaringen, Band 7, S. 109-<br />

20 VAB, 4. Dezember 1842 und 18. Dezember 1845.<br />

21 Wie Anm. 18.<br />

22 Herbert BURKARTH, Schulgeschichte Gammertingen (nicht<br />

veröffentlicht).<br />

hältnissen aufgewachsen, besuchte ich die Dorfschule, war aber<br />

nur ein mittelmäßiger Schüler ohne besonderen Fleiss, jedoch mit<br />

einem starken Hang zur Verträumtheit, einer fast fanatisch religiösen<br />

Schwärmerei, einem stark hervorstechenden Geltungsbedürfnis<br />

und einer lebhaften Phantasie." Wer den gereiften Bruno Gern<br />

kennenlernte, konnte feststellen: Von einer fast fanatischen religiösen<br />

Schwärmerei war nichts zu bemerken und das stark hervorstechende<br />

Geltungsbedürfnis war einer liebenswerten Bescheidenheit<br />

gewichen. Nur die lebhafte Phantasie, die hatte nicht nachgelassen.<br />

Übrigens weist das Abschlußzeugnis seiner Dorfschule<br />

auch zwei „sehr gut" auf: in Religion und Singen.<br />

Mit den Glücksgütern der Welt war Bruno Gern nicht gesegnet.<br />

Beide Eltern stammten aus Storzingen, der Vater war Bahnbeamter,<br />

verlor aber durch eine Unvorsichtigkeit diese Stelle und lebte dann


von Fabrikarbeit und von der kleinen Landwirtschaft. Und die Mit-<br />

arbeit des Sohnes in dieser Landwirtschaft war selbstverständlich.<br />

Ihr verdankte Gern zweifellos seine innige Liebe zur Natur. Aber<br />

seit seiner Jugend fühlte er sich zum Dichter berufen und hätte<br />

gerne eine höhere Schule besucht, doch das ließen die Verhältnisse<br />

nicht zu. Er machte eine Schreinerlehre, konnte den Beruf<br />

aber wegen einer Lungenkrankheit nicht ausüben. Da winkte eine<br />

Karriere bei der „Ebinger Volkszeitung", die ihn sogar auf einen<br />

halbjährigen Weiterbildungskurs des Volksbildungsvereins nach<br />

Kochel schickte. Seine sorgfältigen Mitschriften der Kurse sind<br />

noch erhalten. Er avancierte zum Redakteur, aber wenige Wochen<br />

später wurde die zentrumsorientierte Zeitung von den neuen<br />

Machthabern liquidiert. Man schrieb das fatale Jahr 1933. Damit<br />

war Bruno Gerns Traum von einem schriftstellerischen Beruf ausgeträumt.<br />

Er schlug sich dann als Handwerker und Gelegenheitsarbeiter<br />

durch, am längsten als Maurer. Von seiner Arbeit als Wegmacher<br />

zeugt noch eine „Wegmacher-Epistel" im Nachlaß. Die<br />

prekären finanziellen Verhältnisse verhinderten, von anderem abgesehen,<br />

auch, daß Bruno Gern seine längst ausgesuchte Braut<br />

Elisabeth Hipp heiraten konnte, die Lehrerstochter war. Sie bheben<br />

sich trotz allem treu, und nach Elisabeths Pensionierung - sie arbeitete<br />

beim Gesundheitsamt in Sigmaringen - konnten sie endlich<br />

heiraten. Man schrieb das schöne Jahr 1967; Bruno Gern war 60<br />

Jahre alt, seine Braut 57. Damit begann für beide die glücklichste<br />

Zeit ihres Lebens. Auch diese altmodische Liebesgeschichte verdient<br />

es, daß man sie festhält. Sie zeigt, von beiden Seiten, geistige<br />

Größe.<br />

Abb. 1. Das Foto entstand 1930 als Bruno Gern von der „Ebinger<br />

Volkszeitung" auf einen halbjährigen Weiterbildungskurs<br />

des Volksbildungsvereins nach Kochel am See geschickt wurde.<br />

Und die Gedichte? Bruno Gern schrieb unentwegt Gedichte, aber es<br />

kam nur zu vereinzelten Veröffentlichungen, vor allem im „Schwäbischen<br />

Bauer" und im „Schwäbischen <strong>Heimat</strong>kalender". Eine<br />

selbständige Veröffentlichung eines Gedichtbandes scheiterte, weil<br />

der versprochene Druckkostenzuschuß am Ende doch ausblieb.<br />

So gedieh der Band nur bis zu den Druckfahnen. Ich selbst lernte<br />

Bruno Gern 1980 kennen, und das kam so. Ich stöberte wieder<br />

einmal in einem Tübinger Antiquariat und entdeckte dabei ein<br />

Buch, das 1949 erschienen war. Es trug den Titel: „Aus dem Zollerland"<br />

und war herausgegeben von Anton Bumiller. Darin standen<br />

auch Mundartgedichte, und das beste davon hieß: "Dr Schnailuft".<br />

Es war von einem Dichter, dessen Namen ich noch nie gehört<br />

hatte. Ich halte es bis heute für eines der vollkommensten Naturgedichte<br />

der schwäbischen Mundartliteratur 2 .<br />

62<br />

DR SCHNAILUFT<br />

Dr Schnailuft döberet um 's Haus,<br />

spinnt seine weißa Fäda,<br />

stäubt seine Wolkatüecher aus<br />

und nottlet a da Läda.<br />

Daganza Obedpfeift'r schao<br />

sein Dudelsack und bloset<br />

und danzet um da Gaatazao<br />

drzwischet nei und loset -<br />

und duuderet dur s Täte rauf<br />

und aosget dur dia Fohra,<br />

duet do an Schnauf und det an Schnauf<br />

und nimmt da Wald bei'n Hoora.<br />

Und duet als hett'rgrausig z'deand<br />

mit seina wüaschta Krappa,<br />

hurniglet mit seim weißa Gwand<br />

undpfludret über's Obedland<br />

a woiche Winterkappa.<br />

In dem Buch von 1949 war noch ein zweites ausgezeichnetes Gedicht<br />

desselben Dichters enthalten („'s Bauraweib"), und dort<br />

stand nach dem Namen noch „Storzingen" 3 . Das war über dreißig<br />

Jahre her, aber zufällig hörte ich, daß es in Storzingen noch Gerns<br />

gab. Und so schrieb ich aufs Geratewohl einen Brief nach Storzingen<br />

ohne genaue Adresse, einfach: Bruno Gern, Storzingen. Am<br />

übernächsten Tag klingelte mein Telephon und es meldete sich -<br />

Bruno Gern. Man mag es Zufall nennen, ich nenne es Fügung. Wir<br />

stellten dann eine Auswahl von Gedichten zusammen und ich trug<br />

sie zum Verleger Karl Knödler in Reutlingen, der sie auf Empfehlung<br />

seines Beraters für Mundartliteratur, Professor Norbert<br />

Feinäugle, sofort in sein Verlagsprogramm aufnahm. Das Büchlein<br />

erschien 1981 unter dem Titel „Des laß dr gsait sei!" Diesen Titel<br />

schlug der Verleger selbst vor. Ich gab ihm aber noch den Untertitel<br />

„Mundartgedichte aus dem Zollerland". Und selbstverständlich<br />

sind darin „Dr Schnaüuft" und „'s Bauraweib" enthalten. Wir<br />

brachten noch zwei weitere Büchlein im selben Verlag heraus, für<br />

die Gern den Burladinger Zeichner Christian Ritter als Illustrator<br />

gewinnen konnte". Aber das Erscheinen des dritten Bändchens hat<br />

er schon nicht mehr erlebt. Er starb am 30.01.1985.<br />

Was macht nun das Besondere seiner Dichtung aus? Wie wurde er<br />

zum Mundartdichter? Ein wichtiger Lehrer war ihm hier Hans<br />

Reyhing (1882-1961). Reyhing war von 1919-1933 Leiter der<br />

<strong>Heimat</strong>abteüung des Volksbildungsvereins und von 1920-1961 der<br />

Herausgeber des „Schwäbischen <strong>Heimat</strong>kalenders", außerdem ein<br />

vielgelesener Autor von Erzählungen, Romanen und Mundartliteratur.<br />

Bruno Gern lernte ihn 1928 auf einem Fortbüdungskurs des<br />

Volksbildungsvereins kennen. Reyhing schärfte ihm ein, er dürfe in<br />

seinen Gedichten kein Wort und kein Bild gebrauchen, das einem<br />

schwäbischen Bauern fremd sei. Diesen Rat hat der Dichter dann<br />

so gründlich beherzigt, daß Reyhing selbst Verständnisschwierigkeiten<br />

bekam. So fragte er zum Beispiel in einem Brief nach der<br />

Bedeutung verschiedener Wörter in den eingesandten Gedichten<br />

wie „Ruach", „suttera", „heigla" und „zeampla". Gerns Antwortbrief<br />

ist in einer Durchschrift erhalten. Ich zitiere daraus seine Erklärung<br />

des Wortes „heigla": „Unter ,heigla' versteht man Durcheinanderbringen.<br />

So frägt man ein Mädchen mit wirren Haaren: Jo<br />

wear hot au' Di' so verheiglet?' Die Windsbraut heiglet das Heu<br />

durcheinander und nach einem Sturm sieht s Täle bais verheiglet<br />

aus. 5 " Diese Angaben werden von den entsprechenden Artikeln im<br />

„Schwäbischen Wörterbuch" voll bestätigt''.


Überblickt man das mundartliche Werk Bruno Geras im Ganzen,<br />

so fällt der formale und inhalthche Reichtum auf. Wir finden eine<br />

Vielfalt des Vers- und Strophenbaus und eine Natürlichkeit der<br />

Sprache, wie sie sonst nur bei den ganz Großen der schwäbischen<br />

Mundartliteratur anzutreffen ist. Man darf Bruno Gern ohne Weiteres<br />

mit Sebastian Salier, August Lämmle oder Sebastian Blau vergleichen.<br />

Man wird nicht leicht einen Dichter treffen, der den Humor<br />

des einfachen Menschen mit so unauffälliger Kunst trifft und<br />

anspricht. Und wenn jemand die Musikalität der Storzinger Mundart<br />

ins schwäbische Land hinausgetragen und durch seine Gedichte<br />

unsterblich gemacht hat, dann ist er es. Der formalen Vielfalt entspricht<br />

auch eine inhaltliche. Kein schwäbischer Dichter hat ein<br />

ganzes Bändchen mit Pflanzengedichten aufzuweisen wie Bruno<br />

Gern. Es sind insgesamt über 80 Gedichte 7 . Und der Dichter liebte<br />

auch die unscheinbaren Pflänzlein wie das Zittergras 8 :<br />

Abb. 2. Bruno Gern schuf auch reizvolle Scherenschnitte<br />

ZITTERLE<br />

Des Zitterle, desklei, ischtgwieß<br />

it s Vürneamscht vo dr Sommerwies<br />

und s schöscht vo älla Gräser,<br />

aber s ischt sauber zeema griicht<br />

und bot a Habs, a sealtas Gsiicht,<br />

und it bloß so an Mäser'.<br />

Koi anders bot dr Sommer jetzt<br />

so wusaleg e d Wealt neigsetzt,<br />

63<br />

duat wispra drin und weaba,<br />

lot's laus des Zitterte, des klei,<br />

und zittern im Sonnaschei<br />

voar lauter Freud am Leaba.<br />

Ohne Zweifel hegt in der Naturlyrik die eigenthche Stärke unseres<br />

Dichters. Aber auch auf anderen Feldern hat er Beachtliches geschaffen.<br />

Wo gibt es in der schwäbischen (oder auch hochdeutschen)<br />

Literatur einen Zyklus von Kindergedichten wie den zum<br />

100. Geburtstag pubüzierten Band „Guggusele"? 10 Viele von Geras<br />

Gedichten befassen sich, wie zu erwarten, mit dem dörflichen Leben<br />

und dem Alltag des Bauern, dem Alltag freilich einer vergangenen<br />

Zeit. Das Alterswerk enthält zahlreiche Gedichte, die man in<br />

der Bibel „Weisheitshteratur" nennt. Und unter dieser Rubrik sei<br />

auch einmal ein hochdeutsches Gedicht Bruno Geras gestattet. Es<br />

heißt:<br />

BILANZ<br />

Des Jahres letzter Tag bricht an,<br />

und du ziehst die Bilanz,<br />

findest noch vieles ungetan<br />

und unerfüllt vom alten Plan,<br />

nur übertüncht vom Glanz.<br />

Du schaust voraus, du blickst zurück,<br />

du überlegst und wägst,<br />

nimmst hier ein Stück und dort ein Stück,<br />

ein Quentchen Pech, ein Quentchen Glück,<br />

das du ins Merkbuch trägst.<br />

Legst dir ein frisches Blatt zu recht,<br />

noch neu und ungeneppt,<br />

und spürst, dein neuer Plan ist echt,<br />

und zückst beschwingt, wie zum Gefecht,<br />

dein besseres Rezept.<br />

Du überprüfst es, mengst und mißt,<br />

was du dir so bestimmst,<br />

nur, daß du ganz dabei vergißt,<br />

daß es der alte Adam ist,<br />

den du hinüber nimmst!<br />

Der Nachlaß enthält noch manches, was einer Veröffentlichung<br />

wert wäre. Darunter ist ein kleines Epos über eine Wallfahrt, die<br />

die Storzinger Kirchengemeinde früher alljährlich nach Engelswies<br />

führte: „S Umganggaoh ge Engelswies". Darunter ist weiter ein<br />

großes dramatisches „Fasnachtsbegräbnis", das in Storzingen bis<br />

heute alljährlich begangen wird. Im Nachlaß ist außerdem ein längeres<br />

Gedicht über die Schmeier und ein kleineres Werk, das es<br />

mir besonders angetan hat. Dieses Werk beschreibt einen Ort, an<br />

dem das Herz des Dichters besonders hing und an dem das Herz<br />

jedes Christen besonders hängen muß: die Kirche, in diesem Fall<br />

natürhch die Storzinger Kirche. Bruno Gern war ein frommer<br />

Mann. Und seine Frömmigkeit war auch die Quelle seines Humors<br />

und seines Optimismus, den er sich in allen ihm auferlegten Verzichten<br />

und Leiden immer bewahrt hat. Dieses kleine Werk soll<br />

hier zum ersten Mal publiziert werden". Es ist ein Gelegenheitsgedicht<br />

und stammt vermutlich aus den sechziger Jahren des letzten<br />

Jahrhunderts, als man im Storzinger Kirchlein ein furchtbares Untier<br />

entdeckte. Die Verse sind Schnadahüpfl, die zum Singen gedacht<br />

sind. Der Dichter hat sie auf einer Fastnachtsveranstaltung<br />

vorgetragen.


DR HOLZWURM<br />

S ischt schlimm mit da Leut ond s ischt schlimm mit dr Zeit,<br />

denn d Wealt ischt heut voola Respektlosigkeit.<br />

Au d Tieria sogar haod et vill maih Respekt,<br />

suscht hett ma e'r Kirch et da Holzwurm entdeckt.<br />

Ond hett ma drweaga im Blättle doch it<br />

an langa Artikel verbrocha drmit.<br />

So daß sogar s oifachschte Kirchaliacht woißt,<br />

wo s herkonnt, was machet, des Tier, ond wia s hoißt.<br />

E'r Orgel denn ka-n es am ehnschta verstaoh,<br />

denn do duet dear Kerle sich bläsala lao.<br />

Sitzt na auf dia Flötla ond zuzzlet ond zielt,<br />

wenn s Chor so schö singt ond dr Thedore spielt,<br />

Ond so als dr Stoazinger Hoforganischt<br />

wahrscheinle wohl au schao weng wurmmäßig ischt.<br />

Drum spielt 'r wohl oft au so leirig ond lahm<br />

ond ischt voar dr Kircha duß suscht au so zahm.<br />

Doch des hotjo schliaßle noitzzdeand mit dearn Wurm,<br />

wo nuehlet e'r Orgel ond boahret im Turm.<br />

Im Dachstuehl, do ischt des schao weniger schö,<br />

denn dogohts um d Sparra, ond dia wearat hee!<br />

De'scht et wia bei'n Leuta, wo's maischtens ganz guet<br />

au mit ama Dachsparra weniger duet.<br />

Ond weil des so ischt ond a dringende Sach,<br />

steigt sicher dr Pfarr aos jetzt au bald aufs Dach.<br />

Ondploget aos wieder äll Sonnteg ond milkt<br />

dia Gealdbeutel, bis halt dr Wurm ischt vertilgt.<br />

Bei'r Kanzel, do isch scheints koiSach noh, wo brennt,<br />

weil suscht drauf dear Ma et so rumfuuchtla könnt.<br />

Ond neischla aufs Gleander, so daß do beizeit<br />

da Holzwurm bestimmt de ganz Arbet et freut.<br />

Doch manchmol, do deuchts me au do schao weng lätz,<br />

suscht gäbs drauf et oft so a wurmstichigs Gschwätz.<br />

Dr Wurm macht sich noitz draus ond drum au, i denk,<br />

halt weiter wia suscht: au det dun en da Bänk.<br />

Ganz bsonders, seit do jetzt die Heizong ischt dra,<br />

wo er sich weng pfleaga ond warm halta ka.<br />

Bei'n Mannsbilder kriagt'r jo gratis drzua<br />

d Woch dure noh extra sei butzete Ruah.<br />

S ischt bloß guet, daß dBöda noh guat sind ond nui,<br />

suscht hettat a d Weiber jo lang schao e'n Knui.<br />

Ganz bsonders de sälle, wo ganz guet sind dra<br />

beim Pfarr ond en d Kirch gaod im Abonnema.<br />

Obs zwar graoß vill Weat bot, bezweifla i stark,<br />

denn meischtens isch bloß so a scheiheiligs Weark.<br />

Ondfaltet de sälle am eifrigschta d Händ,<br />

wo nohear so gallig ond giftnudlig sind.<br />

64<br />

Doch des ischt et mei Sach ondgoht mi noitz a,<br />

do ändret bestimmt au der Holzwurm noitz dra.<br />

Der woißt, wie ällz mind auf dr Welt ischt ond mau<br />

ond mürb, denn im Beichtstuehl, do hocket der au.<br />

Ond machet deam Wurm do im Gwissa, deam Stenz,<br />

wo inwendig tiägt, seim Kolleg, Konkurrenz.<br />

Ond loset drbei ond loschoret ond sieht<br />

drum ällaweil au, was so scheiheiliggschieht.<br />

Doch s Schlimmste vo ällam ond s graischte Malör:<br />

Mir haod schao da Holzwurm sogar i'n Altär.<br />

Des ischt et so oifach ond au mit dr Zeit<br />

a Sach, wo oim z schaffet ond z nodenket geit.<br />

Denn wenn ma noitz duet dra ond gucket et drauf,<br />

ka's sei, derfrißt aos de ganz Kirchagschiicht auf.<br />

Drum trag jeder bei, dass dr Herr des verhüet,<br />

ond et aosr Pfarr gao noh arbeitslos wiad.<br />

Ond zoiget au, daß mir im Gstell ond im Grind<br />

noh guet beianand ond et wurmmäßig sind.<br />

Sind luschtig mitnander ond lachat drzua<br />

ond laod jetzt dean Holzwurm, dean arrna, in Ruah.<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Laudatio, vorgetragen beim Festakt am 10. März 2007 im Gemeindehaus<br />

Weckenstein, Storzingen.<br />

2 Dieses Gedicht erschien erstmals in den „<strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

Blättern" vom 9- Februar 1935.<br />

3 A. BUMILLER, Aus dem Zollerland. Plaudereien über Land<br />

und Leute, Sigmaringen (M. Lieners Hofbuchdruckerei)<br />

1949,196 unter dem Gedicht „'s Bauraweib". „Dr Schnailuft"<br />

ebd. 70.<br />

4 B. GERN, Sonnawirbel. Ein Schwäbisches Herbarium, mit<br />

Zeichnungen von Christian Ritter, Reuthngen 1983; DERS.,<br />

Sonnaschei und Reaga. Schwäbische Monatsbilder, mit Zeichnungen<br />

von Christian Ritter, Reuthngen 1985. Alle drei Büchlein<br />

sind noch lieferbar. Christian Ritter starb 2005 im 90. Lebensjahr.<br />

5 B. GERN, Brief an H. Reyhing vom 6.6.1949-<br />

6 Vgl. Schwäbisches Wörterbuch, bearbeitet von Hermann Fischer<br />

Bd. 2, Tübingen 1908, ll69f (s.v. verheiglen); ebd. Bd.<br />

3 (1911) 1345f (s.v. heiglen). Auch dort wird speziell zerzaustes<br />

Haar genannt.<br />

7 B. GERN, Sonnawirbel. Ein schwäbisches Herbarium. Zeichnungen<br />

von Christian Ritter, Reuthngen (Karl Knödler) 1983.<br />

8 B. GERN, Sonnawirbel (s. Anm. 7) 87.<br />

9 Ein „Mäser" ist ein Knorren oder Wurzelstock.<br />

10 GUGGUSELE. Schwäbische Kinderlieder. Mundarttexte von<br />

Bruno Gern mit Bildern von Sr. Maria Innocentia Hummel<br />

und Melodien von Martin D. Loritz, hg. von Martin D. Loritz<br />

und Marius Reiser 2007. Zu beziehen über das Bürgermeisteramt,<br />

Rathausplatz 1,72510 Stetten am kalten Markt.<br />

11 Ich habe das Gedicht behutsam redigiert und um einige<br />

Strophen gekürzt.


OTTO H. BECKER<br />

Mitgliederversammlung des <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>s 2007<br />

Die Jahresversammlung des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

fand am 11. Juni im Nebenzimmer der Brauereigaststätte „Zoller-<br />

Hof" in Sigmaringen statt. Nach der Begrüßung der Teilnehmer<br />

verlas der Vorsitzende Dr. Otto H. Becker die Liste der seit der Mitgliederversammlung<br />

des Vereins am 23- Mai 2006 in Hechingen<br />

verstorbenen Mitgheder. Persönlich würdigte der Vorsitzende<br />

Herrn Dr. med. Herbert Burkarth, Ehrenmitglied des <strong>Geschichtsverein</strong>s,<br />

aus Gammertingen, Herrn Alois Schleicher aus Sigmaringen,<br />

der viele Jahre das Amt des Rechnungsprüfers wahrgenommen<br />

hat, und Herrn Prof. Hans-Karl Schuler aus Jungingen.<br />

Anschließend berichtete der Vorsitzende über die Aktivitäten des<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>s im Berichtszeitraum. Angeboten wurden danach<br />

alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen in Hechingen<br />

und in Sigmaringen insgesamt 10 Vorträge. Diese waren<br />

jeweils in den „Mitteilungen" in der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong> angekündigt<br />

mit Ausnahme des Vortrags von Franz-Severin Gäßler<br />

„Der Leopoldplatz in Sigmaringen. Monument der Landeshauptstadt"<br />

am 19- Januar 2007 in Sigmaringen, der wegen des drohenden<br />

Abrisses des „Deutschen Hauses" eingeschoben wurde. Nach<br />

Einführungsvorträgen in Sigmaringen und Hechingen veranstaltete<br />

der Verein am 12. Mai 2007 unter der Leitung von Herrn Archivassessor<br />

Carsten Kohlmann M.A. mit dem Thema „Landjuden am<br />

Oberen Neckar" eine Führung in Horb a.N. und in Rexingen. Der<br />

Vorsitzende unternahm am 14. Oktober und am 18. November<br />

2006 Führungen auf dem Hedinger Friedhof in Sigmaringen. - Die<br />

Veranstaltungen waren allesamt gut bis sehr gut besucht.<br />

Einen Schwerpunkt der Vereinsarbeit bildete die Herausgabe der<br />

Zeitschrift für <strong>Hohenzollerische</strong> Geschichte 42 (2006), die im Juli<br />

d. J. schließlich an die Mitglieder verschickt werden konnte. Die<br />

<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> erschien jeweils fristgerecht. Der Umfang<br />

dieser Zeitschrift wurde zum Jahresbeginn von 16 auf 24 Seiten<br />

pro Heft aufgestockt. Seit Frühjahr verfügt der <strong>Hohenzollerische</strong><br />

<strong>Geschichtsverein</strong> auch über eine eigene Homepage, die unter<br />

der E-Mai-Adresse www.hohenzollerischer-geschichtsverein.de angekhckt<br />

werden kann. Sie enthält neben aktuellen Vereinsnachrichten<br />

auch Angaben über die in der Zeitschrift für <strong>Hohenzollerische</strong><br />

Geschichte der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong> enthaltenen Abhandlungen<br />

und Beiträge. - Sehr schwierig und aufwändig erwies<br />

sich ferner die durch neue Versandbestimmungen der Deutschen<br />

Post erzwungene Umstellung der vereinsinternen EDV. - Vorstand<br />

und Beirat tagten am 13. Juli und 8. November 2006 und am 21.<br />

März 2007 jeweils gemeinsam im Gasthof „Kreuz" in Gammertingen.<br />

Anschließend legte Schatzmeister Wolfgang Wenzel einen positiven<br />

Kassenbericht zum 31. Dezember 2006 vor. In ihrem anschließenden<br />

Bericht bescheinigten die Rechnungsprüfer Hans-Joachim<br />

Dopfer und Gebhard Füßler bescheinigten dem Schatzmeister eine<br />

korrekte Rechnungsführung, Daraufhin erteilte die Mitgliederversammlung<br />

Herrn Wenzel einstimmig die Entlastung. Es folgte die<br />

Entlastung der Vorstandschaft insgesamt. Der Vorsitzende nahm<br />

diese zum Anlass, den Mitgliedern des Vorstands und Beirats für<br />

ihre Mitarbeit im Ehrenamt zu danken. Sein besonderer Dank galt<br />

dem stellvertreten Vorsitzenden Otto Werner, Schriftführer Helmut<br />

Göggel und Schatzmeister Wolfgang Wenzel sowie dem Mitschriftleiter<br />

der Zeitschrift für <strong>Hohenzollerische</strong> Geschichte, Herrn Kreis-<br />

65<br />

archivar Dr. Andreas Zekorn, und dem Schriftleiter der <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Heimat</strong>, Herrn Robert Frank.<br />

Der nächste Tagungsordnungspunkt bildete die Wahl eines neuen<br />

stellvertretenden Vorsitzenden. Diese war notwendig geworden,<br />

nachdem Rektor a.D. Otto Werner aus Altersgründen um die Entbindung<br />

von seinem Ehrenamt gebeten hatte. Auf Vorschlag der<br />

Vorstandschaft wählte die Mutgliederversammlung Herrn Thomas<br />

Jauch M.A., Stadtarchivar von Hechingen, einstimmig zum neuen<br />

stellvertretenden Vorsitzenden. Auf die von Herrn Jauch bisher im<br />

Beirat besetzte Stelle wurde von der Mitgliederversammlung ebenfalls<br />

auf Vorschlag der Vorstandschaft Herr Uwe A. Oster M. A., stellvertretender<br />

