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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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herrschaftlichen Feudallasten sowie die Aufteilung des dörflichen<br />

Allmendbesitzes. Die - materiell allerdings nur wenig bedeutsame<br />

- Leibeigenschaft mit den damit verknüpften Sterbfall- und Manumissionsgebühren<br />

wurde 1842 durch eine auf alle Leistungspflichtigen<br />

umgelegte Ablösungszahlung endgültig beseitigt (GA Walbertsweiler<br />

I Best-Nr. 477).<br />

Unübersehbar zeigen die Walbertsweiler Archivalien das bäuerliche<br />

Selbstbewusstsein und die Streitbarkeit der Bevölkerung dieser<br />

Ortschaft. 1835 beispielsweise verweigert man sich gemeinsam<br />

mit den Angehörigen des Filialortes Kappel hartnäckig, ungeachtet<br />

aller Einwirkungen der kirchlichen und staathchen Stellen, der geforderten<br />

Leistung von Hand- und Spanndiensten für Baumaßnahmen<br />

am Walbertsweüer Pfarrhaus (GA Walbertsweiler I Best.-Nr.<br />

60). Ebenso wenig wollen die beiden Gemeinden drei Jahre zuvor<br />

von der auf ihre Kosten vorzunehmenden Verlegung des Friedhofes<br />

von der alten Kirche in das Gewann „Grundösch" außerhalb des<br />

Ortes wissen und gehen mit ihrem Widerstand - allerdings letztlich<br />

erfolglos - sogar bis vor das württembergische Appellationsgericht<br />

in Stuttgart (GA Walbertsweüer I Best.-Nr. 172). Mit großer Hartnäckigkeit<br />

verteidigt die bäuerhche Bevölkerung von Walbertsweiler<br />

gemeinsam mit anderen ehemals klosterwaldischen Untertanenorten<br />

ihre Holzgerechtigkeit gegenüber dem Fürstenhaus Hohenzollern,<br />

das mit der Säkularisation vom aufgehobenen Kloster Wald<br />

die Verpflichtung zur Lieferung von Bau- und Brennholz an bäuerhche<br />

Lehenshöfe wie auch an die Schulen in der ehemaligen Klosterherrschaft<br />

übernommen hatte. Das Anrecht auf die fürstliche<br />

Holzlieferung bewahrt sich die Gemeinde Walbertsweiler gemeinsam<br />

mit benachbarten Schulverbänden auch gegen die Begehrlichkeiten<br />

der Lehrer, die das Holz für sich anstelle der Schulträger<br />

beanspruchen und dafür gleich mehrere Prozesse führen (GA Walbertsweiler<br />

I Best.-Nr. 133). Erst nach der Gemeindereform<br />

kommt es im Gefolge einer veränderten Rechtssprechung dann zu<br />

einer Ablösung der fürstlichen Beholzungspflicht - zu allerdings<br />

erhebhch ungünstigeren Bedingungen, als dies einige Jahre zuvor<br />

noch bei einer freiwilligen Übereinkunft möglich gewesen wäre.<br />

Reichhaltige Überlieferung zum Schulwesen<br />

Überdurchschnitthch qualitätsvoll und reichhaltig ist die Überlieferung<br />

des Gemeindearchivs zum dörflichen Schulwesen. Bis in das<br />

Schuljahr 1796 zurück reichen die vom damaligen Lehrer Johann<br />

Baptist Schweikart geführten tabellarischen Listen der Walbertsweiler<br />

Schüler, ihrer schulischen Leistungen in den damaligen<br />

Lernfächern von der Katechismuslehre über Buchstabieren, Lesen<br />

und Schreiben bis zum sittlichen Betragen und schließlich und vor<br />

allem auch ihrer - von den Bedürfhissen der elterhchen Landwirtschaft<br />

bestimmten - Fehlzeiten in der damahgen Winterschule (GA<br />

Walbertsweüer I Best.-Nr. 20). Die Lehrertätigkeit ist zu dieser Zeit<br />

und noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein fest mit dem Mesmerdienst<br />

