Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
FRANZ-SEVERIN GÄßLER<br />
Integration der Gegensätze - vom Wesen<br />
des Sigmaringer Prinzengartens 1<br />
Jahrzehntelang verharrte der Sigmaringer Prinzengarten, ein ungefähr<br />
sieben Hektar großer Park im Zentrum der Stadt, im Dornröschenschlaf.<br />
Längst aufgegeben ist jene botanische Pracht, die ihn<br />
einstmals auszeichnete und die auf alten Aufnahmen noch zu sehen<br />
ist (Abb. 1.) Wildnis hatte sich über ihn gelegt und bot Gelegenheit<br />
für jene, die danach trachteten, Flächen aus seinem Areal als Verfügungsmasse<br />
für Straßen und Parkplätze zu rauben 2 . Glücklicherweise<br />
einigten sich Fürstenhaus und Stadt im September 2006,<br />
dem Prinzengarten im Rahmen der Kleinen Landesgartenschau<br />
2013 seine überlieferte Gestalt wieder zurückzugeben'.<br />
Abb. 1: Blick vom Oberen Parterre des Prinzengartens nach<br />
Südosten in den Landschaftspark um 1875. Vorlage: Pürstl.<br />
Hohenz. Sammlungen Sigmaringen<br />
Ideen für die Nutzung des Prinzengartens gibt es viele, und unterschiedliche<br />
Aspekte eröffnen unterschiedliche Fragen. Wäre es<br />
beispielsweise nicht sinnvoll, die ehemals domestizierte Natur sich<br />
selbst zu überlassen, oder Freizeiteinrichtungen unterzubringen -<br />
Kinderspielplatz, Bolzplatz, Cafe -, vielleicht doch den einen oder<br />
anderen Teil verkehrhch oder für Wohn- oder Dienstleistungszwecke<br />
zu nutzen und an anderer Stelle einen Ausgleich zu suchen?<br />
Wege und Wiesen, Bäume und Sträucher, Wasser, Mauern und Felsen<br />
sind auch an anderer Stelle zu finden. Spricht überhaupt etwas<br />
dafür, Gestalt und Funktion des Prinzengartens, wie sie uns überliefert<br />
sind, zu bewahren?<br />
Der Prinzengarten besitzt noch immer eine Gestalt, die aus prägnanten<br />
Teilen gefügt ist. Von Beginn an diente er sowohl der Erholung<br />
als auch der Repräsentation. Zudem ist er ein Denkmal, und<br />
er ist untrennbar mit dem Prinzenbau und dessen Geschichte verbunden.<br />
Denn Garten und Gebäude des Neuen Prinzenbaus sind im<br />
19. Jahrhundert als Stadtresidenz des Erbprinzen entstanden. Sie<br />
bilden eine Einheit: Der Garten wäre nicht ohne das erbprinzliche<br />
Stadtschloss angelegt und der Neue Prinzenbau nicht ohne den<br />
Prinzengarten errichtet worden. Beide haben sich gegenseitig bedingt.<br />
Und wie den Fassaden des Prinzenbaus ist auch dem Prinzengarten<br />
in den siebziger Jahren des 19- Jahrhunderts eine für<br />
jene Zeit typische Gestalt gegeben worden 4 . Gebäude und Garten<br />
sind Teil eines Gesamtkunstwerks, das die Hohenzollern bis zum<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts aus Stadt und Landschaft formten.<br />
Und zugleich sind Prinzengarten und Prinzenbau geschichtüche<br />
50<br />
Zeugnisse, ohne die weder Gestalt noch Gefüge der Stadt verständlich<br />
sind.<br />
Den Prinzengarten kennen zu lernen, sich auf ihn einzulassen, mit<br />
ihm vertraut zu werden und schließlich achtsam mit ihm umzugehen,<br />
kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Wann diese Anlage<br />
geschaffen wurde und von wem, welche Bäume und Sträucher dort<br />
vorhanden sind, wo und welche blühenden Stauden ihre Pracht<br />
entfalteten und welchen Tieren er Lebensraum bietet, in welchem<br />
historischen und kunsthistorischen Kontext der Garten steht, kann<br />
beispielsweise gefragt werden, um seinen Wert kennen und schätzen<br />
