Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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meintlich erfassbaren Welt. Und mit der Spiegelung treffen Wirk-<br />
lichkeit und Schein aufeinander. Vielleicht das Faszinierendste<br />
überhaupt im Park, weil die Welt hier umgekehrt erscheinen darf,<br />
Ding und Werk unvermittelt doppelt auftauchen, in ihrer Dimension<br />
um das Doppelte gesteigert sind (Abb. 5), und in derselben<br />
horizontalen Ebene neben dem dunklen Grund plötzlich die Lichte<br />
des Himmels zu sehen ist und bisweilen die Naht zwischen Wirklichkeit<br />
und Schein entschwindet und nicht mehr zu erkennen ist,<br />
wo Reales ist und wo der Schein beginnt. Während Teile des Objekts<br />
vom Geäst und Laub der Bäume verdeckt werden, eröffnet das<br />
Spiegelbild den Bhck auf das, was dem direkten Bück entzogen ist<br />
(Abb. 6). Ist die Luft einmal unbewegt und lässt die Oberfläche des<br />
Wassers still daliegen, zeigt sich das Spiegelbild unverzerrt. Den<br />
Augenblick zu erhaschen, da dies der Fall ist, gilt es abzuwarten.<br />
Zeit und Geduld sind gefordert - wie so oft im Leben.<br />
Abb. 5: Blick über den Weiher auf die Felspartien im Sigmaringer<br />
Prinzengarten, deren Dimension durch die Spiegelung gesteigert<br />
wird. Foto: F.-S. Gäßler, März2007<br />
Auf den ersten Bück scheint der Prinzengarten nur ein aus wenigen<br />
Elementen geformter Ort der Ruhe und Erholung inmitten der<br />
Stadt zu sein. Doch wenn die Sinne aufmerksam die inszenierte Natur<br />
wahrnehmen, wird sein Wesen erlebbar. Auf äußerst subtile<br />
Weise ist mit Gegensatzpaaren die Vielfalt der Welt wohlgeordnet in<br />
Szene gesetzt. Bewusst wird das „sowohl als auch", das, was wir als<br />
Kontrast, als Gegensätzhches wahrnehmen, ins Werk integriert.<br />
Der Betrachter wird damit konfrontiert und neben dem Erlebnis<br />
vielleicht auch zur Reflektion angeregt. Wer sich öffnet, wird diese<br />
Welt erkennen - bisweilen bei innehaltendem Schritt und dann<br />
wieder in der Bewegung. Und wer sich selbst zu verändern vermag,<br />
kann das Werk als Kunstwerk bestehen lassen und vermag dessen<br />
Sinn zu erfassen. Die Freude an der Vielfalt der Schöpfung, die<br />
Fähigkeit zur feinfühligen, nuancenreichen und differenzierten<br />
Wahrnehmung sowie kunstvoll das Wesentliche zu ordnen ist in<br />
diesem Werk der Gartenkunst enthalten. Volle Wirkung wird das<br />
Werk jedoch nur dann entfalten, wenn es - im Gegensatz zur lärmenden<br />
Stadt - ein Ort der leisen Töne bleibt.<br />
Einst für eine privilegierte Minderheit als paradiesischer Mikrokosmos<br />
voller Poesie geschaffen gleichsam als Spiegel der<br />
menschhchen Fähigkeit zur Sinnlichkeit und Vernunft, zur Freude<br />
an der Schöpfung und dem spielerischen Umgang mit ihr, ist heute<br />
Vielen die Chance gegeben, sich auf dieses Kunstwerk und damit<br />
auch auf sich selbst einzulassen.<br />
54<br />
Abb. 6: Blick über den Weiher des Sigmaringer Prinzengartens<br />
in Richtung Schloss und Prinzenbau. Während Teile der Gebäude<br />
vom Geäst und Laub der Bäume verdeckt werden, eröffnet<br />
das Spiegelbild den Blick auf das, was dem direkten Blick<br />
entzogen ist. Foto: F.-S. Gäßler, April2007<br />
ANMERKUNGEN<br />
1 Der Beitrag entstand für die Führungen durch den Prinzengarten,<br />
die der Verfasser auf Einladung des Landesamts für<br />
Denkmalpflege und auf Initiative des Kreiskulturamts Sigmaringen<br />
leitete: anlässlich der Eröffnung des Tags des Denkmals,<br />
die am 9- September 2006 für Baden-Württemberg in<br />
Sigmaringen stattfand, im Rahmen des Begleitprogramms<br />
„Adel im Wandel" am 27. Juli 2006 sowie anlässlich des Tag<br />
des Denkmals am 10. September 2007.<br />
2 Der allgemeine Unterhalt des Parks obhegt seit der Öffnung<br />
des Prinzengartens für die Öffentlichkeit im Mai 1974 der<br />
Stadt Sigmaringen, der Unterhalt für die Gehölze, die Einfriedungen<br />
und den Weiher der Fürstüchen Hofkammer; frdl.<br />
Mitteilung der Stadt Sigmaringen vom 25. August 2006. Vor<br />
mehr als zehn Jahren verlor der Prinzengarten in seinem<br />
nördhchsten Teil Fläche seines Gartenparterres an ein Parkhaus,<br />
so dass sich nun hinter dem Alten Prinzenbau statt des<br />
Gartens Blech, Asphalt und Beton ausbreiten; vgl. Schwäbische<br />
Zeitung Nr. 287 vom 13. Dezember 1993- Am Ende des<br />
vergangenen Jahrhunderts hatte die Stadtverwaltung geplant,<br />
die östliche Hauptausfallstraße durch den Prinzengarten zu<br />
führen. Die Straße hätte den Garten nicht nur sinnwidrig geteilt<br />
und in seiner Gestalt stark beeinträchtigt, sondern ihn<br />
auch weitestgehend seiner Erholungsfunktion beraubt; vgl.<br />
Franz-Severin Gäßler: Der Ursprung des Sigmaringer Prin-