B U N D E S T A G S W A H L 2 0 1 3Ambulante VersorgungEin weiteres drängendes Problem ist dersich abzeichnende Mangel von <strong>Ärzte</strong>nbesonders in strukturschwachen Regionen.Bisher haben zumeist die neuenBundesländer Schwierigkeiten, alle Landarztstellenzu besetzen. Das Problemkommt langsam aber auch in vielenRegionen in den alten Bundesländernan. Jede Partei kündigt deshalb an, dendrohenden <strong>Ärzte</strong>mangel bekämpfen zuwollen.Dabei setzen vor allem die SPD,CDU/CSU und die Grünen auf Hausärzte.Die Primärversorgung sei „das Rückgrateiner starken, wohnortnahen Versorgung“,heißt es beispielsweise imWahlprogramm der Sozialdemokraten,die „die flächendeckende hausarztzentrierteVersorgung sowie die Vernetzungzwischen Leistungserbringern der verschiedenenGesundheitsberufe stärken“.Auch Grüne wollen eine Primärversorgungfördern, in deren RahmenHausärzte und andere Gesundheitsberufeauf Augenhöhe arbeiten, u.a. durchAnpassung des Vergütungssystems fürdie Primärversorgung und Stärkung desHausarztmodells.Die Christdemokraten kündigen inihrem Programm ebenfalls an, angesichtsder wachsenden Zahl älterer Menschenund der Probleme der ärztlichenVersorgung in ländlichen Gebieten dieAttraktivität des Hausarztberufs steigernzu wollen.Neben der Stärkung des Hausarztes willdie SPD die integrierte Versorgung fürmultimorbide und chronisch krankeMenschen zur Regel machen sowie denambulanten und stationären Sektorenger miteinander verzahnen: „Wir werdendie integrierte Versorgung mit innovativenMobilitäts- und Telemedizinkonzeptenverknüpfen.“ Auch andere Parteienkündigen in ihren Wahlprogrammenan, bei der Verzahnung der medizinischenVersorgung verstärkt auf Telemedizinzu setzen.Prävention stärkenÜber alle Wahlprogramme hinwegbekennen sich die Parteien dazu, Präventionund Rehabilitation fördern zu wollen.Die meisten sehen Prävention alsgesamtgesellschaftliche Aufgabe an,nehmen aber auch den Einzelnen in dieVerantwortung für die eigene Gesundheit.Den größten Erfolg in der Präventionversprechen sich die Parteien von derStärkung der Gesundheitskompetenzenund gezielten Maßnahmen innerhalbBundesärztekammerzur Finanzierung derKrankenversicherung<strong>Ärzte</strong>tag plädiert für festen„Gesundheitsbeitrag“Die künftige Finanzierung des Gesundheitssystemswar eines der Top-Themenauf dem 116. Deutschen <strong>Ärzte</strong>tagin Hannover. Die Bundesärztekammerhat dazu ein Reformkonzept erarbeitet,das feste, einkommensunabhängigeBeiträge statt des bisherigen prozentualenKassenbeitrags für die Versichertenvorsieht. Die vorgelegteReformskizze haben die Delegiertenmit großer Mehrheit beschlossen.Darin plädiert die <strong>Ärzte</strong>schaft dafür,die Finanzautonomie der gesetzlichenKrankenkassen wiederherzustellen.Hierfür soll der derzeitige Versichertenanteilzu einem festen, einkommensunabhängigenund von den Kassenautonom festzulegenden „Gesundheitsbeitrag“weiterentwickelt werden.Der Beitrag wird zudem unabhängigvon Alter, Geschlecht und Vorerkrankungenerhoben. Nach den Berechnungendes gesundheitsökonomischenBeirats der BÄK würde er zwischen 135und 170 Euro monatlich betragen.des Wohnumfelds, der Arbeitswelt undin der Bildung und Ausbildung.Mit einem „umfassenden PräventionsundGesundheitsförderungsgesetz“ wollendie Sozialdemokraten in der nächstenLegislaturperiode eine wirksamePräventionsstrategie umsetzen. „Dazugehört eine Erhöhung der Ausgaben fürPrävention und eine Steuerung gemeinsamerMaßnahmen von Ländern, Kommunenund allen Sozialversicherungsträgernauf der Ebene der Länder“, heißtes im Wahlprogramm.Um eine zu hohe Belastung von beitragspflichtigenVersicherten mit niedrigenEinkommen zu verhindern, sollder Gesundheitsbeitrag, den der einzelneVersicherte zahlen muss,auf eine Belastungsgrenze von einemmaximalen beitragspflichtigen Anteilvon neun Prozent des gesamten Haushaltseinkommensbeschränkt werden.Um Sicherheit bei der Kalkulation derLohnnebenkosten zu gewährleisten,wird an dem bereits jetzt auf 7,3 Prozentfestgeschriebenen Arbeitgeberanteilfestgehalten. Aus dem aus Arbeitgeberbeiträgen,Zuweisungen dergesetzlichen Rentenversicherung andie Krankenkassen sowie aus Steuermittelngespeisten Gesundheitsfondssollen künftig der Sozialausgleichsowie Aufwendungen für die ebenfallsneu zu konzipierende Familienmitversicherungfinanziert werden. Zudemschlägt die BÄK vor, für jedes inDeutschland geborene Kind einGesundheitssparkonto einzurichten,das als kapitalgedecktes Ansparprogrammdie finanziellen Folgen derzukünftigen demografischen Entwicklungabfedern soll.Der <strong>Ärzte</strong>tag sprach sich darüber hinausnachdrücklich für den Erhalt desNebeneinanders von gesetzlicher Krankenversicherung(GKV) und privaterKrankenversicherung (PKV) aus. Diefederführend von der SPD und Bündnis90/Die Grünen geplante Einführungeiner Bürgerversicherung lehnten dieDelegierten ab.BERLINER ÄRZTE 9/2013 S. 19B E R L I N E R Ä R Z T E 9/2013 S. 19