Chefredakteur der in Stuttgart erscheinenden Zeitschrift<br />

„Damals", aus Hechingen berufen.<br />

Herrn Jauch und Herrn Oster wünschte der Vorsitzende gute Zusammenarbeit<br />

und viel Erfolg in ihrem neuen Ehrenamt. Anschließend<br />

dankte Dr. Becker Herrn Otto Werner für seine dem<br />

Verein seit 1999 geleistete Arbeit. In seiner kurzen Ansprache hob<br />

der Vorsitzende die gute und von gegenseitigem Vertrauen geprägte<br />

Zusammenarbeit hervor. Als kleines Zeichen des Dankes und der<br />

Anerkennung übergab Dr. Becker dem scheidenden stellvertretenden<br />

Vorsitzenden ein Weinpräsent. Frau Werner erhielt einen Blumenstrauß.<br />

Im letzten Tagesordnungspunkt „Anträge und Verschiedenes" trug<br />

der Vorsitzende den Inhalt eines Schreibens von Herrn Prof. Dr.<br />

Paul Münch vom 5. Juni 2007 mit der Überschrift „Initiative zur<br />

Förderung der hohenzollerischen Geschichtsschreibung" vor. Das<br />

Vereinsmitglied regte darin die Errichtung eines Fonds an, aus dessen<br />

Erträgen Forschern Zuschüsse im Rahmen ihrer Arbeiten zur<br />

hohenzollerischen Geschichtsschreibung gewährt werden sollten.<br />

Zur Aktivierung von Forschungsarbeiten könnten aus dem Fonds<br />

ferner „ein Preis für hervorragende akademische Qualifikationsarbeit<br />

zur hohenzollerischen Geschichte sowie ein Preis für eine heimatgeschichtliche<br />

Arbeit ausgelobt werden". Der Vorsitzende versprach,<br />

die Initiative bei den kommenden Vorstands-und Beiratssitzungen<br />

zu thematisieren.<br />

Im Anschluss an die harmonische Versammlung wurde ein öffentlicher<br />

Vortrag angeboten. Es sprach Stadt-und Stiftsarchivdirektor<br />

Dr. Hans-Bernd Spies, Aschaffenburg, zum Thema „Von Carl zu Carol<br />

- der Weg eines Hohenzollernprinzen auf den rumänischen<br />

Thron".<br />

Buchbesprechungen<br />

Heinz Krämer: Erinnerungen an Ludwig Uhland<br />

Feuerbach, vor hundert Jahren zur Stadt erhoben, und der Tübinger<br />

Dichter Ludwig Uhland (1787 - 1862), stehen im Mittelpunkt<br />

des Buchs „Louis Uhland am Neckar, an der Seine - und am Feuerbach"<br />

des Stuttgarter Autors Heinz Krämer. Ludwig Uhland,<br />

schon in seiner Jugendzeit „Louis" gerufen, war zwischen 1810<br />

und 1820 gut achtzigmal zu Gast in Feuerbach: bei seinem „Oncle",<br />

dem Pfarrer Johann Georg Schmid, und der Tante „Gottliebin".<br />

1810 unternahm er eine achtmonatige Bildungsreise nach<br />

Paris an der Seine. Von kargen Tagebucheintragungen Uhlands und<br />

anderen Quellen ausgehend, schließt Heinz Krämer auf ein inniges<br />

Verhältnis des Dichters zu Feuerbach und der umhegenden Region<br />

im allgemeinen und zur Familie Schmid im besonderen. Er erzählt<br />

verschiedene Begebenheiten aus dem Leben Uhlands und würzt<br />

seine Darlegungen mit Gedichten des Poeten oder Auszügen daraus.<br />

Vollständig abgedruckt sind beispielsweise die Uhland-Ge-


dichte , Der Überfall in Wildbad", „Des Sängers Fluch" und „Droben<br />

stehet die Kapelle". Illustriert wurde das 128seitige Buch mit<br />

sieben Farbbildern und 21 Schwarz-Weiß-Abbildungen. Es erschien<br />

im DRW-Verlag Weinbrenner GmbH & Co. KG, Leinfelden-<br />

Echterdingen (ISBN 978-3-87181-046-6) und kostet 9,90 Euro.<br />

(ba)<br />

Paul Sauer: Jugend in einem schwäbischen Bauerndorf<br />

Der Landeshistoriker Professor Dr. Paul Sauer, der auch im Staatsarchiv<br />

Sigmaringen tätig war und jetzt im Ruhestand lebt, erinnert<br />

sich in seinem Buch „Wolfsölden" an seine Jugendzeit in einem<br />

schwäbischen Bauerndorf. Wolfsölden hegt bei Winnenden, Backnang<br />

und Marbach. Der Band ist mehr als nur die Darstellung einer<br />

Familiengeschichte oder ein Wolfsöldener <strong>Heimat</strong>buch. Was<br />

Dr. Sauer unterhaltsam und kurzweilig beschreibt, könnte sich so<br />

ähnlich auch irgendwo auf der Schwäbischen Alb, auf dem Heuberg<br />

oder im Donautal zugetragen haben. Detailliert berichtet der<br />

Autor von seiner Kindheit und Jugendzeit in den 30er-, 40er- und<br />

50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts und gibt somit wertvolle Einblicke<br />

in das damalige Leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse<br />

auf dem Land. Das heikle Thema „Nationalsozialistischer Alltag",<br />

in der die Jugend indoktriniert und verführt wurde, klammert<br />

er so wenig aus wie die Zeit des Kriegs, der Bombenangriffe und<br />

deren Folgen.<br />

Paul Sauer: Wolfsölden- Jugend in einem schwäbischen Bauerndorf.<br />

288 Seiten, 46 Abbildungen. Silberburg- Verlag, Tübingen.<br />

19,90 Euro. JSBN 978-3-87407-738-5. (ba)<br />

Botho Walldorf: Hertingen - Inneringen im Wandel, Band 2<br />

Botho Walldorf, 72827 Wannweil, Lenaustraße 23, hat rechtzeitig<br />

zum Jubiläum „600 Jahre verbriefte Stadtrechte in Hettingen -<br />

1407 bis 2007" im Selbstverlag den Bildband „Hettingen<br />

- Inneringen im Wandel, Band 2" (Band I erschien 1985 im Geiger-<br />

Verlag, Horb) herausgegeben und ihm bescheiden den Untertitel<br />

„Eine nicht wissenschaftliche Microstudie zum Verschwinden der<br />

vorindustriellen Bausubstanz" gegeben. Walldorfs schon viele<br />

Jahrzehnte währendes Wirken für die hohenzollerische <strong>Heimat</strong>geschichte<br />

und insbesondere für die Region Laucherttal ist ein Segen.<br />

Mit großer Beharrlichkeit, angetrieben vom Bewusstsein, dass es<br />

sinnvoll ist, den Zeitenwandel fotografisch zu dokumentieren, hat<br />

er in mühevoller Kleinarbeit immer wieder Bilder gemacht und ergänzend<br />

Informationen von Zeitzeugen zusammengetragen. Vieles<br />

mag auf den ersten Bück banal und unwichtig erscheinen, doch<br />

Walldorf liefert das, was man in Ergänzung zu rein wissenschaftlichen<br />

Erhebungen als das „Salz in der Suppe" bezeichnen könnte.<br />

Durch solche volkstümlichen Bilder und Schilderungen wird Geschichte<br />

erleb- und nachvollziehbar. Vieles, was auf den rund 250<br />

Schwarz-weiß-Fotos zu sehen ist, gibt es mittlerweile nicht mehr,<br />

und so kommt Bildern von einstigen Häusern und von alten Hettingern,<br />

aber auch von Schuppen, Dunglegen und Plumpsklos<br />

ebensolche Bedeutung zu wie Erinnerungen an kleine Episoden<br />

und Anekdoten, an Hausnamen und Familiengeschichten, an<br />

Schicksalsschläge und persönliches Empfinden. Der 282seitige<br />

Band (22 Euro) ist in einer Auflage von 300 Exemplaren erschienen<br />

und dürfte wohl bald vergriffen sein, denn es ist spannend, in<br />

ihm zu blättern, zu betrachten und zu lesen (ba)<br />

Armin Kohnle: Geschichte der Markgrafschaft Baden<br />

Im G. Braun Buchverlag, Karlsruhe, erschien innerhalb der Reihe<br />

„Regionalgeschichte -fundiert und kompakt" vom Heidelberger<br />

66<br />

Historiker Armin Kohnle das 208seitige handliche Buch „Kleine<br />

Geschichte der Markgrafschaft Baden" (208 Seiten, 45 Abbildungen,<br />

sechs Karten und sechs Stammtafeln, ISBN: 978 - 7650 - 8346<br />

-4, 14,90 Euro). In verständlicher Sprache, übersichtlich gegliedert<br />

und trotz aller Kompaktheit packend erzählend, schildert der<br />

Autor die ereignisreiche Geschichte der Markgrafschaft Baden vom<br />

Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, als das Großherzogtum Baden<br />

(1806) entstand. Die Anfänge der Badischen Geschichte werden<br />

skizziert und dann der Aufbau des badischen Territoriums im Wettstreit<br />

(friedlich und gewaltsam) adliger Familien. Stark vorangetrieben<br />

haben den inneren Landesausbau die Markgrafen Bernhard<br />

I. und Christoph I. Eine äußerst wechselvolle Geschichte begann<br />

mit dem Aufkommen des Humanismus, dem Bauernkrieg<br />

und der Reformation. Schreckliche Epochen mit Kriegen und Zerstörungen<br />

infolge des Kräftemessens mächtiger Herrscher folgten<br />

im 17. Jahrhundert, bis dann der Wiederaufbau und die barocke<br />

Kultur in der Markgrafschaft Einzug hielten. Zum Schluss seines<br />

lehrreichen Geschichtsbuchs legt Armin Kohnle das Wirken der<br />

Markgrafen Friedrich VII. Magnus (1677 - 1709) und Karl Wilhelm<br />

von Baden-Durlach dar, die Zeit unter Markgraf Karl Friedrich<br />

von Baden-Durlach und den Übergang von der Markgrafschaft<br />

zum Großherzogtum Baden.<br />

Stadtverwaltung Hettingen (Hrsg.):<br />

Dorfleben hinter Stadtmauern<br />

600 Jahre Stadt Hettingen, 1407 bis 2007<br />

Zum Jubüäum „600 Jahre Stadtrechte" organisierten die Hettinger<br />

ein umfangreiches und vielfältiges Veranstaltungsprogramm<br />

während des Jahres 2007. Dazu gehörte auch die Herausgabe einer<br />

l76seitigen Festschrift, herausgegeben von der Stadtverwaltung,<br />

produziert und gestaltet im Gmeiner-Verlag, Meßkirch (ISBN<br />

3-926633-65-4, 15 Euro). Konzeption und Redaktion übernahmen<br />

Kreisarchivar Dr. Edwin Ernst Weber, Sigmaringen, und Wilfried<br />

Liener, Hettingen. Die reich bebilderte Schrift dokumentiert<br />

in sechs Abschnitten die Geschichte Hettingens. Dr. Weber präsentiert<br />

die Urkunde vom 6. September 1407 aus dem Gräflich Rechbergschen<br />

Archiv in Donzdorf. In ihr wird Hettingen erstmals als<br />

Stadt erwähnt. Die Entwicklung Hettingens im Mittelalter wird in einem<br />

Beitrag von Dr. Casimir Bumiller skizziert. Alexander Sancho-<br />

Rauschel stellt das Stift St. Martin zu Hettingen vor, um dann in einem<br />

weiteren Beitrag auf die Entwicklung der Stadt in der frühen<br />

Neuzeit einzugehen. Wilfried Liener hat seinen Beitrag über Hettingen<br />

im 19- und 20. Jahrhundert mit dem Titel „Vom Ritterort zum<br />

Industriestandort" überschrieben, und das Thema „Hettingen im<br />

Nationalsozialismus" wird von Norbert Möller behandelt. Nach diesen<br />

Geschichtsbeiträgen werden in der mit einem Geleitwort des<br />

Bürgermeisters Stefan Bubeck versehenen Festschrift von Hans-<br />

Jürgen Becker bau- und kunstgeschichtliche Sehenswürdigkeiten<br />

in Hettingen vorgestellt. In fünf Kurzbeiträgen werden danach Hettinger<br />

Persönlichkeiten gewürdigt: die Adehgen Dietrich von Speth,<br />

Phillipp Dietrich von Speth und seine Frau Dorothea geb. von<br />

Rechberg (Beiträge von Alexander Sancho-Rauschel) sowie Marie<br />

Koenig geb. Reichsgräfin von Spee (Jugenderinnerungen von<br />

Dr. Adolf Lieb), der „China-Hannes" Johann Wolf (Bärbel Wolf-<br />

Gellatly hat ihm ein eigenes Buch gewidmet und im Hettinger Jubiläumsjahr<br />

auch daraus vorgelesen.) sowie der einstige Sigmaringer<br />

Chefarzt und Hettinger Ehrenbürger Professor Dr. med.<br />

Hermann Lieb (Beitrag von Dr. Gerda und Dr. Helmut Lieb). Ergänzt<br />

wird die Festschrift außerdem durch die Vorstellung Hettinger<br />

Vereine und Firmen. (ba)


Hartmut Jericke: Begraben und vergessen? - Dritter Band<br />

Im DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen, ist in der Reihe „Begraben<br />

und vergessen?" nun der dritte Band von Hartmut Jericke erschienen.<br />

In allen drei Bänden geht es um Tod und Grablegen deutscher<br />

Kaiser und Könige. Band 1 umfasst die Zeitspanne zwischen<br />

König Konrad I. bis zum Ende der Stauferzeit (1273), Band II die<br />

Zeitspanne zwischen dem Sterben König Rudolfs von Habsburg<br />

(1291) und jenem von Kaiser Rudolf II. (1612). Mit seinem dritten<br />

Band nun schließt der Autor seine Reihe ab. Band III von „Begraben<br />

und vergessen?" trägt den Untertitel „Tod und Grablege der<br />

deutschen Kaiser und Könige - Von Kaiser Matthias bis Kaiser Wilhelm<br />

II. ( 1619 - 1941 )". Der 128seitige Band ist mit 20 zeitgenössischen<br />

Stichen und Abbildungen ansprechend illustriert.<br />

Kenntnisreich und spannend schildert Jericke das Sterben von 17<br />

Kaisern und die nach dem Tod vorgenommenen Rituale. Er beschreibt<br />

auch genau die Ausgestaltung der Sarkophage in den verschiedenen<br />

Grablegen. Jedem Kaiser ist zu Beginn der einzelnen<br />

Abhandlungen ein Kurzporträt gewidmet Eine Karte, knappe Literaturverzeichnisse<br />

zu den verschiedenen Kapiteln, eine Einleitung<br />

und ein Nachwort ergänzen das handliche Buch (ISBN: 978-3-<br />

87181-024-4; Preis: 12,90 Euro). Wenn der Autor darlegt, unter<br />

welchen Umständen, wo und wie die Kaiser einst aus dem Leben<br />

schieden, wie sie leiden mussten oder wie ihnen vergönnt war,<br />

sanft zu entschlafen, wenn der Geschichtskenner schildert, wie Bevölkerung,<br />

Hof und Adelsgesellschaft mit dem Tod ihres Oberhaupts<br />

umgegangen sind, so rührt dies beim Lesen oftmals an,<br />

macht betroffen und nachdenklich. (ba)<br />

Klaus Riexinger/Detlef Ernst: Vernichtung durch Arbeit.<br />

Rüstung im Bergwerk. Die Geschichte des KZ Kochendorf<br />

Das KZ Kochendorf war eins von über 50 Außenkommandos des<br />

KZ Natzweiler-Struthof, etwa 50 Kilometer südwestlich von Straßburg<br />

gelegen. Zu diesen Nebenlagern gehörten in unserem Raum<br />

u.a. auch Schömberg, Dautmergen, Schörzingen, Spaichingen, Erzingen,<br />

Bisingen und Sulz am Neckar. Die Anzahl dieser Außenlager<br />

stieg bis 1944/45 auf 1634 mit rund 700 000 Zwangsarbeitern,<br />

die für die Rüstungsindustrie arbeiten mussten. Damit waren „die<br />

Interessen der Machthaber in Wirtschaft und NS-Staat verschmolzen".<br />

Denn die Häftlinge waren in der Nähe der Fabriken untergebracht,<br />

und die SS übte in den Lagern weiterhin die Verfügungsgewalt<br />

über die Zwangsarbeiter aus.<br />

Das KZ Bad Friedrichshall-Kochendorf bei Heilbronn wurde am<br />

21. Aug. 1944 „gegründet", und als Häftlinge kamen evakuierte<br />

aus Außenkommandos aus Frankreich, da diese wegen der heranrückenden<br />

Front der Westalliierten verlagert werden mussten. Die<br />

Arbeitszeit der Häftlinge betrug im Schnitt täglich elf Stunden, gearbeitet<br />

wurde an sechseinhalb Tagen, und nur der Sonntagnachmittag<br />

war frei. Das Ziel der Nazis war es, die KZ-Insassen durch<br />

Arbeit zu vernichten. „Die mangelhafte Ernährung war eine wichtige<br />

Größe zur Vernichtung der Menschen. Sie wurde so berechnet,<br />

dass die Häftlinge bei schwerer körperlicher Arbeit kontinuierlich<br />

schwächer wurden." Morgens vor Arbeitsbeginn gab es nur<br />

schwarze Brühe (Kaffee). Mittags erhielt jeder Häftling 0,75 Liter<br />

einer Wassersuppe, worin manchmal eine Kartoffel oder eine rote<br />

Rübe schwamm. Abends erhielten die KZ-Insassen 150 Gramm<br />

Brot und etwas Margarine.<br />

Die Autoren beschreiben weiterhin die namhaften Industriebetriebe,<br />

die die Arbeitskraft dieser Gefangenen ohne Skrupel ausnutzten.<br />

Schon am 30. März 1945 musste das KZ von der SS<br />

geräumt wurden, es hatte sieben Monate exisitiert. Alle Gehfähigen<br />

mussten den unmenschlichen Marsch ins KZ Dachau durchma-<br />

67<br />

chen, der für jeden Tag hier genau beschrieben wird. Das Buch<br />

thematisiert auch das schwere Erbe dieses KZs und die Strafermittlungen,<br />

die Rüstungsspionage und den Streit um Entschädigung.<br />

Ein sehr empfehlenswertes Buch, da es das Leben im KZ und<br />

die Organisation des Tötens beschreibt, wie es sich in jedem anderen<br />

der Arbeitslager genauso oder ähnlich zugetragen hat.<br />

Klaus Riexinger/Detlef Ernst: Vernichtung durch Arbeit. Die Geschichte<br />

des Konzentrationslagers Kochendorf- Außenkommando<br />

des KZ Natzweiler-Struthof. 336 Seiten, 65 Abbildungen, Silberburg-Verlag<br />

Tübingen, ISBN 3-87407-556-7, 14,90 Euro.<br />

Oft)<br />

Johannes Lehmann: Caracalla & Kohorten. Reise zu den<br />

Römern in Südwestdeutschland<br />

Das römische Weltreich umfasste über 40 Provinzen rund ums Mittelmeer,<br />

und Julius Cäsar hatte um 50 v.Chr. mit Gallien und Britannien<br />

eine „ letzte Lücke im Kranz der Provinzen geschlossen."<br />

Nur „Germanien" blieb unbekanntes Land. Lediglich im Süden<br />

zwischen Alpen und Neckar unterstand ein schmaler Streifen der<br />

Herrschaft Roms, 200 Jahre gegen die Barbaren gesichert durch<br />

den Limes. Der Autor beschreibt zunächst die Geschichte Roms<br />

von Cäsar an bis zum Zusammenbruch infolge der Völkerwanderung.<br />

Ein Kapitel widmet sich den Alamannen, die dann dieses Vakuum<br />

füllten. Der Limes erfährt eine ausführliche Darstellung,<br />

ebenso die „Römer im Ländle" und das Verhältnis zu den Kelten.<br />

„Unter Römern leben" beschreibt deren Wohnkultur, ihre Essgewohnheiten,<br />

wie sie lebten (Körperpflege und Badekultur, Fußbodenheizung),<br />

ihre Götterverehrung, Kaufen und Verkaufen. Nach<br />

diesen Basisinformationen lesen wir weiter in der unkomplizierten,<br />

kurzweiligen und dennoch profunden Schreibweise des ehemaligen<br />

Rundfunkredakteurs und erfahren nun Genaueres über<br />

die Reiseziele zu den Römern. Den „Erinnerungen in Stein" folgen<br />

wir „parallel mit dem Ablauf der Zeit" den Römern zunächst an<br />

den Rhein, dann zwischen Schwarzwald, Donau und Neckar- was<br />

natürlich unseren Leserkreis mit Rottweil, Oberndorf, Sulz, Rosenfeld,<br />

Rottenburg und Hechingen-Stein besonders interessiert - ,<br />

weiter an den Obergermanischen Limes, den Rätischen Limes,<br />

Stuttgart und die Römer-Museen und eine Auswahl weiterer Museen.<br />

Eine Zeittafel, Römerliteratur, Orts- und Personenregister<br />

und Übersichtskarte runden den empfehlenswerten Reiseführer ab.<br />

Johannes Lehmann: Caracalla & Kohorten. Reise zu den Römern in<br />

Südwestdeutschland. 180 Seiten, 129 Farbabbildungen, Silberburg-Verlag<br />

Tübingen, ISBN 3-87407-578-8,16,90 Euro (rfr)<br />

Johannes Lehmann: Teutates & Konsorten. Reise zu den<br />

Kelten in Südwestdeutschland.<br />

In logischer Fortsetzung schrieb Lehmann nun dieses Buch über<br />

die Kelten, den frühesten mit Namen bekannten Bewohnern im<br />

Südwesten. Vor mehr als 2500 Jahren tauchten sie in der Geschichte<br />

urplötzlich auf, dehnten sich über ganz Europa aus, und<br />

besiedelten auch Teile Kleinasiens. Keine schriftlichen Zeugnisse<br />

hinterließen sie uns. Das Wissen über dieses Volk haben wir von<br />

archäologischen Funden und den ehemaligen Gegnern, nämlich<br />

aus griechischen und römischen Quellen. Zunächst tauchen wir<br />

ein in die Geschichte der Kelten, in ihre Lebensweise (Aussehen,<br />

Kleidung, Auftreten, Essen, Wohnung), in ihre Kultur und in ihren<br />

Götterhimmel.<br />

Bei den Reisezielen musste eine Auswahl getroffen werden, die<br />

„stellvertretend einige interessante, besonders gut erhaltene, typische<br />

und mit einigem Vergnügen erwander - und erlaufbare Fundorte"<br />

vorstellt. Wir folgen Viereckschanzen, dann den Höhenbur-


gen (z.B. die Heuneburg), den Oppida (Oppidum = stadtartige,<br />

ausgedehnte und befestigte Siedlung der Kelten), den Hügelgräbern<br />

und schließlich Stätten zwischen Himmel und Erde, den Naturheiligtümern<br />

der Kelten. Museen, eine Zeittafel, Keltenliteratur,<br />

ein Orts- und Personenregister und eine Übersichtskarte vervollständigen<br />

diesen gut lesbaren, ausgezeichneten Reiseführer.<br />

Johannes Lehmann: Teutates & Konsorten. Reise zu den Kelten in<br />

Südwestdeutschland. 180 Seiten, 103 farbige Abbildungen, Silberburg-Verlag<br />

Tübingen, ISBN 13:978-3-87407-693-7,16,90 Euro<br />

(rfr)<br />

SÜDWEST-Fernsehen (Hrsg.): Schätze des Landes.<br />

(Begleitband zur gleichnamigen SWR-Sendereihe)<br />

Dieser Reiseführer soll „auf eine sinnvolle, eigenständige Weise"<br />

die Filme der Sendereihe ergänzen. Und dies gehngt sehr gut durch<br />

die informativen Texte und ausgezeichnete farbige Bebilderung.<br />

Die vorgestellten Reiseziele beinhalten vor allem Schlösser und<br />

Museen als lohnende Ausflugsziele: Die Schlösser Mergentheim,<br />

Weikersheim, Ludwigsburg und Kloster und Schloss Bebenhausen;<br />

das Glasmuseum Wertheim, das Odenwälder Freilandmuseum<br />

Gottersdorf, das Hällisch-Fränkische Museum Schwäbisch-Hall,<br />

das Keltenmuseum Hochdorf/Enz, das Limesmuseum Aalen, das<br />

Deutsche Landwirtschaftsmuseum Hohenheim, die „MärklinWelt"<br />

Göppingen, „Die Welt von Steiff" in Giengen an der Brenz, das Auto<br />

& Technikmuseum Sinsheim, das Besucherbergwerk „Tiefer Stollen"<br />

in Aalen-Wasseralfingen und das Museum Ott Pausersche Fabrik<br />

in Schwäbisch-Gmünd, einer ehemaligen Produktionsstätte<br />

von Schmuck und Silberwaren (Bijouteriefabrik).<br />

SÜDWEST-Fernsehen: Schätze des Landes. Von Schloss Mergentheim<br />

bis zum Limesmuseum Aalen. 128 Seiten mit 129 Farbabbildungen,<br />

1 Karte, DRW-Verlag Weinbrenner in Leinfelden-Echterdingen,<br />

ISBN 13:978-3-87181-030-5,14,90 Euro.<br />

(rfr)<br />

Manfred Grohe/ Harald Schukraft:<br />

Flug über Donau und Schwäbische Alb<br />

Einfach überwältigend schön zeigen sich unsere Schwäbische Alb<br />

mit Albvorland und Donau, wenn man die herrhchen, farbigen<br />

Luftaufnahmen von Manfred Grohe auf sich wirken lässt. Da<br />

schlängelt sich die Breg wie ein schwarzes Band in der schneebedeckten<br />

Landschaft, und die Sauschwänzlesbahn dampft über das<br />

24 Meter hohe Biesenbach-Viadukt. Das malerische Zollernschloss<br />

in Bahngen und die Stadtanlage von Haigerloch bezaubern<br />

ebenso wie das verschneite „Badkap" in Albstadt. Der Blick auf<br />

Schloss Bronnen (bei Beuron) ist atemberaubend, ebenso Kloster<br />

Beuron einsam in der verschneiten Landschaft des Donautales.<br />

Einsam ragt die Burg Hohenzollern aus dem riesigen Nebelmeer<br />

und das Sigmaringer Schloss erhebt sich am höchsten Punkt der<br />

Altstadt. Diese Beispiele sollen genügen, denn die Flugreise führt<br />

uns bis nach Nördlingen, eingebettet in den Rieskrater. Die Texte<br />

von Harald Schukraft sind auch in englisch und französisch verfasst.<br />

Manfred Grohe/Harald Schukraft: Flug über Donau und schwäbische<br />

Alb. Fotos von Manfred Grohe, Texte von Harald Schukraft.<br />

Deutsch, englisch, französisch. 176 Seiten, 183 Farbaufnahmen,<br />

Silberburg-Verlag Tübingen, ISBN 3-87407-670-9, 32,80 Euro.<br />

(rfr)<br />

Markus T. Mall: Mord in Schwaben. Wahre Fälle und ihre<br />

Hintergründe vom Mittelalter bis in die Gegenwart<br />

Den Autor befielen Skrupel, als er den Titel „Mord" wählte. Aber<br />

68<br />

überzeugend legt er dar, dass „Geschichten über Mord und Totschlag<br />

faszinieren [... ] Nicht zufällig handeln so viele berühmte<br />

Werke der Weltliteratur von Mord und Totschlag". Ihm als Psychologen<br />

standen „nicht neue geschichtliche Erkenntnisse im Fokus<br />

der Aufmerksamkeit, sondern die psychologischen und sozialen<br />

Hintergründe, vor denen die Verbrechen begangen wurden. Spannender<br />

als die Tat war für mich die Suche nach den Ursachen und<br />

ihren Auswirkungen auf das soziale Umfeld und auf spätere Generationen.<br />

[... ] Das Ergebnis meiner Nachforschungen ist eine<br />

mörderische Landesgeschichte aus psychologischer und sozialer<br />

Perspektive." Die sechs Kapitel, in denen jeweils drei Fälle besprochen<br />

werden, beginnen mit „Der Staat als Mörder", wo vor allem<br />

der Justizmord an Joseph Süß Oppenheimer erwähnt sei. In „Beziehungsmorde<br />

in der Gründerzeit" behandelt der Autor u.a. den<br />

Amokläufer Ernst Wagner, der 1913 ein ganzes Dorf (Mühlhausen<br />

an der Enz) auslöschen wollte, dabei seine Frau, die vier kleinen<br />

Kinder und acht Bewohner tötete. Dass „ Mord - Alltag im NS-<br />

Staat" war, zeigen die Beispiele des Massenmordes an Behinderten<br />

und Kranken, sowie die Ermordung von Eugen Bolz. Das gescheiterte<br />

Attentat von Georg Elser auf Hitler galt einem Massenmörder.<br />

„Kehrseiten des Wirtschaftswunders" und „Morde im Spiegel politischer<br />

Konflikte" (u.a. die RAF in Stuttgart) lauten die nächsten<br />

Kapitel. „Kindsmorde an der Schwelle zum 21. Jahrhundert" beleuchtet<br />

das Niederträchtigste, wozu Menschen fähig sein können.<br />

Markus T. Mall: Mord in Schwaben. Wahre Fälle und ihre Hintergründe<br />

vom Mittelalter bis in die Gegenwart. 176 Seiten, Silberburg-Verlag<br />

Tübingen, ISBN 3-87407-701-2,12,90 Euro. (rfr)<br />

Guggusele. Schwäbische Kinderlieder. Bruno Gern zum<br />

100. Geburtstag<br />

Dem schwäbischen Mundartdichter Bruno Gern ist dieses sehr hebevoll<br />

und in sehr ansprechender Aufmachung herausgegebene<br />

Kinderliederbuch gewidmet. Schon der Titel „Guggusele" klingt<br />

einfach nur schön. Berta Hummel, als Schwester Maria Innocentia<br />

Hummel Klosterfrau bei den Franziskanerinnen von Siessen bei<br />

Saulgau, malte in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen<br />

Jahrhunderts faszinierende Kinderbilder, die als Fleißbildchen gedruckt<br />

und verschenkt wurden. Diese Bildchen wurden schließlich<br />

international bekannt. Diese „Hummel-Bilder", alle in Farbe, wurden<br />

zu jedem Lied passend ausgewählt. Die Melodien zu den<br />

Mundarttexten schuf Martin D. Loritz, ein in Oberndorf am Neckar<br />

geborener Professor für Musikpädagogik, während Marius Reiser,<br />

ein in Gammertingen geborener Professor der katholischen Theologie,<br />

die Liedtexte gesammelt hatte und zur Verfügung stellte. Über<br />

den Dichter Bruno Gera ist ein ausführlicher Artikel von Marius<br />

Reiser in dieser Ausgabe der Zeitschrift zu lesen, (siehe Seite 61 -<br />

64) Natürlich wurde für NichtSchwaben, und vielleicht auch für<br />

manchen „echten" Schwaben, Worterklärangen zugefügt. Ein Liederbuch,<br />

dem in Kindergärten und Grundschulen eine weite Verbreitung<br />

zu wünschen ist..<br />

GUGGUSELE: Schwäbische Kinderlieder. Mundarttexte von Bruno<br />

Gern mit Bildern von Sr. Maria Innocentia Hummel und Melodien<br />

von Martin D. Loritz, hg. von Martin D. Loritz und Marius Reiser<br />

2007.<br />

Das Liederbuch ist im Eigenverlag 2007 erschienen, es umfasst<br />

103 Seiten mit über 40 farbigen Hummel-Bildern. Es ist für 10<br />

Euro bei der Gemeinde Stetten am kalten Markt zu beziehen.<br />

(rfr)


