Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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lertäler Färbung, aber wir sind ja nicht so', und mit den Worten:<br />
.Seid umschlungen Millionen, diesen Kuß der ganzen Welt', nahm<br />
er den dicken Wirt in seine langen Vaterarme und applizierte des-<br />
sen feisten Wangen unter dem schallenden Gelächter aller Gäste ei-<br />
nen kräftigen Kuß, ehe der .Reichskanzler' zur Besinnung kam. Es<br />
war ein unvergeßhches Bild, zu dem als Motto das Wort von Goethe<br />
paßte: Ein echter Deutscher mag keinen Franzmann leiden, doch<br />
ihre Weine trinkt er gern!"<br />
Die Anekdote endet mit der Erfolgsmeldung, dass am 27. Oktober<br />
1876 die Zentrumskandidaten Schmid und Maier in den Preußischen<br />
Landtag gewählt wurden und bei der folgenden Reichstagswahl<br />
am 10. Januar 1877 ebenfalls Maier das Mandat erhielt.<br />
Roman Sauter beschrieb den unterlegenen Evelt als freikonservativen<br />
Liberalen, der sich nicht den eigentlichen Trägern des Kulturkampfes,<br />
den Nationalliberalen, angeschlossen habe. Er hätte<br />
während seiner einjährigen Tätigkeit im Preußischen Landtag<br />
(1875 bis 1876) auch nie für ein Kampfgesetz gestimmt. Tatsächlich<br />
gab Evelt im Oktober 1873 in einer Erklärung in den Hohenzollernschen<br />
Blättern an, dass er zwar als Abgeordneter gegen die<br />
wichtigsten kirchenpolitischen Gesetze gestimmt habe, aber auch,<br />
dass diese zu respektieren wären. In der Erklärung wehrte sich<br />
Evelt gegen Angriffe des Zoller, wonach er eigentlich für das Zentrum<br />
kandidieren wollte. Aber weil die Partei ihn "beiseite setzte",<br />
er aber unbedingt ein Mandat erlangen wollte, wäre er nun "über<br />
Nacht liberal geworden". Evelt führt an, dass er der "altliberalen<br />
Partei", dem "liberalen Centrum" und im Reichstag der "liberalen<br />
Reichspartei" zugehörte, sowie Gegner des Zentrums war und<br />
bleibt. Bei der 1873-er Wahl zum Abgeordnetenhaus kandidierte<br />
Evelt allerdings doch für die Nationalliberalen.<br />
"August Alexander Oskar Evelt - Geheimer Oberjustizrat<br />
u. Landger.-Präsident<br />
1828-1904"<br />
a.D. - Ritter Hoher Orden -<br />
So lautet die Inschrift auf dem Grabdenkmal in Eingangsnähe des<br />
Hechinger Heiligkreuzfriedhofs. Ganz in der Nähe des Landgerichts<br />
befindet sich die Eveltstraße. Zumindest sie ist den meisten<br />
Hechingern ein Begriff. Wer sich jedoch hinter dem Namen verbirgt,<br />
ist weniger bekannt. Dabei könnte Evelt durchaus zu den<br />
großen Söhnen der Stadt gezählt werden.<br />
Wie viele Beamte der preußischen Zeit stammte er aus dem "Land<br />
der Roten Erde", wie es 1904 ein Nachruf formuherte. Evelt könnte<br />
auch als Paradebeispiel für einen der schwäbischen Lebensart<br />
Fremden gelten, der sich vorzüglich den regionalen Eigenarten<br />
und Gewohnheiten anpasste und ein heimatverbundener Hohenzoller<br />
wurde.<br />
August Evelt wurde am 21. Januar 1828 als Sohn des Gerichtsdirektors<br />
Franz Josef Johann Evelt (1794-1861) und der Maria Bernai'dina<br />
Josefa Carolina, geb. Reckmann (1793-1861), im westfälischen<br />
Dorsten, Kreis Recklinghausen, geboren. Der Vater war<br />
später Kreisgerichtsdirektor in Dorsten, preußischer Parlamentarier<br />
und Ordensträger. Er schien seinen Sohn inspiriert zu haben,<br />
der ebenfalls die juristische Laufbahn einschlug. 1854 zum Gerichtsassessor<br />
ernannt, kam er im gleichen Jahr erstmals als Hilfsrichter<br />
nach Hechingen. Nach den Tätigkeiten im Berliner Justizministerium<br />
und als Staatsanwaltsgehilfe in Warendorf/Westfalen<br />
trat er am 1. September 1860 zunächst die gleiche Stellung im Königlichen<br />
Kreisgericht zu Hechingen an, um bald zum Staatsanwalt<br />
