Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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germeister und Gemeindepfleger neben ihrem bäuerlichen Hauptberuf<br />
mit engem Zeitbudget und ohne fachliche Vorbildung ausübten.<br />
Im Unterschied zu Herdwangen und Großschönach besaß<br />
Oberndorf auch zu keiner Zeit ein eigenes Rathaus als Sitz seiner<br />
Kommunalverwaltung, Tagungsort des Gemeinderats und nicht zuletzt<br />
Heimstatt des kommunalen Verwaltungsschriftguts. Die kommunalen<br />
Versammlungen, Sitzungen und Wahlen fanden zumeist<br />
im einzigen Gasthaus in Waldsteig statt, und geamtet wurde in der<br />
hohenzollerischen Kleingemeinde bis zur Gemeindereform 1974<br />
im Privathaus des jeweiligen Bürgermeisters. Dieser erhielt, wie<br />
ein Gemeinderatsprotokoll vom April 1933 dokumentiert, neben<br />
seiner eigentlichen Besoldung aus der Gemeindekasse auch noch<br />
eine Jahresaufwandsentschädigung von damals 50 Reichsmark für<br />
Licht und Heizung seines im Privathaus unterhaltenen Geschäftszimmers<br />
sowie überdies als Miete für die Unterbringung der Gemeinderegistratur<br />
(GA Oberndorf III Best.-Nr. 150).<br />
Dass es mit dieser Lagerung und Betreuung der Gemeinderegistratur<br />
in primär landwirtschaftlich genutzten Privathäusern so seine<br />
Tücken und Gefahren hatte, offenbaren die Inspektionsberichte<br />
der Archivberatungsstelle des Landeskommunalverbandes der <strong>Hohenzollerische</strong>n<br />
Lande: Nach einer Inspizierung im November<br />
1942 beispielsweise wird vermeldet, dass sich sowohl die älteren<br />
Akten wie auch die Rechnungen im Haus des Bürgermeisters befänden<br />
und dieser über Raummangel klage. 1956 berichten die<br />
Sigmaringer Archivpfleger von einer in Umschlägen verwahrten<br />
laufenden Registratur in einem Aktenschrank des Dienstzimmers<br />
von Bürgermeister Keller sowie von einer Altregistratur mit Unterlagen<br />
ab etwa 1840 in einem weiteren Aktenschrank. Das ca. 3 laufende<br />
Meter umfassende „Archiv" mit einer Laufzeit ab etwa 1890<br />
sodann befindet sich, gestapelt in einem Schrank, noch im Haus<br />
von Altbürgermeister Geng. Ausgeschiedene Altakten von gleichfalls<br />
ca. 3 Meter Umfang wurden bei der Inspektion schließlich<br />
noch auf dem Dachboden des Bürgermeisterhauses entdeckt. Gemeinsam<br />
haben alle dieser unterschiedhchen Registraturkörper,<br />
dass sie nach Befund der Archivpfleger „ziemlich" oder gänzlich<br />
„ungeordnet" sind und die damals für die hohenzollerischen und<br />
württembergischen Gemeindeverwaltungen verbindliche Gemeinderegistraturordnung,<br />
der sog. Flattich-Plan, in Oberndorf offenkundig<br />
nur sehr unzulänglich angewendet wurde.<br />
Verlust älterer Archivalien<br />
Angesichts derart problematischer Registraturverhältnisse und Lagerungsbedingungen<br />
ist der Verlust wichtiger Dokumente zur Ortsgeschichte<br />
nahezu zwangsläufig. Von den insgesamt drei 1904 im<br />
Besitz der Gemeinde Oberndorf ermittelten „Urkunden und<br />
Schriftstücken von geschichtlichem Wert" (GA Oberndorf I Best.-<br />
Nr. 33) beispielsweise sind einhundert Jahre später deren zwei -<br />
ein 1782 in der Deutschordenskanzlei Altshausen entstandener<br />
Hofgüter-Beschrieb u.a. von Heggelbach sowie ein Beibuch zum<br />
Urbar von Heggelbach, Oberndorf, Höllsteig und Waldsteig aus<br />
dem Jahr 1832 - gänzlich verschwunden, von den seinerzeit genannten<br />
vier Vereinödungskarten von 1832/33 sind jetzt noch zwei<br />
vorhanden. Während in der Regel in den Archiven hohenzollerischer<br />
wie auch badischer und württembergischer Landgemeinden<br />
die Serie der Rechnungsbände spätestens in der ersten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts einsetzt, datiert die älteste Oberndorfer Gemeinderechnung<br />
von 1905/06 (GA Oberndorf III Best.-Nr. 29). Enttäuschend<br />
dünn ist sodann auch die Überlieferung an Gemeinderatsprotokollen,<br />