ANNALIES KELLER<br />

Der Taufstein des jetzigen Papstes Benedikt<br />

XVI. in Marktl am Inn, geschaffen von<br />

Anselm Sickinger, in Haigerloch-Owingen<br />

geboren.<br />

Erinnerung zum zweihundertjährigen Geburtstag von Bildhauer<br />

Anselm Sickinger<br />

Merkwürdig - des Merkens würdig - sind oft kleine Geschehnisse,<br />

die uns auf unserem Lebensweg widerfahren. Im Leben mancher<br />

Menschen trifft dies in besonderem Maße zu. Im Betrachten des<br />

Werdegangs von Bildhauer Anselm Sickinger können wir dies auch<br />

feststellen.<br />

Vor 200 Jahren, am 20. April 1807, wurde Anselm Sickinger als<br />

Sohn der Eheleute Fidelis Sickinger und Anna Maria geb. Edele in<br />

Haigerloch-Owingen geboren. Seine Tante, Anna Sickinger, war in<br />

zweiter Ehe mit Konrad Volm, „Chirurgus, Wundarzt und Bildhauer",<br />

verheiratet. Da das Ehepaar kinderlos war, nahm Konrad<br />

Volm den Anselm Sickinger, den Neffen seiner Frau Anna, als Bildhauerlehrling<br />

an.<br />

Sein Landsmann, Reallehrer Prof. Dr. Franz Xaver Wannenmacher<br />

aus Owingen, schreibt in seinem Büchlein „In der Fremde" über<br />

die Wanderjahre des Bildhauers Anselm folgendes: „Ein strebsamer<br />

Geselle der ehrsamen Steinmetzzunft wanderte gen Überlingen<br />

am Bodensee und nach kurzem Aufenthalt iveiter gen<br />

München. Er trug seine wenigen Habseligkeiten samt Vesper in<br />

einem Tüchlein an einem derben Wanderstock über die Schlüter.<br />

So kam er vor die Tore der bayrischen Residenz. An der<br />

Landstraße von München wollte er sein letztes Brot verzehren.<br />

Dabei soll ein großer Hund ihn angefallen haben. Ja, er beraubte<br />

ihn seines Brotes. Diesem, wenig ansprechenden Vortrab<br />

folgte in einer feinen Kutsche ein vornehmer und leutseliger<br />

Herr, der Anselm nach dem Woher und Wohin fragte. Dann<br />

schrieb der Herr ein paar Zeilen auf ein Blatt Papier, wies dem<br />

Fremdling den Weg und öffnete ihm und seinem mitwandernden<br />

jüngeren Bruder Wendelin, ebenfalls Bildhauer, die Tore zu<br />

seinem späteren großen Erfolg. So soll König Ludwig I. von Bayern<br />

den armen Wandersburschen von Owingen in seine Laufbahn<br />

eingeführt haben."<br />

Tatsache ist, Bayerns Herrscher König Ludwig I. war den meisten<br />

Künstlern Münchens sehr gewogen, so auch Anselm Sickinger.<br />

Desöfteren hat ihn seine Majestät in seiner Werkstatt besucht und<br />

ihm Aufträge erteilt, oder aber solche aus dritter Hand vermittelt.<br />

Im Jahre 1825 hatte König Ludwig I. den Thron bestiegen und<br />

überstürzte sich beinahe in den Plänen für mächtige und prächtige<br />

Bauwerke. Alle Bauten wechseln sich ab im Stil der Antike, Romanik,<br />

Gotik und Klassizismus. In diesen Strom geriet auch der<br />

schlichte Steinmetz Sickinger als Lernender. Er besaß ein gutes Talent<br />

und Fleiß und war bald in der Lage sich selbständig zu machen.<br />

Seine Tüchtigkeit auch in geschäftlichen Dingen ermöglichte<br />

es ihm, seiner Bildhauerwerkstätte noch eine Kunstschreinerei<br />

sowie eine Bauhütte anzugliedern. Zeitweise beschäftigte er an die<br />

30 Leute. Seine beiden Hauptmitarbeiter waren die Künstler Adolf<br />

Guggenberger und Josef Knabl.<br />

Besonders zu beachten sind die Arbeiten von Anselm Sickinger an<br />

der Befreiungshalle in Kehlheim, wo er zwölf Jahre arbeitete, und<br />

Abb. 1. Tauf stein und Hochaltar. In diesem Tauf stein in der Kir- Abb. 2. Tauf stein. Der Taufstein - Taufbecken vom jetzigen<br />

che von Marktl am Inn wurde derjetzige Papst Benedikt XVI. am Papst Benedikt XVI. Foto: Gerhard Sauter, Trillfingen.<br />

16. April 1927getauft. Den Tauf stein und den Hochaltar schuf<br />

der aus Haigerloch-Owingen stammende Bildhauer Anselm<br />

Sickinger. Foto: Gerhard Sauter, Trillfingen<br />

69


an der Walhalla bei Regensburg, wo er acht Jahre tätig war. Durch<br />

Vermittlung des bayrischen Königshauses erhielt er Aufträge nach<br />

Griechenland, wo ein Sproß des bayrischen Hauses Wittelsbach<br />

den griechischen Thron inne hatte. Auch Fürst Konstantin von Hohenzoliern-Hechingen<br />

finden wir unter den Auftraggebern unseres<br />

Meisters. Zu seinen besten Arbeiten gehören die Altäre der Kirchen<br />

St. Jodak, St. Martin und St. Jakob in Landshut und in der Pfarrkirche<br />

in Velden-Niederbayern und Frontenhausen St. Jakob.<br />

Ein glücklicher Zufall führte nun Hanna und Gerhard Sauter aus<br />

Haigerloch-Trillfingen nach einer Wallfahrt in Altötting im Jahr<br />

2006 in die Kirche des niederbayrischen Ortes Marktl. Dort fanden<br />

sie den Taufstein, in dem Papst Benedikt XVI. als Neugeborener am<br />

Karsamstag, 16. April 1927, das Sakrament der Taufe empfing. An<br />

der Kirchenwand entdeckten sie eine Beschreibung, dass der neugotische<br />

Hochaltar der Kirche und der davor stehende Taufstein<br />

von dem berühmten Künstler Anselm Sickinger geschaffen wurden.<br />

(Abb. 1,2 und 6)<br />

Der Text auf der Erinnerungstafel zum Taufstein trägt folgenden<br />

Wortlaut:<br />

„Der Taufstein -Taufbecken unseres Hl. Vaters<br />

Der Taufstein ist das Juwel der Kirche. Besondere Bedeutung erhielt<br />

er durch die Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum<br />

Papst.<br />

Am Karsamstag, 16. April 1927, wurde hier Joseph Alois<br />

Ratzinger wenige Stunden nach seiner Geburt - um<br />

08.30 Uhr - durch das Sakrament der Taufe zur Kindschaft<br />

Gottes berufen.<br />

Der Taufstein wurde von dem Münchner Bildhauer Anselm<br />

Sickinger (1807 -1873) für die im Jahre 1857 neu errichtete<br />

St. Oswaldkirche in Marktl geschaffen. Er ist ein sechseckiger<br />

Stein aus Donau-Kalkstein mit sechs unterschiedlichen Engelsköpfen<br />

und das, wie man heute weiß, künstlerisch ivertvollste<br />

Stück in Marktl. Aus seiner Werkstatt stammt auch der St. Oswaldaltar,<br />

der vom damaligen neugotischen Bau erhalten ist.<br />

Beim Umbau der Kirche im Jahre 1965 wurde der alte Taufstein<br />

aus der Kirche entfernt und durch einen im modernen Stil geschaffenen<br />

ersetzt. Bis vor wenigen Jahren fristete er ein unbeachtetes<br />

Dasein im Pfarrgarten. Der <strong>Heimat</strong>bund rettete ihn,<br />

brachte ihn ins Museum und stellte ihn jetzt der Pfarrkirche<br />

wieder zur Verfügung. Nach kleinen Reparaturen wurde der<br />

Taufstein in neuem Glanz am Gründonnerstag des Jahres 2006<br />

wieder in der Kirche aufgestellt. Die neue Abdeckung aus Glas<br />

mit derJakobsmuschel ist eine Arbeit des Künstlers Franz Hämmerle<br />

aus Windach am Ammersee. Papst Benedikt XVI schreibt<br />

in einer persönlichen Grußbotschaft an die Marktler:<br />

,... und ich bin froh, dass der Taufstein nun wieder seinen<br />

Platz in der Pfarrkirche gefunden hat. Es ist ein<br />

schönes Symbol dafür, dass unser Glaube nicht der Vergangenheit<br />

angehört, deren Zeugnisse man in Museen<br />

aufbewahrt, sondern dass er lebensspendendes Zentrum<br />

unseres Daseins ist.'"<br />

Dem ausführlichen Werk „Die Frauenkirche in München" von Peter<br />

Pfister und Hans Ramisch ist zu entnehmen, dass der neugotische<br />

Hochaltar der Frauenkirche von Josef Knabl und Anselm<br />

Sickinger 1861 gefertigt und durch Brand beim Bombenangriff auf<br />

München 1945 zerstört wurde.<br />

70<br />

202<br />

Abb. 3• Hochaltar in der Frauenkirche München. Den Hochaltar<br />

in der Münchner Frauenkirche schufen Joseph Knabl und<br />

Anselm Sickinger 1861. Dieser wurde 1945 durch Luftangriff<br />

zerstört. Vorlage: Die Frauenkirche in München.<br />

In Anselm Sickingers Werkstätte wurden die zwölf Apostel an der<br />

Predella (Sockel des Altaraufsatzes) dieses Hochaltars geschaffen.<br />

(Abb. 4.)<br />

Die von Sickinger stammende Kanzel und ein Altar im Kapellenkranz<br />

der Münchner Frauenkirche fielen ebenfalls diesem Brand<br />

zum Opfer. Eine größere Anzahl schöner gotischer Grabdenkmale<br />

auf verschiedenen Friedhöfen Münchens wurden ebenfalls in<br />

Sickingers Werkstätten hergestellt. Anselms Vetter, der Bildhauer<br />

Jakob Sickinger aus Owingen, der bis nach Anselms Tod in den<br />

Werkstätten in bedeutender Position tätig war, arbeitete besonders<br />

in Marmor.<br />

Anselm Sickinger verstarb 66-jährig am 17.10.1873 in München.<br />

Seinen ersten Sohn verlor er in dessen bestem Alter von 38 Jahren,<br />

und seinen jüngsten 26-jährig an Tuberkulose infolge einer Staublunge.<br />

Sie sollten die Nachfolger des Vaters werden. Der mittlere<br />

Sohn Adalbert verkaufte nach des Vaters Tod die gesamten Werkstätten.<br />

Er arbeitete als Architekt. Seinem Willen gemäß fiel das beträchtliche<br />

Vermögen nach seinem Ableben in 1920 als Stiftung an<br />

die Stadt München. Es sollte den Hilfsbedürftigen der Stadt zugute<br />

kommen. Im Zweiten Weltkrieg wurden auch die Werkstätten der<br />

Sickinger durch Bombenhagel vernichtet. Das Gelände, auf dem<br />

diese einstmals standen, erhielt nach den Aufräumarbeiten die Bezeichnung<br />

„Sickinger Platz". Die Landeshauptstadt München ehrte<br />

Anselm Sickinger (1807-1873), seine verstorbenen drei Söhne Anselm<br />

(1830-1867) und dessen Frau Barbara (1835-1870), Adalbert<br />

(1837-1920), Adolf-Joseph (1845-1871), seinen Enkel Adalbert<br />

(1878-1896), seine Frau Theresia (1806-1974) und seine


Schwiegertochter Jeanette (1846-1910) in Dankbarkeit mit der<br />

Errichtung eines neuen Grabmales am Familiengrab der Familie<br />

Sickinger auf dem Südfriedhof in München. (Abb. 5.)<br />

Abb. 4.: 12 Apostel. In Anselm Sickingers Werkstätte wurden die Bildwerke der Predella des neugotischen Hochaltars geschaffen, wie<br />

hier die zwölf Apostel. Vorlage: Die Frauenkirche in München.<br />

m<br />

• ; *<br />

HIER RUHEN DIE<br />

A R CH IT E KT E N S EH EG AUEN<br />

DEANETTE SICKINGER<br />

• 24-OKT-1846 + 3-DEZ-191C)<br />

ADALBERT SICKINGER<br />

* 2 3UL11837 + 17-MÄRZ1920<br />

GRÜNDER EINER STIFTUNG FÜR<br />

HILFSBEDÜRFTIGE MÜNCHENER BÜRGER<br />

DANKBAR EHRT IHR ANDENKEN<br />

DIE LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN<br />

AUS DER FAMILIE SICKINGER GINGEN<br />

IHNEN VORAUS<br />

ANSELM 1830-166? BARBARA 1835-1870<br />

ADOLF 1845-1871 ANSELM 1807-1873<br />

THERESE 1806 1874 ADALBERT


Verlag: <strong>Hohenzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Karlstraße 3,72488 Sigmaringen<br />

E 3828<br />

PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

herausgegeben vom <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>, Postfach 1638,<br />

72486 Sigmaringen<br />

ISSN 0018-3253<br />

Erscheint vierteljährlich.<br />

Die Zeitschrift »<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>« ist<br />

eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders<br />

die Bevölkerung im alten Land Hohenzollern<br />

und den angrenzenden Landesteilen mit der<br />

Geschichte ihrer <strong>Heimat</strong> vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene<br />

Beiträge.<br />

Bezugspreis:<br />

Für Mitglieder des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

ist der Bezugspreis im Beitrag<br />

enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder<br />

e 11,-. Abonnements und Einzelnummern können<br />

beim <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

(s. o.) bestellt werden.<br />

Die Autoren dieser Nummer<br />

GerdBantle<br />

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen<br />

Dr. Otto H. Becker<br />

Hedinger Straße 17, 72488 Sigmaringen<br />

Robert Frank<br />

Fliederstraße 8, 72401 Haigerloch-Weildorf<br />

Franz-Severin Gäßler<br />

Jakobsplatz 28 b, 86152Augsburg<br />

Helmut Göggel<br />

Josef-Beck-Straße 10, 72517 Sigmaringendorf<br />

Dr. Winfried Hecht<br />

Lorenzgasse 7, 78628 Rottweil<br />

Dr. Herbert Rädle<br />

Veit-Jung-Straße 13 a, 92318Neumarkt<br />

Annalies Keller<br />

Hauptstrafe 58, 72401 Haigerloch-Owingen<br />

Prof. Dr. Marius Reiser<br />

Katholisch-Theologische Fakultät Universität<br />

Mainz, 55099 Mainz<br />

72<br />

Abb. 6.<br />

Engelskopf. Einer der sechs<br />

Engelsköpfe, die den Taufstein zieren.<br />

Foto: Gerhard Sauter, Trillßngen.<br />

Gesamtberstellung:<br />

Druckerei Acker GmbH,<br />

Mittelberg 6, 72501 Gammertingen<br />

Telefon (075 74) 9301-0, Fax 9301-30<br />

info@druckerei-acker.de<br />

www.druckerei-acker.de<br />

Schriftleitung:<br />

Robert Frank<br />

Fliederstraße 8, 72401 Haigerloch-Weildorf<br />

Tel.: (07474) 2161, robertgfrank@web.de<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich.<br />

Mitteilungen der Schriftleitung sind<br />

als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden<br />

an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »<strong>Hohenzollerische</strong><br />

<strong>Heimat</strong>« weiterzuempfehlen.


<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Herausgegeben vom ^ ^ H <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

57. Jahrgang ^ ^ Nr. 4 - Dezember 2007 E 3828<br />

Die spätbarocke Klosterkrippe in der ehemaligen Klosterkirche St. Luzen in Hechingen nimmt den ganzen Altarraum<br />

in Anspruch. Die großen Figuren sind zwischen 85 und 100 cm groß, die kleineren 40 bis 60 cm. Die Figuren sind<br />

beweglich und mit aufwändiger Kleidung ausgestattet. Auf dieser Abbildung erkennen wir die „Drei Weisen" aus dem<br />

Morgenland mit ihrem Gefolge in orientalischer Pracht. Ein Großteil der Figuren stammt wohl aus der 2. Hälfte des<br />

18. Jahrhunderts. Foto: Leobert Fäßler, Hechingen


RUTHILD MANGLER<br />

Die Krippe von St. Luzen in Hechingen<br />

Jedes Jahr, zwischen Weihnachten und Ende Januar, ist die große<br />

Krippe in der St. Luzenkirche in Hechingen aufgebaut. Groß ist die<br />

Krippe in mehr als einer Hinsicht: Zum einen ist sie räumlich groß<br />

- der ganze Chorraum ist Krippe - und zum anderen sind die Figuren<br />

bis zu einem Meter groß und so verschmelzen Kirche und<br />

Krippe zu einer „groß"artigen Einheit.<br />

Zur Geschichte der Krippe<br />

Erstaunlicherweise gibt es über diese historische Krippe wenig<br />

schriftliche Zeugnisse. Erschwerend kommt noch hinzu, dass<br />

wenn über eine Krippe von St. Luzen berichtet wird, oft die Ströbelekrippe<br />

1 oder die Buhlsche Krippe 2 gemeint ist oder Wissenswertes<br />

von diesen Krippen miteinander vermischt ist. 3<br />

Der bisher älteste Hinweis auf die jetzige Krippe befindet sich in einem<br />

Inventarverzeichnis vom 19. November 1819- Unterzeichnet<br />

von Frater Irenä Ertle und Frater Isack Schmid heißt es darin:<br />

„In der Sakristeikammer: Zur Krippe 26 Personen und die dazugehörigen<br />

Kleider. "Außerdem: „Nro. 15 befindet sich zu der<br />

Krippe gehörigen Gerätschaften". 4<br />

Da es die Ströbelekrippe 1819 noch nicht gab und die Buhlsche<br />

Krippe über 200 Figuren besitzt, kann davon ausgegangen werden,<br />

dass hier von der heutigen Krippe die Rede ist.<br />

Eine weitere Quelle ist die Zeitschrift „Der Katholik" von 1841, in<br />

dem sich ein Augenzeuge erinnert:<br />

„Von früheren glücklicheren Tagen zeugt noch das in der Nebenkapelle<br />

des hl. Antonius von Padua zur Weihnachtszeit errichtete<br />

Kripplein, welches alle evangelischen Begebenheiten, von der Geburt<br />

des Herrn bis zum zweiten Sonntag nach Epiphania - zur<br />

Hochzeit in Kanaan - sinnbildlich darstellt und durch Veränderung<br />

seiner Personen und Situationen der christkatholischen Jugend<br />

und jedem kindlichen Gemüte jene Engel, Hirten und Könige samt<br />

ihren strahlenden Kleidern, Schalmeien und Kamele, so lebendig<br />

und anschauhch vor die Seele rückt, dass auch die Einfältigen und<br />

Geringsten hier eine deutliche Anschauung von jenen hohen<br />

himmlischen Ereignissen erhalten, wodurch die Erlösung des<br />

Menschengeschlechtes eingeleitet worden ist." 5<br />

Das nächste sichere Datum kam bei der Restaurierung zum Vorschein:<br />

das Auge einer Figur entpuppte sich als Zeitungsschnipsel<br />

des Schwarzwälder Boten von 16. November 1842. In dieser Zeit<br />

war die Krippe also bereits renovierungsbedürftig. Diese Tatsache<br />

und der Vergleich mit anderen historischen Krippen lassen auf eine<br />

Entstehungszeit im ausgehenden Barock schließen. Der frühere<br />

Hechinger Stadtpfarrer Rudolf Schatz nahm sogar an, dass die St.<br />

Luzenkrippe um 1740 entstanden ist. Er vermutete auch, dass die<br />

Krippe aus der Gegend um Mindelheim, Landsberg und Augsburg<br />

stammt, da viele Mönche von St. Luzen aus diesem Raum kamen<br />

und zudem die Krippenfiguren mit der Jesuitenkrippe aus Mindelheim<br />

große Ähnlichkeit haben."<br />

Bestätigt konnte dies bis jetzt noch nicht werden, denn auf eine<br />

diesbezügliche Nachfrage antwortete das katholische Pfarramt St.<br />

Stephan in Mindelheim nur: „Die Ähnlichkeit der Figuren in der Jesuitenkirche<br />

mit denen in St. Luzen ist in Fachkreisen bekannt.<br />

Nicht bekannt ist hier in Mindelheim, dass etwa im 19. Jahrhundert<br />

74<br />

Figuren nach Hechingen durch Kauf oder Schenkung gekommen<br />

sein sollten. Es ist richtig, dass die Jesuitenkrippe früher wesentlich<br />

umfangreicher war. Wohin ältere, heute nicht mehr vorhandene<br />

Figurenbestände gekommen sind, lässt sich leider nicht mehr<br />

feststellen oder rekonstruieren." 7<br />

Dr. Bollinger, Vorsitzender des Sülchgauer Altertumsvereins in Rottenburg,<br />

hat eine andere Hypothese: 1773 wurde das Jesuitenkolleg<br />

in Rottenburg aufgelöst und der Sitz der Marianischen Kongregation<br />

des Jesuitenkollegs wurde nach Hechingen verlegt. 8 In diesem<br />

Zuge könnte auch die Krippe der Rottenburger Jesuiten in St.<br />

Luzen ein neues Zuhause gefunden haben - kein Einzelfall, so kamen<br />

zum Beispiel in Straubing an der Donau die Krippe und die<br />

Marianische Kongregation des Jesuitenkollegs zusammen im Karmeliterkloster<br />

unter.<br />

Aufbau der Krippe<br />

Die Herkunft und das Alter der Krippe sind also unklar, gesichert<br />

ist aber, wie und wo sie aufgebaut worden war. Bis zu ihrer Renovation<br />

hatte sie ihren Platz in der Antoniuskapelle; dort wurden, auf<br />

einer erhöhten Bühne mit Hintergrundskuhsse, vier Szenen gezeigt:<br />

die Geburt, die Anbetung der Heiligen Drei Könige, die Darstellung<br />

im Tempel und die Hochzeit in Kana. Diese Tradition<br />

wurde an Weihnachten 1967 beendet, als eine Stuckrosette vom<br />

Gewölbe der Antoniuskapelle abstürzte und den Krippenaufbau<br />

zerschlug. Die Kirche wurde wegen Einsturzgefahr geschlossen, instand<br />

gesetzt und erst 1975 wieder eröffnet. 9 Die Krippe, die in dieser<br />

Zeit ausgelagert gewesen war, kehrte zwar zurück, war aber in<br />

einem erbärmlichen Zustand, so konnten zum Beispiel viele Figuren<br />

überhaupt nicht mehr stehen. Stadtpfarrer Rudolf Schatz erkannte<br />

dann den Wert der Krippe und ließ sie von Gisela und Peter<br />

Früh aus Salem-Neufrach restaurieren. In ihrer neuen barocken<br />

Lebendigkeit wurde sie Weihnachten 1985 zum erstenmal<br />

aufgestellt, und zwar im Chorraum. Jahr für Jahr kamen weitere renovierte<br />

Figuren hinzu, bis schließlich der ganze Chorraum Krippe<br />

war. Da die Krippenkuhssen nicht mehr existieren, wird inzwischen<br />

aus Styropor, Rupfentüchern, Moos und Naturmaterialien<br />

eine Landschaft geschaffen, in die hinein die Figuren gestellt werden,<br />

nicht mehr als Wechselkrippe mit vier Szenen, dafür immer<br />

ein wenig anders. Zudem wird seit 1993 auch wieder umgestellt:<br />

die Hirten machen den Königen auf den 6. Januar Platz und kehren<br />

auf ihre Weiden zurück.<br />

Inventarverzeichnis von Dezember 2006,<br />

aufgelistet von Ruthild Mangler<br />

Im Hochschrank in der Sakristei:<br />

25 bekleidete, große Figuren (85cm -100cm) mit Zubehör:<br />

Maria, Josef mit Stab, 6 Engel ohne Flügel, mit Stäben, 4 Frauen mit<br />

Gaben ( Körbe mit Äpfel, Wolle, Blumen), 3 Hirten mit Schippen<br />

bzw. Stab, 2 Hirten mit Haaren, Flöte, Trinkflasche und Tasche, 3<br />

Könige mit Szepter bzw. Halbmond, 3 Diener mit Gaben<br />

(Weihrauch, Gold, Myrrhe), 2 Standartenträger mit einer Fahne<br />

1 kleines Jesuskind (aus Holz geschnitzt)<br />

mit Krippe und Windel<br />

9 bekleidete, kleinere Figuren (40cm - 60cm) mit Zubehör:<br />

2 kleine Mädchen mit einer Windel, 1 kleiner Hirte mit Schippe<br />

und Laterne, in Lederhose, 1 kleiner Schleppenträger, 1 kleiner<br />

Bettelmönch auf Kasten, 4 kleine Engel mit Flügel


Mitteilungen<br />

aus dem<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong><br />

Veranstaltungen im 1. Quartal 2008<br />

I. Veranstaltungen des <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

1) Vorträge<br />

Rolf Vogt M.A., Hechingen<br />

Skandal im Kaiserstammland: der Hechinger Stadtkassendefekt<br />

1907.<br />

Zentrumssturz, liberaler Triumph und Bürgermeister-Rücktritt<br />

in der wilhelminischen Glanzzeit Hohenzollerns<br />

Dienstag, 12. Februar, 20 Uhr im <strong>Hohenzollerische</strong>n Landesmuseum<br />