T I T E L T H E M ADie SPD fordert außerdem, der Präventionin der Aus- und Fortbildung medizinischerund Gesundheitsberufe einenhöheren Stellenwert beizumessen.Auch Grüne wollen ein Präventionsgesetzdurchsetzen, das auf wohnortnaheAngebote setzt. Eingebettet im “MasterplanUmwelt und Gesundheit” sollenaußerdem gesundheitsschädlicheUmweltfaktoren bekämpft werden.Nach Plänen der LINKEN sollen Präventionund Gesundheitsförderung zu einervorrangigen Aufgabe gemacht werden.Entsprechend sollen Projekte, die Therapie,Selbsthilfe, Sozialberatung, Rehabilitationund Reintegration im Fokushaben, verstärkt gefördert werden.Die FDP konzentriert sich beim ThemaPrävention vor allem auf die Bereicheder Infektionskrankheiten (wie zumBeispiel HIV), psychische Erkrankungensowie Fehl- und Mangelernährung. Beidieser Aufgabe sieht die Partei Kommunen,Krankenkassen, Gesundheitsberufe,Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichenGesundheitsvorsorge und dieBundeszentrale für gesundheitlicheAufklärung gefordert.Was bringen die Pläne?Welche ökonomischen Auswirkungendie Wahlversprechen von Union, SPD &Co. zur Folge haben, hat das arbeitgebernaheInstitut der Deutschen Wirtschaft(IW) analysiert. In der Anfang Julivorgelegten Analyse geht es im Kern umdie Frage: „Was bringen und was kostendie Pläne der Parteien?“Dabei fällt das Urteil des Instituts insgesamtalles andere als positiv aus: „Ausökonomischer Perspektive sind dieWahlprogramme mal ein mehr, mal einweniger großes Desaster“, resümiert derIW-Direktor Michael Hüther.Kritisch bewertete das Institut, dass dieRegierungsparteien eher vage bleiben,„die Wähler [könnten sich] kaum einrichtiges Bild davon machen, welchefinanziellen Belastungen tatsächlich aufsie zukommen“.GKV-Spitzenverbandzur Finanzierungder gesetzlichenKrankenversicherungKassen fordern neue Honorarreform für <strong>Ärzte</strong>Bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sieht der GKV-Spitzenverband eine strukturelle Einnahmelücke, die nur durch eine nachhaltigeFinanzierungsreform geschlossen werden kann. Notwendig seiendafür „Strukturreformen auf der Ausgabenseite“: Jährliche Ausgaben derKrankenkassen müssten „mit der Einnahmeentwicklung in Einklang“gebracht werden.In seinem Positionspapier „Zukunftsmodell gesetzliche Krankenversicherung“fordert der GKV-Spitzenverband deshalb eine erneute Honorarreformder <strong>Ärzte</strong>. Darin sollen mehr Anreize für einen effektiven und effizientenRessourceneinsatz verankert werden. „Dazu muss die dem Vergütungssystemzugrunde liegende Gebührenordnung grundsätzlich patientenorientiertgestaltet werden“, d.h. beispielsweise auch, die sprechendeMedizin besser zu honorieren, heißt es in dem Positionspapier.Dies solle allerdings ohne zusätzliche finanzielle Belastung der Beitragszahlergeschehen, indem ein „Missverhältnis in der Honorierung zwischensprechender Medizin und apparativer Diagnostik“ abgebaut werde. Wichtigsei außerdem, mit dem neuen Honorarsystem die hausärztliche Versorgungzu stärken.Darüber hinaus soll es nach dem Willen des GKV-Spitzenverbandes in dernächsten Legislaturperiode eine Reform der derzeitigen Versorgungsstrukturbei Kliniken geben. Es werde eine Krankenhausstruktur benötigt, dieeine flächendeckende Akutversorgung sicherstellt. Gleichzeitig müssten inspezialisierten Kliniken weitergehende und planbare Behandlungenermöglicht werden.Der Spitzenverband fordert außerdem, dass Krankenkassen für ein definiertesSpektrum von planbaren Krankenhausleistungen Direktverträgemit solchen Krankenhäusern abschließen können, die hohe Qualitätsstandardszu angemessenen Preisen bieten.Das gilt auch für die Abschnitte derWahlprogramme, in denen es um dasGesundheitssystem geht. Auch wenndas Institut die Pläne der Oppositionsparteienaus ökonomischer und sozialpolitischerSicht weitgehend für ungeeignethält, „dem Grundproblem entgegenzu steuern“, zeige vor allem dieSPD „wenigstens klare Kante“, so dieBewertung des IW. Ganz gleich, werdie Bundestagswahl gewinnt, die Aufgabe,ein gerechtes und solide finanziertesGesundheitswesen zu schaffen,wird mit Sicherheit weiterhin eine dergrößten Herausforderungen der kommendenJahre bleiben.Verfasserin:Eugenie AnkowitschMedizinjournalistinBERLINER ÄRZTE 9/2013 S. 20B E R L I N E R Ä R Z T E 9/2013 S.20