Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Überblickt man das mundartliche Werk Bruno Geras im Ganzen,<br />
so fällt der formale und inhalthche Reichtum auf. Wir finden eine<br />
Vielfalt des Vers- und Strophenbaus und eine Natürlichkeit der<br />
Sprache, wie sie sonst nur bei den ganz Großen der schwäbischen<br />
Mundartliteratur anzutreffen ist. Man darf Bruno Gern ohne Weiteres<br />
mit Sebastian Salier, August Lämmle oder Sebastian Blau vergleichen.<br />
Man wird nicht leicht einen Dichter treffen, der den Humor<br />
des einfachen Menschen mit so unauffälliger Kunst trifft und<br />
anspricht. Und wenn jemand die Musikalität der Storzinger Mundart<br />
ins schwäbische Land hinausgetragen und durch seine Gedichte<br />
unsterblich gemacht hat, dann ist er es. Der formalen Vielfalt entspricht<br />
auch eine inhaltliche. Kein schwäbischer Dichter hat ein<br />
ganzes Bändchen mit Pflanzengedichten aufzuweisen wie Bruno<br />
Gern. Es sind insgesamt über 80 Gedichte 7 . Und der Dichter liebte<br />
auch die unscheinbaren Pflänzlein wie das Zittergras 8 :<br />
Abb. 2. Bruno Gern schuf auch reizvolle Scherenschnitte<br />
ZITTERLE<br />
Des Zitterle, desklei, ischtgwieß<br />
it s Vürneamscht vo dr Sommerwies<br />
und s schöscht vo älla Gräser,<br />
aber s ischt sauber zeema griicht<br />
und bot a Habs, a sealtas Gsiicht,<br />
und it bloß so an Mäser'.<br />
Koi anders bot dr Sommer jetzt<br />
so wusaleg e d Wealt neigsetzt,<br />
63<br />
duat wispra drin und weaba,<br />
lot's laus des Zitterte, des klei,<br />
und zittern im Sonnaschei<br />
voar lauter Freud am Leaba.<br />
Ohne Zweifel hegt in der Naturlyrik die eigenthche Stärke unseres<br />
Dichters. Aber auch auf anderen Feldern hat er Beachtliches geschaffen.<br />
Wo gibt es in der schwäbischen (oder auch hochdeutschen)<br />
Literatur einen Zyklus von Kindergedichten wie den zum<br />
100. Geburtstag pubüzierten Band „Guggusele"? 10 Viele von Geras<br />
Gedichten befassen sich, wie zu erwarten, mit dem dörflichen Leben<br />
und dem Alltag des Bauern, dem Alltag freilich einer vergangenen<br />
Zeit. Das Alterswerk enthält zahlreiche Gedichte, die man in<br />
der Bibel „Weisheitshteratur" nennt. Und unter dieser Rubrik sei<br />
auch einmal ein hochdeutsches Gedicht Bruno Geras gestattet. Es<br />
heißt:<br />
BILANZ<br />
Des Jahres letzter Tag bricht an,<br />
und du ziehst die Bilanz,<br />
findest noch vieles ungetan<br />
und unerfüllt vom alten Plan,<br />
nur übertüncht vom Glanz.<br />
Du schaust voraus, du blickst zurück,<br />
du überlegst und wägst,<br />
nimmst hier ein Stück und dort ein Stück,<br />
ein Quentchen Pech, ein Quentchen Glück,<br />
das du ins Merkbuch trägst.<br />
Legst dir ein frisches Blatt zu recht,<br />
noch neu und ungeneppt,<br />
und spürst, dein neuer Plan ist echt,<br />
und zückst beschwingt, wie zum Gefecht,<br />
dein besseres Rezept.<br />
Du überprüfst es, mengst und mißt,<br />
was du dir so bestimmst,<br />
nur, daß du ganz dabei vergißt,<br />
daß es der alte Adam ist,<br />
den du hinüber nimmst!<br />
Der Nachlaß enthält noch manches, was einer Veröffentlichung<br />
wert wäre. Darunter ist ein kleines Epos über eine Wallfahrt, die<br />
die Storzinger Kirchengemeinde früher alljährlich nach Engelswies<br />
führte: „S Umganggaoh ge Engelswies". Darunter ist weiter ein<br />
großes dramatisches „Fasnachtsbegräbnis", das in Storzingen bis<br />
heute alljährlich begangen wird. Im Nachlaß ist außerdem ein längeres<br />
Gedicht über die Schmeier und ein kleineres Werk, das es<br />
mir besonders angetan hat. Dieses Werk beschreibt einen Ort, an<br />
dem das Herz des Dichters besonders hing und an dem das Herz<br />
jedes Christen besonders hängen muß: die Kirche, in diesem Fall<br />
natürhch die Storzinger Kirche. Bruno Gern war ein frommer<br />
Mann. Und seine Frömmigkeit war auch die Quelle seines Humors<br />
und seines Optimismus, den er sich in allen ihm auferlegten Verzichten<br />
und Leiden immer bewahrt hat. Dieses kleine Werk soll<br />
hier zum ersten Mal publiziert werden". Es ist ein Gelegenheitsgedicht<br />
und stammt vermutlich aus den sechziger Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts, als man im Storzinger Kirchlein ein furchtbares Untier<br />
entdeckte. Die Verse sind Schnadahüpfl, die zum Singen gedacht<br />
sind. Der Dichter hat sie auf einer Fastnachtsveranstaltung<br />
vorgetragen.