in Hechingen<br />

Karl Werner Steim, Sigmaringen<br />

Neues zur Biographie der Helene von Schatzberg<br />

(1799 - 1861) - Eine natürliche Tochter der Fürstin<br />

Amalie Zephyrine?<br />

Montag, 25. Februar, 20 Uhr im Prinzenbau (Staatsarchiv) in<br />

Sigmaringen<br />

2) Führung<br />

Doris Muth M.A.<br />

Führung durch die Stauffenberg-Gedenkstätte im<br />

Schloss Lautlingen<br />

Samstag, 19. Januar, um 15 Uhr<br />

Treffpunkt am Eingang des Stauffenberg-Schlosses in Lautlingen<br />

Eintritt: 1 Euro pro Person<br />

Die zum 100. Geburtstag von Claus Schenk Graf von Staufenberg<br />

am 15. November 2007 mit einem Festakt eröffnete Gedenkstätte<br />

wurde von Frau Muth konzipiert. Den Teilnehmern<br />

wird somit eine Führung aus erster Hand geboten.<br />

3) Hinweis<br />

Fürstin Eugenie von Hohenzollern/Hechingen 1808-1847<br />

Veranstaltungsreihe anlässlich des ziveihundertsten<br />

Geburtstages.<br />

In der Sakristei an der Wand:<br />

Ein großer Engel mit Schriftband: Gloria in excelsis Deo<br />

Im Schrank im oberen Kreuzgang:<br />

1 Pferd, 7 Schafe (ab 1985), 1 Kamel (1999), 1 Hund (2002), 1<br />

Ochse (2003), 1 Esel (2004),<br />

Für die Krippenlandschaft: Styroporballen, Abdeckbretter für<br />

das Kirchengestühl, Rupfentücher, Steine, Stroh, Heu, Baumteüe,<br />

Stall (aus ehemaliger Kommunionbank)<br />

Heute besitzt die Krippe insgesamt 48 Figuren, 22 mehr als im Inventarverzeichnis<br />

von 1819 erwähnt. Eine Krippe lebt eben, nie ist<br />

sie fertig, stets wurde und wird abgeändert, ergänzt oder umgestaltet.<br />

So auch in Hechingen: Der große Engel ist zum Beispiel<br />

eine Schenkung aus einem Hechinger Privathaus. Die vier kleinen<br />

Engel sind neu, alt sind nur ihre Köpfe, sie stammen vermutlich von<br />

der zerstörten Kulisse, die Körper ergänzten Familie Früh.<br />

75<br />

Der hohenzollerische <strong>Geschichtsverein</strong> wird in Zusammenarbeit<br />

mit dem Förderverein Villa Eugenia mit Vorträgen dazu<br />

beitragen. Ein Faltblatt mit Veranstaltungshinweisen wird Mitte<br />

Januar erscheinen und kann unter Tel.: 07471/940-181 bzw.<br />

thomas.jauch@hechingen.de angefordert werden.<br />

Das aktuelle Programm des <strong>Geschichtsverein</strong>s ist unter der Internet-Adresse<br />

jederzeit abrufbar: www.hohenzollerischer-geschichtsverein.de<br />

II. Ausstellungen in Hohenzollern<br />

1) <strong>Hohenzollerische</strong>s Landesmuseum in Hechingen<br />

„Advent, Advent ein Lichtlein brennt..."<br />

Historische Adventskalender aus der Sammlung<br />

Esther Gajek - Vom 9- Dezember 2007 bis 10. Februar 2008<br />

Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 14.00 bis 17.00 Uhr;<br />

Sonntag und Feiertag: 10.00 bis 17.00 Uhr<br />

2) Villa Eugenia in Hechingen<br />

Büder des Hechinger Malers Konrad Ruff (1895 - 1946)<br />

aus den Beständen des <strong>Hohenzollerische</strong>n Landesmuseums<br />

Vom 23. Januar bis 17. Februar 2008<br />

Bilder von Dr. Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg und seiner<br />

verstorbenen Gemahlin Margarete zu Mecklenburg,<br />

geb. Prinzessin von Hohenzollern<br />

Vom 24. Februar bis 23. März 2008<br />

Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag jeweils von 15.00 bis<br />

17.00 Uhr<br />

3) Staatsarchiv Sigmaringen<br />

Brechungen - Willy Pragher: Rumänische Bildräume 1924 -<br />

1944 vom 14. März bis 11. April 2008<br />

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 9-00 bis 16.30 Uhr<br />

gez. Dr. Otto H. Becker, Vorsitzender<br />

Die Tiere ( 7 Schafe, 1 Kamel, 1 Hund, 1 Esel, 1 Ochs) schnitzte<br />

ab 1985 nach und nach Peter Früh. Das kleine Pferd könnte von einem<br />

Altar stammen, denn es ist nur auf einer Seite plastisch. Die<br />

fünf kleineren Figuren (die Schwestern, der kleine Hirte, der<br />

Schleppenträger und der Bettelmönch) gehören vermutlich nicht<br />

zur ursprünglichen Krippe, denn die übrigen Figuren haben alle<br />

„Jesuitenmaß", das heißt sie sind zwischen 85 cm und 100 cm<br />

groß. Diese Figuren mitsamt dem kleinen Jesuskind dürften jene<br />

„26 Personen" aus dem Inventarverzeichnis von 1819 sein.<br />

Die 25 großen Figuren, die Schwestern, der kleine Hirte und der<br />

Schleppenträger sind Holzgliederpuppen. Die Köpfe sind lose,<br />

können also auf andere Körper gesetzt werden, ihre Güedmaßen<br />

sind mit Scharnieren versehen, somit hat man beim Aufstellen die<br />

Möghchkeit, die Figuren zum Beispiel sitzen, knien oder etwas heben<br />

zu lassen. Manche Figuren haben geschnitzte, manche echte<br />

Haare. Köpfe, Hände und Füße sind geschnitzt. Da es früher auch


noch verschiedene Kleider gab, konnte man die Figuren umziehen<br />

und erhielt so andere „Personen". (So wurde aus dem Josef an der<br />

Krippe Jesus auf der Hochzeit von Kana.) Heute hat jede Figur nur<br />

„ihr" Kleid, bei der Restaurierung wurde versucht, die alten, oft<br />

kostbaren Kleider so weit wie möglich zu erhalten (Maria, die Engel,<br />

die Könige und die Hirten), dem Josef, den königlichen Dienern,<br />

den Standartenträgern und den Frauen wurden jedoch neue<br />

Kleider, wenn möglich aus alten Stoffen, geschneidert. 10<br />

Sechs Wochen im Jahr zeigt sich die Krippe in ihrer ganzen Pracht.<br />

Die himmlischen Heerscharen, den römischen Legionären nachgebildet,<br />

verkünden die frohe Botschaft, die Hirten und die Frauen<br />

bringen ihre Gaben und die Heiligen Drei Könige beten andächtig.<br />

Ihre drei Diener sind so fürstlich gekleidet, dass mancher Besucher<br />

meint, es wären sechs Könige. Zwischen Maria und Josef aber<br />

liegt die kleinste und wichtigste Figur. Was wäre auch eine Krippe<br />

ohne Jesuskind?<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Der frühere St. Luzenmesner Adalbert Ströbele baute ein Leben<br />

lang an „seiner" Krippe. 1907 machte er den Anfang mit<br />

Maria, Josef und dem Kind. Die Krippe befand sich in seinem<br />

Wohnzimmer, der ehemaligen Krankenstube des Klosters. Sie<br />

wurde zur Weihnachtszeit viel besucht. Die Krippe (mit ca.<br />

200 Figuren) befindet sich heute bei Maler Hermann Ströbele<br />

in den Schelmenäcker/Hechingen<br />

In <strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung vom 24.12.1994<br />

2 Eine weitere St. Luzenkrippe, vermutlich eine Stiftung der<br />

Maximiliane von Künigl (gest. 1743), der Tochter von Madame<br />

EDWIN ERNST WEBER<br />

600 Jahre Stadt Hertingen<br />

iUftä<br />

%<br />

mi<br />

76<br />

de Hombourg, der zweiten Frau des Fürsten Friedrich Wilhelm<br />

von Hohenzollern-Hechingen, galt als die schönste süddeutsche<br />

Krippe. Nach der Aufhebung des Klosters schenkte sie der Fürst<br />

seinem Mundkoch Franz Josef Gfrörer, dessen Sohn in Rottenburg<br />

die Thum- und Taxische Posthalterei innehatte. Dort war<br />

die Krippe im Wartezimmer das ganze Jahr aufgebaut. Später erwarb<br />

sie der Lehrer Pius Buhl aus Baisingen. Heute ist sie im Besitz<br />

des Württembergischen Landesmuseums in Waldenbuch.<br />

In <strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung vom 24.12.1994 und Ludwig Egler:<br />

Chronik der Stadt Hechingen S. 154<br />

So bei Heinrichsperger: Er (St. Luzenmesner Adalbert Ströbele)<br />

hatte die alte (Kloster) Krippe in seiner Wohnung, die,<br />

wie in ganz Tirol und Bayern, eine Zimmerwand einnahm. In<br />

Max Heinrichsperger: Hechingen/Hohenzollern. In: Alemania<br />

Franciscana Antiqua 16, S. 172<br />

Otto Werner: Die Säkularisation des Franziskanerklosters St.<br />

Luzen und des Kollegiatssüfts St. Jakobus in Zeitschrift für <strong>Hohenzollerische</strong><br />

Geschichte 2002/3, S. 137<br />

Otto Werner: Die Säkularisation des Franziskanerklosters St.<br />

Luzen und des Kollegiatssüfts St. Jakobus in Zeitschrift für <strong>Hohenzollerische</strong><br />

Geschichte 2002/3 S. 171<br />

<strong>Hohenzollerische</strong> Zeitung vom 24.12.1985<br />

Aus dem Schriftverkehr von Ruthild Mangler mit der katholischen<br />

Pfarramt St. Stephan in Mindelheim vom 19.10.1994<br />

Zimmermann/Priesching(Hg) Württembergisches Klosterbuch,<br />

Thorbecke, 2003 S.413 ff<br />

9 St. Luzen in Hechingen, Theiss, 1991<br />

10 Informationen von Hedwig und Anton Wolf, Mesner in St. Luzen<br />

Schloss und Stadt Hettingen, colorierter Stich<br />

bach, 1. Hälfte 19- Jahrhundert<br />

vonAbresch/Um-<br />

(Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen IN4/15).<br />

»fit<br />

VMM<br />

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Will man im Landkreis Sigmaringen das Musterbeispiel einer<br />

Adelsresidenz benennen, die ihrer Funktion als Herrschaftssitz na-<br />

hezu alles, auf jeden Fall aber den Status der Stadt sowie eine Reihe<br />

von qualitätsvollen und bis heute ortsbild-prägenden Bauwerken<br />

verdankt, so stößt man neben den ehemaligen Hochadels-Residenzen<br />

Sigmaringen, Scheer und Meßkirch unweigerlich auch auf<br />

Hettingen, dessen 600jähriges Jubiläum als Stadt 2007 gefeiert<br />

wird. Das Lauchert-Städtchen mit seinem wie eh und je die Tallage<br />

beherrschenden Schloss vereint dabei so manche Gegensätze in<br />

seiner langen Geschichte: Neben der zumindest zeitweise glanzvollen<br />

Adelsresidenz besteht eine stets bescheidene, durchgehend<br />

ländlich und bäuerlich geprägte Zwergstadt, einer durch die Jahrhunderte<br />

dominanten Herrschaft steht eine eher schwach ausgeprägte<br />

kommunale Selbstverwaltung gegenüber, und das ärmliche<br />

Ackerbürgerstädtchen mit seinen kleinbäuerlichen Verhältnissen<br />

wird in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahezu nahtlos von<br />

einem dynamischen Gewerbestandort abgelöst, der mit seiner Relation<br />

von 980 Einwohnern zu 650 vor allem industriellen Arbeitsplätzen<br />

beinahe einzigartig im Landkreis ist. All dieses und noch<br />

vieles mehr kann jetzt in einer 176 Seiten starken facettenreichen<br />

Stadtgeschichte nachgelesen werden.<br />

Stadtgründung der Grafen von Veringen<br />

Die insgesamt sechs, von auswärtigen Historikern und örtlichen<br />

Geschichtskennern verfassten Fachaufsätze zur städtischen Historie<br />

vom Mittelalter bis in die Gegenwart vermögen manch Neues<br />

über den bisherigen Kenntnis- und Diskussionsstand hinaus zu<br />

bieten: So kann der Autor des Mittelalter-Beitrags, Dr. Casimir Bumiller,<br />

plausibel machen, dass Hettingen analog zu Gammertingen<br />

wohl erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Stadt entstanden<br />

ist und als Gründer der städtischen Siedlung im Anschluss<br />

an die ältere Burg wohl weniger die um die Mitte des 12. Jahrhunderts<br />

ausgestorbenen Grafen von Gammertingen und statt dessen<br />

eher die Grafen von Veringen in Frage kommen, die um 1250 von<br />

ihrem Sitz in Veringenstadt aus nach Hettingen und Gammertingen<br />

ausgreifen und nach dem Verlust ihres Stammbesitzes nach 1291<br />

ihre Residenz in die Hettinger Burg verlegen. 1267 stellt Graf Wolfrad<br />

von Veringen erstmals eine Urkunde auf der Burg Hettingen<br />

aus, womit er dieser zugleich die urkundliche Erstnennung beschert.<br />

Wie die meisten im Mittelalter gegründeten Städte hat auch Hettingen<br />

eine dörfliche Vorgeschichte, die sicherlich in das Frühmittelalter<br />

zurückreicht, aber erst um 1135 mit einer Nennung in der<br />

Zwiefalter Chronik des Mönchs Ortlieb ihren ersten schriftlichen<br />

Niederschlag findet. Zur Versorgung der wohl um 1120 von einer<br />

Hettinger Linie der Grafen von Gammertingen errichteten Burg auf<br />

dem Schlossberg entsteht in der Folge eine zunächst bescheidene<br />

Burgsiedlung als Niederlassung von herrschaftlichen Bediensteten<br />

und Handwerkern. Der 1254 in den Quellen auftauchende „minister"<br />

Konrad von Hettingen bezeichnet wahrscheinlich einen<br />

„Amtmann" oder „Schultheißen" und damit eine städtische Amtsfunktion.<br />

Dies ist aber auch schon bis in das 14. Jahrhundert hinein<br />

der einzige in der Überlieferung fassbare eindeutige Hinweis<br />

auf den städtischen Status Hertingens, was Casimir Bumiller zur<br />

Vermutung veranlasst, dass Hettingen im Kontext des veringischen<br />

Herrschaftsausbaus zwar nach 1250 zusammen mit Riedlingen<br />

und Veringenstadt zur Stadt erhoben wurde, sich in der Folge aber<br />

nicht so recht stabilisieren konnte. Mit Hettingen ist im 14. und<br />

frühen 15. Jahrhundert dann vor allem der etappenweise Nieder-<br />

77<br />

gang der einst mächtigen Grafen von Veringen verbunden: Nach<br />

dem Verlust des Großteils des Besitzes südlich der Donau und sogar<br />

von Grafschaft und Stammburg Veringen 1291 nach einem verlorenen<br />

Prozess vor einem königlichen Gericht wird Hettingen zum<br />

neuen Herrschaftsmittelpunkt der Grafen, die in der hiesigen Martinskirche<br />

auch eine neue Grablege für ihr Geschlecht begründen.<br />

Der schhchte Grabstein des 1366 verstorbenen Grafen Heinrich V.<br />

erinnert im Chor der Pfarrkirche an die über mehr als eineinhalb<br />

Jahrhunderte währende herrschaftliche Präsenz der Veringer in<br />

Hettingen.<br />

Die letzten Jahrzehnte der Veringer Herrschaft sind gekennzeichnet<br />

von einem fortschreitenden Ausverkauf der einst ansehnlichen und<br />

weit ausgreifenden Besitzungen des Grafenhauses, von denen dann<br />

um 1400 nur noch die Städtchen Gammertingen und Hettingen<br />

nebst einem kleinen Umland übrig gebheben sind. Der - im<br />

wahrsten Sinne des Wortes - endgültigen Besiegelung des Untergangs<br />

der Grafen von Veringen in einer vor dem kaiserlichen Hofgericht<br />

zu Rottweil ausgestellten testamentarischen Verfügung von<br />

Graf Wölfle von Veringen vom 6. September 1407 hat Hettingen<br />

seine älteste urkundliche Nennung als Stadt zu verdanken. Graf<br />

Wölfle, der letzte und ohne legitime Nachkommen verbliebene<br />

Spross des Veringer Geschlechts, vermacht darin seinem Neffen<br />

Heinrich von Rechberg seine verbliebenen Herrschaftsrechte und<br />

Besitzungen, darunter auch „Hätingen" die „Stat". Dieses Geburtstagsdokument<br />

für das Hettinger Stadtjubiläum wird übrigens bis<br />

auf den heutigen Tag im Archiv der nunmehrigen Grafen von Rechberg<br />

in Donzdorf verwahrt und von Graf Bernhard von Rechberg<br />

und Rothenlöwen der Stadt im Jubeljahr als Leihgabe zur Verfügung<br />

gestellt. Wie Edwin Ernst Weber in seiner Transkription nebst<br />

Regest zur Erstnennungsurkunde in der Jubiläumsschrift deutlich<br />

macht, ist die kleine Misslichkeit in der Urkunde, dass bei der ersten<br />

Nennung nicht klar zwischen Hettingen und Hechingen zu entscheiden<br />

ist, nicht weiter für das Alter der Stadt Hettingen und damit<br />

auch für unser Jubiläum gefährlich - folgt doch glücklicherweise<br />

eine zweite Erwähnung nach, die jetzt eindeutig Hettingen<br />

benennt.<br />

Herrschaftssitz bis ins 19. Jahrhundert<br />

Wie sämtliche frühere Residenzstädte im Landkreis mit Ausnahme<br />

von Sigmaringen im Laufe ihrer Geschichte bitter erfahren müssen,<br />

hegt das große Risiko für die im Anschluss an Adelssitze entstandenen<br />

bürgerhchen Siedlungen im Untergang ihrer Herrschergeschlechter<br />

und im Abstieg zu Landstädten innerhalb größerer Territorialstaaten.<br />

Für die beiden ehemaligen Hochadelsresidenzen<br />

Meßkirch und Scheer etwa war mit dem Verlust der Residenzfunktion<br />

im 18. Jahrhundert der wirtschaftliche Niedergang auch der<br />

bürgerhchen Stadt verbunden. So sind es oft Zufälle der dynastischen<br />

Erbfolge und der Herrschaftspohtik, die über das Wohl und<br />

Wehe von Residenzstädten entscheiden. Hettingen hat trotz zahlreicher<br />

Herrscherwechsel vom Hochmittelalter bis ins frühe 16.<br />

Jahrhundert ausgesprochen Glück und vermag, abgesehen von einem<br />

württembergischen Intermezzo in der Mitte des 15. Jahrhunderts,<br />

seine Stellung als Herrschaftssitz und Zentralort einer kleinen<br />

Herrschaft letztlich bis in das beginnende 19. Jahrhundert zu<br />

bewahren.<br />

Noch deutlicher als in der Geschichte anderer Residenzstädte in<br />

der Region hängt bei Hettingen die Dynamik in der städtischen Ent-<br />

wicklung entscheidend von Impulsen und zumal dem Wohlstand


der jeweiligen Ortsherren ab. Eine Glanzzeit in seiner langen Ge-<br />

schichte erlebt das Lauchertstädtchen nach dem Übergang der<br />

Herrschaft Gammertingen-Hettingen von Württemberg an die Herren<br />

von Bubenhofen, als um 1500 der in die Geschichtsbücher als<br />

„Goldener Ritter" eingegangene Hans Caspar von Bubenhofen Hettingen<br />

zu einer glanzvollen Residenz auszubauen versucht und insbesondere<br />

den qualitätsvollen Ausbau der Martinskirche zur Stiftskirche<br />

und Grablege seines Geschlechts betreibt. Der auf ihn<br />

zurückgehende Chor gehört zusammen mit der Taufkapelle in der<br />

Pfarrkirche bis heute zu den Meisterwerken der gotischen Baukunst<br />

im Landkreis Sigmaringen. Wie nahe Aufstieg und Niedergang<br />

zumal bei Adelsgeschlechtern beieinander hegen können, erleben<br />

die Hettinger Untertanen gerade bei diesem Stadtherrn, dessen<br />

sagenhafter Reichtum sich innerhalb kurzer Zeit durch eine<br />

der Zimmernschen Chronik zufolge unbändige Verschwendungssucht<br />

in eine ausweglose Verschuldung mit dem Verlust sämtlicher<br />

Besitzungen verwandelt. Aus der Konkursmasse des „Goldenen Ritters"<br />

gelangt die Herrschaft Gammertingen-Hettingen 1524 an Dietrich<br />

Speth von Zwiefalten, bei dessen Niederadelsgeschlecht das<br />

mittlere Laucherttal sodann 300 Jahre lang bis zur Mediatisierung<br />

der Reichsritterschaft 1806 und sodann dem Verkauf auch der verbliebenen<br />

Spethschen Feudalrechte und des Privatbesitzes samt<br />

Schloss 1827 an den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen verbleibt.<br />

Dominante Herrschaft und dörfliche Strukturen<br />

Hettingen wird nicht nur topographisch von seinem Schloss beherrscht,<br />

auch in den Quellen ist die städtische Siedlung mit ihren<br />

Bürgern bis in das Spätmittelalter neben der dominanten adhgen<br />

Herrschaft nur schwerlich zu fassen. Erst um die Mitte des 14.<br />

Jahrhunderts treten in den Quellen erstmals „Bürger" von Hettingen<br />

in Erscheinung, und ein kommunales Siegel begegnet erst um<br />

1463- Hettingen bleibt vom Mittelalter bis ins 19- Jahrhundert eine<br />

in der Forschung sogenannte „Minderstadt" mit eingeschränkter<br />

wirtschaftlicher Funktion und bescheidener kommunaler Selbstverwaltung.<br />

Wie nicht zuletzt auch die Themen der endlosen Auseinandersetzungen<br />

zwischen der Stadtgemeinde und ihren adhgen<br />

Stadtherren in der Frühen Neuzeit offenbaren, gleicht Hettingen in<br />

seiner Wirtschaftsverfassung und seinen Herrschaftsverhältnissen<br />

eher einer bäuerlichen Dorfgemeinde, die sich mit ihrer ritterschaftlichen<br />

Obrigkeit um die Leibherrschaft, um Frondienste, um<br />

Weide- und Waldnutzungsrechte, um die „Bannung" der Bewohner<br />

auf die herrschaftliche Mühle, Ziegelei und das Bräuhaus und damit<br />

die typischen Gegenstände der ländlichen Untertanenkonflikte<br />

streitet. Stadtluft macht die Bürger im Fall Hettingens nicht frei,<br />

vielmehr bleiben die hier lebenden Menschen letzthch vorwiegend<br />

landwirtschaftlich tätige und der ländlichen feudalen Unfreiheit<br />

unterworfene Untertanen, die sich von ihrer bäuerhchen Umgebung<br />

im Wesentlichen nur durch den Herrschaftssitz und die Stadtmauer<br />

unterscheiden. Der vom Mitschriftleiter der Jubiläumsschrift<br />

Wilfried Liener entworfene Buchtitel „Dorfleben hinter<br />

Stadtmauern" charakterisiert sehr treffend diese Verhältnisse Hettingens,<br />

die nur wenig mit der wirtschaftlichen Dynamik und bürgerschaftlich-kommunalen<br />

Freiheit und Autonomie anderer,<br />

reichsfreier, aber auch landsässiger Städte in der Region gemeinsam<br />

haben.<br />

Ihr kommunales Profil gewinnt die städtische Bürgergemeinde<br />

Hettingens in der Frühen Neuzeit in endlosen Auseinandersetzun-<br />

78<br />

gen mit den Freiherren Speth von Zwiefalten, die über Beschwerdeschriften<br />

und vor den Schiedsinstanzen des Ritterkantons Donau<br />

sowie des Bischofs von Konstanz als Lehensherrn der Herrschaft<br />

Hettingen ausgetragen werden. In der harten Bilanz betrachtet ist<br />

die Hettinger Bürgerschaft in diesen Konflikten letzthch nur wenig<br />

erfolgreich: Die Leibeigenschaft der Stadtbürger bleibt mit den damit<br />

verbundenen Abgaben und Freiheitsbeschränkungen bis zur<br />

Ablösung 1841 bestehen; die Fronverpflichtungen für die Herrschaft<br />

mit Transport-, Holzmacher-, Acker-, vor allem aber lange<br />

Zeit ungemessenen, d.h. nach Bedarf zu verrichtenden Bau- und<br />

Jagddiensten sind drückend und hegen deuthch über den Belastungen<br />

in den allermeisten Nachbarterritorien. Erst 1748 vermag<br />

man eine Einschränkung der Jagdfronen auf jährlich höchstens<br />

zehn Tage zu erreichen, und bei den ungehebten Baufronen für die<br />

herrschaftlichen Gebäude und Anlagen erringt man 1774 wenigstens<br />

einen kosmetischen Erfolg, als unter bischöflicher Vermittlung<br />

die von den Untertanen geforderten Arbeiten für die Anlegung<br />

eines repräsentativen Gartens am hinteren Schlossberg als freiwillige<br />

„Ehrenfron" ohne Schuldigkeit deklariert werden. Die kommunale<br />

Selbstverwaltung der Stadtgemeinde beschränkt sich im<br />

Wesenthchen auf den agrarisch-genossenschaftlichen Bereich sowie<br />

die auch in den Dörfern anzutreffende Tätigkeit des Ortsgerichts<br />

und wird in der Frühen Neuzeit, im Gefolge der auch von den<br />

Herren Speth betriebenen absolutistischen Herrschaftsintensivierung,<br />

weiter beschnitten. Im 17. Jahrhundert klagt die Stadtgemeinde,<br />

dass die Herrschaft die Einberufung des Ortsgerichts verhindere,<br />

im folgenden Jahrhundert über Eingriffe in die kommunale<br />

Bürgermeisterwahl, und bereits 1615 bezichtigen die Hettinger<br />

Bürger ihre Obrigkeit, sich das Stadtsiegel angeeignet und im<br />

Namen der Gemeinde damit Leibeigenschaftsurkunden und Besitzstände<br />

im Lagerbuch attestiert zu haben. Die kommunalen Spielräume<br />

der Hettinger Bürgerschaft und ihrer Stadtgemeinde bleiben<br />

gegenüber einer in jeder Beziehung dominierenden Herrschaft<br />

stets ausgesprochen bescheiden.<br />

Ungeachtet dieser mageren Erfolgsbilanz ist Alexander Sancho-<br />

Rauschel, dem Autor des Kapitels zur frühneuzeithchen Stadtgeschichte<br />

im Jubiläumsband, durchaus zuzustimmen, wenn er als<br />

Resultat und Folge der sich durch die ganze Frühe Neuzeit hinziehenden<br />

Untertanenkonflikte ein wachsendes kommunales Selbstbewusstsein<br />

der Hettinger Bürgerschaft konstatiert. Nicht zuletzt<br />

wird die Stadtgemeinde mit ihrer Konfliktführung gegen herrschaftliche<br />

Belastungen und Eingriffe zum Prozess- und sodann<br />

auch zum Vertragspartner der Obrigkeit, der mit dieser die Herrschaft-<br />

und Wirtschaftsverfassung der Stadt in mehreren Rezessen<br />

neu regelt und vereinbart. Das ungeachtet aller herrschaftlichen<br />

Beschränkungen wachsende kommunale Gewicht der Stadt zeigt<br />

sich im 17. und 18. Jahrhundert an einer stetig zunehmenden Zahl<br />

kommunaler Amtsträger und öffentlicher Gebäude: Neben den<br />

herrschaftlich besetzten Funktionen des Schultheißen, von Lehrer<br />

und -damit zumeist identischem - Mesner sowie den kommunalen<br />

Ämtern der Bürgermeister als Verwalter der Stadtkasse, des Gemeindebaumeisters<br />

und der Ortsrichter finden sich seit dem 17.<br />

Jahrhundert Stadtknecht, Schütz, Totengräber, Nachtwächter, Hirten,<br />

Wassermeister sowie Hebammen als Gemeindebedienstete.<br />

Der kommunale Gebäudepark umfasst im 18. Jahrhundert Waschhaus,<br />

Backhaus, Gemeindescheuer und bereits seit dem frühen 17.<br />

Jahrhundert ein Rathaus - letzteres bekanntlich der Hort der kommunalen<br />

Identität und Weisheit!