zu lernen. Zuallererst ist der Prinzengarten jedoch ein sinnlich<br />
wahrnehmbares Werk. Wenn wir uns auf die ursprüngliche Intention<br />
der Gartengestalt (Abb. 2) konzentrieren, darauf, wie die<br />
Flächen und Räume geformt, wie die Wege geführt und die Gehölze<br />
angeordnet sind, ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das,<br />
was wir sehen und hören, spüren und riechen, nicht willkürlich<br />
angelegt, sondern gezielt geschaffen, gestaltet und zu einer Einheit<br />
gefügt wurde. Und so stellt sich die Frage, wenn es denn ein Kunstwerk<br />
ist, wie es in sich gefügt und geschaffen ist, ob es Gestaltungsprinzipien<br />
oder Merkmale gibt, die sich wie ein roter Faden<br />
durch die Anlage ziehen, und was uns dann schließlich das Werk<br />
eröffnet und erfahren lässt.<br />
Besonders überraschend ist der erste Eindruck, wenn man den<br />
Prinzengarten durch die Vorhalle zwischen Altem und Neuem Prinzenbau<br />
betritt, weil hier der Übergang von einer Welt in die andere<br />
kontrastreicher nicht sein könnte. Mit einem Bein fast noch in der<br />
Stadt stehend, ist das Auge beim Öffnen des Durchfahrtstores bereits<br />
auf den Garten hin ausgerichtet. Schon hegt der Leopoldplatz<br />
im Rücken, jener Ort an dem sich die steinerne Stadt mit ihrem geschäftigen<br />
Treiben und dem lärmenden und abgasreichen Verkehr,<br />
mit der prägnanten Platzform und den repräsentativen Gebäuden,<br />
verdichtet; und dem vorwärts gerichteten Bhck bietet sich bereits<br />
die geformte Flora. Ruhig liegt der Garten da mit seinen Düften,<br />
den fein differenzierten Farbtönen, den leisen und subtilen Geräuschen.<br />
Bisweilen versinkt er in Stille. Zwei völlig unterschiedliche<br />
Welten, Gegensätze sind es, die hier fast unmittelbar aufeinandertreffen<br />
und im Kontrast zueinander stehen. Und treten wir vom<br />
Prinzenbau aus in den Garten, erkennen wir auch hier unterschiedliche<br />
Bereiche, die wiederum Gegensätze bilden. Denn im<br />
unmittelbaren Umfeld des Prinzenbaus, im Bereich der Parterre-<br />
Anlagen, ist der Garten geometrisch geformt; ansonsten ist er landschaftlich<br />
geprägt bis auf die Allee. Mit ihrer streng geometrischen<br />
Form und der rhythmischen Abfolge der Bäume bildet die Allee einen<br />
weiteren eigenständigen Bereich in dieser Anlage 5 . Und<br />
während das Auge vom oberen Parterre aus Gestalt und Grenzen<br />
des geometrisch geformten Teils genau zu erfassen vermag, bleiben<br />
diejenigen des Landschaftsparks in ihrer Gesamtheit dem<br />
Bhck entzogen. Hier, im geometrischenTeil, ist das Wasser durch<br />
die kreisrunde Linie des Beckens oder der Schale in eine künstliche<br />
Form gefasst; dort, im Landschaftsgarten, bleibt der Umriss des<br />
Wassers, die unregelmäßig verlaufende Uferlinie, dem Natürlichen<br />
verhaftet. Auch die Flächen der Wege und des Rasens, ja sogar die<br />
Rabatten für das Arrangement der blühenden Stauden und Gehölze<br />
sind bei den Parterre-Anlagen der Geraden, dem rechten Winkel<br />
und dem Kreisbogen untergeordnet gewesen. Blühende Stauden<br />
und Gehölze standen im Kontrast zu penibel gepflegten Rasenflächen<br />
und beschnittenen Büschen in geometrisch geformter Gestalt,<br />
wie beispielsweise den Buxuskugeln (Abb. 3). Vom oberen<br />
Parterre aus erschließt sich der Bhck nicht nur die Nähe, der Bhck<br />
schweift auch in die Ferne - über den ausgedehnten Wiesengrund