Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Will man im Landkreis Sigmaringen das Musterbeispiel einer<br />
Adelsresidenz benennen, die ihrer Funktion als Herrschaftssitz na-<br />
hezu alles, auf jeden Fall aber den Status der Stadt sowie eine Reihe<br />
von qualitätsvollen und bis heute ortsbild-prägenden Bauwerken<br />
verdankt, so stößt man neben den ehemaligen Hochadels-Residenzen<br />
Sigmaringen, Scheer und Meßkirch unweigerlich auch auf<br />
Hettingen, dessen 600jähriges Jubiläum als Stadt 2007 gefeiert<br />
wird. Das Lauchert-Städtchen mit seinem wie eh und je die Tallage<br />
beherrschenden Schloss vereint dabei so manche Gegensätze in<br />
seiner langen Geschichte: Neben der zumindest zeitweise glanzvollen<br />
Adelsresidenz besteht eine stets bescheidene, durchgehend<br />
ländlich und bäuerlich geprägte Zwergstadt, einer durch die Jahrhunderte<br />
dominanten Herrschaft steht eine eher schwach ausgeprägte<br />
kommunale Selbstverwaltung gegenüber, und das ärmliche<br />
Ackerbürgerstädtchen mit seinen kleinbäuerlichen Verhältnissen<br />
wird in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahezu nahtlos von<br />
einem dynamischen Gewerbestandort abgelöst, der mit seiner Relation<br />
von 980 Einwohnern zu 650 vor allem industriellen Arbeitsplätzen<br />
beinahe einzigartig im Landkreis ist. All dieses und noch<br />
vieles mehr kann jetzt in einer 176 Seiten starken facettenreichen<br />
Stadtgeschichte nachgelesen werden.<br />
Stadtgründung der Grafen von Veringen<br />
Die insgesamt sechs, von auswärtigen Historikern und örtlichen<br />
Geschichtskennern verfassten Fachaufsätze zur städtischen Historie<br />
vom Mittelalter bis in die Gegenwart vermögen manch Neues<br />
über den bisherigen Kenntnis- und Diskussionsstand hinaus zu<br />
bieten: So kann der Autor des Mittelalter-Beitrags, Dr. Casimir Bumiller,<br />
plausibel machen, dass Hettingen analog zu Gammertingen<br />
wohl erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Stadt entstanden<br />
ist und als Gründer der städtischen Siedlung im Anschluss<br />
an die ältere Burg wohl weniger die um die Mitte des 12. Jahrhunderts<br />
ausgestorbenen Grafen von Gammertingen und statt dessen<br />
eher die Grafen von Veringen in Frage kommen, die um 1250 von<br />
ihrem Sitz in Veringenstadt aus nach Hettingen und Gammertingen<br />
ausgreifen und nach dem Verlust ihres Stammbesitzes nach 1291<br />
ihre Residenz in die Hettinger Burg verlegen. 1267 stellt Graf Wolfrad<br />
von Veringen erstmals eine Urkunde auf der Burg Hettingen<br />
aus, womit er dieser zugleich die urkundliche Erstnennung beschert.<br />
Wie die meisten im Mittelalter gegründeten Städte hat auch Hettingen<br />
eine dörfliche Vorgeschichte, die sicherlich in das Frühmittelalter<br />
zurückreicht, aber erst um 1135 mit einer Nennung in der<br />
Zwiefalter Chronik des Mönchs Ortlieb ihren ersten schriftlichen<br />
Niederschlag findet. Zur Versorgung der wohl um 1120 von einer<br />
Hettinger Linie der Grafen von Gammertingen errichteten Burg auf<br />
dem Schlossberg entsteht in der Folge eine zunächst bescheidene<br />
Burgsiedlung als Niederlassung von herrschaftlichen Bediensteten<br />
und Handwerkern. Der 1254 in den Quellen auftauchende „minister"<br />
Konrad von Hettingen bezeichnet wahrscheinlich einen<br />
„Amtmann" oder „Schultheißen" und damit eine städtische Amtsfunktion.<br />
Dies ist aber auch schon bis in das 14. Jahrhundert hinein<br />
der einzige in der Überlieferung fassbare eindeutige Hinweis<br />
auf den städtischen Status Hertingens, was Casimir Bumiller zur<br />
Vermutung veranlasst, dass Hettingen im Kontext des veringischen<br />
Herrschaftsausbaus zwar nach 1250 zusammen mit Riedlingen<br />
und Veringenstadt zur Stadt erhoben wurde, sich in der Folge aber<br />
