B E R U F S - U N D G E S U N D H E I T S P O L I T I Kbedarfs für die Kassenärztliche Vereinigungpassiert im zweiten Schritt.Deren Grundlagen sind:a. Veränderungen insbesondere bei derZahl der Versichertenb. eine Veränderung des Leistungsumfangsc. Verlagerungen zwischen stationäremund ambulanten Sektord. Veränderungen bei der Ausschöpfungder Wirtschaftlichkeitsreservene. Veränderungen der Morbiditätsstrukturder VersichertenDabei nimmt die Beurteilung zur Veränderung der Morbiditätsstruktur der Ver -si cher ten einen besonderen Stellenwertein. Das Institut des Bewertungsausschussesverwendet hier ein auf diedeutschen Verhältnisse angepasstesModell eines Klassifikationsverfahrens.Für jede der 17 Kassen ärztlichen Vereinigungenerrechnet das Institut desBewertungsaus schusses zwei Veränderungsraten.Eine Rate basiert imWesentlichen auf Behandlungs diagnosenund die zweite Rate auf demografischenKriterien wie Alter undGeschlecht. In den jeweiligen KV-Regionen haben dann die Vertragspartnerdie beiden Raten zu gewichtenund eine Veränderungsrate zu vereinbaren.Auch für die Verteilung der Gelderaus dem Gesundheitsfonds wird dasKlassifikationsmodell der Firma DxCGeingesetzt. Die Anpassungen undWeiter entwicklungen in den beidenBereichen <strong>Ärzte</strong>vergütung und Morbi-RSA erfolgen aber unabhängig voneinander.Die Vertei-lungssystematik desFonds als einzige Finanzierungsquelleder Kassen und die Vergütungs systematikfür die <strong>Ärzte</strong> folgen noch nichtden gleichen Rahmenbe din gun gen.Die Messung der Morbidität erfolgtnach unterschiedlichen Messkriterienund führt somit zu Verzerrungen imWett bewerb zu Lasten von kranken undalten Menschen.Fazit: Nein, eine morbiditätsorientierteGesamtvergütung und der Morbi-RSApassen noch nicht zusammen. EineWeiterentwicklung des Morbi-RSA zuGunsten der höheren Berücksichtigungvon Morbidität wäre die adäquateLösung. Dann erhalten die Krankenkassenmit hohen Behandlungsbedarfenauch die notwendigen Finanzmittel ausdem Gesund heitsfonds. Und könnten inder Folge in ein umfassendes Versorgungsmanage ment investieren.Verfasser:Achim KolanoskVorstands vorsitzender Deutsche BKK,WolfsburgANZEIGEBER L INER Ä R Z T E 9/2013 S. 27
B E R U F S - U N D G E S U N D H E I T S P O L I T I KTeam-Fortbildung in der Praxis –ein BeispielEinst hieß sie „Sprechstundenhilfe“, dann „Arzthelferin“, 2006 wurde sie zur „Medizinischen Fachangestellten (MFA)“. Diesen Namen verdienten wegen ihrer anspruchvollenTätigkeit viele schon vorher. „Die MFA ist nicht mehr Helferin, sie ist die qualifizierteund selbstständige Mitarbeiterin in einer Arztpraxis“, las man im Deutschen<strong>Ärzte</strong>blatt (43/2008, S. A 2263). Haben Sie Ihre Angestellten zu Ihrer wirksamenEntlastung systematisch zu Mitgliedern eines gut eingespielten Teams entwickelt?Wie bilden Sie dieses Team eigentlich fort? Gibt’s da einen Erfahrungsausch unterPraxisärzten? Wir stellen hier eine praxisinterne Fortbildung exemplarisch vor.Mittagspause in der Hausarztpraxis.Das Wartezimmer ist trotzdemnicht leer. Erstens sitzt da immer einMuttchen mit der Handtasche auf demSchoß, auf das jeder Neuling erstmal hereinfällt,ehe er merkt, dass es die veristischePlastik einer Patientin ist. Undzweitens sitzt da heute eine kleineKaffeerunde des Praxisteams, wie regelmäßigalle vier Wochen. Aber es gibt nichtbloß Kaffee und Gebäck, es gibt vor allemFortbildung.Bevor Dr. Jürgen Skörde, Internist mitHausarztfunktion, oder eine seiner vierDr. Skörde und sein gut fortgebildetes Team.Bevor Dr. Jürgen Skörde, Internist