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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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der jeweiligen Ortsherren ab. Eine Glanzzeit in seiner langen Ge-<br />

schichte erlebt das Lauchertstädtchen nach dem Übergang der<br />

Herrschaft Gammertingen-Hettingen von Württemberg an die Herren<br />

von Bubenhofen, als um 1500 der in die Geschichtsbücher als<br />

„Goldener Ritter" eingegangene Hans Caspar von Bubenhofen Hettingen<br />

zu einer glanzvollen Residenz auszubauen versucht und insbesondere<br />

den qualitätsvollen Ausbau der Martinskirche zur Stiftskirche<br />

und Grablege seines Geschlechts betreibt. Der auf ihn<br />

zurückgehende Chor gehört zusammen mit der Taufkapelle in der<br />

Pfarrkirche bis heute zu den Meisterwerken der gotischen Baukunst<br />

im Landkreis Sigmaringen. Wie nahe Aufstieg und Niedergang<br />

zumal bei Adelsgeschlechtern beieinander hegen können, erleben<br />

die Hettinger Untertanen gerade bei diesem Stadtherrn, dessen<br />

sagenhafter Reichtum sich innerhalb kurzer Zeit durch eine<br />

der Zimmernschen Chronik zufolge unbändige Verschwendungssucht<br />

in eine ausweglose Verschuldung mit dem Verlust sämtlicher<br />

Besitzungen verwandelt. Aus der Konkursmasse des „Goldenen Ritters"<br />

gelangt die Herrschaft Gammertingen-Hettingen 1524 an Dietrich<br />

Speth von Zwiefalten, bei dessen Niederadelsgeschlecht das<br />

mittlere Laucherttal sodann 300 Jahre lang bis zur Mediatisierung<br />

der Reichsritterschaft 1806 und sodann dem Verkauf auch der verbliebenen<br />

Spethschen Feudalrechte und des Privatbesitzes samt<br />

Schloss 1827 an den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen verbleibt.<br />

Dominante Herrschaft und dörfliche Strukturen<br />

Hettingen wird nicht nur topographisch von seinem Schloss beherrscht,<br />

auch in den Quellen ist die städtische Siedlung mit ihren<br />

Bürgern bis in das Spätmittelalter neben der dominanten adhgen<br />

Herrschaft nur schwerlich zu fassen. Erst um die Mitte des 14.<br />

Jahrhunderts treten in den Quellen erstmals „Bürger" von Hettingen<br />

in Erscheinung, und ein kommunales Siegel begegnet erst um<br />

1463- Hettingen bleibt vom Mittelalter bis ins 19- Jahrhundert eine<br />

in der Forschung sogenannte „Minderstadt" mit eingeschränkter<br />

wirtschaftlicher Funktion und bescheidener kommunaler Selbstverwaltung.<br />

Wie nicht zuletzt auch die Themen der endlosen Auseinandersetzungen<br />

zwischen der Stadtgemeinde und ihren adhgen<br />

Stadtherren in der Frühen Neuzeit offenbaren, gleicht Hettingen in<br />

seiner Wirtschaftsverfassung und seinen Herrschaftsverhältnissen<br />

eher einer bäuerlichen Dorfgemeinde, die sich mit ihrer ritterschaftlichen<br />

Obrigkeit um die Leibherrschaft, um Frondienste, um<br />

Weide- und Waldnutzungsrechte, um die „Bannung" der Bewohner<br />

auf die herrschaftliche Mühle, Ziegelei und das Bräuhaus und damit<br />

die typischen Gegenstände der ländlichen Untertanenkonflikte<br />

streitet. Stadtluft macht die Bürger im Fall Hettingens nicht frei,<br />

vielmehr bleiben die hier lebenden Menschen letzthch vorwiegend<br />

landwirtschaftlich tätige und der ländlichen feudalen Unfreiheit<br />

unterworfene Untertanen, die sich von ihrer bäuerhchen Umgebung<br />

im Wesentlichen nur durch den Herrschaftssitz und die Stadtmauer<br />

unterscheiden. Der vom Mitschriftleiter der Jubiläumsschrift<br />

Wilfried Liener entworfene Buchtitel „Dorfleben hinter<br />

Stadtmauern" charakterisiert sehr treffend diese Verhältnisse Hettingens,<br />

die nur wenig mit der wirtschaftlichen Dynamik und bürgerschaftlich-kommunalen<br />