Entzug der Stadtrechte durch Preußen<br />

Mit der territorialen Flurbereinigung Deutschlands durch Napo-<br />

leon zu Beginn des 19- Jahrhunderts und der sich anschließenden<br />

Bauernbefreiung büßen die Hettinger zunächst ihre ritterschaftlichen<br />

Ortsherren ein und werden zu Untertanen des Fürsten von<br />

Hohenzollern-Sigmaringen, ehe sie in der Folge durch die Ablösung<br />

von Grundherrschaft, Zehntherrschaft, Leibherrschaft, Fronverpflichtungen,<br />

Bannrechten etc. auch noch ihrer feudalen Beschränkungen<br />

ledig werden. Mit dem Übergang der Landeshoheit<br />

an Hohenzollern-Sigmaringen durch die sog. Mediatisierung 1806<br />

und sodann 1827 mit dem Verkauf der verbhebenen Feudalrechte<br />

und Eigengüter durch Freiherr Friedrich Adalbert Speth von Zwiefalten,<br />

den letzten männlichen Spross des ritterschaftlichen Geschlechts,<br />

an den Sigmaringer Fürsten verliert Hettingen aber<br />

gleichzeitig auch seine angestammte Funktion als Adelsresidenz<br />

und als Verwaltungssitz, der in Gestalt des Obervogteiamts bereits<br />

1814 zum Oberamt Gammertingen geschlagen wird. Hettingen ist<br />

jetzt ohne die herrschaftliche Überhöhung ein kümmerliches und<br />

ärmliches Ackerbürgerstädtchen mit gleichbleibend rund 600 Einwohnern,<br />

das den neuen preußischen Herren als derart bescheiden<br />

erscheint, dass sie ihm 1883 zusammen mit Gammertingen,<br />

Veringenstadt, Trochtelfingen und Haigerloch die Stadtrechte entziehen.<br />

Bis 1951 muss Hettingen dann in der Folge bekanntlich<br />

warten, ehe ihm durch die damalige württembergisch-hohenzollerische<br />

Landesregierung die Stadteigenschaft wieder zurückgegeben<br />

wurde.<br />

Wilfried Liener beschreibt in seinem Beitrag die nur wenig spektakulären<br />

Verhältnisse im landwirtschaftlich geprägten Örtchen Hettingen<br />

im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Wiedereinführung<br />

von jährhch zwei Jahrmärkten 1852 ist ein Fortschritt, noch mehr<br />

der Bahnanschluss 1907, der Aufbau einer zentralen Wasserversorgung<br />

bis 1914, die Errichtung eines neuen, bis heute<br />

schmucken Schulhauses am südlichen Stadteingang 1904 und<br />

schließlich auch die Errichtung eines Kindergartens mit Schwe-<br />

OTTO H. BECKER<br />

Schlösser im Wandel - ein Kolloquium<br />

des <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

In der im vergangenen Jahr von der Gesellschaft Oberschwaben<br />

und dem Staatsarchiv im Prinzenbau und im Landeshaus in Sigmaringen<br />

gezeigten Ausstellung „Adel im Wandel" wurde die Entwicklung<br />

des Adels vom 18. bis ins 20. Jahrhundert dokumentiert.<br />

In der viel beachteten Schau blieben jedoch u.a. die Schicksale der<br />

vielen ehemals hochherrschaftlichen Schlösser und Burgen unberücksichtigt,<br />

die infolge der politischen und wirtschaftlichen<br />

Umbrüche der Vergangenheit von ihren adehgen Eigentümern veräußert<br />

wurden.<br />

Auch in Hohenzollern gelangten die meisten Schlösser in jüngster<br />

Vergangenheit an Gebietskörperschaften oder an Privatleute, die<br />

diese anschließend ganz neuen Nutzungen zuführten. So baute beispielsweise<br />

der neue Eigentümer im Schloss Inzigkofen Appartements<br />

ein. Aus Schloss Glatt ist ein Kultur-und Museumszentrum<br />

des Landkreises Rottweil geworden. Schloss Hohenfels beherbergt<br />

die Unterstufe der Schule Schloss Salem. Das ursprünglich<br />

Speth sehe Schloss Hettingen ist nunmehr Sitz der Gemeindever-<br />

79<br />

sternstation und öffentlichen Baderäumen 1930. Wie allenthalben<br />

in Hohenzollern und Oberschwaben nimmt seit der zweiten Hälfte<br />

des 19- Jahrhunderts auch das Vereinsleben mit der Gründung von<br />

Musikverein, Turnverein, Gesangverein und Militärverein einen<br />

markanten Aufschwung und bringt neue Formen einer bürgerlich<br />

geprägten Geselligkeit und Gemeinschaft in den Bauernort. Bittere<br />

Einschnitte in die Ortsgeschichte bringen die beiden Weltkriege sowie<br />

die Gewalt- und Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus,<br />

die mit ihren auch im kleinen Hettingen auftretenden Abgründen<br />

und Verbrechen Norbert Möller in der Jubiläumsschrift dokumentiert.<br />

Erscheint der Fortschritt im Lauf früherer Jahrhunderte als<br />

Schnecke, so erfährt die von Wilfried Liener untersuchte Entwicklung<br />

seit den 1950er Jahren eine atemberaubende Beschleunigung:<br />

Innerhalb weniger Jahre entwickelt sich das bescheidene<br />

Ackerbürgerstädtchen zum dynamischen Industriestandort mit<br />

ausgreifenden Gewerbe- und Wohngebieten, wo die Landwirtschaft<br />

nur noch eine Randexistenz führt. Seine kommunale Eigenständigkeit<br />

vermag Hettingen 1975 zu retten und durch den Zusammenschluss<br />

mit dem Albdorf Inneringen zu stärken. Anstelle des adligen<br />

Stadtherrn residiert heute der Bürgermeister als gewählter<br />

oberster Repräsentant der Bürgergemeinde mit seiner Verwaltung<br />

im schmuck sanierten Schloss über dem Städtchen - ein eindrücklicheres<br />

Zeugnis für die in den letzten zwei Jahrhunderten<br />

eingetretenen grundstürzenden Veränderungen der öffentlichen<br />

und kommunalen Verhältnisse ließe sich wohl kaum finden!<br />

Literatur<br />

Herbert Burkarth: Geschichte der Herrschaft Gammertingen-Hettingen.<br />

Sigmaringen 1983.<br />

Edwin Ernst Weber u. Wilfried Liener (Red.): Dorfleben hinter Stadtmauern.<br />

600 Jahre Stadt Hettingen 1407 - 2007. Hettingen 2007.<br />

Überarbeitete Fassung des Festvortrags beim zentralen Festakt<br />

am 24. Juni 2007 zum Jubiläum 600Jahre Stadt Hettingen anlässlich<br />

der urkundlichen Erstnennung als Stadt 1407.<br />

waltung. Aus dem ehemals hohenzollerischen Residenzschloss<br />

Haigerloch ist ein „Gastschloss" geworden. Wohnzwecken dient<br />

heute das Schloss Lindich. Im Alten Schloss in Hechingen befindet<br />

sich heute das <strong>Hohenzollerische</strong> Landesmuseum.<br />

Diesen Wandel hat der <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Geschichtsverein</strong> in einer<br />

Ganztagesveranstaltung mit dem Thema „Von Achberg bis Glatt.<br />

Zur Umwidmung herrschaftlicher Schlösser und Landhäuser in<br />

Hohenzollern" am 13. Oktober 2007 in der renovierten und sanierten<br />

Villa Eugenia in Hechingen erstmals in einer Gesamtschau<br />

aufgezeigt und auch bewertet. Für die Veranstaltung konnten als<br />

Referenten aus den Reihen des <strong>Geschichtsverein</strong>s gewonnen werden:<br />

Dr. Otto H. Becker (Sigmaringen), Stadtarchivar Thomas<br />

Jauch M.A. (Hechingen), Dr. Ralf Laschimke (Straßberg), Studienrat<br />

Georg Loges (Hettingen), Redakteur Uwe A. Oster M.A. (Hechingen),<br />

Kreisarchivar Dr. Edwin Ernst Weber (Sigmaringen) und<br />

Kreisarchivar Dr. Andreas Zekorn (Bahngen). Als Referenten stellten<br />

sich ferner die Kreisarchivare Bernhard Rüth (Rottweil) und<br />

Kai Sprenger M.A. (Ravensburg) zur Verfügung.<br />

Behandelt wurden die folgenden Sitze: Schloss Hohenfels (Dr.<br />

Becker), Schloss und Kloster Inzigkofen (Dr. Weber), Schloss Hettingen<br />

(Herr Loges), Schloss Achberg (Herr Sprenger), Schloss<br />

Lindich und Villa Eugenia (Herr Oster), Burg Straßberg (Dr. La-


schimke), Schloss Haigerloch (Dr. Zekorn) und Schloss Glatt<br />

(Herr Rüth). Unberücksichtigt blieb der Prinzenbau in Sigmarin-<br />

gen, dessen Geschichte im Zusammenhang mit der Renovierung<br />

und dem Umbau für das Staatsarchiv bereits hinreichend aufgearbeitet<br />

worden ist. - In der Mittagspause wurde den Interessenten<br />

eine Führung durch die sanierte Villa Eugenia von dem Vorsitzenden<br />

des Fördervereins, Herrn Uwe A. Oster M.A., angeboten.<br />

Die Veräußerung und die damit verbundene Erarbeitung neuer,<br />

tragfähiger Nutzungskonzeptionen erwiesen sich, wie im Verlauf<br />

des Kolloquiums deutlich wurde, in den meisten Fällen als sehr<br />

schwierig. So war beispielsweise das 1982 verkaufte Schloss Achberg<br />

bis zum Erwerb durch den Landkreis Ravensburg 1988 Gegenstand<br />

wilder Bauspekulationen.<br />

Das von den Herren von Neuneck errichtete Wasserschloss Glatt<br />

etwa bückte viele Jahre einer ungewissen Zukunft entgegen. Der<br />

Ankauf des von dem Volkshochschulheim genutzten Klosters durch<br />

die Gemeinde Inzigkofen und die Finanzierung der erforderlichen<br />

Sanierungsmaßnahmen wurden vom Referenten geradezu als<br />

„Wunder" charakterisiert. Im Unterschied hierzu verdankten<br />

Schloss Lindich, das ehemalige zollerische Residenzschloss Haigerloch<br />

und die Burg Straßberg ihre Rettung privaten Initiativen.<br />

Die Referenten legten dar, dass dank der Initiative von Privatpersonen<br />

und Institutionen sowie der Unterstützung öffentlicher Zuschussgeber<br />

die veräußerten herrschaftlichen Gebäude in Hohen-<br />

JOSEF SCHNEIDER<br />

Rückkehr der Kirchenglocken<br />

im Jahre 1947- vor 60 Jahren<br />

Die Vorfreude auf Weihnachten war im Jahre 1947 in den Kirchengemeinden<br />

Haigerloch, Gruol und Weildorf von einem freudig bewegenden<br />

Ereignis geprägt: Am 7. Dezember, also vor 60 Jahren<br />

durften die 1942 für Rüstungszwecke beschlagnahmten Glocken<br />

als Heimkehrerinnen wieder in Empfang genommen werden. In einem<br />

Lager in Lünen (Westfalen) hatten sie den Krieg überstanden<br />

und blieben vor der Einschmelzung bewahrt.<br />

Die Freude über die Rückkehr der Glocken war in den Gemeinden<br />

groß. Pfarrer Gustav Reiber, Gruol, schrieb in die Chronik: „Der<br />

Nikolaus hat uns die Glocken wieder gebracht!" So jedenfalls empfand<br />

man das zufällige Zusammentreffen der beiden besonderen<br />

Tage, zumal auch am Nikolaustag 1946 die Nachricht über das Vorhandensein<br />

der Glocken über das Dekanat erfolgt war.<br />

In die Freude mischte sich allerdings Bangen und Hoffen, denn in<br />

den darauffolgenden Monaten hörte man von einer Rückführung<br />

nichts mehr. Niemand mochte mehr an die Rückkehr glauben. Es<br />

kam die Vermutung auf, dass die Alliierten, vor allem die Engländer,<br />

die Glocken zu Reparationszwecken beschlagnahmen würden.<br />

England und Frankreich, wie auch Deutschland, erlitten<br />

große Luftkriegsschäden im 2. Weltkrieg.<br />

Die Befürchtung erwies sich zum Glück als grundlos. Die Alliierten<br />

gaben sogar dem Rücktransport anfangs Dezember 1947 bewaffnetes<br />

Geleit. Am Bahnhof Hechingen standen alle Glocken zur Abholung<br />

bereit, was die Firma Zöhrlaut Haigerloch mit ihrem Fuhrpark<br />

besorgte. Haigerloch erhielt sieben Glocken zurück, Gruol<br />

80<br />

zollern erhalten und damit vor dem drohenden Verfall gerettet werden<br />

konnten. Eindrucksvoll war hierbei vor allem der Bericht von<br />

Dr. Laschimke über die Umwidmung der Burg Straßberg zu seinem<br />

persönlichen Wohnsitz.<br />

Deutlich wurde im Verlauf der Vortragsveranstaltung aber auch,<br />

dass für die Rettung der historischen Gebäude oft ein sehr hoher<br />

Preis bezahlt werden musste. So wurden zum Beispiel bei der Einrichtung<br />

von Appartements im ehemaligen Schloss Inzigkofen,<br />

einst Residenz der Fürstin Amalie Zephyrine, der ursprünglichen<br />

Zimmereinteilung kaum noch Rechung getragen. Vom Neuen<br />

Schloss in Hechingen sind nur noch die Außenmauern erhalten geblieben.<br />

Einige Referenten wussten auch von Gemälden, Spiegeln<br />

oder Stuckarbeitenen zu berichten, die bei den Sanierungen der<br />

Gebäude oft auf sehr wundersame Weise abhanden gekommen waren.<br />

Auch auf Probleme der Bauunterhaltung wurde von Referenten<br />

hingewiesen. Schließlich hätten, so war ebenfalls zu erfahren,<br />

die in verschiedenen Schlössern untergebrachten kulturellen Einrichtungen<br />

stets ihre Daseinsberechtigung nachzuweisen.<br />

In seinem Resümee bedauerte der Vereinsvorsitzende Dr. Becker<br />

die Tatsache, dass in den ehemals hochherrschaftlichen Gebäuden<br />

von der ursprünglichen Einrichtung in der Regel nichts mehr vorhanden<br />

sei. Es sei geplant, die bei dem Kolloquium gehaltenen Referate<br />

zur Gegenwartskunde Hohenzollerns in der Zeitschrift für<br />

<strong>Hohenzollerische</strong> Geschichte 44 (2008) zu veröffentlichen.<br />

zunächst drei - das Glöckle der Heiligkreuzkapelle folgte im Mai<br />

1948 - und Weildorf erhielt eine Glocke zurück. Die Glocken wurden<br />

daraufhin geschmückt und vor den Kirchen aufgestellt. Diese<br />

erhielten bei Glockenfeiern ihre Weihe wieder. Rasch kehrten sie<br />

wieder in ihre Türme zurück, um zusammen mit ihren verbliebenen<br />

Schwestern Weihnachten wieder festlich einzuläuten und den<br />

Frieden der Heiligen Nacht zu verkünden. Kaum ein schönerer<br />

Neubeginn hätte sich für die Rückkehrerinnen angeboten! Manch<br />

bittere Erinnerung klang nochmals an jene Märztage 1942 an, zumal<br />

die Glocken gerade zwei Jahre vorher die Besetzung von Paris<br />

am 21. Juni, und am 28. Juni den Waffenstillstand mit Frankreich<br />

durch tagelanges Geläute "mitfeiern" mussten. Aber auch ihre<br />

zurückgebliebenen Schwestern führten bald auch ein trauriges Dasein.<br />

Das erlassene Läuteverbot vom 19. November 1942 wurde<br />

damit begründet, dass das Läuten den militärischen Luftnachrichtendienst<br />

bzw. den Luftwarndienst stören würde.<br />

Manche Gemeinden mussten vergeblich auf die Rückkehr ihrer<br />

Glocken warten und waren in den Jahren danach gezwungen, neue<br />

Glocken zu beschaffen. Von 34 Glocken aus dem Haigerlocher<br />

Raum (Haigerloch hatte neun Glocken herzugeben, Owingen fünf,<br />

Gruol vier, Stetten drei, Weildorf drei, Trillfingen vier, Bad Imnau<br />

und Heiligenzimmern je zwei, Bittelbronn und Hart je eine) waren<br />

nur zwölf zurückgekehrt. Die anderen fielen dem Moloch Krieg<br />

zum Opfer. So zählten die Glockenweihen zu den außergewöhnlichen<br />

Anlässen der Nachkriegszeit. Etliche der neuen Glocken wurden<br />

dem Gedenken der Gefallenen gewidmet. Und wer wollte es<br />

leugnen: Glocken sind für die Bevölkerung mehr als Schall und<br />

Klang. Sie werden gleichermaßen als Begleiter durch das Leben,<br />

bei Freud und Leid, verstanden. Ein wertvolles Kulturgut war für<br />

den Krieg missbraucht worden.


Eine sehr seltene Aufnahme vom 19- März 1942 von einer unbekannten Person zeigt die Glockenabnahme in Gruol. Pfarrer Reiher,<br />

der ebenfalls fotografiert hatte, bekam den Film unmittelbar von der Gestapo abgenommen. Aufdem Bild rechts der damalige Gruo-<br />

ler Mesner Josef Pfister, die weiteren Arbeiter stammen aus Owingen von der Baufirma Henne, die diese Arbeit auszuführen hatte.<br />

Die Glocken von rechts: Die große Glocke der Pfarrkirche aus dem Jahre 1429, dann die beiden Glocken von der Oberen Kirche aus<br />

dem Jahr 1725 und dazwischen die kleine Glocke der Heiligkreuzkapelle aus dem Jahre 1488. Die Rückführung und die Glockenfeier<br />

konnten nicht fotografiert werden, weil es 1947 keine Filme zu kaufen gab. Reproduktion: Foto Weber, Haigerloch.<br />

FRANZ-SEVERIN GÄßLER<br />

Der Leopoldplatz in Sigmaringen -<br />

Monument der Residenzund<br />

Landeshauptstadt 1<br />

Der Name des Bundeslandes Baden-Württemberg lässt vergessen,<br />

dass zwischen Baden und Württemberg ehemals Hohenzollern existierte<br />

- bis 1972 im Namen des Regierungsbezirks Südwürttemberg-Hohenzollern<br />

noch präsent und mit dem <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

Landeskommunalverband noch mit einer gewissen pohtischen Eigenständigkeit,<br />

bis 1952 im Namen des Bundeslandes Württemberg-Hohenzollern,<br />

bis 1945 als preußischer Regierungsbezirk<br />

mit teilweise provinzähnhcher Stellung und bis 1850 in Form<br />

zweier souveräner Fürstentümer: Hohenzollern-Hechingen und<br />

Hohenzollern-Sigmaringen 2 .<br />

Beiden Fürstentümern war es 1805 aufgrund persönlicher Beziehungen<br />

Amalie Zephyrines, der Gemahlin des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />

zum Kaiserhof Napeoleons gelungen, der Mediatisierung<br />

zu entgehen. Hohenzollern-Sigmaringen ging sogar<br />

gestärkt aus den pohtischen Umwälzungen hervor. Es erreichte<br />

nicht nur die volle Souveränität über jene Gebiete, die zuvor österreichisches<br />

Lehen gewesen waren, sondern konnte zudem bedeutenden<br />

Gebietszuwachs verzeichnen. Wie Karlsruhe für Baden und<br />

Stuttgart für Württemberg waren fortan die beiden Residenzstädte<br />

81<br />

Hechingen und Sigmaringen auch Hauptstädte souveräner Staaten,<br />

bis die Revolution von 1848 den Bestand fürstlicher Rechte gefährdete<br />

und die Fürsten der beiden Staaten ihre Souveränitätsrechte<br />

gegen Entschädigung an die preußische Krone abtraten<br />

(Abb. 1).<br />

Sigmaringen blieb nach 1850 Residenzstadt und insbesondere Sitz<br />

der fürstlichen Hofkammer. Nach der Rückkehr des fürstlichen<br />

Hofs im Jahr 1871 erhielt die Stadt mit zahlreichen Neu- und Erweiterungsbauten<br />

für den fürstlichen und erbprinzlichen Hof und<br />

die fürstliche Verwaltung sowie mit dem Ausbau der fürstlichen<br />

Gärten und Anlagen ihren weiteren repräsentativen Ausbau als Residenzstadt.<br />

Hechingen verlor nicht nur seine Funktion als Landeshauptstadt,<br />

sondern auch die einer Residenz, als Friedrich Wilhelm<br />

Konstantin, der letzte Fürst von Hohenzollern-Hechingen, Stadt<br />

und Land verheß, um sich auf seinen schlesischen Besitzungen seiner<br />

Leidenschaft, der Musik, zu widmen.<br />

Im Gegensatz zu Hechingen war es in Sigmaringen während der<br />

Zeit der Souveränität gelungen, den Status der Landeshauptstadt<br />

auch städtebaulich darzustellen 1 . Innerhalb einer Dekade, von<br />

1839 bis 1848, hatte die Stadt eine Gestalt gewonnen, die sie von<br />

derjenigen der Landstädte und auch der Residenzorte des mediatisierten<br />

Adels in der näheren und weiteren Umgebung eindeutig unterschied<br />

(Abb. 2). Im Gegensatz zu diesen war die Stadterweiterung<br />

entsprechend der differenzierten Funktion der Landeshaupt-


Stadt auch differenziert gestaltet. Wesentliches Merkmal war nicht<br />

nur die Architektur der herrschaftlichen Gebäude, die in jener Zeit<br />

entstanden, sondern insbesondere der Bau der Carlsstraße und<br />

des Carlsplatzes, die bereits 1840, noch unvollendet in ihrer Gestalt,<br />

ihren Namen erhalten hatten, sodann die Stellung der herrschaftlichen<br />

Gebäude an dieser Straße, die gestalteten Freiflächen<br />

sowie Bauweise und Architektur der Bürgerhäuser am Carlsplatz,<br />

dem heutigen Leopoldplatz.<br />

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Abb. 1: Südwestdeutschland 1849, politische Gliederung mit<br />

den Hauptstädten<br />

Damit hatte Sigmaringen das typische städtebauliche Gefüge einer<br />

Landeshauptstadt erhalten wie dies in der ersten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts in Süddeutschland nur Karlsruhe, Darmstadt und<br />

Abb. 2: Stadtgrundriss südlich der Donau 1800 und 1850<br />

82<br />

Wiesbaden sowie Stuttgart und in anderer Dimension vor allem<br />

München mit geometrischen Platzanlagen an zentraler Stelle in den<br />

Stadterweiterungsgebieten zeigten'.<br />

Die schnurgerade angelegte Carlsstraße, als Rückgrat der Stadterweiterung<br />

1836 geplant und 1837 gebaut, war durch Auffüllungen<br />

und Abgrabungen von bis zu vier Metern eine einheithche Steigung<br />

im bewegten Gelände gegeben worden. Dort, wo 1839/40 das Regierungsgebäude<br />

errichtet worden war, wurde wenige Jahre später<br />

durch Abgrabungen nach Süden hin ein künstlicher Hochpunkt in<br />

der Carlsstraße geschaffen, um dem Regierungsgebäude die höchste<br />

Position im Straßenzug zu geben. Hinzu kam, dass das Regierungsgebäude<br />

zwei Bauten rahmten, deren Gestalt identisch war:<br />

das zusammen mit dem Regierungsgebäude errichtete Hofkammergebäude<br />

im Norden und das 1844 fertiggestellte Oberamtsgebäude<br />

im Süden. Die Architektur der beiden ersten Gebäude hatte<br />

der Frankfurter Architekt Burnitz d. Ältere geschaffen. Um die Symmetrie<br />

zu wahren, erhielt das Oberamtsgebäude die gleiche Fassade<br />

wie das Hofkammergebäude. Damit stand das Regierungsgebäude<br />

im Zentrum einer achsialsymmetrischen Anlage, die die östliche<br />

Seite der Carlsstraße beherrschte. Auf der gegenüberliegenden<br />

Straßenseite korrespondierte mit dieser bauhchen Anlage ein<br />

langgestreckter, baumbestandener Platz in derselben Längenausdehnung,<br />

mit einem Brunnen in der Hauptachse. Die ganze Platzanlage<br />

war wiederum achsialsymmetrisch auf das Regierungsgebäude<br />

hin ausgerichtet. Mit Bedacht war kein Baum in die Straße<br />

gesetzt worden, damit der Straßenraum und die Fassaden in ihrer<br />

vollen Dimension und Pracht wirken konnten. An diesem Ort waren<br />

die beiden Mittelbehörden des Fürstentums - die Landesregierung<br />

und die Hofkammer - erstmals räumhch vom Schloss und<br />

auch voneinander getrennt untergebracht. Hier war die Verwaltung,<br />

die Exekutive gegenwärtig und prägte diese Straße bis in die<br />

achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts als Standort für höhere<br />

und untere Landesbehörden der Justiz und der Verwaltung sowie<br />

der Kreisverwaltung.<br />

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Abb. 3: Carlsplatz von Südwesten um 1800. Vorlage: F.H. Sammlungen, Sigmaringen<br />