nicht so recht stabilisieren konnte. Mit Hettingen ist im 14. und<br />
frühen 15. Jahrhundert dann vor allem der etappenweise Nieder-<br />
77<br />
gang der einst mächtigen Grafen von Veringen verbunden: Nach<br />
dem Verlust des Großteils des Besitzes südlich der Donau und sogar<br />
von Grafschaft und Stammburg Veringen 1291 nach einem verlorenen<br />
Prozess vor einem königlichen Gericht wird Hettingen zum<br />
neuen Herrschaftsmittelpunkt der Grafen, die in der hiesigen Martinskirche<br />
auch eine neue Grablege für ihr Geschlecht begründen.<br />
Der schhchte Grabstein des 1366 verstorbenen Grafen Heinrich V.<br />
erinnert im Chor der Pfarrkirche an die über mehr als eineinhalb<br />
Jahrhunderte währende herrschaftliche Präsenz der Veringer in<br />
Hettingen.<br />
Die letzten Jahrzehnte der Veringer Herrschaft sind gekennzeichnet<br />
von einem fortschreitenden Ausverkauf der einst ansehnlichen und<br />
weit ausgreifenden Besitzungen des Grafenhauses, von denen dann<br />
um 1400 nur noch die Städtchen Gammertingen und Hettingen<br />
nebst einem kleinen Umland übrig gebheben sind. Der - im<br />
wahrsten Sinne des Wortes - endgültigen Besiegelung des Untergangs<br />
der Grafen von Veringen in einer vor dem kaiserlichen Hofgericht<br />
zu Rottweil ausgestellten testamentarischen Verfügung von<br />
Graf Wölfle von Veringen vom 6. September 1407 hat Hettingen<br />
seine älteste urkundliche Nennung als Stadt zu verdanken. Graf<br />
Wölfle, der letzte und ohne legitime Nachkommen verbliebene<br />
Spross des Veringer Geschlechts, vermacht darin seinem Neffen<br />
Heinrich von Rechberg seine verbliebenen Herrschaftsrechte und<br />
Besitzungen, darunter auch „Hätingen" die „Stat". Dieses Geburtstagsdokument<br />
für das Hettinger Stadtjubiläum wird übrigens bis<br />
auf den heutigen Tag im Archiv der nunmehrigen Grafen von Rechberg<br />
in Donzdorf verwahrt und von Graf Bernhard von Rechberg<br />
und Rothenlöwen der Stadt im Jubeljahr als Leihgabe zur Verfügung<br />
gestellt. Wie Edwin Ernst Weber in seiner Transkription nebst<br />
Regest zur Erstnennungsurkunde in der Jubiläumsschrift deutlich<br />
macht, ist die kleine Misslichkeit in der Urkunde, dass bei der ersten<br />
Nennung nicht klar zwischen Hettingen und Hechingen zu entscheiden<br />
ist, nicht weiter für das Alter der Stadt Hettingen und damit<br />
auch für unser Jubiläum gefährlich - folgt doch glücklicherweise<br />
eine zweite Erwähnung nach, die jetzt eindeutig Hettingen<br />
benennt.<br />
Herrschaftssitz bis ins 19. Jahrhundert<br />
Wie sämtliche frühere Residenzstädte im Landkreis mit Ausnahme<br />
von Sigmaringen im Laufe ihrer Geschichte bitter erfahren müssen,<br />
hegt das große Risiko für die im Anschluss an Adelssitze entstandenen<br />
bürgerhchen Siedlungen im Untergang ihrer Herrschergeschlechter<br />
und im Abstieg zu Landstädten innerhalb größerer Territorialstaaten.<br />
Für die beiden ehemaligen Hochadelsresidenzen<br />
Meßkirch und Scheer etwa war mit dem Verlust der Residenzfunktion<br />
im 18. Jahrhundert der wirtschaftliche Niedergang auch der<br />
bürgerhchen Stadt verbunden. So sind es oft Zufälle der dynastischen<br />
Erbfolge und der Herrschaftspohtik, die über das Wohl und<br />
Wehe von Residenzstädten entscheiden. Hettingen hat trotz zahlreicher<br />
Herrscherwechsel vom Hochmittelalter bis ins frühe 16.<br />
Jahrhundert ausgesprochen Glück und vermag, abgesehen von einem<br />
württembergischen Intermezzo in der Mitte des 15. Jahrhunderts,<br />
seine Stellung als Herrschaftssitz und Zentralort einer kleinen<br />
Herrschaft letztlich bis in das beginnende 19. Jahrhundert zu<br />
bewahren.<br />
Noch deutlicher als in der Geschichte anderer Residenzstädte in<br />
der Region hängt bei Hettingen die Dynamik in der städtischen Ent-<br />
wicklung entscheidend von Impulsen und zumal dem Wohlstand