die in einem ungebundenen Büschel lediglich aus<br />
dem Zeitraum von 1909 bis 1939 vorhegen (GA Oberndorf III<br />
26<br />
Best.-Nr. 150). Die beiden Aktenschichten schließlich erscheinen<br />
in ihrer Zusammensetzung nahezu durchgehend lückenhaft und<br />
erlauben vielfach nur sehr bedingt eine Rekonstruktion des kommunalen<br />
Verwaltungshandelns und der ortsgeschichtlichen Entwicklungen.<br />
Ungeachtet dieser Defizite und obgleich im Gemeindearchiv von<br />
1000 Jahren Ortsgeschichte seit der ersten schriftlichen Nennung<br />
Oberndorfs um 975 gerade einmal die letzten 200 Jahre dokumentiert<br />
sind, waren Erhalt, Sicherung und Erschließung der in<br />
der dortigen Kommunalverwaltung entstandenen Unterlagen auf<br />
jeden Fall die Mühe der Archivare und das Geld der Gemeinde<br />
wert. Trotz aller Lücken bildet das Gemeindearchiv mit seinen 8,5<br />
laufende Meter umfassenden Akten, Büchern und Karten die<br />
Grundlinien der Entwicklungs- und Wandlungsprozesse in Landwirtschaft,<br />
Infrastruktur und dörflicher Gesellschaft von der ersten<br />
Hälfte des 19- Jahrhunderts bis zur Gemeindereform von 1974 ab.<br />
Dass die Oberndorfer bei der napoleonischen Territorial-Flurbereinigung<br />
zu Beginn des 19- Jahrhunderts - im Unterschied zu<br />
ihren unter badisches Regiment gelangenden Nachbarn - zunächst<br />
zu fürstlich-hohenzollerischen und 50 Jahre später dann zu<br />
preußischen Untertanen wurden, sieht man im übrigen sogar den<br />
Akten an: Während nämlich die Archivalien von Herdwangen und<br />
Großschönach vom berühmten „badischen Knoten", der sog.<br />
Oberrandheftung, zusammengehalten werden, erlangten die<br />
preußischen Akten ihre stabile Struktur durch das blattweise<br />
Einnähen in kompakte Hefte. In Oberndorf mit seiner „Feierabendverwaltung"<br />
hatte man für dieses zeitaufwendige Aktenvernähen<br />
aber möglicherweise nicht genügend Zeit, so dass sich nur<br />
einige wenige genähte Aktenhefte im Bestand finden lassen.<br />
Vereinödungskarten aus den 1830er Jahren<br />
Mit zu den ältesten Dokumenten des Gemeindearchivs gehören<br />
zwei sog. Vereinödungskarten von Oberndorf und Heggelbach von<br />
1832 und 1833 (GA Oberndorf IV Best.-Nrn 1 und 2), die im Auftrag<br />
der Gemeinde Herdwangen-Schönach zuletzt in mustergültiger<br />
Weise restauriert worden sind. Die Karten dokumentieren die<br />
sog. Vereinödung, eine im 18. und 19. Jahrhundert in vielen Dörfern<br />
und Weilern vor allem des Neusiedellandes zwischen Allgäu<br />
und Linzgau praktizierte frühe Form der Flurbereinigung durch<br />
freiwillige Vereinbarung der bäuerlichen Grundbesitzer. Der Neuzuschnitt<br />
der Felder mit den überwiegend nach Heiligennamen benannten<br />
Bauernhöfen ist in diesen beiden agrar- und siedlungsgeschichtlich<br />
gleichermaßen interessanten Quellen ebenso festgehalten<br />
wie die landwirtschaftliche Flurnutzung, die traditionellen Flurnamen<br />
und nicht zuletzt der damalige Sigmaringer Fürst Karl als<br />
Auftraggeber der Vereinödung. Weitere Schmuckstücke des Archivbestandes<br />
sind mehrere Büschel mit handgezeichneten und vielfach<br />
kolorierten Bau- und zugehörigen Lageplänen, die die bauliche<br />
Entwicklung des Fünf-Weiler-Dorfes bis zurück in die Mitte des<br />
19- Jahrhunderts dokumentieren. Zum von den Ortsbewohnern im<br />
Umlageverfahren und mit Arbeitsleistungen finanzierten Neubau<br />
der Oberndorfer Kapelle 1868 finden sich unter den Bauakten<br />
mehrere Gestaltungsvarianten der Eingangsfront (GA Oberndorf I<br />
Best.-Nr. 181).<br />
Das zeitliche und inhaltliche Spektrum des Oberndorfer Archivs<br />
spannt sich von der Feudallastenablösung in der Mitte des 19- Jahrhunderts,<br />
als die Bauern ihrer grund-, leib-, orts- und zehntherrschaftlichen<br />
Leistungsverpflichtungen durch Geldzahlungen ledig<br />
und zu freien Eigentümern ihres Bodens werden, bis zur Kommu-