Doch wo wurden die Gesetze beraten und beschlossen, wo war die<br />

Legislative baulich präsent? Im Ständehaus am Carlsplatz, dem<br />

heutigen Leopoldplatz, der 1840, wenige Jahre nach der Aufstellung<br />

des Stadtbauplans, als Teil der Stadtverschönerungsmaßnahmen<br />

in regelmäßiger Form geplant wurde (Abb. 3). Acht Gebäude<br />

der Altstadt samt Stadtmauer mussten erworben und niedergelegt<br />

werden, um dem Platz seine endgültige Größe und Form zu geben,<br />

um die westliche und nördliche Seite bebauen zu können und eine<br />

Zufahrt von Süden her in die Altstadt herzustellen. Die Initiative zur<br />

Stadtverschönerung war von der Landesherrschaft ausgegangen.<br />

Fürst Carl berief eine Stadtverschönerungskommission, deren Vorsitz<br />

Erbprinz Carl-Anton führte, und stattete diese mit Mitteln aus,<br />

um insbesondere die regelmäßige Form des Carlsplatzes verwirklichen<br />

zu können. Bevor wir das Ständehaus betrachten, werfen<br />

wir einen Bhck auf die Wände und den Grundriss des Platzes, um<br />

zu schauen, was denn die wesentlichen Merkmale dieses Platzes<br />

sind: Die Raumkanten beschreiben ein klares Rechteck von unge-<br />

fiOMAMNöW<br />

CAfU-mATZ Mir F>l«T-UM


Vier Jahrzehnte später musste dieses Denkmal dem Reiterstandbild<br />

für den Fürsten Leopold weichen, das an der östhchen Peripherie<br />

des Platzes, zur Karlstraße und zum Prinzenbau hin gewendet aufgestellt<br />

wurde (Abb. 6). Geschehen war dies wohl auf Wunsch der<br />

Fürstin Antonia, die im Prinzenbau ihren Witwensitz hatte. Seitdem<br />

heißt der Platz Leopoldplatz. Auch hier gibt es über die Beziehung<br />

zwischen Denkmal und der Witwe des Fürsten Leopold hinaus ei-<br />

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nen sinnvollen Bezug. Denn Leopold hatte als Erbprinz sein damaliges<br />

Domizil, den Prinzenbau, erweitern und ihm eine neue Fassadengliederung<br />

im Formenkanon der Neorenaissance geben lassen.<br />

Das erste Gebäude, das auf die spätestens 1839 ins Auge gefasste<br />

und 1840 geplante prägnante Platzform reagierte war das Haus des<br />

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Abb. 5: Carlsplatz, Fassaden der Platzrandbebauung 1848<br />

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84<br />

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Buchhändlers Beck. Jahrzehntelang residierte dort das Hotel<br />

„Deutsches Haus", das als das vornehmste Lokal am Ort galt (Abb.<br />

7). Nicht ohne Grund installierten die Nationalsozialisten in den<br />

späten Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an dieser<br />

städtebauhch und architektonisch herausragenden Stelle ihre Parteizentrale<br />

mit der Kreisleitung. Das „Deutsche Haus" war nicht<br />

nur bis weit ins 20. Jahrhundert hinein das größte bürgerliche Gebäude<br />

in der Stadt, sondern setzte sich auch mit der Fassadengliederung<br />

und den Detaüs deutlich von den übrigen Gebäuden ab.<br />

Eher ghch es einem herrschaftlichen Gebäude. Dies bewirkten sicher<br />

die rhythmische Gliederung durch acht Fensterachsen, das<br />

Hochparterregeschoss mit noch einmal zwei darüberliegenden hohen<br />

Stockwerken und dem abschließenden Halbgeschoss, die<br />

breite Freitreppe und der obere Abschluss der Fassade. Denn ursprünglich<br />

verdeckte eine Attika das flach geneigte Dach. Im Detail<br />

zeigt dieses Gebäude Gliederungen, die auf die Architektur des gerade<br />

fertiggestellten Regierungsgebäudes verweisen: Den Sockelbereich<br />

gliedert die Bandrustika, und zugleich ist er gestuft. Über<br />

eine große Freitreppe führt der Zugang durch nebeneinanderstehende<br />

Portale ins Gebäude. Portalgewände und Fenstergewände<br />

sind profiliert gestaltet. Dagegen sind die Gurtgesimse einfach gehalten.<br />

Das Traufgesims wiederum ist kräftig profiliert ausgeführt.<br />

Auch wenn Architekturdetails des Regierungsgebäudes übernommen<br />

wurden, ist die Fassade eine eigenständige Schöpfung. Sie ist<br />

wohlproportioniert und ausgewogen gegliedert. Fein ausgebildet<br />

sind die Übergänge - von innen nach außen und zum Boden und<br />

zum Dach hin. Dazu trägt auch das dekorative Band bei, in das die<br />

Fenster des Halbgeschosses integriert sind und das die Wand zum<br />

Traufgesims hin abschließt. Gerade die Eingangssituation ist hervorragend<br />

inszeniert. Die Stufen, die zum Hochparterre führen,<br />

verhindern ein Hineinstolpern; und beim Hinaustreten gewinnt<br />

man vom erhöhten Standpunkt aus Überblick und Orientierung.<br />

Im Gegensatz zum benachbarten Wohnhaus des Hofkammerrats<br />

Horn oder auch der herrschaftlichen Gebäude in der Carlsstraße<br />

wurde beim Beck'schen Haus auf Wandschichtung oder Gliede-<br />

rung mittels Lisenen verzichtet. Dafür spiegelt dieses Haus mit seiner<br />

klar formulierten, wohlproportionierten Fassade jene Dimension<br />

und jenen klassizistischen Stil wider, der in der Stuttgarter Königsstraße<br />

oder der Neuen Mainzer Straße in Frankfurt, in Städten<br />

wie Karlsruhe und Darmstadt um 1840 zu sehen war und wenig<br />

später bereits wieder neuen Strömungen weichen musste. Wie der<br />

Platz bringt auch das Gebäude etwas vom Flair der großen Welt in<br />

die kleine Stadt.<br />

Zu klein waren die Verhältnisse in diesem Ort, um Kapital, Menschen<br />

und Arbeit zu binden. So bheben Form und Dimension dieses<br />

Gebäudes singulär, und auch im Stadträumlichen gelang es der<br />

Stadt seit dieser Zeit nicht mehr, einen weiteren Platz zu formen.<br />

Der Entwurf des „Deutschen Hauses" stammt vom fürstlichen<br />

Bauinspektor Bröm; 1839 hatte er den Plan gezeichnet. 1843<br />

wurde er zum Baurat ernannt und war damit zuständig für das Dominal-Bauwesen<br />

bei der Hofkammer und das Technische Referat<br />

bei der Regierung. Ursprünglich wollte Erbprinz Karl Anton an dieser<br />

Stelle Wohnungen für höhergestellte Beamte errichten lassen.<br />

Das war 1838. Ein Jahr später sollte an dieser Stelle das Regierungsgebäude<br />

platziert werden, für das auch bereits Entwürfe existierten.<br />

Doch das Raumprogramm wurde ausgeweitet und in der<br />

Carlsstraße der passende Platz für die Landesregierung gefunden.<br />

Möglicherweise ist das „Deutsche Haus" Planungsrelikt beider<br />

Vorhaben. Denn die FassadengÜederung entspricht jener, die Geheimrat<br />

Schnell in seiner Skizze für die Konferenzsitzung vom Juli<br />

1838 als Vorschlag für den Bau eines neuen Gebäudes in der Carlsstraße<br />

entwickelt hatte: viergeschossig über hohem Sockel, Attika<br />

und flaches Dach. Und vermutlich ist es nicht nur eine Reaktion auf<br />

den geplanten Platz, sondern auch bereits auf das angedachte Ständehaus<br />

auf der nördhchen Platzseite. Denn im selben Jahr, als<br />

Bröm den Bau hochführen heß, war bereits seitens der Stadtverschönerungskommission<br />

gefordert, die auf der nördhchen Platzseite<br />

entstehenden Bauten unter einem Dach und hinter einer Fassade<br />

zusammenzufassen.<br />

Abb 6: Leopoldplatz, Leopold-Denkmal mit dem ehemaligen Ständehaus um 1920. Vorlage: Frau M. Bruttel, Sigmaringen<br />

85


Die östliche Platzseite, die zugleich zur Carlsstraße gehört, nehmen<br />

der Alte und der Neue Prinzenbau ein. Beide Gebäude verbindet<br />

ein Zwischentrakt, der die Durchfahrt enthält. Der Alte Prinzenbau<br />

wurde 1823 als „Schlössle" für die Fürstin Amalie Zephyrine errichtet.<br />

Den Neuen Prinzenbau ließ Erbprinz Karl-Anton 1842-47<br />

als Stadtpalais nach Plänen von Bröm im Stil des romantischen<br />

Klassizismus mit zahlreichen neogotischen Elementen erbauen.<br />

Völlig unterschiedhch war das Erscheinungsbild der beiden Gebäude.<br />

Klassizismus mit eher derben Formen korrespondierte mit<br />

dem Formenkanon der Neogotik. Das modische Erscheinungsbild<br />

war wichtiger als die Symmetrie und insbesondere die Homogenität<br />

- doch steht die Platzwand im Vergleich zur südhchen geschlossen<br />

da. Dass der Platz gerade an dieser Stelle entstand,<br />

dürfte mehrere Gründe haben: Einmal ist es die Fläche, die durch<br />

die Straßen ausgeschieden wird, dann das Gelände, das nach der<br />

Planierung nur wenig geneigt war, und insbesondere das Dasein<br />

des „Schlössle". Denn mit der Erweiterung dieses Gebäude und<br />

dem angrenzenden weitläufigen Gartenareal war es möghch, eine<br />

für den Erbprinzen zeitgemäße und angemessene Residenz zu<br />

schaffen. Und als es darum ging, dem Platz seine prägnante Form<br />

zu geben, sprach man von der „Herstellung eines regelmäßigen<br />

Platzes beim Schlössle".<br />

Auf der westhchen Platzseite heß sich 1844 der Stadtbürgermeister<br />

Gastel sein zweigeschossiges Wohnhaus errichten. Er musste die<br />

Planung der Verschönerungskommission vorlegen. Diese bestimmte<br />

auch, dass das anschließende Gebäude mit dem des Bürgermeisters<br />

unter ein gemeinsames Dach kommen sollte und auch<br />

die Traufe durchgehend zu gestalten wäre. Im Gegensatz zu den<br />

beiden vorher genannten Platzwänden zeigt die westliche also geschlossene<br />

Bauweise und gleiche First- und Traufhöhe bei den Gebäuden.<br />

Erst 1846-49 wurde das Ständehaus auf der Nordseite des Carlsplatzes<br />

errichtet. Doch war, wie erwähnt, bereits 1840 von der<br />

Stadtverschönerungskommission unter Vorsitz des Erbprinzen Karl<br />

Anton das Ziel gefasst worden, an dieser Stelle nicht verschiedene<br />

Bauten zuzulassen, sondern die unterschiedlichen Nutzungen hinter<br />

einer Fassade und unter ein gemeinsames Dach zu bringen. So<br />

nahmen die Räume für die Ständeversammlung mit der Säulenhalle<br />

und der halbgewendelten Treppe, dem mehr als zwei Geschosse<br />

hohen Ständesaal, den Emporen sowie den Nebenräumen<br />

das Zentrum des Gebäudes ein, während westhch davon die Sparkasse<br />

und auf der östlichen Seite Behörden der Landesverwaltung<br />

mit je eigenem Eingang ihr Domizil hatten. Direkt auf den Platz war<br />

der Saal gerichtet und mit drei hohen, die Geschosse übergreifenden<br />

Fenstern vom Platz aus als Stein gewordene Präsenz der 1833<br />

gegebenen Verfassung sichtbar. Fein gegliederte Pilaster in kolossaler<br />

Ordnung und der darübersitzende, akroterbestückte Giebel<br />

gaben dem Saal auch nach außen hin eine Architektur, die von keinem<br />

anderen Gebäude in der Stadt, nicht einmal vom Stadtpalais<br />

des Erbprinzen, geschweige denn den schmucklosen Fassaden des<br />

Residenzschlosses erreicht wurden. Ob auch die Konzeption des<br />

Gebäudes vom damaligen Werkmeister und späteren Regierungsund<br />

Baurat Wilhelm Laur stammt oder nur die Ausführungs- und<br />

Detailplanung, ist nicht überliefert. Doch hat Laur wie an fast allen<br />

nach seinem Entwurf entstandenen öffentlichen und sakralen Bauten<br />

seinen Namen auf dem Gebäude hinterlassen, gleichsam für<br />

ewige Zeiten auf der östlichen Seite des Mittelrisalits in den Stein<br />

meißeln lassen. Der Ständeversammlung bheb die Nutzung des<br />

Saales versagt, weü sich die Zeit des souveränen Fürstentums nach<br />

86<br />

den Wirren der Revolution schnell dem Ende zuneigte. Genutzt<br />

wurde er zu zahlreichen feierlichen Anlässen und seit der Gründung<br />

des Landeskommunalverbands auch von den Mitgliedern des<br />

Kommunallandtags, bis der Verband sein eigenes Haus erhielt.<br />

Abb. 1: Carlsplatz, „Hotel Deutsches Haus" um 1915, von Westen.<br />

Vorlage: Fotosammlung Gäßler<br />

Was ist nun das Entscheidende, das Einzigartige, im Vergleich zum<br />

Gefüge anderer Städte in der ersten Hälfte des 19- Jahrhunderts im<br />

deutschen Südwesten - ausgenommen eben die Landeshauptstädte?<br />

Es sind zwei Aspekte: die prägnante Platzgestalt und das<br />

große Platzgeviert, dessen Fläche der üblichen städtischen Nutzung<br />

entzogen ist. Denn erst unter den Nationalsozialisten begann die<br />

wesensfremde Nutzung des Platzes: Am westhchen Rand des Platzgevierts<br />

schuf man damals Flächen für parkende Autos. Und auch<br />

diese Nutzung wäre wieder entfallen, denn die damaligen Machthaber<br />

planten am Leopoldplatz das Kreisforum der Parteileitung zu<br />

errichten: Der Platz sollte zum Aufmarschplatz umgestaltet werden,<br />

und auf der Südseite des Platzes sollte das Kreishaus in gewaltigen<br />

Dimensionen entstehen.<br />

Mehrmals gewandelt hat sich die Gestalt des Platzgevierts. Noch<br />

immer ist das Geviert erkennbar, auch wenn es in den vergangenen<br />

eineinhalb Dekaden zunehmend der Verwahrlosung preisgegeben<br />

wurde, weil weder Einsicht noch Kraft da waren, die unterschiedlichen<br />

Funktionen so zu ordnen, dass das Charakteristische dieser<br />

Stadt und die Lesbarkeit ihrer Geschichte wieder treffend in Erscheinung<br />

treten. Denn im vergangenen Jahrzehnt heß die Stadtverwaltung<br />

im westhchen Platzbereich Bäume fällen, um einige zusätzliche<br />

Parkplätze für Autos zu schaffen und, wie vor wenigen<br />

Jahren geschehen, Raum zu schaffen für ein Riesenrad anlässlich<br />

des wenige Tage dauernden Stadtfestes.


Noch ist ablesbar, in welcher Zeit der Platz entstand. Die Fassaden<br />

des Deutschen Hauses und des Ständehauses haben trotz Veränderungen<br />

jenen typischen Formenkanon bewahrt, der in die vierziger<br />

Jahre des 19- Jahrhunderts verweist. Damit ist der Platz, der zwischen<br />

diesen beiden symmetrischen Platzwänden eingespannt daliegt,<br />

in diese Zeit einzuordnen.<br />

Und nur mit diesen Fassaden und dem Handel und Wandel entzogenen<br />

Platzgeviert wirkt er authentisch, vermittelt historische Kontinuität<br />

und vermag seine Prägnanz zu behalten, die Tür in die Geschichte<br />

zu öffnen und Zeugnis zu geben über die Vergangenheit<br />

und damit auch über die Herkunft. Nirgendwo in der Stadt lässt<br />

sich aufgrund der überlieferten Gestalt der Wandel zur Landeshauptstadt<br />

besser dokumentieren als an diesem Ort. Für die historische<br />

Bedeutung der Stadt ist der Wert von Platzgeviert und Fassaden<br />

unersetzlich. Der Leopoldplatz ist kein Schmuckplatz der<br />

Gründerzeit, wie ihn zahlreiche Städte hervorbrachten, und er ist<br />

auch kein Vorplatz des ehemaligen Ständehauses, und erst recht ist<br />

er kein Platz für Handel und Wandel und Nutzungen, die beliebig<br />

sind. Mit seiner prägnanten Grundrissfigur und seinem baumbestandenen<br />

Geviert war er von Beginn an Handel und Wandel entzogen,<br />

was zu jener Zeit im deutschen Süden - ausgenommen die<br />

Landeshauptstädte - keiner anderen Stadt gelang. In seiner „Nutzlosigkeit"<br />

daliegend, ist er bewusst geschaffen worden zur Zierde<br />

der Stadt, als herausragendes Denkmal für den Fürsten und als<br />

sichtbares, Gestalt gewordenes Monument der Landeshauptstadt.<br />

Buchbesprechungen<br />

Bernd Merkle: Gibts ebbes Neis?<br />

In mehreren im Tübinger Silberburg-Verlag erschienenen Büchern<br />

hat Bernd Merkle schon heitere schwäbische Kurzgeschichten und<br />

Gedichte präsentiert. Sein neuestes Werk „Gibt's ebbes Neis?" zeigt<br />

Schwächen. Nicht alles, was wohl lustig und originell sein soll, ist<br />

es unbedingt, denn ethche der geschilderten Geschichten aus dem<br />

Alltag sind Platitüden, diskriminieren und verletzen. Uber das abgedroschene<br />

Thema „Männerängste beim Zahnarzt" mag man vielleicht<br />

noch schmunzeln, aber das Männergespräch „Uff dr Parkbank"<br />

vermittelt statt Witz nur den Eindruck von alten Menschen<br />

als „Deppen". Auch die Geschichte „Neue Nochbr" kann die<br />

falsche Annahme entstehen lassen, den Schwaben seien Neugierigsein<br />

und Fremdenangst angeboren. Der Unterhaltungswert des<br />

Buchs ist eher mäßig.<br />

Bernd Merkle: „Gibts ebbes Neis? Heitere Kurzgeschichten und<br />

Gedichte". Mit Zeichnungen von Helga Merkle. 144 Seiten, 15 Abbildungen,<br />

12.90 Euro. Silberburg- Verlag, Tübingen. ISBN: 978-3-<br />

87407-768-2. (ba)<br />

Bruno Ensslen: Erseht war nex<br />

Das Buch des Grafikers und Künstlers Bruno Ensslen „Erseht war<br />

nex" ist ein ,Hingucker", hebe- und anspruchsvoll gestaltet. Man<br />

freut sich schon vor dem Lesen der Texte an der gelungenen, hintergründig-witzigen,<br />

aber auch nachdenklich stimmenden Illustration<br />

und schmunzelt dann zum wiederholten Mal beim Lesen der<br />

schwäbischen Texte dieser biblischen Bilderballade, die die Entstehung<br />

der Welt, den Sündenfall von Adam und Eva im Paradies,<br />

deren Vertreibung aus dem Garten Eden, die Sintflut und den<br />

Turmbau von Babel zum Inhalt hat. Der Autor erzählt und inter-<br />

87<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Gekürzte Fassung des gleichnamigen Vortrags, den der Verfasser<br />

am 19. Januar 2007 auf Einladung des Kreiskulturforums und<br />

des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s im Spiegelsaal des Sigmaringer<br />

Prinzenbau hielt.<br />

2 Zum geschichtlichen Überblick vgl. Fritz Kallenberg (Hrsg.), Hohenzollern,<br />

Stuttgart 1996 (Schriften zur politischen Landeskunde<br />

Baden-Württembergs; 23)<br />

3 Vgl. hierzu zusammenfassend, Franz-Severin Gäßler, Sigmaringen<br />

- Fürstliche Präsenz im Stadtbild. Der Ausbau der Residenzund<br />

Landeshauptstadt im 19. Jahrhundert. In: Adel im Wandel.<br />

Oberschaben von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Ostfildern<br />

2006, S. 439-460. Darin auch weiterführende Literatur.<br />

4 Plätze mit repräsentativem Charakter, die über die Funktion eines<br />

Marktplatzes hinausgehen, sind in jener Epoche auch in Aschaffenburg<br />

und Regensburg, Bamberg und Mainz sowie in Kehl, zu<br />

finden - allerdings innerhalb der Altstadt. Die Planungen gehen<br />

zurück auf jene Zeit, als unter Dalberg Regensburg für wenige<br />

Jahre Fürstentum wurde und Aschaffenburg Residenz und Verwaltungsmittelpunkt,<br />

Mainz Hauptstadt eines französischen Departements<br />

war und zur Nebenresidenz Napoleons ausgebaut<br />

werden sollte, und Bamberg bayerisch und Residenz einer Wittelsbacher<br />

Nebenlinie wurde; Kehl, nach einem vernichtenden<br />

Stadtbrand wiederaufgebaut, bildet in gewisser Weise einen Sonderfall.<br />

Eine vergleichende Studie der Plätze untereinander hinsichtlich<br />

Gestalt und Funktion wird an anderer Stelle erfolgen.<br />

pretiert verschmitzt-ironisch, stichelt und teilt Seitenhiebe aus, übt<br />

Zeitkritik. So schreibt er, in Noahs Arche „do isch zuaganga wia em<br />

Bundestag". Dem Herrgott hält er vor: „S Hirn hot r zemlich knapp<br />

bemessa, beim Mensch, do hätt r s schier vrgessa" und schon im<br />

Prolog meint Ensslen: „Alles... ischt bloß noh a Trauerspiel", so<br />

dass ihm im Schluss-Satz nur die Erkenntnis bleibt: „D Menscha<br />

send halt wia d Leit".<br />

Bruno Ensslen „Erseht war nex. Eine biblische Bilderballade in<br />

schwäbischer Mund- und Gangart". 80 Seiten, zahlreiche Illustrationen,<br />

17,90 Euro. ISBN: 978-3 -87407 - 770-5. Erschienen im<br />

Silberburg- Verlag, Tübingen. (ba)<br />

Das Naturschutzgebiet Federsee<br />

Der Federsee, das größte zusammenhängende Moorgebiet in Baden-Württemberg,<br />

ist ein Besuchermagnet, der jährlich Tausende<br />

von Besuchern anlockt. Viele von ihnen lassen sich von der Vielfalt<br />

der Flora und Fauna in diesem Naturschutzareal faszinieren. Dr.<br />

Hans Günzl betreute über zwei Jahrzehnte lang die Außenstelle Bad<br />

Buchau des Lehrstuhls für Zoologie der Universität Tübingen. Das<br />

Standardwerk zum Naturschutzgebiet Federsee ist nun gründlich<br />

überarbeitet worden, und die neuesten Erkenntnisse aus umfangreichen<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen, deren Ergebnisse das<br />

Wissen um ökologische Zusammenhänge wesentlich erweitert haben,<br />

wurden eingearbeitet. So ist nun ein fachkundiger Führer<br />

durch die Landschaftsgeschichte und Ökologie des Federsee-Gebiets<br />

entstanden und Dank der kurzen, prägnanten, aber gut verständlichen<br />

und reich bebilderten Kapitel auch ein interessantes und spannendes<br />

Lesebuch, das man gern zur Hand nimmt und das dazu animieren<br />

kann, mit gesteigertem Umweltbewusstsein und wachen Sinnen,<br />

der Pflanzen- und Tierwelt des Moores nachzuspüren. Dargelegt<br />

werden auch die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des<br />

Gebiets, die Auswirkungen der menschlichen Eingriffe in das sensible<br />

Ökosystem und die Auswirkungen auf die Artenvielfalt.


