„Leben und Arbeiten unter Zwang“ - Stiftung gegen Extremismus
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(Lohn wurde nicht bar ausgezahlt, sondern in Wertgutscheinen, mit denen<br />
man dann einkaufen/tauschen konnte). Die Lebensmittel, die man bekam,<br />
durfte man nicht selbst vom Feld nehmen, sondern mussten von Herrn Diener<br />
selbst gegeben werden. Herr Diener konnte den Leuten auch nicht sagen:<br />
„Kannst Du Dir vom Feld holen.“ Denn dies war verboten <strong>und</strong> wurde<br />
bei Nichtbeachtung mit Arrest bestraft. Auch war es den Zwangsarbeitern<br />
nicht erlaubt, Früchte (z. B. Kirschen) von öffentlichen Bäumen zu nehmen.<br />
Denn gerade die Kirschen sind Maria in guter Erinnerung. Sie konnte aber<br />
keine bekommen. Sie hatte auch zu viel Angst sie einfach zu nehmen, weil<br />
die Gefahr bestand, dass dies bestraft wurde, wenn jemand diesen Vorgang<br />
meldet (andere Deutsche). Auch bekamen die Frauen, die Babys <strong>und</strong> Kleinkinder<br />
hatten täglich einen 1 /2 Liter direkt gemolkene Milch <strong>und</strong> einen 1 /2 Liter<br />
Milch ohne Sahne extra zusätzlich zu dem Mehr an z. B. Kartoffeln die<br />
eine Frau mit Kind bekam. Auch durften die Kinder (Babys) mit zum Betrieb,<br />
was in dieser Zeit nicht selbstverständlich war. Insgesamt hatten 4 Frauen<br />
Babys bzw. Kleinkinder. Die Frauen hatten reihum Kinderdienst. Jede der<br />
Frauen war immer 1 Woche Kindergärtnerin <strong>und</strong> danach 3 Wochen <strong>Arbeiten</strong>,<br />
während die anderen Frauen Kinderdienst hatten. Auch fuhr Herr<br />
Diener die Frauen, wenn die Zeit der Niederkunft nahte, nach Marne zum<br />
Lazarett zur Entbindung <strong>und</strong> holte sie auch wieder ab. Dies war für die<br />
Frauen sehr wichtig, da im Lazarett russische Krankenschwestern arbeiteten,<br />
die auch polnisch sprachen. Maria sagt, dass es bei Diener so gut war,<br />
wie es in dieser Zeit hat sein können. Allerdings war dort ein Vorarbeiter beschäftigt,<br />
der nicht gut war. Dieser Mann war im 1. Weltkrieg von Polen<br />
nach D. gekommen. Er ist in D. geblieben <strong>und</strong> hat hier eine Familie mit einer<br />
deutschen Frau gehabt. Dieser Mann war sehr ungerecht. Er hat die Polen<br />
verspottet <strong>und</strong> beschimpft. Auch hat er die Polen geschubst <strong>und</strong> geschlagen.<br />
Da Maria <strong>und</strong> die anderen Polen aber bei Herrn Diener bleiben wollten,<br />
hat man dies nicht an Herrn Diener herangetragen. Lieber den ertragen, als<br />
von Schülp bei Diener fort!<br />
2. Gab es für Sie Gelegenheiten freizeitliche Aktivitäten zu <strong>unter</strong>nehmen?<br />
Freizeit gab es nur am Sonntag. Meist blieb man auf dem Betriebsgelände.<br />
Es war ohnehin nicht erlaubt, als Nicht-Deutscher sich selbstständig in der<br />
Öffentlichkeit aufzuhalten. Hier bei Diener durften die Männer das Betriebswerkzeug<br />
nutzen, um Sachen für den persönlichen Bedarf bearbeiten<br />
zu können. Auch haben die Männer sich oft das Fahrrad ausgeliehen. Am<br />
häufigsten blieb man aber <strong>unter</strong> sich, genoss die arbeitsfreie Zeit mit den<br />
anderen <strong>und</strong> den Kindern.<br />
3. Durften Sie öffentliche Gebäude betreten oder öffentliche Verkehrsmittel<br />
benutzen? Nein, Maria selbst war es auch nicht ganz klar, ob dies<br />
nun erlaubt war oder nicht. Man hat es einfach nicht getan, auch deshalb<br />
nicht, weil man Angst vor Bestrafung hatte <strong>und</strong> die Ungewissheit machte<br />
sein übriges. Sie hatten auch kaum die Möglichkeit zu fragen, da sie nicht<br />
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