Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
werker tätig sind und in aller Regel über keinerlei Verwaltungs-<br />
ausbildung verfügen. Der ältesten im Archivbestand erhaltenen Ge-<br />
meinderechnung von 1901/02 zufolge besteht das ganze kommunale<br />
Verwaltungspersonal in Walbertsweiler zu dieser Zeit aus den<br />
nebenberuflich tätigen Bürgermeister und Gemeinderechner, weiter<br />
dem Polizeidiener, einem Hilfsnachtwächter, einem Kiesgrubenarbeiter,<br />
Wegewarten, einem Farrenwärter und einem Spritzenmeister<br />
(GA Walbertsweiler II Best-Nr. 1). Zudem stehen noch der<br />
Dorfschullehrer sowie die Hebamme als einzige weibliche Bedienstete<br />
auf der Gehaltshste der Dorfgemeinde.<br />
„<strong>Heimat</strong>losigkeit" der Gemeindeverwaltung<br />
Weiterhin typisch für Klein- und Zwerggemeinden vom Zuschnitt<br />
Walbertsweilers ist sodann eine weitgehende „<strong>Heimat</strong>losigkeit"<br />
der Kommunalverwaltungen. Mit Ausnahme von größeren Ortschaften<br />
wie Wald oder Krauchenwies kommt die überwiegende<br />
Mehrzahl der Kleingemeinden im heutigen Landkreis Sigmaringen<br />
noch bis zur Kommunalreform zumeist ohne Rathaus und damit<br />
ohne feste Bleibe für ihre Verwaltung sowie ihr Verwaltungsschriftgut<br />
in Registratur und Archiv aus. In Walbertsweiler beispielsweise<br />
verfügt man zwar bereits seit den 1770er Jahren über ein eigenes<br />
Schulhaus zwischen Kirche und Pfarrhaus, das sodann in den<br />
1860er Jahren durch einen durchaus stattlichen Neubau am heutigen<br />
Standort ersetzt wird. 1901 umfasst der kommunale Gebäudebestand<br />
überdies den Ortsarrest, das Spritzenhaus, den Farrenstall<br />
sowie ein Armenhaus. In den 1950er Jahren kommt noch ein<br />
neu erbautes Gemeindehaus mit öffentlicher Waschküche, Backstube,<br />
Badeanlage und einer Mietwohnung hinzu (GA Walbertsweiler<br />
I Best.-Nrn. 222,401). Ein eigenes Rathaus indessen besitzt<br />
die 1950 349 Bewohner zählende Ortschaft demgegenüber nicht,<br />
Bürgermeister und Gemeinderechner „amten" vielmehr in ihren<br />
privaten Wohnhäusern. Erst mit dem Kauf des leer stehenden alten<br />
Pfarrhauses in den 1960er Jahren kommt die Walbertsweiler Gemeindeverwaltung<br />
erstmals zu einem festen Dienstsitz, der zehn<br />
Jahre später von der Ortschaftsverwaltung zugunsten des inzwischen<br />
gleichfalls freien Schulhauses aufgegeben wird. Neuerdings<br />
zu einem Dorfgemeinschaftshaus erweitert dient das frühere<br />
Schulhaus bis heute als Sitz der Ortschaftsverwaltung und überdies<br />
als Unterkunft für verschiedene Vereine.<br />
Es kann nicht überraschen, dass angesichts dieser „<strong>Heimat</strong>losigkeit"<br />
der Gemeindeverwaltung die kommunale Schriftgutverwaltung<br />
lange Zeit einen schweren Stand hatte. Nachdem die Archivberatungsstelle<br />
des hohenzollerischen Landeskommunalverbandes<br />
1939 bei einem Inspektionsbesuch in Walbertsweiler immerhin<br />
ein eigenes Archivzimmer im „Gemeindehaus", hinter dem<br />
sich wohl das Schulhaus verbirgt, entdecken konnte, findet sich bei<br />
der nächsten Visite 1956 die laufende Gemeinderegistratur in einem<br />
Aktenschrank im Wohnhaus des damaligen Bürgermeisters<br />
Jerg, während die aus Rechnungen ab dem Jahr 1901 bestehende<br />
„Altregistratur" in einem Dachzimmer des Gemeindehauses untergebracht<br />
ist.<br />
Immerhin fällt auf, dass die im Gemeindearchiv erhaltenen Verwaltungsakten<br />
aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert sorgfältig<br />
angelegt, nach dem hohenzollerisch-preußischen Gemeinderegistraturplan<br />
geführt und nach preußischem Muster in der sog. Fadenheftung<br />
blattweise zu Aktenheften vernäht wurden. Hier hat mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit eine strikt wahrgenommene Kommunalaufsicht<br />