Hans Günzl: „ Das Naturschutzgebiet Federsee Ein Führer durch<br />

Landschaftsgeschichte und Ökologie". 128 Seiten, 164 Abbildungen,<br />

Silberbuch- Verlag, Tübingen. 9,90 Euro. ISBN. 978-3-87407-<br />

747-7. (ba)<br />

Hier wie anderswo" - Geschichten aus Hertingen<br />

Als „Liebeserklärung an Hettingen und die Hettinger" wurde das<br />

im Geest-Verlag erschienene 185seitige Buch „Hier wie anderswo -<br />

Geschichten aus Hettingen" der Gammertinger Bibliothekarin Gabriele<br />

Loges von einem Lektor beurteilt (ISBN 978-3-86685-087-<br />

3; 11 Euro), und die rege Anteilnahme der Bevölkerung bei der<br />

Vorstellung des Bands zeigte, dass dem allgemein zugestimmt<br />

wurde. Die in Hetüngen lebende Autorin präsentiert 19 Erzählungen,<br />

die auf Erzählungen aus der Zeit des vorigen Jahrhunderts basieren<br />

und einen Bezug zu der Laucherttal-Stadt haben. Einige Personen-<br />

und Ortsnamen wurden geändert. Trotzdem war es das Ziel<br />

der Autorin, die Menschen, von denen sie erzählt, möglichst authentisch<br />

darzustellen. Weil sie den Stoff literarisch umformulierte<br />

und ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen einfließen ließ,<br />

ist natürlich kein Geschichtsband im strengen wissenschaftlichen<br />

Sinn entstanden. Trotzdem ist ihr Buch wertvoll und eine gute Ergänzung<br />

zu den anlässlich des Jubiläums „600 Jahre Stadt Hettingen"<br />

gedruckten anderen vier Bänden. Der Titel signalisiert es<br />

schon: „Hier wie anderswo". Die erzählten Geschichten hätten sich<br />

auch andernorts so oder in ähnlicherweise ereignen können, und<br />

mancher Leser wird, wenn er beispielsweise die Schilderungen aus<br />

seiner Schul- oder aus der Nazizeit mit den eigenen Erlebnissen<br />

vergleicht, sofort erkennen:, Ja, so war es damals". Die Genre-Bilder,<br />

Milieu-Schilderungen und Beobachtungen sind treffend und<br />

geben Einblick in die damaligen Zeitverhältnisse und Lebensumstände,<br />

mit denen persönliche Schicksale und Lebenswege von<br />

Menschen vernetzt sind. So wird Zeitgeschichte plastisch und begreifbar.<br />

Hinzu kommt, dass es die Autorin versteht, nicht nur genau<br />

zu beobachten und Wesentliches auf den Punkt zu bringen,<br />

sondern auch packend und frisch zu erzählen. Vieles geht dem Leser<br />

„unter die Haut", viele Episoden sind aber auch mit feinsinnigem<br />

Humor gewürzt. (ba)<br />

Margarete Endreß und Inge Landwehr (Hrsg.)<br />

Weihnachten mit der Landesschau<br />

Gebacken und erzählt<br />

Köstliche Rezepte, besinnliche Geschichten<br />

Eine Erfolgsgeschichte setzt sich fort: Wie in den zwei vorangegangenen<br />

Jahren hat die SWR-Landesschau wieder zu einem weihnachtlichen<br />

Wettbewerb aufgerufen und aus den besten und preisgekrönten<br />

Rezepten wurde ein reich bebildertes Backbuch zusammengestellt.<br />

Neu diesmal: Neben Plätzle, Brodle, Gutsle konnten<br />

die Fernseh-Zuschauer auch selbst erlebte Weihnachts-Geschichten<br />

einsenden.<br />

Präsentiert von den erfindungsreichen Küchengeistern aus ganz<br />

Baden-Württemberg, finden sich auch im dritten Backbuch die<br />

pfiffigsten, köstlichsten und ausgefallensten Weihnachts-Rezepte.<br />

Garniert wird das Gebäck mit heiteren und anrührenden Weihnachtsgeschichten<br />

der Zuschauer, mit weihnachtlichen Erzählungen<br />

des Landesschau-Autors Thomas Hoeth und Kindheitserinnerungen<br />

der Moderatorinnen und Moderatoren. Ein gelungenes<br />

Buch voller Anregungen für eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit.<br />

Margarete Endreß und Inge Landwehr (Hrsg.)<br />

Gebacken und erzählt. Köstliche Rezepte, besinnliche Geschichten.<br />

88<br />

Weihnachten mit der Landesschau.<br />

120 Seiten, 136 Abbildungen, fester Einband, Silberburg-Verlag<br />

Tübingen,. ISBN 978-3-87407-757-6,14,90 Euro..<br />

Elfriede Hahn<br />

Mit Kindern auf den Spuren der Fürstin Eugenie<br />

Die Autorin hat mit diesem Buch etwas Besonderes geschaffen:<br />

Kindern einen geschichtlichen Sachverhalt anregend, verständlich,<br />

also kindgemäß, und historisch korrekt zu erklären. Die eingestreuten<br />

Bilder und Fotografien der Personen und Gebäude, sowie<br />

Zeichnungen der Enkeltochter Janina und die große Druckschrift<br />

komplettieren ein Buch, das natürlich von Kindern selbst gelesen<br />

werden kann. Aber die Autorin meint: „Doch viel schöner ist es,<br />

wenn Großeltern, Eltern und Kinder sich gemeinsam mit dem Inhalt<br />

des Buches auseinandersetzen". „Als ehemalige Stadtführerin<br />

von Hechingen war ich besonders gern mit Kindern unterwegs....<br />

Mein Urenkel Jannik hat mich durch sein Interesse und seine Fragen<br />

- auch nach der Fürstin Eugenie - angeregt, nachzulesen und<br />

zu forschen und schließlich dieses Buch zu schreiben", so Frau<br />

Hahn im Vorwort. In diesem Buch übernimmt nun Jannik die Rolle<br />

des Führers auf den Spuren der Fürstin Eugenie ((1808 - 1847),<br />

die durch die Heirat mit Erbprinz Konstantin von Hohenzollern-<br />

Hechingen in die Stadt kam. Die spätere Fürstin blieb den Hechingern<br />

vor allem als Wohltäterin für bedürftige Kinder in Erinnerung.<br />

Und natürlich bildet die nun renovierte Villa Eugenia eine unauslöschliche<br />

Spur dieser bemerkenswerten Frau.<br />

Elfriede Hahn: Mit Kindern auf den Spuren der Fürstin Eugenie.<br />

Glückler Druck und Grafik, Hechingen. 71 Seiten. ISBN 3-925012-<br />

45-1. 15,90 Euro (1 € davon geht an den Förderverein Villa<br />

Eugenia) (rfr)<br />

Josef Schneider<br />

Donnergrollen<br />

Einen unschätzbaren Beitrag zur Erhellung der Kriegsereignisse im<br />

Frühjahr 1945 hat Josef Schneider mit diesem Buch geleistet.<br />

Schon das umfangreiche Quellenverzeichnis lässt das immense Arbeitspensum<br />

erahnen. Theodor Heuss, der spätere 1. Bundespräsident,<br />

gab am 9- Februar 1946 in einem Zeitungsbeitrag die Anregung<br />

„Schreibt Erinnerungen auf". Der Autor nahm dies nicht erst<br />

jetzt, sondern schon während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als<br />

<strong>Heimat</strong>forscher und natürlich als Lokalredakteur des Schwarzwälder<br />

Boten, als Aufforderung, als Ansporn, sich dieser Thematik anzunehmen.<br />

Zudem erlebte er hautnah als Soldat, was Krieg bedeutete.<br />

Vor allem die Befragung von Zeitzeugen, von denen etliche<br />

nicht mehr leben, ist ein unverzichtbarer Teil der Geschichtsforschung.<br />

Mit einer wahrlich beeindruckenden Fleißarbeit beschaffte<br />

Josef Schneider sich Informationen von allen Orten in der<br />

Region Empfingen, Haigerloch, Hechingen und Bisingen, die mehr<br />

oder weniger stark vom Kriegsende betroffen waren. Auch Nordstetten<br />

und Bierlingen werden erwähnt. Letzterer Ort hatte sehr zu<br />

leiden. Alle Ergebnisse dieser Forschertätigkeit wurden zu einem<br />

gut lesbaren, aber sehr betroffen machenden Ganzen zusammengefügt.<br />

Diese Geschehnisse in den Orten im Kapitel IV bilden den<br />

Großteil des Werkes. Darunter befindet sich auch Freudenstadt,<br />

das als wichtiger Verkehrsknotenpunkt des nördlichen Schwarzwalds<br />

unbeschreibliches Leid erfuhr. Mit den Vorboten des Krieges<br />

(Griff nach den Glocken, Kriegspropaganda der Allüerten) beginnt<br />

das Buch, um danach den Luftkrieg der Alliierten zu thematisieren,<br />

der die Bevölkerung terrorisieren und demoralisieren sollte. Hier<br />

als abscheuliche Beispiele die Opfer der Angriffe auf die Züge der<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n Landesbahn mit vielen Toten in Jungnau, Gau-


seifingen und Bisingen. Der Kriegsschauplatz „<strong>Hohenzollerische</strong><br />

Lande" wird unter den strategischen Aspekten der alliierten Truppen<br />

im Südwesten beleuchtet und „Das traurige Ende" folgt. Im<br />

Schlussabschnitt „Das Te deum der Erlösten" zieht Josef Schneider<br />

das einzig konsequente Resümee, um einen solchen Krieg für<br />

immer unmöglich zu machen: „Europa ist die große Hoffnung der<br />

Menschen und unser aller Ziel auf dem Weg unserer Völker. Dafür<br />

zu arbeiten lohnt sich". Wenn dann am Schluss „Der Weltkrieg in<br />

Zahlen" vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge zu lesen<br />

ist, dass der Krieg 55 Millionen Tote forderte und es heißt „zu jeder<br />

Stunde starben 1045 bzw. in jeder Minute 17 Menschen", dann<br />

wird einem die Abscheuhchkeit jedes Krieges noch eindringlicher<br />

bewusst.<br />

Josef Schneider: Donnergrollen. Das Kriegsende 1945 in der Region<br />

Empfingen-Haigerloch-Hechingen-Bisingen. Historia-Verlagsbuchhandlung<br />

Empfingen. 149 Seiten. ISBN 978-3-86755-301-7.<br />

24,80 Euro. (rfr)<br />

Josef Schneider<br />

Wir haben seinen Stern gesehen<br />

Die Weihnachtskrippe „hat mich Zeit meines Lebens angerührt; als<br />

Kind, als Jugendlicher und als Erwachsener". Folgerichtig betrieb<br />

Josef Schneider Quellenstudien, arbeitete Literatur durch, führte<br />

Gespräche und besuchte „vor allem häufig" Krippenausstellungen.<br />

So hegt der Schwerpunkt auch auf der Weihnachtskrippe. „Neben<br />

der Passion hat keine Epoche der Heilsgeschichte in der Kunst und<br />

Musik bis in unsere Zeit herein eine so reiche und tiefe Abwandlung<br />

erfahren wie das Wunder der Hl. Nacht im Stalle zu Bethlehem".<br />

Die Weihnachtskrippe „kündet das Geheimnis der Hl.<br />

EDWIN ERNST WEBER<br />

Einmalige Zeugnisse aus 231 Jahren<br />

Ortsgeschichte<br />

Das Gemeindearchiv Walbertsweiler<br />

und seine Schätze<br />

Zum Abschluss der Sicherung, Ordnung und Erschließung des Gemeindearchivs<br />

Walbertsweiler durch das Kreisarchiv Sigmaringen<br />

fand am 28. und 29- Oktober 2006 im Dorfgemeinschaftshaus des<br />

heutigen Teilorts der Gesamtgemeinde Wald eine Ausstellung mit<br />

ausgewählten „Schätzen" aus dem Archivbestand statt, die an beiden<br />

Tagen bei der Bevölkerung regen Anklang fand.<br />

Auf den ersten Blick enthält die vollmundig angekündigte Schatzkammer<br />

des Gemeindearchivs nur höchst bescheidene und zumal<br />

reichlich junge Pretiosen: Von den 1150 Jahren der schriftlich belegten<br />

Ortsgeschichte von Walbertsweüer, die die Ortschaft vor<br />

zwei Jahren mit beträchthchem Stolz und Selbstbewusstsein gefeiert<br />

hat, haben im kommunalen Archivbestand gerade einmal die<br />

letzten 231 Jahre ihre Spuren hinterlassen. Das älteste Dokument<br />

im Gemeindearchiv datiert aus dem Jahr 1775 und ist eine von der<br />

Klosterwalder Oberamtskanzlei bestätigte Darlehensaufnahme der<br />

„Ehrsammen Gemeindt Waldpertsweyler" in Höhe von 600 Gulden<br />

und gegen 5 Prozent Verzinsung beim damaligen Pfullendorfer<br />

Stadtammann Franz Xaver Walter (GA Walbertsweiler I Best.-Nr.<br />

43). Als Sicherheit haften die Gemeindebürger gemeinsam mit<br />

89<br />

Nacht, sie offenbart die Ergriffenheit der Seele, und sie zeigt, und<br />

das macht sie für den <strong>Heimat</strong>freund wertvoll, die starke <strong>Heimat</strong>verwurzelung".<br />

Vor diesem Hintergrund lädt der Autor ein zur Lesereise,<br />

wobei „Herz und Sinn für die Frohbotschaft vom Kommen<br />

des Herrn" geöffnet werden sollen. Wir erfahren von der geschichtlichen<br />

Entwicklung der Krippendarstellungen und vom<br />

Krippenvater Franz von Assisi (1181-1126). Vom Krippenzentren<br />

Rottenburg ist die Rede, vor allem vom „Weggetaler Kripple".<br />

Natürlich finden die spätbarocke Krippe in der ehemaligen Klosterkirche<br />

Sankt Luzen , ebenso dieselben in Horb, auf dem Palmbühl,<br />

im Missionshaus in Haigerloch, in Täbingen und in Gruol Erwähnung<br />

in eigenen Kapiteln. Einen umfangreichen Beitrag liefert<br />

Albert Mauz mit seiner Abhandlung über das seit 1973 bestehende<br />

Krippenzentrum in der Killertalgemeinde Hausen. Von vielen anderen<br />

Orten in Hohenzollern werden zumeist Farbaufnahmen von<br />

Krippen gezeigt. Vom ehemaligen Pfarrer in Gruol, Albert Waldenspul<br />

(+), stammt eine Abhandlung „Weihnachtsbilder in Hohenzollern".<br />

Ausführlich wird auch über „Altes Brauchtum an<br />

Weihnachten in Rangendingen vor 100 Jahren" berichtet. Das große<br />

Verdienst von Josef Schneider ist es, dass er das Wissen über die<br />

Darstellung der Heilsgeburt in unserem Raum zusammenfasst. Das<br />

Buch ist hervorragend ausgestattet und idealer Lesestoff für die<br />

Weihnachtszeit.<br />

Josef Schneider: Wir haben seinen Stern gesehen. Weihnachtskrippen,<br />

Weihnachtskunst und Weihnachtsbrauchtum in Hohenzollern<br />

und den Randgebieten. Geiger-Verlag Horb am Neckar. 60<br />

Seiten mit vielen Farbaufnahmen. ISBN 978-3-86595-173-1.19,80<br />

Euro<br />

(rfi)<br />

ihrem mobilen Besitz gegenüber dem Kreditgeber. Eine kommunale<br />

Kreditaufnahme mit Schuldverschreibung der Einwohnerschaft<br />

als das ehrwürdigste Dokument im Gemeindearchiv! Ein<br />

klein wenig mehr geschichtlichen Glanz würde man sich selbst in<br />

einer kleinen Landgemeinde wie Walbertsweiler schon wünschen!<br />

Gleichwohl sagt gerade dieses geschichtliche Zeugnis über Walbertsweiler<br />

und seine kommunale Vergangenheit doch einiges aus.<br />

Zum einen besteht in der Ortschaft bereits vor rund 230 Jahren<br />

eine handlungsfähige und überdies noch kreditwürdige Dorfgemeinde<br />

als genossenschaftlicher Verbund der hier ansässigen und<br />

verbürgerten Bauern und Seidner, die für die Schulden ihrer Kommune<br />

überdies mit ihrem Privatbesitz einstehen. Wenn in der<br />

Darlehensbestätigung davon die Rede ist, dass die Gemeinde Walbertsweiler<br />

mit dem Pfullendorfer Kredit eine ältere Schuld ablöst,<br />

so belegt dies überdies, dass die kommunale Schuldenwirtschaft<br />

nicht erst eine Erfindung der Gegenwart ist, sondern bereits von<br />

früheren Generationen beherrscht wurde.<br />

Die Gemeinde und deren Verwaltung hat in ländlichen Kleinsiedlungen<br />

vom Zuschnitt Walbertsweilers vor 231 Jahren und letzthch<br />

auch noch vor 50 Jahren wenig mit den hauptamthch besetzten<br />

und professionell agierenden Kommunalverwaltungen zu tun, wie<br />

wir diese seit der Gemeindereform der 1970er Jahren auch im<br />

ländhch strukturierten Landkreis Sigmaringen als Selbstverständlichkeit<br />

kennen. Bis vor rund 30 Jahren ist in Walbertsweüer und<br />

in einer Vielzahl von Nachbardörfern die Gemeindeverwaltung ein<br />

Feierabendgeschäft von Bürgermeistern, Gemeindepflegern und<br />

Ratschreibern, die im Haupt- und Brotberuf als Bauern oder Hand-


werker tätig sind und in aller Regel über keinerlei Verwaltungs-<br />

ausbildung verfügen. Der ältesten im Archivbestand erhaltenen Ge-<br />

meinderechnung von 1901/02 zufolge besteht das ganze kommunale<br />

Verwaltungspersonal in Walbertsweiler zu dieser Zeit aus den<br />

nebenberuflich tätigen Bürgermeister und Gemeinderechner, weiter<br />

dem Polizeidiener, einem Hilfsnachtwächter, einem Kiesgrubenarbeiter,<br />

Wegewarten, einem Farrenwärter und einem Spritzenmeister<br />

(GA Walbertsweiler II Best-Nr. 1). Zudem stehen noch der<br />

Dorfschullehrer sowie die Hebamme als einzige weibliche Bedienstete<br />

auf der Gehaltshste der Dorfgemeinde.<br />

„<strong>Heimat</strong>losigkeit" der Gemeindeverwaltung<br />

Weiterhin typisch für Klein- und Zwerggemeinden vom Zuschnitt<br />

Walbertsweilers ist sodann eine weitgehende „<strong>Heimat</strong>losigkeit"<br />

der Kommunalverwaltungen. Mit Ausnahme von größeren Ortschaften<br />

wie Wald oder Krauchenwies kommt die überwiegende<br />

Mehrzahl der Kleingemeinden im heutigen Landkreis Sigmaringen<br />

noch bis zur Kommunalreform zumeist ohne Rathaus und damit<br />

ohne feste Bleibe für ihre Verwaltung sowie ihr Verwaltungsschriftgut<br />

in Registratur und Archiv aus. In Walbertsweiler beispielsweise<br />

verfügt man zwar bereits seit den 1770er Jahren über ein eigenes<br />

Schulhaus zwischen Kirche und Pfarrhaus, das sodann in den<br />

1860er Jahren durch einen durchaus stattlichen Neubau am heutigen<br />

Standort ersetzt wird. 1901 umfasst der kommunale Gebäudebestand<br />

überdies den Ortsarrest, das Spritzenhaus, den Farrenstall<br />

sowie ein Armenhaus. In den 1950er Jahren kommt noch ein<br />

neu erbautes Gemeindehaus mit öffentlicher Waschküche, Backstube,<br />

Badeanlage und einer Mietwohnung hinzu (GA Walbertsweiler<br />

I Best.-Nrn. 222,401). Ein eigenes Rathaus indessen besitzt<br />

die 1950 349 Bewohner zählende Ortschaft demgegenüber nicht,<br />

Bürgermeister und Gemeinderechner „amten" vielmehr in ihren<br />

privaten Wohnhäusern. Erst mit dem Kauf des leer stehenden alten<br />

Pfarrhauses in den 1960er Jahren kommt die Walbertsweiler Gemeindeverwaltung<br />

erstmals zu einem festen Dienstsitz, der zehn<br />

Jahre später von der Ortschaftsverwaltung zugunsten des inzwischen<br />

gleichfalls freien Schulhauses aufgegeben wird. Neuerdings<br />

zu einem Dorfgemeinschaftshaus erweitert dient das frühere<br />

Schulhaus bis heute als Sitz der Ortschaftsverwaltung und überdies<br />

als Unterkunft für verschiedene Vereine.<br />

Es kann nicht überraschen, dass angesichts dieser „<strong>Heimat</strong>losigkeit"<br />

der Gemeindeverwaltung die kommunale Schriftgutverwaltung<br />

lange Zeit einen schweren Stand hatte. Nachdem die Archivberatungsstelle<br />

des hohenzollerischen Landeskommunalverbandes<br />

1939 bei einem Inspektionsbesuch in Walbertsweiler immerhin<br />

ein eigenes Archivzimmer im „Gemeindehaus", hinter dem<br />

sich wohl das Schulhaus verbirgt, entdecken konnte, findet sich bei<br />

der nächsten Visite 1956 die laufende Gemeinderegistratur in einem<br />

Aktenschrank im Wohnhaus des damaligen Bürgermeisters<br />

Jerg, während die aus Rechnungen ab dem Jahr 1901 bestehende<br />

„Altregistratur" in einem Dachzimmer des Gemeindehauses untergebracht<br />

ist.<br />

Immerhin fällt auf, dass die im Gemeindearchiv erhaltenen Verwaltungsakten<br />

aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert sorgfältig<br />

angelegt, nach dem hohenzollerisch-preußischen Gemeinderegistraturplan<br />

geführt und nach preußischem Muster in der sog. Fadenheftung<br />

blattweise zu Aktenheften vernäht wurden. Hier hat mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit eine strikt wahrgenommene Kommunalaufsicht<br />

des zuständigen preußischen Oberamts zunächst in<br />

90<br />

Wald und seit 1862 in Sigmaringen für Ordnung auch in der gemeindlichen<br />

Aktenführung gesorgt. Anhand der Aktenstruktur lässt<br />

sich im übrigen mit einem Bück die Zugehörigkeit einer Gemeinde<br />

zu Hohenzollern, Baden oder Württemberg ermitteln: Während die<br />

preußischen Akten, wie erwähnt, eine aufwändige Fadenheftung<br />

aufwiesen, zeichnen sich die badischen Verwaltungsakten durch<br />

den sog. badischen Knoten, also eine leichter handhabbare Oberrandheftung<br />

aus. Entgegen aller Vermutung am leichtesten machen<br />

es sich die württembergischen Verwaltungsbehörden, die ihr<br />

Schriftgut ohne weitere Sicherung einfach lose in Mappen einlegen.<br />

Mit der Büroreform in den 1920er Jahren und einer nicht mehr<br />

ganz so strengen staatlichen Kommunalaufsicht nach dem Ersten<br />

und zumal dem Zweiten Weltkrieg büßen die Walbertsweiler Gemeindeakten<br />

rasch ihre strenge Ordnung ein. Zu Beginn der<br />

1950er Jahre gibt man die altertümliche, noch nach einem Rubrikensystem<br />

gegliederte hohenzollerische Gemeinderegistraturordnung<br />

auch in Walbertsweiler auf, steigt auf den modernen württembergischen<br />

Flattichplan als Ordnungssystem für die Gemeinderegistratur<br />

um und führt seither auch hier lose Aktenmappen mit<br />

allen damit verbundenen Risiken der Unordnung und des Verlustes<br />

von Verwaltungsunterlagen. Zum Ende der 1960er Jahre ist man<br />

dann in der Walbertsweiler Gemeindeverwaltung geradezu „up to<br />

date", als man nur wenige Jahren nach dessen Aufkommen den<br />

noch fast druckfrischen „Aktenplan für die Gemeinden und Landkreise<br />

in Baden-Württemberg" (Boorberg-Plan) einführt, so dass<br />

die hiesige Verwaltungsüberheferung zuletzt insgesamt drei Registraturschichten<br />

aufweist.<br />

Ungewöhnlich schmaler Archivbestand<br />

Mit einem Umfang von gerade einmal 6,5 laufenden Metern erscheint<br />

das Walbertsweiler Gemeindearchiv ungewöhnüch schmal.<br />

Die weitaus kleinere, gleichfalls ehemals hohenzollerische Ortschaft<br />

Oberndorf bei Herdwangen, deren Kommunalarchiv unlängst<br />

ebenfalls vom Kreisarchiv geordnet und verzeichnet worden<br />

ist, bringt es immerhin auf 8,5 Meter. Während der ältere Walbertsweiler<br />

Aktenbestand durchaus gehaltvoll erscheint und viele<br />

Facetten der dörflichen und kommunalen Entwicklung vom ausgehenden<br />

18. bis ins 20. Jahrhundert dokumentiert, ist die jüngere<br />

Aktenüberlieferung von den 1920er Jahren bis zur Gemeindereform<br />

teilweise weitaus weniger ergiebig und enthält nahezu durchgehend<br />

einen Überhang an Generalbetreffen der vorgesetzten staatlichen<br />

Stellen gegenüber ortsspezifischen Vorgängen. Auffallend<br />

bescheiden ist sodann die mit dem Jahrgang 1901/02 einsetzende<br />

Serie der Gemeinderechnungen, die sich anderenorts in Hohenzollern<br />

bis in das beginnende 19- oder gar ausgehende 18. Jahrhundert<br />

zurückverfolgen lässt. Schmerzüche Verluste haben weiter<br />

auch die Gemeinderatsprotokolle erhtten, von denen sich gerade<br />

einmal zwei gebundene Bände zu den Zeiträumen von 1903 bis<br />

1939 sowie von 1956 bis 1974/84 erhalten haben. Dass hier einmal<br />

mehr vorhanden gewesen sein muss, offenbaren zahlreiche<br />

Protokollauszüge in den Sachakten des 19- Jahrhunderts.<br />

Ungeachtet solcher Lücken hat das Walbertsweiler Gemeindearchiv<br />

gleichwohl eine Fülle einmaliger und unersetzlicher Zeugnisse<br />

zur Geschichte dieser hohenzollerischen Ortschaft und ihrer Bewohner<br />

zu bieten. Gut dokumentiert ist die Aufhebung der herrschaftlichen<br />

und genossenschaftlichen Bindung des bäuerhchen<br />

Bodens bis zur Mitte des 19- Jahrhunderts durch die Ablösung der


herrschaftlichen Feudallasten sowie die Aufteilung des dörflichen<br />

Allmendbesitzes. Die - materiell allerdings nur wenig bedeutsame<br />

- Leibeigenschaft mit den damit verknüpften Sterbfall- und Manumissionsgebühren<br />

wurde 1842 durch eine auf alle Leistungspflichtigen<br />

umgelegte Ablösungszahlung endgültig beseitigt (GA Walbertsweiler<br />

I Best-Nr. 477).<br />

Unübersehbar zeigen die Walbertsweiler Archivalien das bäuerliche<br />

Selbstbewusstsein und die Streitbarkeit der Bevölkerung dieser<br />

Ortschaft. 1835 beispielsweise verweigert man sich gemeinsam<br />

mit den Angehörigen des Filialortes Kappel hartnäckig, ungeachtet<br />

aller Einwirkungen der kirchlichen und staathchen Stellen, der geforderten<br />

Leistung von Hand- und Spanndiensten für Baumaßnahmen<br />

am Walbertsweüer Pfarrhaus (GA Walbertsweiler I Best.-Nr.<br />

60). Ebenso wenig wollen die beiden Gemeinden drei Jahre zuvor<br />

von der auf ihre Kosten vorzunehmenden Verlegung des Friedhofes<br />

von der alten Kirche in das Gewann „Grundösch" außerhalb des<br />

Ortes wissen und gehen mit ihrem Widerstand - allerdings letztlich<br />

erfolglos - sogar bis vor das württembergische Appellationsgericht<br />

in Stuttgart (GA Walbertsweüer I Best.-Nr. 172). Mit großer Hartnäckigkeit<br />

verteidigt die bäuerhche Bevölkerung von Walbertsweiler<br />

gemeinsam mit anderen ehemals klosterwaldischen Untertanenorten<br />

ihre Holzgerechtigkeit gegenüber dem Fürstenhaus Hohenzollern,<br />

das mit der Säkularisation vom aufgehobenen Kloster Wald<br />

die Verpflichtung zur Lieferung von Bau- und Brennholz an bäuerhche<br />

Lehenshöfe wie auch an die Schulen in der ehemaligen Klosterherrschaft<br />

übernommen hatte. Das Anrecht auf die fürstliche<br />

Holzlieferung bewahrt sich die Gemeinde Walbertsweiler gemeinsam<br />

mit benachbarten Schulverbänden auch gegen die Begehrlichkeiten<br />

der Lehrer, die das Holz für sich anstelle der Schulträger<br />

beanspruchen und dafür gleich mehrere Prozesse führen (GA Walbertsweiler<br />

I Best.-Nr. 133). Erst nach der Gemeindereform<br />

kommt es im Gefolge einer veränderten Rechtssprechung dann zu<br />

einer Ablösung der fürstlichen Beholzungspflicht - zu allerdings<br />

erhebhch ungünstigeren Bedingungen, als dies einige Jahre zuvor<br />

noch bei einer freiwilligen Übereinkunft möglich gewesen wäre.<br />

Reichhaltige Überlieferung zum Schulwesen<br />

Überdurchschnitthch qualitätsvoll und reichhaltig ist die Überlieferung<br />

des Gemeindearchivs zum dörflichen Schulwesen. Bis in das<br />

Schuljahr 1796 zurück reichen die vom damaligen Lehrer Johann<br />

Baptist Schweikart geführten tabellarischen Listen der Walbertsweiler<br />

Schüler, ihrer schulischen Leistungen in den damaligen<br />

Lernfächern von der Katechismuslehre über Buchstabieren, Lesen<br />

und Schreiben bis zum sittlichen Betragen und schließlich und vor<br />

allem auch ihrer - von den Bedürfhissen der elterhchen Landwirtschaft<br />

bestimmten - Fehlzeiten in der damahgen Winterschule (GA<br />

Walbertsweüer I Best.-Nr. 20). Die Lehrertätigkeit ist zu dieser Zeit<br />

und noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein fest mit dem Mesmerdienst<br />

verbunden und letztlich auch nur durch diese Doppelfunktion<br />

finanziell überhaupt ertragreich. Zwei regelrechte Kleinode<br />

im Archivbestand sind dem langjährigen Pfarrer Joseph Dionys<br />

Ebe zu verdanken, einem ehemaligen Zisterzienserpater aus Salem,<br />

der nach der Aufhebung seines Klosters durch die Säkularisation<br />

eine neue Aufgabe in der Pfarrseelsorge gefunden hatte und<br />

von 1807 bis 1834 in Walbertsweüer tätig war. Neben dem Obstbau<br />

gehörte sein besonderes Interesse der Hebung und Verbesserung<br />

des ländlichen Schulwesens, das dem Dorfpfarrer in Walbertsweiler<br />

auch in seiner Funktion als lokaler Schulaufseher anvertraut<br />

war. Seine pädagogische Interessen dokumentiert sein 1811 ei-<br />

91<br />

genhändig verfasstes „Lesebuch für die Stadt- und Landschulen",<br />

das den Schülern über ihre Schullaufbahn hinaus, wie Ebe in seinem<br />

Vorwort schreibt, „zu einem nützlichen Hand- und Hausbuche<br />

dienen" sowie „euch in euerem Betragen, Geschäften, Verfallenheiten<br />

dieses Lebens Belehrung, Einsicht, Rath, Trost und Zufriedenheit<br />

ertheilen und somit euch beglücken wird."<br />

Im Walbertsweiler Gemeindearchiv ist der frühere Ortspfarrer Ebe<br />

mit einem umfangreichen Vorbericht in dem seit 1814 von Lehrer<br />

Johann Baptist Schweikart geführten „Verzeichnißbuch des täglichen<br />

Erscheinen oder Nichterscheinen der schulfähigen Kinder in<br />

der Werktagschule" präsent (GA Walbertsweüer I Best.-Nr. 21).<br />

Dieser im August 1814 verfasste, höchst interessante Vorbericht<br />

des Pfarrers und Schulaufsehers bietet neben einer praktischen<br />

Anleitung zur Herstellung einer „guten Dinte" knappe Abrisse zur<br />

örtlichen Schulgeschichte, eine Beschreibung des in den 1770er<br />

entstandenen Schulhauses, Beiträge zu den Schullehrern und ihrer<br />

Besoldung, zur landesherrlichen Schulordnung, zu den Lehrgegenständen<br />

und schließlich auch zu den Verhaltensregeln der<br />

Schüler und hier insbesondere Empfehlungen, „wie sich die<br />

Schüler gegen ihren Lehrer verhalten sollen". Ein archivalisches<br />

Juwel von nicht geringerer Bedeutung bildet der 1808 gleichfalls<br />

von Ebe eigenhändig gezeichnete „Grundriß der Kirche und des<br />

Kirchhofes der Pfarre Walpertsweiler samt den Familien-Begräbnissen,<br />

nach den Haus-Nummern bezeichnet, und der Gräber aller,<br />

so ich (...) begraben habe" (GA Walbertsweiler IV Best.-Nr. ^.Neben<br />

den nach den dörflichen Hausnummern geordneten und mit<br />

den Sterbedaten der Toten bezeichneten Familienbegräbnissen<br />

enthält der Plan überdies ein nach Monaten gegliedertes Jahrtagsverzeichnis<br />

sowie eine kolorierte Zeichnung von Pfarrhaus nebst<br />

Ökonomie und Pfarrgarten sowie der damahgen Dorfkirche mit<br />

Turm. Auf einem kunstvoll gezeichneten und mit einem Opferkelch<br />

bekrönten Sockelquader hat sich Pfarrer Ebe mit einer lateinischen<br />

Inschrift als Urheber von Plan und Zeichnung selbst verewigt.<br />

Eine weitere Hinterlassenschaft dieses aufgeklärten und der Erziehung<br />

und Bildung seiner Gemeindekinder verpflichteten Seelsorgers<br />

ist die von ihm und zwei weiteren Pfarrern geführte Walbertsweiler<br />

Pfarrchronik, die mit ihren höchst interessanten Schilderungen<br />

der dörflichen Kirchen- und Lebensverhältnisse in der ersten<br />

Hälfte des 19- Jahrhunderts mittlerweile im Erzbischöflichen<br />

Archiv Freiburg verwahrt wird und unlängst vom <strong>Heimat</strong>forscher<br />

