Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Zum 1. November 1945 wurde der 20jährige junge Mann als Laienlehrkraft<br />
eingestellt, um dem gravierenden Mangel an Lehrern<br />
im Gefolge von Krieg und Entnazifizierung abzuhelfen. Die ersten<br />
Einsatzorte waren die Volksschulen in Hohentengen, Littenweiler,<br />
Renhardsweiler und seit 1. Mai 1947 wiederum Uttenweiler. Parallel<br />
zur Schulpraxis absolvierte Walter Bleicher eine Lehrerausbildung<br />
am Pädagogischen Institut in Reutlingen, wobei er die Fahrten<br />
über die Alb bei jeder Witterung mit einem Motorrad unternahm.<br />
1949 legte er in Reutlingen die erste und 1952 die zweite<br />
Prüfung für das Lehramt an Volksschulen ab, das Thema seiner Zulassungsarbeit<br />
war die „Geschichte des Marktfleckens Uttenweiler".<br />
Mit dem 1. Mai 1952 erhielt er eine Anstellung als außerplanmäßiger<br />
Volksschullehrer, am 5. März 1953 wurde er zum<br />
Hauptlehrer ernannt und verfügte damit erstmals über eine Planstelle<br />
und eine sichere Besoldung zur Ernährung seiner Familie,<br />
die er 1947 mit der vier Jahre älteren Anny Moll aus Uttenweüer<br />
begründet hatte. Völhg selbstverständlich war in jenen Jahren die<br />
Residenzpflicht eines Volksschullehrers, und so wohnte das junge<br />
Ehepaar Bleicher mit seinen beiden Kindern Doris (geb. 1948)<br />
und Edwin (geb. 1952) im Lehrerhaus neben der Schule, von Uttenweiler.<br />
Öffentliches Engagement im Schulort<br />
Ebenso „normal" war in jener Zeit ein öffentliches Engagement eines<br />
Lehrers im Kultur-, Vereins- oder Kirchenleben seines Schulortes.<br />
Aus dem Bestreben, der Dorfjugend eine musikalische Ausbildung<br />
zu ermöglichen, stellte sich Walter Bleicher von 1950 bis<br />
1956 dem örtlichen Musikverein als erster Vorsitzender zur Verfügung<br />
und betrieb mit Erfolg die Wiederbesetzung der vakanten Dirigentenstelle,<br />
die Werbung passiver Vereinsmitglieder, die Förderung<br />
der Nachwuchsarbeit und die Teilnahme an Wertungsspielen.<br />
Unter seiner Regie wurden auch Fasnachts-Veranstaltungen in den<br />
Sälen der Gasthäuser „Rössle" und „Bären" organisiert. Der junge<br />
Lehrer zählte zu den „Honoratioren" seines Dorfes, der mit Bürgermeister,<br />
Pfarrer, Förster und weiteren Angehörigen der „Bildungsschicht"<br />
einen engen Kontakt pflegte. Auch betätigte sich<br />
Walter Bleicher bereits in Uttenweüer als „Ortschronist", der im<br />
Anschluss an seine Zulassungsarbeit sich auch weiterhin mit der<br />
Geschichte seiner Schulgemeinde befasste und seine aus Quellenstudien<br />
gewonnenen Befunde in seinem Unterricht verwertete. In<br />
der Erinnerung der Kinder waren die Uttenweiler Jahre bis 1958<br />
die glücklichsten der Familie.<br />
Zum 1. April 1958 übernahm Bleicher, der im Jahr darauf zum<br />
Oberlehrer ernannt wurde, die Leitung der vierklassigen Volksschule<br />
in Scheer. Auch am neuen Tätigkeitsort bezog die Lehrerfamilie<br />
eine Dienstwohnung im Schulhaus. Neben seiner schulischen<br />
Arbeit gewannen jetzt die Beschäftigung mit der <strong>Heimat</strong>geschichte<br />
und das Studium der historischen Quellen eine immer größere Bedeutung<br />
für Walter Bleicher. Aus seinem 1967 mit Beifall des<br />
Schulamts entwickelten Plan zur Herausgabe eines vorrangig für<br />
die schuhsche Nutzung gedachten <strong>Heimat</strong>blattes mit regionalgeschichtlichen<br />
Themen entstand seit 1968 die „Schwäbische Kunde.<br />
Aus der Geschichte des Kreises Saulgau". In dieser in Chronikform<br />
angelegten und nach Orten gegliederten heimatgeschichthchen<br />
Materialsammlung von Quellenexzerpten erschienen bis kurz vor<br />
seinem Tod mit Unterstützung des Kreises Saulgau und sodann der<br />
Nachfolgekreise Biberach und Sigmaringen sage und schreibe 43<br />
Bände. Das zeitliche Spektrum reicht vom Beginn des 14. Jahrhunderts<br />
bis 1831.<br />
11<br />
Bestellung zum nebenamtlichen Kreisarchivar<br />