Freiheit und Autonomie anderer,<br />

reichsfreier, aber auch landsässiger Städte in der Region gemeinsam<br />

haben.<br />

Ihr kommunales Profil gewinnt die städtische Bürgergemeinde<br />

Hettingens in der Frühen Neuzeit in endlosen Auseinandersetzun-<br />

78<br />

gen mit den Freiherren Speth von Zwiefalten, die über Beschwerdeschriften<br />

und vor den Schiedsinstanzen des Ritterkantons Donau<br />

sowie des Bischofs von Konstanz als Lehensherrn der Herrschaft<br />

Hettingen ausgetragen werden. In der harten Bilanz betrachtet ist<br />

die Hettinger Bürgerschaft in diesen Konflikten letzthch nur wenig<br />

erfolgreich: Die Leibeigenschaft der Stadtbürger bleibt mit den damit<br />

verbundenen Abgaben und Freiheitsbeschränkungen bis zur<br />

Ablösung 1841 bestehen; die Fronverpflichtungen für die Herrschaft<br />

mit Transport-, Holzmacher-, Acker-, vor allem aber lange<br />

Zeit ungemessenen, d.h. nach Bedarf zu verrichtenden Bau- und<br />

Jagddiensten sind drückend und hegen deuthch über den Belastungen<br />

in den allermeisten Nachbarterritorien. Erst 1748 vermag<br />

man eine Einschränkung der Jagdfronen auf jährlich höchstens<br />

zehn Tage zu erreichen, und bei den ungehebten Baufronen für die<br />

herrschaftlichen Gebäude und Anlagen erringt man 1774 wenigstens<br />

einen kosmetischen Erfolg, als unter bischöflicher Vermittlung<br />

die von den Untertanen geforderten Arbeiten für die Anlegung<br />

eines repräsentativen Gartens am hinteren Schlossberg als freiwillige<br />

„Ehrenfron" ohne Schuldigkeit deklariert werden. Die kommunale<br />

Selbstverwaltung der Stadtgemeinde beschränkt sich im<br />

Wesenthchen auf den agrarisch-genossenschaftlichen Bereich sowie<br />

die auch in den Dörfern anzutreffende Tätigkeit des Ortsgerichts<br />

und wird in der Frühen Neuzeit, im Gefolge der auch von den<br />

Herren Speth betriebenen absolutistischen Herrschaftsintensivierung,<br />

weiter beschnitten. Im 17. Jahrhundert klagt die Stadtgemeinde,<br />

dass die Herrschaft die Einberufung des Ortsgerichts verhindere,<br />

im folgenden Jahrhundert über Eingriffe in die kommunale<br />

Bürgermeisterwahl, und bereits 1615 bezichtigen die Hettinger<br />

Bürger ihre Obrigkeit, sich das Stadtsiegel angeeignet und im<br />

Namen der Gemeinde damit Leibeigenschaftsurkunden und Besitzstände<br />

im Lagerbuch attestiert zu haben. Die kommunalen Spielräume<br />

der Hettinger Bürgerschaft und ihrer Stadtgemeinde bleiben<br />

gegenüber einer in jeder Beziehung dominierenden Herrschaft<br />

stets ausgesprochen bescheiden.<br />

Ungeachtet dieser mageren Erfolgsbilanz ist Alexander Sancho-<br />

Rauschel, dem Autor des Kapitels zur frühneuzeithchen Stadtgeschichte<br />

im Jubiläumsband, durchaus zuzustimmen, wenn er als<br />

Resultat und Folge der sich durch die ganze Frühe Neuzeit hinziehenden<br />

Untertanenkonflikte ein wachsendes kommunales Selbstbewusstsein<br />

der Hettinger Bürgerschaft konstatiert. Nicht zuletzt<br />

wird die Stadtgemeinde mit ihrer Konfliktführung gegen herrschaftliche<br />

Belastungen und Eingriffe zum Prozess- und sodann<br />

auch zum Vertragspartner der Obrigkeit, der mit dieser die Herrschaft-<br />

und Wirtschaftsverfassung der Stadt in mehreren Rezessen<br />

neu regelt und vereinbart. Das ungeachtet aller herrschaftlichen<br />

Beschränkungen wachsende kommunale Gewicht der Stadt zeigt<br />

sich im 17. und 18. Jahrhundert an einer stetig zunehmenden Zahl<br />

kommunaler Amtsträger und öffentlicher Gebäude: Neben den<br />

herrschaftlich besetzten Funktionen des Schultheißen, von Lehrer<br />

und -damit zumeist identischem - Mesner sowie den kommunalen<br />

Ämtern der Bürgermeister als Verwalter der Stadtkasse, des Gemeindebaumeisters<br />

und der Ortsrichter finden sich seit dem 17.<br />

Jahrhundert Stadtknecht, Schütz, Totengräber, Nachtwächter, Hirten,<br />

Wassermeister sowie Hebammen als Gemeindebedienstete.<br />

Der kommunale Gebäudepark umfasst im 18. Jahrhundert Waschhaus,<br />

Backhaus, Gemeindescheuer und bereits seit dem frühen 17.<br />

Jahrhundert ein Rathaus - letzteres bekanntlich der Hort der kommunalen<br />

Identität und Weisheit!

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