des zuständigen preußischen Oberamts zunächst in<br />
90<br />
Wald und seit 1862 in Sigmaringen für Ordnung auch in der gemeindlichen<br />
Aktenführung gesorgt. Anhand der Aktenstruktur lässt<br />
sich im übrigen mit einem Bück die Zugehörigkeit einer Gemeinde<br />
zu Hohenzollern, Baden oder Württemberg ermitteln: Während die<br />
preußischen Akten, wie erwähnt, eine aufwändige Fadenheftung<br />
aufwiesen, zeichnen sich die badischen Verwaltungsakten durch<br />
den sog. badischen Knoten, also eine leichter handhabbare Oberrandheftung<br />
aus. Entgegen aller Vermutung am leichtesten machen<br />
es sich die württembergischen Verwaltungsbehörden, die ihr<br />
Schriftgut ohne weitere Sicherung einfach lose in Mappen einlegen.<br />
Mit der Büroreform in den 1920er Jahren und einer nicht mehr<br />
ganz so strengen staatlichen Kommunalaufsicht nach dem Ersten<br />
und zumal dem Zweiten Weltkrieg büßen die Walbertsweiler Gemeindeakten<br />
rasch ihre strenge Ordnung ein. Zu Beginn der<br />
1950er Jahre gibt man die altertümliche, noch nach einem Rubrikensystem<br />
gegliederte hohenzollerische Gemeinderegistraturordnung<br />
auch in Walbertsweiler auf, steigt auf den modernen württembergischen<br />
Flattichplan als Ordnungssystem für die Gemeinderegistratur<br />
um und führt seither auch hier lose Aktenmappen mit<br />
allen damit verbundenen Risiken der Unordnung und des Verlustes<br />
von Verwaltungsunterlagen. Zum Ende der 1960er Jahre ist man<br />
dann in der Walbertsweiler Gemeindeverwaltung geradezu „up to<br />
date", als man nur wenige Jahren nach dessen Aufkommen den<br />
noch fast druckfrischen „Aktenplan für die Gemeinden und Landkreise<br />
in Baden-Württemberg" (Boorberg-Plan) einführt, so dass<br />
die hiesige Verwaltungsüberheferung zuletzt insgesamt drei Registraturschichten<br />
aufweist.<br />
Ungewöhnlich schmaler Archivbestand<br />
Mit einem Umfang von gerade einmal 6,5 laufenden Metern erscheint<br />
das Walbertsweiler Gemeindearchiv ungewöhnüch schmal.<br />
Die weitaus kleinere, gleichfalls ehemals hohenzollerische Ortschaft<br />
Oberndorf bei Herdwangen, deren Kommunalarchiv unlängst<br />
ebenfalls vom Kreisarchiv geordnet und verzeichnet worden<br />
ist, bringt es immerhin auf 8,5 Meter. Während der ältere Walbertsweiler<br />
Aktenbestand durchaus gehaltvoll erscheint und viele<br />
Facetten der dörflichen und kommunalen Entwicklung vom ausgehenden<br />
18. bis ins 20. Jahrhundert dokumentiert, ist die jüngere<br />
Aktenüberlieferung von den 1920er Jahren bis zur Gemeindereform<br />
teilweise weitaus weniger ergiebig und enthält nahezu durchgehend<br />
einen Überhang an Generalbetreffen der vorgesetzten staatlichen<br />
Stellen gegenüber ortsspezifischen Vorgängen. Auffallend<br />
bescheiden ist sodann die mit dem Jahrgang 1901/02 einsetzende<br />
Serie der Gemeinderechnungen, die sich anderenorts in Hohenzollern<br />
bis in das beginnende 19- oder gar ausgehende 18. Jahrhundert<br />
zurückverfolgen lässt. Schmerzüche Verluste haben weiter<br />
auch die Gemeinderatsprotokolle erhtten, von denen sich gerade<br />
einmal zwei gebundene Bände zu den Zeiträumen von 1903 bis<br />
1939 sowie von 1956 bis 1974/84 erhalten haben. Dass hier einmal<br />
mehr vorhanden gewesen sein muss, offenbaren zahlreiche<br />
Protokollauszüge in den Sachakten des 19- Jahrhunderts.<br />
Ungeachtet solcher Lücken hat das Walbertsweiler Gemeindearchiv<br />
gleichwohl eine Fülle einmaliger und unersetzlicher Zeugnisse<br />
zur Geschichte dieser hohenzollerischen Ortschaft und ihrer Bewohner<br />
zu bieten. Gut dokumentiert ist die Aufhebung der herrschaftlichen<br />
und genossenschaftlichen Bindung des bäuerhchen<br />
Bodens bis zur Mitte des 19- Jahrhunderts durch die Ablösung der