1967 wurde der Scheerer Schulleiter auf Veranlassung des geschichts-<br />
und kulturinteressierten Landrats Karl Anton Maier zum<br />
nebenamtlichen Kreisarchivar des Kreises Saulgau bestellt. Mit beeindruckender<br />
Schaffensfreude übernahm er Ordnungs- und Inventarisierungsarbeiten<br />
in den Gemeindearchiven Ennetach, Eningen<br />
und Mengen und sorgte in allen drei Orten auch für die Einrichtung<br />
und Ausstattung geeigneter Archivräume. Daneben wurde<br />
Bleicher von Landrat Maier und seinem Nachfolger Dr. Wilfried<br />
Steuer als Ratgeber für historische Fragestellungen herangezogen<br />
und mit der historiographischen Begleitung von Orts- und Vereinsjubiläen<br />
betraut. Zum 1971 vom Theiss-Verlag herausgegebenen<br />
Saulgauer Kreisbuch steuerte Walter Bleicher einen umfangreichen<br />
geschichtlichen Überbück bei. In Ertingen veranlasste er die<br />
Einrichtung einer „Stube" für den <strong>Heimat</strong>schriftsteller Michel<br />
Buck, für den schulischen Gebrauch stellte er eine Diareihe zum<br />
„Bussenland" zusammen. „Wenn irgendwo ein <strong>Heimat</strong>fest, eine<br />
Einweihung, ein Jubiläum zu feiern ist, dann stellt Oberlehrer Bleicher<br />
den geschichtlichen Abriss, die Festschrift, ein Theäterchen,<br />
gibt Hinweise für Gestaltung und Embleme", würdigte das Schulamt<br />
das historiographische Engagement des Volksschullehrers.<br />
Nicht zuletzt dank seines außerschulischen Engagements und Ansehens<br />
als Kreisarchivar und <strong>Heimat</strong>forscher wurde Walter Bleicher<br />
im Herbst 1973 zum Leiter und Rektor der Ablachschule in<br />
Mengen, einer im Gefolge der Schulreformen in jenen Jahren geschaffenen<br />
Nachbarschaftsgrundschule mit ca. 600 Schülern und<br />
30 Lehrkräften berufen. Die Leitung der großen Bildungseinrichtung,<br />
die Koordination des zahlenstarken Lehrerkollegiums und<br />
zumal der Umgang mit den von der Studentenbewegung geprägten<br />
Junglehrern überforderten indessen den neuen Rektor mit seinem<br />
traditionell-autoritären Führungsstil. Die zunehmenden Spannungen<br />
und Konflikte führten zur Erkrankung Bleichers und letztlich<br />
im Juli 1977 zu seiner vorzeitigen Pensionierung mit gerade einmal<br />
52 Jahren.<br />
Das Scheitern Bleichers als Schulleiter und sein Ausscheiden aus<br />
dem pädagogischen Dienst waren der Ausgangspunkt für eine verstärkte,<br />
über nahezu drei Jahrzehnte anhaltende Beschäftigung mit<br />
der <strong>Heimat</strong>geschichte und eine beeindruckende publizistische<br />
Produktivität bis kurz vor seinem Tod. Walter Bleicher wurde zum<br />
Historiographen des Kreises Saulgau, auch über dessen Auflösung<br />
im Gefolge der großen Kreisreform von 1973 hinaus. Bei seinen<br />
geschichtlichen Interessen und Forschungen war er ein Allrounder<br />
alter Schule, der sich mit der Vor- und Frühgeschichte ebenso auseinandersetzte<br />
wie mit der Familienforschung, den regionalen Sagen<br />
und Anekdoten, biographischen Studien, der Geschichte von<br />
Mittelalter, Frühneuzeit und Moderne. Zahlreiche Ortschaften des<br />
Altkreises Saulgau und seit 1973 auch des neuen „Dreiländerkreises"<br />
Sigmaringen verdanken ihm kleinere oder größere Darstellungen<br />
ihrer Geschichte in Festschriften oder auch umfänglichen<br />
<strong>Heimat</strong>büchern. Besondere Erwähnung verdienen darunter seine<br />
Stadtgeschichte von Scheer, die <strong>Heimat</strong>bücher von Heudorf und<br />
Hundersingen sowie zwei reich bebilderte Bände zur Geschichte<br />
von Mengen, wo er sich mit seiner Familie 1973 in einem Eigenheim<br />
im Schlehenweg niedergelassen hatte und von 1975 bis 1993<br />
überdies auch als ehrenamtlicher Stadtarchivar tätig war. Im Mittelpunkt<br />
seiner quellennahen Forschungs- und Veröffentlichungstätigkeit<br />
stand indessen die bereits erwähnte „Schwäbische Kunde.<br />
Aus der Geschichte des Kreises Saulgau".