Falko Hahn eine ansprechende Auswertung erfahren hat. Sollte in<br />

Walbertsweüer in nächster Zeit noch ein Straßenname zu vergeben<br />

sein, so wäre dieser rührige und verdiente Dorfpfarrer aus dem ersten<br />

Drittel des 19. Jahrhunderts unbedingt zu berücksichtigen.<br />

Karten zum Neubau von Schule und Kirche<br />

Interessante Aufschlüsse zur baulichen Entwicklung der Ortschaft<br />

im 19- Jahrhundert vermitteln die im Zuge der Landesvermessung<br />

1844 angelegten Flurkarten. Die Karte mit dem überbauten dörflichen<br />

Etterbereich von 1844 (GA Walbertsweiler IV Best.-Nrn. 4 u.<br />

7) erlaubt im Abgleich mit der bis in die 1880er Jahre fortgeführten<br />

Ergänzungskarte (GA Walbertsweiler IV Best.-Nr. 8) die Rekonstruktion<br />

aller baulichen Veränderungen in diesem Zeitraum<br />

und hier zumal den Neubau der Pfarrkirche 1868 an einem neuen<br />

Standort sowie die in analoger Weise erfolgende Verlegung der<br />

Schule vom bescheidenen Vorgängerbau zwischen alter Kirche und<br />

Pfarrhaus aus den 1770er Jahren in das heute als Rathaus genutzte


stattliche neue Schulgebäude. Von besonderem Reiz ist die Ergänzungskarte<br />

durch die gleichzeitige Wiedergabe der alten und der<br />

neuen Kirche, wobei das alte Gotteshaus kurze Zeit später schon<br />

abgerissen wird und das Gelände als Pfarrgarten Verwendung findet.<br />

Gut dokumentiert ist im Gemeindearchiv sodann auch der Einbruch<br />

der modernen Zeit mit Technik und Infrastruktur in den<br />

ländlichen Kosmos. So finden sich beispielsweise Unterlagen zum<br />

Anschluss der Ortschaft an das Stromnetz der Oberschwäbischen<br />

Elektrizitätswerke seit 1912 (GA Walbertsweiler I Best.-Nr. 59),<br />

zum allmählichen Ausbau der Landstraße von Meßkirch nach<br />

Wald zu einer viel befahrenen und überörtlich bedeutsamen Fernverbindung<br />

(GA Walbertsweiler I Best.-Nr. 84) und zur Einrichtung<br />

einer Postautoverkehrslinie von Pfullendorf über Wald nach<br />

Meßkirch mit einer Kostenbeteiligung aller Anrainergemeinden<br />

1926 (GA Walbertsweiler I Best.-Nr. 83). Die zunehmende Mobilität<br />

der dörflichen Bevölkerung zeigt sich an einer 1955 erstellten<br />

Auflistung der mittlerweile zahlreichen Führerscheininhaber im<br />

Ort, darunter auch bereits die ersten Frauen (GA Walbertsweiler I<br />

Best.-Nr. 91). Dass Freizeitaktivitäten und insbesondere der Sport<br />

im 20. Jahrhundert allmählich auch die dörflich-bäuerliche Welt<br />

erreichen, offenbart ein 1950 abgeschlossener Grundstückspachtvertrag<br />

zwischen dem Fürstlich Hohenzollernschen Forstamt Wald<br />

und der Gemeinde Walbertsweiler zur Nutzung eines Grundstücks<br />

im Distrikt „Leopoldswald" als Sportplatz durch den FC Walbertsweiler<br />

(GA Walbertsweiler I Best.-Nr. 170).<br />

Spuren haben im Gemeindearchiv weiter auch die Gewaltherrschaft<br />

des Nationalsozialismus, der Zweite Weltkrieg sowie die<br />

französische Besatzungszeit hinterlassen. Im Vordergrund der<br />

Überlieferung stehen die Gefallenen, Vermissten und Kriegsgefangenen<br />

des Weltkriegs aus Walbertsweiler (GA Walbertsweiler I<br />

Best.-Nr. 173,195) und die Requisitionen durch die französische<br />

Besatzungsmacht (GA Walbertsweiler I Best.-Nr. 212). Durch den<br />

Zuzug zunächst von ausländischen Zwangsarbeitern, von Evakuierten<br />

aus den luftkriegszerstörten Großstädten und schließlich von<br />

<strong>Heimat</strong>vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten veränderte<br />

sich die Bevölkerungsstruktur in Walbertsweiler nachhaltig und<br />

letztlich auf Dauer (GA Walbertsweiler I Best.-Nr. 146). Gut dokumentiert<br />

ist schließlich auch noch das Ende der selbstständigen<br />

Gemeinde Walbertsweiler im Gefolge der Kommunalreform 1975<br />

(GA Walbertsweiler I Best.-Nr. 226, 231). Nachdem die Gemeinde<br />

sich zunächst 1970 noch gegen eine Aufgabe der „Eigen- und<br />

Selbstständigkeit" gewehrt hatte und an der erst kurz zuvor beschlossenen<br />

Verwaltungsgemeinschaft festhalten wollte, fügte man<br />

sich 1974 in einer Abstimmung im Gemeinderat doch einmütig in<br />

das Unvermeidliche, und Bürgermeister Wächter unterzeichnete<br />

am 7. Juni 1974 zusammen mit seinem Walder Kollegen Zeh die<br />

Vereinbarung über die Eingliederung seiner Gemeinde nach Wald,<br />

die sodann zum 1. Januar des Folgejahres wirksam wurde.<br />

Fundgrube zur Geschichte des Ortes<br />

Die aus der Verwaltungstätigkeit der Gemeindeadministration erwachsenen<br />

Unterlagen präsentieren sich nach der archivfachlichen<br />

Bewertung des Erhaltenswerten, der Ordnung auf der Grundlage<br />

der alten Registraturzusammenhänge und schließlich der Erschließung<br />

und Inventarisierung in einem Repertorium als Fundgrube<br />

zur Geschichte des Dorfes, der Gemeinde und der Bevölkerung<br />

von Walbertsweiler. Es sind durchweg einmalige und uner-<br />

92<br />

setzliche Quellenzeugnisse, die im Unterschied zu der in den<br />

Staats-, Kreis- und Adelsarchiven dokumentierten staatlich-obrigkeitlichen<br />

Außenperspektive die dörfliche Innenansicht wiedergeben.<br />

Es sind Dokumente zu den dörflichen Verhältnissen und Vorgängen,<br />

die in der Ortschaft selbst entstanden sind und von Bewohnern<br />

des Ortes in Gestalt von Bürgermeister, Gemeinderechner,<br />

Lehrer oder auch Ortspfarrer angelegt worden sind. Jeder <strong>Heimat</strong>forscher<br />

oder Wissenschaftler, der sich mit der Vergangenheit<br />

von Walbertsweiler und seiner Bewohner in den letzten 231 Jahren<br />

beschäftigen will, wird zentral auf diesen kleinen, aber, wie geschildert,<br />

durchaus gehaltvollen Archivbestand zurückgreifen<br />

müssen. Es sind einmalige Zeugnisse der dörflichen Geschichte,<br />

die nicht weniger als das alte Pfarrhaus, das Schulhaus oder manches<br />

Kunstwerk in der neuen Pfarrkirche die bleibende Bewahrung<br />

und Erhaltung für künftige Generationen verdienen.<br />

Es ist deshalb gut angelegtes öffentliches Geld, das die Gemeinde<br />

Wald in den vergangenen fünf Jahren im Umfang von ca. 5500,in<br />

die restauratorische und konservatorische Sicherung sowie die<br />

archivfachliche Ordnung und Erschließung dieser wertvollen und<br />

unersetzlichen Dokumente zur Geschichte der Ortschaft Walbertsweiler<br />

investiert hat. Gemeinsam mit dem Kreisarchiv Sigmaringen<br />

sowie der Restaurierungswerkstatt Raum hat die Gemeinde mit<br />

dieser über mehrere Haushaltsjahre gestreckten Maßnahme Kulturgut<br />

der Vergangenheit für künftige Generationen gesichert und<br />

erhalten und damit auch einen wesentlichen Beitrag zur Kenntnis<br />

der eigenen Herkunft und Vergangenheit und zur lokalen und regionalen<br />

Identität der Bevölkerung geleistet, die als Gegenpol in einer<br />

zunehmend globalen Welt und Gesellschaft immer größere Bedeutung<br />

erlangen wird.<br />

Nahezu fünf Jahre haben der Landkreis Sigmaringen und sein<br />

Kreisarchiv diesen Schatz im Auftrag der Gemeinde Wald in die Obhut<br />

genommen, ihn gesichert, geordnet, verzeichnet und nutzbar<br />

gemacht. Die Bearbeitung der insgesamt 782 Archivalien, die sich<br />

auf vier sogenannte Bestände der Akten, der Amtsbücher und<br />

Rechnungen, der Schulunterlagen und schließlich der Karten und<br />

Pläne verteilen, wurde unter der fachlichen Aufsicht des Kreisarchivars<br />

vom Werkstudenten Tobias Teyke und der Archivangestellten<br />

Angela Vielstich geleistet. Das Kreisarchiv gibt den gesicherten<br />

Archivbestand mitsamt einem Findbuch als Schlüssel zum Zugang<br />

zu diesen Unterlagen an die Gemeinde Wald, die Ortschaft Walbertsweiler<br />

und ihre Bewohner zurück - in der Hoffnung, dass die<br />

im Gemeindearchiv enthaltenen einmaligen und unersetzlichen<br />

Zeugnisse der dörflichen Geschichte eine bleibende Fürsorge,<br />

Wertschätzung und nicht zuletzt auch Nutzung für das Wissen und<br />

die Kenntnis um die eigene Herkunft und Vergangenheit erfahren.<br />

Geringfügig überarbeitete Fassung eines Vortrags zur Eröffnung einer<br />

Ausstellung mit „Schätzen" aus dem Gemeindearchiv Walbertsweiler<br />

am 28. und 29. Oktober 2006 im Dorfgemeinschaftshaus<br />

Walbertsweiler.<br />

QUELLEN UND LITERATUR:<br />

Gemeindearchiv (GA) Walbertsweiler<br />

Tobias Teyke und Angela Vielstich (Bearb.): Das Gemeindearchiv<br />

Walbertsweiler. Findbuch. 1775 - 1999- Kreisarchiv Sigmaringen<br />

2006 (masch.-schr. vervielfältigt).<br />

Landratsamt Sigmaringen, Stabsbereich Kultur und Archiv, Dienstregistratur,<br />

Az. 044.30 Kommunale Archivpflege: Wald-Walbertsweiler


Archivpflege in den Gemeinden, Gemeinden T - Z, 1934 - 1966<br />

(Staatsarchiv Sigmaringen Ho 337 Nr. 15).<br />

Joseph Dionys Ebe: Lesebuch für die Stadt- und Landschulen, 1811<br />

(Erzbischöfliches Archiv Freiburg).<br />

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Falko Hahn: Der verschreyte Pfarrort. Streithähne im Weinberg<br />

Gottes. Eine Pfarrchronik um Macht, Ohnmacht und Tod in Walbertsweiler,<br />

Wald-Sentenhart 2002 - 2004.<br />

Ein besonderes Schmuckstück im Gemeindearchiv Walbertsweiler bildet der 1808 vom damaligen Ortspfarrer Joseph Dionys Ebe angelegte<br />

„Grundriß der Kirche und des Kirchhofes der Pfarre Walpertsweiler samt den Familien-Begräbnissen, nach den Haus-Nummem<br />

bezeichnet, und der Gräber aller, so ich (...) begraben habe" (GA Walbertsweiler IV Best.-Nr. 1).<br />

HERBERT RÄDLE<br />

Zum Falkensteiner Altar des Meisters von<br />

Meßkirch: Der dortige Hl. Erasmus hat<br />

eine Dürer-Graphik zum Vorbild<br />

Der Falkensteiner Altar ist eines der bedeutendsten und zugleich<br />

der frühesten Werke des Meisters von Meßkirch. Der Altar stand<br />

ursprünglich auf Burg Falkenstein (einer sogenannten Nostalgie-<br />

Burg der Freiherren von Zimmern über dem oberen Donautal),<br />

und zwar in der Burgkapelle, die sich im Turm der heute nicht<br />

mehr vorhandenen Burg befand. Mit diesem relativ dunklen Standort<br />

dürfte es auch zusammenhängen, daß der Falkensteiner Altar<br />

in besonders reichem Maße vergoldete Hintergründe (Heiligenscheine,<br />

Gewandborten) aufweist 1 .<br />

93<br />

Datierung auf die Zeit vor 1525<br />

Die - in der Forschung umstrittene - Datierung des Falkensteiner<br />

Altars muß wohl in erster Linie im Lichte der Besitzverhältnisse auf<br />

Burg Falkenstein gesehen werden. Die Zimmernsche Chronik (entstanden<br />

um 1560) berichtet dazu, daß Gottfried Werner von Zimmern,<br />

Herr zu Wildenstein und Meßkirch, die Burg 1516 für 4880<br />

Gulden erwarb, sie neun Jahre lang innehatte und sie 1525 an seinen<br />

älteren Bruder Johann weiterverkaufte, "welcher bis dahin zu<br />

Seedorf (Kreis Rottweil) gewohnt" und nach den Wirren des Bauernkrieges<br />

"den Seedorfer und anderen Pauren in der Herrschaft<br />

nicht mehr trauen wollte, sondern nach einem anderen und sichereren<br />

Haus trachtete" (ebd. II 226). Johann kaufte die Burg, zog<br />

jedoch nicht nach Falkenstein, sondern blieb nach dem Ende des<br />

Bauernkrieges in Seedorf und besetzte Falkenstein lediglich mit einem<br />

Burgvogt. Was hingegen Gottfried betrifft, so bezeugt die genannte<br />

Chronik, daß dieser "viel auf Falkenstein war und das<br />

Schloß mehrteils, wie es jetzund ist, erbawen" (H 238).


Salm (1950) hat also wohl gute Gründe, wenn er der Ansicht ist,<br />

daß nur der von 1516 bis 1525 auf Falkenstein wohnende Gottfried<br />

von Zimmern der Stifter gewesen sein kann. Gottfried habe sich im<br />

Gegensatz zu seinem älteren Bruder Johann "immer bau- und ausstattungsfreudig<br />

gezeigt ", während jener "ein wenig begabter,<br />

Abb. 1: Albrecht Dürer, Der Hl. Arnolfaus der "Ehrenpforte" Kaiser Maximilians<br />

/., um 1515,17 x 11 cm, Bildnachweis: Albrecht Dürer, Das gesamte graphische<br />

Werk in zwei Bänden, eingeleitet von W. Hütt, Verlag Rogner und Bernhard, bei<br />

Zweitausendeins, Band 2, S. 1647.<br />

94<br />

kleinlicher und knauseriger Mann" gewesen sei, "ohne irgendwelche<br />

geistigen oder künstlerischen Interessen". Schon dieser Charakter<br />

mache es nicht wahrscheinlich, daß er großen Aufwand für<br />

die Anschaffung eines solchen Altars getrieben habe 2 .<br />

Der heilige Erasmus des Falkensteiner Altars<br />

Wenden wir uns nun der in der Überschrift genannten<br />

Erasmus-Darstellung des Falkensteiner Altars zu, einem<br />

Tafelgemälde, das dort den rechten Seitenflügel<br />

(Innenseite) büdet und von dem wir die Hypothese<br />

aufstellen, es gehe auf eine Druckgraphik Dürers<br />

zurück (vgl. Abb. 1 mit 2).<br />

Bei der genannten Graphik handelt es sich um ein<br />

Blatt aus der "Ehrenpforte" für Kaiser Maximilian I.<br />

aus dem Jahr 1515, und dargestellt ist der heilige Arnolf.<br />

Daß die in hohen Auflagen unters Volk gebrachte<br />

Druckgraphik Dürers zahlreiche fränkische und<br />

schwäbische Meister der ersten Hälfte des 16. Jh. beeinflußt<br />

hat, ist weithin bekannt. Interessant ist aber<br />

immer wieder zu beobachten, wie der jeweilige Rezipient<br />

sein Vorbild schöpferisch weiterverarbeitet, wie<br />

er es für seine Zwecke und unter den ihm vorgegebenen<br />

Umständen adaptiert und umgestaltet hat.<br />

Im vorhegenden Fall fällt zunächst einmal auf, daß<br />

der Meister von Meßkirch die Proportionen des Büdes<br />

und der Figur stark verändert hat. Während der<br />

heilige Arnolf bei Dürer auf einem schmalen Sockel<br />

an einer Säule steht und auch durch die senkrechten<br />

Linien der Umgebung eher schlank wirkt, ist bei dem<br />

Tafelgemälde des Meisters von Meßkirch genau das<br />

Gegenteil der Fall. Der heilige Erasmus des Meßkirchers<br />

wirkt massig-breit, geradezu drohend wie ein<br />

Riese. Der Meister von Meßkirch erreicht diesen Effekt<br />

sowohl durch die Gestaltung des Hintergrunds als<br />

auch durch die Gestaltung der Figur selber.<br />

Den Hintergrund bestimmen die horizontalen Linien<br />

eines Architekturaufbaus (Abb. 2), bestehend aus<br />

Treppenstufen und einer Renaissance-Balustrade; die<br />

Figur des Heiligen selbst wird in die Breite gezogen z.<br />

B. durch die nach rechts ausladende Gestaltung der<br />

Bischofsmütze (aufklaffende Mütze, Band über der<br />

Schulter), sowie dadurch, daß der Bischof mit seiner<br />

Linken einen Zipfel seiner (im Vergleich etwas zu<br />

kurz geratenen) Kasel energisch über die Brust zu ziehen<br />

scheint, wodurch sich auf Brust und Bauch starke<br />

Querfalten bilden. Noch einmal wird die Horizontale<br />

betont durch die Reihe der (im Vergleich zu Dürer<br />

stark hervorgehobenen) Troddeln des Untergewandes,<br />

sowie durch die am Boden nach links ausgestellte<br />

Albe. Trotz dieser gravierenden Unterschiede<br />

bleibt die Abhängigkeit des Falkensteiner-Tafelgemäldes<br />

von seinem dürerschen Vorbild offenkundig. Ähnlich<br />

ist bei beiden Heiligen zumal der Gesichtsausdruck.<br />

Beide schauen den Betrachter aus mürrischen<br />

(wohl als asketisch zu verstehenden) Gesichtern von<br />

der Seite her an.


Im oberen Teil der Tafel nehmen sodann beim Märtyrerbischof<br />

Erasmus die Attribute einen breiten Raum ein. Fast drohend hebt<br />

er die Rechte mit der Märtyrerpalme und der -- für Erasmus typischen,<br />

weil auf seinen Märtyrertod anspielenden ~ mit seinen Gedärmen<br />

umwickelten stockartigen Winde. Energisch scheint Erasmus<br />

den Bischofsstab an sich zu reißen, sodaß der Pannisellus<br />

(Handhabe am Bischofsstab) nach außen "geweht" wird.<br />

Abb. 2: Meister von Meßkirch, Der Hl. Erasmus aus dem Falkensteiner Altar, vor 1525 (?), Innenseite<br />

rechter Flügel, Tanne, 50x29 cm, Fürstenbergsammlungen Donaueschingen, Inv. Nr.<br />

83, heute als Leihgabe in Stuttgart. Bildnachweis: Grimm/Konrad, wie Anm. 2, S. 215.<br />

95<br />

Mag manches an der Gestaltung des Erasmus-Gewandes auch ein<br />

wenig trocken wirken und vielleicht auf Mithilfe eines "Gesellen"<br />

bei der Ausführung hinweisen, so zeugt der zweifellos eigenhändig<br />

vom Meister gestaltete Kopf jedenfalls überaus eindrucksvoll von<br />

der großen Meisterschaft des Meßkirchers. Vor allem das Gesicht<br />

weist unverkennbar die typischen Stilmerkmale des Meisters auf,<br />

welcher bei seinen Figuren die runde Gesichtsform bevorzugt und<br />

die Physiognomie oft wie aus einer "quellenden<br />

Teigmasse" (Claus Grimm) modelliert.<br />

Und der Blick des heiligen Märtyrers<br />

wirkt auf den Betrachter so intensiv und<br />

eindringlich, daß, wer dieses Bild einmal<br />

gesehen hat, es nicht so leicht wieder vergißt.<br />

Von der großartigen Farbigkeit des Meisters,<br />

die von den Beurteilern fast unisono<br />

immer wieder gerühmt wird, vermittelt im<br />

übrigen auch dieses Bild einen lebhaften<br />

Eindruck (siehe Abb. 3). Die Erasmus-Tafel<br />

des Falkensteiner Altars hängt heute<br />

übrigens als Dauerleihgabe in der Staatsgalerie<br />

Stuttgart'.<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Eine farbige Abb. der Mitteltafel des<br />

Falkensteiner Altars findet sich bei<br />

Hans Hofstätter, Die Fürstenbergsammlungen<br />

Donaueschingen, Schnell-Steinersche<br />

Große Kunstführer, Band 81<br />

(1980) S. 67.<br />

2 Christian Altgraf zu Salm, Der Meister<br />

von Meßkirch, Diss. masch., Freiburg<br />

i. Brsg. 1950, S. 64. Vgl. Claus-<br />

Grimm/Bernd Konrad, Die Fürstenberg-Sammlungen<br />

Donaueschingen,<br />

3<br />

Altdeutsche und schweizerische Maleriei<br />

des 15. und 16. Jh., München: Prestel<br />

1990, S. 212ff., bes. S. 216.<br />

Über den Verkauf bzw. die Auslagerung<br />

der Fürstenberger Kunstschätze im<br />

Jahre 2001 (zwei vollständige Flügelaltäre<br />

des Meisters von Meßkirch wanderten<br />

als "Dauerleihgaben" in die<br />

Staatsgalerie Stuttgart) siehe Bernd<br />

Konrad, Die Kunstsammlungen der<br />

oberschwäbischen Adelshäuser, in:<br />

Adel im Wandel, Ausstellungskatalog,<br />

Begleitband 2, Sigmaringen: Thorbecke,<br />

2006, S. 735ff. bes. S. 737. Mit<br />

dem Verkauf der Fürstenberger Kunstschätze<br />

hat Donaueschingen seinen<br />

Rang als Standort einer bedeutenden<br />

Kunstsammlung verloren.


Verlag: <strong>Hohenzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen<br />

E 3828<br />

PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

herausgegeben vom <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>, Postfach 1638,<br />

72486 Sigmaringen<br />

ISSN 0018-3253<br />

Erscheint vierteljährlich.<br />

Die Zeitschrift »<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>« ist<br />

eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders<br />

die Bevölkerung im alten Land Hohenzollern<br />

und den angrenzenden Landesteilen mit der<br />

Geschichte ihrer <strong>Heimat</strong> vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene<br />

Beiträge.<br />

Bezugspreis:<br />

Für Mitglieder des <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

ist der Bezugspreis im Beitrag<br />

enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder<br />

€ 11,-. Abonnements und Einzelnummern können<br />

beim <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

(s. o.) bestellt werden.<br />

Die Autoren dieser Nummer<br />

Gerd Bantle<br />

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen<br />

Dr. Otto H. Becker<br />

Hedinger Straße 17, 72488 Sigmaringen<br />

Robert<br />

Fliederstraße<br />

Frank<br />

8, 72401 Haigerloch-Weildorf<br />

Franz-Severin Gäßler<br />

Jakobsplatz 28 b, 86152Augsburg<br />

Ruthild Mangler<br />

Gammertinger Straße 13, 72379 Hechingen<br />

Dr. Herbert Rädle<br />

Veit-Jung-Straße 13 a, 92318 Neumarkt<br />

Abb. 3-<br />

Josef<br />

Heiligkreuzstraße<br />

Schneider<br />

16, 72401 Haigerhch-Gruol<br />

Dr. Edwin Ernst Weber<br />

Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen<br />

96<br />

26<br />

Meister von Meßkirch, Kopf des Hl. Erasmus aus<br />

dem Falkensteiner Altar, vor 1525 (?), Ausschnitt.<br />

Bildnachweis: Grimm/Konrad, wie<br />

Anm. 2, S. 87<br />

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Schriftleitung:<br />

Robert Frank<br />

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Tel.: (07474) 2161, robertgfrank@web.de<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

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