mitHausarztfunktion, oder eine seiner vierFachangestellten (darunter seine Frau)zum Thema des Tages spricht, informiertder Chef erst einmal über besonderePatienten. Denn, so Skörde, „jeder in derPraxis soll über jeden Patienten Bescheidwissen“. Und jeder Patient muss ernst ge-nommen werden, auch wenn er – odereher sie – seit zwanzig Jahren vom Sterbenspricht und munter weiterlebt. Aber kürzlichwurde so jemand, nämlich Frau B.,mehrmals ohnmächtig.Bei Herrn A. wurde ein Pankreaskopf-Karzinom festgestellt, berichtet der Arztweiter. „Man muss ihn im Auge behalten.Zwar schien er die Diagnose ungerührt zurKenntnis zu nehmen, aber vielleicht ist erdann zu Hause zusammengebrochen.“Besonders berührt waren alle von derKrankengeschichte der jungen Frau, diewegen eines kleinen Infekts und mitKopfschmerzen in die Praxis gekommenwar und vorher drei, vier Tabletten ASS proTag genommen hatte. „Tabletten versaueneinem die Anamnese“, sagt der Doktor,und die „Blutverdünnung durch ASS hältzehn Tage an“. Sie setzte es auf seine ärztlicheAnweisung ab. Am nächsten Tag warder Kopfschmerz trotzdem etwas besser,aber beim Gehen fiel eine kleine Abweichungnach rechts auf. Das CT ergab eineHirnblutung, die Radiologin schickte diePatientin aber weg und rief nur in derHausarztpraxis an. Dort legte man derjungen Frau dringend nahe, sich sofort ineine bestimmte Klinik mit Stroke Unit zubegeben.„In solchen Fällen muss man sich kümmernund unbedingt nachhaken“, sagt derPraxischef. Das war auch hier nötig: EinAnruf im Krankenhaus zeigte, dass diePatientin dort nie angekommen war. EinAnruf bei ihr zu Hause: Es war Freitag, undsie hatte lieber bis Montag warten wollen– mit einer Hirnblutung!Fachangestellte bildetKolleginnen fortNach den Patientenbesprechungen leitetder Chef zum Fortbildungsthema„Wunden“ über. Im Ernstfall Sache derChirurgen, der Hausarzt muss da, wie immer,seine Grenzen kennen. Eine derFachangestellten – sie sind hier wirklichmehr als nur „Helferinnen“ – demonstriertspezielle Pflaster und Kompressen fürchronische Wunden und ihre verschiedenenWirkungsweisen, je nach Zustand derWunde und der Phase ihrer Heilung. Fürinfizierte Wunden zum Beispiel gibt esAuflagen aus Polyurethanschaum, der antimikrobiellwirkendes Polyhexamid enthält.Manche Pflaster saugen das Sekretauf, hydrokolloide Auflagen wiederum befeuchtentrockene Wunden. „Nicht zu oftden Verband wechseln“, warnt Skörde,„aber man muss die Wunde kontrollieren“.Dafür gibt es transparente Auflagen.Andere Schwerpunktthemen dieser praxisinternen,stets protokolliertenFortbildung waren zum Beispiel:„Reisethrombose“ („die Leute wollen immerHeparin“, sagt Skörde, „das ist abernur für Hochrisikopatienten indiziert undkann schwere Nebenwirkungen haben“).Oder COPD, Darmkeime, Impfungen, bestimmteArzneimittel wie etwa ACE-Hemmer als Mittel der Wahl („AT1-Blockerbekommen wegen des hohen Preises nurdie ACE-Huster“, erklärt der Doktor).Besonders wichtig: Notfälle in der Praxis,d.h. Organisatorisches und Erste-Hilfe-Maßnahmen. Und wann 112 wählen? Beihypertensiven Krisen, plötzlichem Herzschmerz(Infarkt?), akuter Luftnot (Statusasthmaticus?), plötzlicher Bewusstlosigkeit,Zeichen eines anaphylaktischenSchocks oder eines Schlagsanfalls – dasweiß jetzt das ganze Praxisteam.Alle sollen alles könnenund ihre Grenzen kennenWas in dieser Praxis auffällt, ist die „flacheHierarchie“. Spürbar herrscht hier einKlima, in dem niemand Angst hat, Fragenzu stellen oder auch Fehler einzugestehen.Und alle sollen alles können, damit Sicherheitauch in der Urlaubszeit herrscht.BERLINER ÄRZTE 9/2013 S. 28