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„Leben und Arbeiten unter Zwang“ - Stiftung gegen Extremismus

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Vieh abtransportiert. Das Ziel ihrer unfreiwilligen Reise: Deutschland. An den<br />

Zielbahnhöfen suchten sich dann die deutschen Arbeitgeber ihrer Meinung<br />

nach arbeitsfähigsten <strong>und</strong> lukrativsten Männer <strong>und</strong> Frauen aus.<br />

Vieles ist tatsächlich grausam für die Fremd- <strong>und</strong> Gastarbeiter gewesen, vieles<br />

wurde tatsächlich von den Deutschen gemeldet, um Strafen <strong>und</strong> persönlichem<br />

Schmerz zu entgehen. Doch es gab auch mutige Menschen, die sich<br />

<strong>gegen</strong> das Gesetz stellten <strong>und</strong> sich für einen Funken Menschlichkeit <strong>gegen</strong>über<br />

den Fremden einsetzten.<br />

In Dithmarschen arbeiteten die Fremden vorwiegend in der Landwirtschaft,<br />

insgesamt ca. 2600 Menschen in den Landkreisen Norder- <strong>und</strong> Süderdithmarschen.<br />

Aber auch in einer Heider Spedition9 , die von einer jungen Frau<br />

geleitet wurde, arbeiteten Zwangsarbeiter. Sie war auf die Hilfe von außen angewiesen,<br />

da ihr Vater während des Krieges, aber nicht an Kriegsfolgen gestorben<br />

war. Durch Fristen von Terminen war sie in die Bredouille geraten <strong>und</strong><br />

konnte deswegen nicht auf die Zwangsarbeiter verzichten. Insgesamt hatten<br />

sie zwei fest angestellte Arbeiter aus Russland <strong>und</strong> eine schwankende Anzahl<br />

von Aushilfsarbeitern aus dem Ausland, überwiegend aus Russland. Ihre Berichte<br />

über das Verhältnis zu ihren Arbeitern schilderten ein gutes Miteinander<br />

auf einer fast fre<strong>und</strong>schaftlichen Basis.<br />

Um die Motivation zur Arbeit aufrechtzuerhalten, so die Zeitzeugin, hatte man<br />

nicht immer ganz nach dem Gesetz gehandelt. Dies war jedoch nur möglich,<br />

wenn man zusammenarbeitete. „Eine Hand wusch die andere“, so hieß es,<br />

<strong>und</strong> dies wurde der jungen Frau mit gleicher Münze zurückgezahlt. So standen<br />

die Zwangsarbeiter ihr in der schweren Zeit nach dem Tod ihres Vaters<br />

bei <strong>und</strong> bestanden sogar darauf, zur Beerdigung zu gehen. Und das, obwohl<br />

den Fremden jeglicher Besuch von öffentlichen Einrichtungen <strong>unter</strong>sagt war.<br />

Daran lässt sich sehen, dass die Arbeiter nur begrenzt am gesellschaftlichen<br />

Leben teilnehmen konnten. Dies wurde jedoch nur dadurch möglich gemacht,<br />

dass Kontrollen der Polizei selten bis gar nicht durchgeführt wurden.<br />

Auch wurde den Fremden in dieser Spedition der Nachgang von einigen Freizeitaktivitäten<br />

ermöglicht. So richteten sich die Arbeiter in einer ausrangierten<br />

Pferdebox eine Art Aufenthaltsraum für die Mittagspause ein. In dieser Pferdebox<br />

gingen die Arbeiter bekanntermaßen eigentlich illegalen Glücksspielen<br />

nach. Diese Glücksspiele wurden jedoch geduldet, man drückte „beide<br />

Augen zu“, um das gute Arbeitsverhältnis nicht zu zerstören. Den geringen<br />

Lohn, den die Arbeiter für ihre Arbeit erhielten, setzten sie dann in diesen<br />

Spielen, oder sie kauften sich Süßigkeiten, was ihnen eigentlich auch verboten<br />

war. Schließlich durften sie nicht ihren Arbeitsplatz verlassen.<br />

Nach Kriegsende wurde angeordnet, alle Fremdarbeiter zurückzuführen <strong>und</strong><br />

wieder in ihre Heimat zu ihren Familien zu transportieren. Der Abschied fiel,<br />

nach Aussage der Zeitzeugin, äußerst schwer. Das Verhältnis zwischen Ar-<br />

9 Interview: Fr. Rudat, November 2008<br />

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