befördert zu werden. Am 9- Juni 1869 wurde Evelt Kreisgerichtsdi-<br />
20<br />
rektor und am 1. Oktober 1879 durch die Neuordnung der Gerichtsbehörden<br />
erster Landgerichtspräsident Hohenzollerns. 1887<br />
erhielt er den Titel eines Oberjustizrates und war zuletzt Geheimer<br />
Oberjustizrat. Zum 1. Januar 1900 wurde er in den Ruhestand versetzt.<br />
Die berufliche Tätigkeit war nur ein Aspekt im Schaffenswerk<br />
Evelts. Andere Schwerpunkte seines Wirkens waren die Politik und<br />
sein Einsatz für Hohenzollern. Bereits 1861 war er zum Wahlkandidaten<br />
für den Preußischen Landtag vorgeschlagen worden. Er<br />
verlor die Wahl, bemühte sich aber damals schon für einen Eisenbahnanschluss<br />
Hechingens. Nach dem Weggang des Regierungspräsidenten<br />
Seydel setzte er sich 1863/64 leidenschaftlich für die<br />
Eisenbahninteressen Hohenzollerns ein. So schrieb er etliche<br />
Briefe, Eingaben, Zeitungsartikel, berief Versammlungen ein und<br />
verfasste 1863 die Schrift "Fliegende Blätter zur Beleuchtung des<br />
Eisenbahn-Projektes Tübingen-Balingen-Hechingen-Ebingen-Sigmaringen".<br />
Seine Bemühungen, die <strong>Hohenzollerische</strong>n Interessen<br />
gegen den Widerstand Württembergs durchzusetzen, hatten<br />
schließlich mit den zwischen Preußen, Württemberg und Baden<br />
abgeschlossenen Eisenbahnverträgen Erfolg. Um den Bau der Eisenbahnstrecke<br />
Tiibingen-Sigmaringen erwarb sich Evelt große<br />
Verdienste. So verlieh ihm etwa die Stadt Hechingen 1865 bereits<br />
als 37-jähriger das Ehrenbürgerrecht.<br />
Als Verdienst wurde Evelt auch angerechnet, dass er während der<br />
württembergischen Okkupation Hohenzollerns im Zusammenhang<br />
des "Deutschen Krieges" gegenüber dem württembergischen Kommissär<br />
Graf Leutrum durch "tapfere Haltung" auffiel (Der Krieg<br />
zwischen Preußen einerseits und Österreich mit Italien andererseits,<br />
Beginn 15. Juni 1866, entschieden am 3- Juli 1866 durch den<br />
preußischen Sieg in der Schlacht bei Königgrätz; durch den Frieden<br />
von Prag am 23. August stimmte Österreich der Auflösung des<br />
Deutschen Bundes zu). Nachdem am 28. Juni 1866 eine württembergische<br />
Kompanie in Hechingen einrückte, weigerte sich Evelt,<br />
im Namen des Deutschen Bundes die Justizgeschäfte fortzuführen<br />
und erklärte dem Grafen Leutrum," im übrigen existiere der Bund<br />
für einen preußischen Beamten nicht mehr". Am 6. August rückten<br />
die Württemberger wieder ab.<br />
Evelt wird auch angerechnet, dass das Landgericht in Hechingen<br />
und nicht woanders seinen Sitz bekam. Er unterstützte zudem verschiedene<br />
städtische Einrichtungen in Hechingen, wie die "Höhere<br />
Bürgerschule" und die "Höhere Mädchenschule" respektive<br />
"Höhere Töchterschule". Evelt war jahrzehntelang freier Mitarbeiter<br />
der Hohenzollernschen Blätter sowie Freund und Syndikus des<br />
Fürsten Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen. In den Bau des<br />
Hechinger Justizgebäudes war Evelt ebenfalls verwickelt. Noch als<br />
Staatsanwalt erwarb er dafür 1868 bei einer Zwangsversteigerung<br />
zwei Grundstücke. Im Juni 1876 zog das Kreisgericht in den Neubau<br />
ein. Am 12. Dezember 1877 setzte er den Schlussstein mit den<br />
Worten "Mit Gott für Kaiser und Reich".<br />
Zum Gerichtsgebäude gehört auch das Gefängnis, dessen erster<br />
Gefangener laut Roman Sauter Michael Lehmann gewesen sein<br />
soll. Das könnte zeitlich hinkommen, weil er 1877 zweimal zu je 3<br />
Wochen Gefängnis verurteilt wurde - u.a. im Januar "wegen wiederholter<br />
öffentlicher Beleidigung des Kreisgerichtsrats Melchers".<br />
Dem liberalen Melchers, der bei der 1876-er Wahl gemeinsam<br />
mit Evelt den Zentrumsmännern Schmid und Maier unterlag.