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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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nicht mehr gestattet. Die Pflichtmessen der Neupriester durften nur<br />

bei verschlossener Kirchentür ohne Zeugen gelesen werden, die<br />

Spendung der Sakramente, selbst der Sterbesakramente in der Todesstunde,<br />

war den Neupriestern verboten, die nach ihrem seitherigen<br />

Studium vom Bischof zur Pastoration ausgesandt waren. Kaplan<br />

Stopper von Berenthal war gepfändet und dem Gericht bereits<br />

vorgeführt worden zur Bestrafung; Kaspar Leibold war schon im<br />

Gefängnis wegen Vornahme geistlicher Amtshandlungen, der Vikar<br />

Josef Pfister frequentierte nächtlicher Weile seinen angewiesenen<br />

Wirkungskreis Wilflingen, um zu taufen und Kranke zu versehen.<br />

Wie ein Verbrecher mußte er bei Nacht und Nebel in Verkleidung<br />

verschwinden, um nicht der Gendarmerie direkt in die Hände zu<br />

fallen. Und so ging es allerwegen. Für die Gendarmerie gab es in<br />

jener Zeit nichts Wichtigeres als die Jagd auf .Schwarzwild', das<br />

war erstens ungefährlich für ihre eigene Person, und dann brachte<br />

es Anerkennung der vorgesetzten Behörde u. auch noch Ehrenzeichen."<br />

Sauter erinnert schließlich daran, was König Friedrich Wilhelm<br />

IV. bei der Erbhuldigung am 23. August 1851 auf der Burg<br />

Hohenzollern sagte: "Die Ehre Preußens verpfände ich in dieser<br />

feierlichen Stunde, daß an Euren Institutionen nicht gerüttelt und<br />

Eure Religion geschützt werden soll."<br />

Staatsanwalt Evelt um 1860, Reproduktion Willy Beyer<br />

Der Preußische Richter tritt nicht mit einem vorgestraften<br />

Lehmann auf<br />

Sauter berichtet weiter, dass wegen der Kandidatur von Evelt und<br />

Cramer nicht mit einem Erfolg im Mittelbereich Hechingen bei der<br />

19<br />

Wahl am 27. Oktober 1876 gerechnet wurde und sich die Agitationen<br />

deshalb auf das Unter- und Oberland konzentrierten. Auf eine<br />

große Wahlveranstaltung in der Oberamtsstadt Gammertingen, bei<br />

der wegen dem großen Andrang der Wählermassen Parallelveranstaltungen<br />

im Gasthaus "Kreuz" und "Hirsch" anberaumt wurden<br />

und sich dort die Redner abwechseln sollten, geht Sauter genauer<br />

ein: "Kreisrichter von Schiigen aus Glatt, wo damals noch eine Gerichtskommission<br />

amtete, sollte zuerst im ,Hirsch' beginnen. Er<br />

war spät mit seinem Fuhrwerk in Gammertingen angelangt und<br />

frug nun, wer als weiterer Redner nach ihm auftreten werde. Als<br />

ihm mitgeteilt wurde, das sei Michael Lehmann, der Zollerredakteur,<br />

machte Herr von Schiigen ernste Schwierigkeiten, indem er<br />

erklärte, er als Königlich Preußischer Kreisrichter könne unmöglich<br />

mit einem vorbestraften Manne in einer Vollversammlung auftreten.<br />

Alle Versuche, den Herrn umzustimmen, da Lehmann ein<br />

Ehrenmann und nur wegen seiner Tätigkeit als Redakteur einer katholischen<br />

Zeitung im Dienste der guten Sache vorbestraft sei, blieben<br />

erfolglos. Er blieb bei seiner kategorischen Erklärung, nicht<br />

mit einem Manne, der von einem Preußischen Gericht überhaupt<br />

rechtsgültig verurteilt worden sei, öffentlich auftreten zu können.<br />

Die Verlegenheit war groß angesichts der Wichtigkeit dieser Versammlung<br />

und der ganz gewaltig angewachsenen Wählermassen.<br />

Der anwesende, stets redegewandte Pfarrer Kernler aus Steinhofen<br />

mußte nun, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, einspringen<br />

für Lehmann, dem man den Verzicht auf sein Referat<br />

schonend beibringen soll, wie Herr von Schiigen wünschte. Die<br />

Treppe hinauf lief ein junger Mann, wo auf dem oberen Flur im<br />

.Hirsch' Lehmann auf und ab ging, in der linken sein umfangreiches<br />

Manuskript und mit der rechten Hand heftig gestikulierend<br />

beim Memorieren seines Vortrages. Gerötet war sein Gesicht und<br />

dicke Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. .Herr Lehmann<br />

stecken Sie das Manuskript weg', rief der gesandte Gesinnungsgenosse.<br />

Hierauf Lehmann ganz verzagt: .Nein, nicht weg, es geht<br />

nicht, es sitzt nicht, ich muß vorlesen.' Hierauf wurde Lehmann<br />

über den entstandenen Zwischenfall aufgeklärt mit der Bitte, es<br />

nicht übel aufzunehmen. ,Uebel nehmen?', rief Lehmann, .nein,<br />

Gott sei Dank, ich bin ein Mann der Feder, aber nicht des Wortes.'<br />

Jetzt erst schmeckte ihm Speise und Trank. Inzwischen war es Zeit<br />

geworden zur Eröffnung der Versammlungen. Im Gasthaus zum<br />

.Hirsch' begann Herr von Schiigen in feiner Weise seinen Vortrag<br />

vor einer gewaltigen Zuhörerschar, während Herr Pfarrer Kernler<br />

im .Kreuz' in seiner kräftigen Art sprach." [...]<br />

Sauters Anekdote beschreibt noch weitere "Hemmnisse an diesem<br />

Tage". So hatte sich während der Wahlrede im übervollen Gasthof<br />

der Boden gesenkt und einige Besucher der Veranstaltung fanden<br />

sich im darunter gelegenen Stall bei den Kühen wieder, ohne dass<br />

es Verletzte gab. Schließlich klang der Sonntag nach der Gammertinger<br />

Wahlveranstaltung in "feucht-fröhlicher Stimmung" aus. Bevor<br />

es zum letzten Umtrunk im Hechinger Stammlokal in der<br />

"Krone" an der Ecke Schlossstrasse/Kirchplatz kam, war man auf<br />

dem Rückweg in Jungingen beim "Reichskanzler" im Gasthof zur<br />

Post eingekehrt. Unter diesem Namen war der Gastwirt Eduard<br />

Bumüller wegen seiner äußerlichen Ähnlichkeit mit Bismarck bekannt.<br />

Der Wirt war auch für sein Lager mit guten französischen<br />

Weinen bekannt. Sauter weiter: "Es wurden Bedenken gegen die<br />

Einkehr beim Reichskanzler' laut, da er nicht unser Gesinnungsgenosse,<br />

also nicht unserer Farbe sei; aber Lehmann zerstreute<br />

diese Bedenken in humorvoller Weise. Bei unserem Eintritt in die<br />

mit Sonntagsgästen angefüllte Wirtsstube ging Lehmann auf den<br />

.Reichskanzler' zu mit den Worten: .Ihr Christentum hat zwar Kil-

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