„Leben und Arbeiten unter Zwang“ - Stiftung gegen Extremismus
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Außerdem hatte man Angst, dass die deutschen Kinder durch ihren Kontakt<br />
zu den Ausländerkindern auf ihrem Hof sich zu sehr an sie gewöhnen könnten<br />
<strong>und</strong> dass es für sie keine klare Trennung mehr zwischen der arischen Rasse<br />
<strong>und</strong> den anderen, minderwertigen Rassen geben könnte. 23<br />
Es gab auch die Befürchtung, dass die deutschen Kinder durch das Spielen<br />
mit den Kindern der Zwangsarbeiterinnen zum Beispiel polnisch erlernen<br />
könnten.<br />
Eine „Einschmelzung dieser fremdvölkischen <strong>und</strong> rassischen Bestandteile im<br />
deutschen Landvolk“ sollte durch die Errichtung der „Ausländerkinder-<br />
Pflegestätten“ vermieden werden. 24<br />
Trotzdem ist der Zweck dieser Einrichtungen umstritten. Einige Heimleiter<br />
haben sie als eine Art Konzentrationslager für Babys <strong>und</strong> Kleinkinder aufgefasst<br />
<strong>und</strong> die Kinder verhungern lassen, andere wiederum haben die<br />
Bezeichnung „Ausländerkinder-Pflegestätten“ sehr ernst genommen <strong>und</strong><br />
versucht, die Kinder zu neuen Arbeitskräften zu erziehen. Als Himmler im<br />
August 1943 nach dem Zweck der „Ausländerkinder-Pflegestätten“ befragt<br />
wurde, antwortete er:<br />
„Die augenblickliche Behandlung dieser Frage ist m.E. unmöglich. Es gibt hier<br />
nur ein Entweder-Oder. Entweder man will nicht, dass die Kinder am Leben<br />
bleiben, dann soll man sie nicht langsam verhungern lassen <strong>und</strong> durch diese<br />
Methode noch viele Liter Milch der allgemeinen Ernährung entziehen; es gibt<br />
dann Formen, dies ohne Quälerei <strong>und</strong> schmerzlos zu machen. Oder aber man<br />
beabsichtigt, die Kinder aufzuziehen, um sie später als Arbeitskräfte verwenden<br />
zu können. Dann muss man sie aber auch so ernähren, dass sie einmal im<br />
Arbeitseinsatz vollwertig sind.“ 25<br />
Der Aufbau der „Ausländerkinder-Pflegestätten“<br />
„Ausländerkinder-Pflegestätten“ wurden vor allem in leer stehenden Wohnhäusern,<br />
Scheunen, Schuppen, Baracken <strong>und</strong> Ställen errichtet. Neubauten<br />
wurden zu diesem Zweck nicht errichtet. In den „Ausländerkinder-Pflegestätten“<br />
sollte auf Luxus wie Badezimmer, Wickelkommoden <strong>und</strong> Kinderbettstellen<br />
aufgr<strong>und</strong> der hohen Kosten <strong>und</strong> aus Rücksicht auf die Stimmung der<br />
deutschen Bevölkerung, der derartige Einrichtungen für ihre Kinder nicht zur<br />
Verfügung standen, verzichtet werden. 26<br />
Ein gutes Beispiel für solch eine „Ausländerkinder-Pflegestätte“ stellt die<br />
„Ausländerkinder-Pflegestätte“ in Hohnsdorf/Elbe im Landkreis Lüneburg<br />
(Niedersachsen) dar. Sie entstand in einem Schuppen, welcher ursprünglich<br />
einen Lagerplatz für Maschinen <strong>und</strong> Dünger darstellte. Aus dem Schuppen<br />
23 Vgl. Köhler: „Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide“, 2004, S. 255<br />
24 Vgl. Köhler: „Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide“, 2004, S. 256<br />
25 Vgl. Köhler: „Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide“, 2004, S. 259, Zeile 8 – 15<br />
26 Vgl. Köhler: „Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide“, 2004, S. 257<br />
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