ZWEIRAD 2011-05.pdf (13,0 MB) - ZWEIRAD-online
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Unfallakte<br />
Die Fehler der Anderen<br />
Am 11. Juli des vergangenen<br />
Jahres, einem Sonntag, fährt<br />
ein 29-Jähriger aus dem Fichtelgebirge<br />
um 12.20 Uhr mit<br />
seiner zum Streetfi ghter umgebauten<br />
Honda CBR 900 RR auf<br />
der Staatsstraße 2180 von Röslau<br />
(Lkr. Wunsiedel) Richtung<br />
Rauschensteig.<br />
Gleichzeitig biegt ein mit<br />
einer vierköpfi gen Familie aus<br />
Nürnberg besetzter entgegenkommender<br />
Ford Galaxy an der<br />
Abzweigung Biberbach nach<br />
links ab.<br />
Der Motorradfahrer kollidiert<br />
nahezu ungebremst mit<br />
dem Pkw; der Fahrer wir über<br />
das Fahrzeug in eine Wiese<br />
geschleudert. Trotz ärztlicher<br />
Bemühungen und Einsatz des<br />
Rettungshubschraubers stirbt<br />
der Mann am späten Nachmittag<br />
im Bayreuther Klinikum.<br />
Die Aussagen des an die<br />
Unfallstelle gerufenen Gutachters<br />
ergeben von der Logik<br />
her zunächst wenig Sinn. Der<br />
Fahrer des Pkw verweigert als<br />
Beschuldigter berechtigterweise<br />
jede Aussage.<br />
Die Straße verläuft in diesem<br />
Bereich schnurgerade, am<br />
rechten Straßenrand sind teils<br />
hohe Büsche, die an diesem<br />
Sommertag teilweise Schatten<br />
auf die Fahrbahn werfen.<br />
Nach den Feststellungen des<br />
Gutachters brannte am Motorrad<br />
das Abblendlicht, dadurch<br />
müsste das Bike im Bereich der<br />
Schatten eigentlich gut erkennbar<br />
gewesen sein.<br />
Der Gutachter stellt weiterhin<br />
fest: Im Bereich der<br />
Einmündung ist die Geschwindigkeit<br />
auf 80 km/h beschränkt.<br />
Der Motorradfahrer soll nach<br />
seinen Berechnungen 120 km/<br />
h schnell gewesen sein.<br />
Unmittelbar vor dem Kollisionspunkt<br />
mit dem Pkw befi ndet<br />
sich eine Blockierspur, die<br />
8,70 Meter lang ist.<br />
Nach Feststellung des Gutachters<br />
ist der Motorradfahrer<br />
mit über 100 km/h, also nahezu<br />
ungebremst mit dem Auto kollidiert.<br />
Die große Aufprallwucht ist<br />
an dem deformierten Pkw gut<br />
erkennbar, den das Motorrad<br />
im Bereich der Windschutzscheibe<br />
und damit an der stabilsten<br />
Stelle der Fahrgastzelle<br />
im stumpfen Winkel seitlich<br />
getroffen hat.<br />
Eine weitere Feststellung des<br />
Gutachters: Als der Pkw mit<br />
dem Abbiegen begann, war das<br />
Motorrad noch zwischen 71<br />
und 102 Meter entfernt.<br />
Ist der Motorradfahrer mit<br />
120 km/h gefahren, dann hat er<br />
in der Sekunde 33 Meter zurückgelegt.<br />
Bei einem Abstand von<br />
angenommenen 90 Metern blieben<br />
ihm also knapp drei Sekunden,<br />
um die Gefahr zu erkennen<br />
und ein Brems- oder Ausweichmanöver<br />
einzuleiten.<br />
Andererseits hätten dem<br />
Pkw-Fahrer bei normaler Fahrweise<br />
die knapp drei Sekunden<br />
reichen müssen, um die Gegenfahrbahn<br />
zu überqueren.<br />
Die Tatsache, dass der Motorradfahrer<br />
mit einer extrem<br />
kurzen Bremsspur den Unfall<br />
zu verhindern suchte, lässt<br />
annehmen, dass er entweder<br />
viel schneller gefahren ist,<br />
oder bereits viel näher an dem<br />
abbiegenden Pkw dran war.<br />
Die Vermutung, dass der Pkw-<br />
Fahrer beim Abbiegen vielleicht<br />
seinen Motor abgewürgt<br />
hatte und damit zu einem nicht<br />
vorhersehbaren Hindernis für<br />
den Motorradfahrer geworden<br />
ist, kann nicht gelten. Denn der<br />
Pkw hat sich nach der Kollision<br />
noch weiter in seine Fahrtrichtung<br />
bewegt, wie der Versatz<br />
der Bremsspur zu den Schäden<br />
am Fahrzeug erkennen lassen.<br />
Was bleibt für Motorradfahrer<br />
als Erkenntnis aus diesem<br />
Unfall? Zunächst machen<br />
Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
auch auf geraden und<br />
Nur 8,70 Meter war die Bremsspur lang, dann kollidierte der Motorradfahrer<br />
mit dem Pkw, der nach links abgebogen war.<br />
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Fotos: Polizei<br />
Die neue<br />
NEWS 21<br />
übersichtlichen Straßen generell<br />
einen Sinn. In diesem Fall<br />
wäre die Kollision zumindest<br />
nicht so heftig ausgefallen.<br />
Wäre der Biker 80 km/h und<br />
damit 22 Meter pro Sekunde<br />
gefahren, reduziert sich auch<br />
die Strecke, die er während<br />
der Reaktionszeit zurücklegt,<br />
erheblich.<br />
Nächste Erkenntnis: Linksabbiegende<br />
Fahrzeuge stellen<br />
für Motorradfahrer immer eine<br />
potentielle Gefahr dar. Oft sagen<br />
die Pkw-Lenker hinterher aus,<br />
sie hätten „den Motorradfahrer<br />
gar nicht gesehen.“ Was mit der<br />
schmalen Silhouette des Bikers<br />
und der schicken schwarzen<br />
Motorradkleidung zusammenhängt.<br />
Und angesichts des eingeführten<br />
Tagfahrlichts beim<br />
Pkw schwindet auch die Signalwirkung<br />
des eingeschalteten<br />
Scheinwerfers bei Tag.<br />
Vielleicht hat aber in diesem<br />
Fall der Verunglückte auch nur<br />
auf den Tacho geschaut oder<br />
sich durch andere Dinge vom<br />
Blick auf die Fahrbahn ablenken<br />
lassen. Hat angenommen,<br />
der Linksabbieger würde<br />
schon stehen bleiben und ihn<br />
zuerst passieren lassen. Und<br />
hatte dann, als der Unfallgegner<br />
einen Fahrfehler beging,<br />
aufgrund der Überraschung<br />
und/oder vielleicht doch viel<br />
zu hohen Geschwindigkeit<br />
keine Chance mehr, den Unfall<br />
zu verhindern.<br />
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