verbunden und letztlich auch nur durch diese Doppelfunktion<br />

finanziell überhaupt ertragreich. Zwei regelrechte Kleinode<br />

im Archivbestand sind dem langjährigen Pfarrer Joseph Dionys<br />

Ebe zu verdanken, einem ehemaligen Zisterzienserpater aus Salem,<br />

der nach der Aufhebung seines Klosters durch die Säkularisation<br />

eine neue Aufgabe in der Pfarrseelsorge gefunden hatte und<br />

von 1807 bis 1834 in Walbertsweüer tätig war. Neben dem Obstbau<br />

gehörte sein besonderes Interesse der Hebung und Verbesserung<br />

des ländlichen Schulwesens, das dem Dorfpfarrer in Walbertsweiler<br />

auch in seiner Funktion als lokaler Schulaufseher anvertraut<br />

war. Seine pädagogische Interessen dokumentiert sein 1811 ei-<br />

91<br />

genhändig verfasstes „Lesebuch für die Stadt- und Landschulen",<br />

das den Schülern über ihre Schullaufbahn hinaus, wie Ebe in seinem<br />

Vorwort schreibt, „zu einem nützlichen Hand- und Hausbuche<br />

dienen" sowie „euch in euerem Betragen, Geschäften, Verfallenheiten<br />

dieses Lebens Belehrung, Einsicht, Rath, Trost und Zufriedenheit<br />

ertheilen und somit euch beglücken wird."<br />

Im Walbertsweiler Gemeindearchiv ist der frühere Ortspfarrer Ebe<br />

mit einem umfangreichen Vorbericht in dem seit 1814 von Lehrer<br />

Johann Baptist Schweikart geführten „Verzeichnißbuch des täglichen<br />

Erscheinen oder Nichterscheinen der schulfähigen Kinder in<br />

der Werktagschule" präsent (GA Walbertsweüer I Best.-Nr. 21).<br />

Dieser im August 1814 verfasste, höchst interessante Vorbericht<br />

des Pfarrers und Schulaufsehers bietet neben einer praktischen<br />

Anleitung zur Herstellung einer „guten Dinte" knappe Abrisse zur<br />

örtlichen Schulgeschichte, eine Beschreibung des in den 1770er<br />

entstandenen Schulhauses, Beiträge zu den Schullehrern und ihrer<br />

Besoldung, zur landesherrlichen Schulordnung, zu den Lehrgegenständen<br />

und schließlich auch zu den Verhaltensregeln der<br />

Schüler und hier insbesondere Empfehlungen, „wie sich die<br />

Schüler gegen ihren Lehrer verhalten sollen". Ein archivalisches<br />

Juwel von nicht geringerer Bedeutung bildet der 1808 gleichfalls<br />

von Ebe eigenhändig gezeichnete „Grundriß der Kirche und des<br />

Kirchhofes der Pfarre Walpertsweiler samt den Familien-Begräbnissen,<br />

nach den Haus-Nummern bezeichnet, und der Gräber aller,<br />

so ich (...) begraben habe" (GA Walbertsweiler IV Best.-Nr. ^.Neben<br />

den nach den dörflichen Hausnummern geordneten und mit<br />

den Sterbedaten der Toten bezeichneten Familienbegräbnissen<br />

enthält der Plan überdies ein nach Monaten gegliedertes Jahrtagsverzeichnis<br />

sowie eine kolorierte Zeichnung von Pfarrhaus nebst<br />

Ökonomie und Pfarrgarten sowie der damahgen Dorfkirche mit<br />

Turm. Auf einem kunstvoll gezeichneten und mit einem Opferkelch<br />

bekrönten Sockelquader hat sich Pfarrer Ebe mit einer lateinischen<br />

Inschrift als Urheber von Plan und Zeichnung selbst verewigt.<br />

Eine weitere Hinterlassenschaft dieses aufgeklärten und der Erziehung<br />

und Bildung seiner Gemeindekinder verpflichteten Seelsorgers<br />

ist die von ihm und zwei weiteren Pfarrern geführte Walbertsweiler<br />

Pfarrchronik, die mit ihren höchst interessanten Schilderungen<br />

der dörflichen Kirchen- und Lebensverhältnisse in der ersten<br />

Hälfte des 19- Jahrhunderts mittlerweile im Erzbischöflichen<br />

Archiv Freiburg verwahrt wird und unlängst vom <strong>Heimat</strong>forscher<br />

Falko Hahn eine ansprechende Auswertung erfahren hat. Sollte in<br />

Walbertsweüer in nächster Zeit noch ein Straßenname zu vergeben<br />

sein, so wäre dieser rührige und verdiente Dorfpfarrer aus dem ersten<br />

Drittel des 19. Jahrhunderts unbedingt zu berücksichtigen.<br />

Karten zum Neubau von Schule und Kirche<br />

Interessante Aufschlüsse zur baulichen Entwicklung der Ortschaft<br />

im 19- Jahrhundert vermitteln die im Zuge der Landesvermessung<br />

1844 angelegten Flurkarten. Die Karte mit dem überbauten dörflichen<br />

Etterbereich von 1844 (GA Walbertsweiler IV Best.-Nrn. 4 u.<br />

7) erlaubt im Abgleich mit der bis in die 1880er Jahre fortgeführten<br />

Ergänzungskarte (GA Walbertsweiler IV Best.-Nr. 8) die Rekonstruktion<br />

aller baulichen Veränderungen in diesem Zeitraum<br />

und hier zumal den Neubau der Pfarrkirche 1868 an einem neuen<br />

Standort sowie die in analoger Weise erfolgende Verlegung der<br />

Schule vom bescheidenen Vorgängerbau zwischen alter Kirche und<br />

Pfarrhaus aus den 1770er Jahren in das heute als Rathaus genutzte

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