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2. „Ich höre was, was du nicht hörst!“

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Ich <strong>höre</strong> <strong>was</strong>,<strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong> !Entwicklung einer Methode als Einstiegsmöglichkeit in die rezeptiveGruppenmusiktherapie im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung in derErwachsenenpsychiatrie ausgehend von <strong>du</strong>rch Patienten ausgewählte, textrelevanteRock- und PopmusikDiplomarbeit MusiktherapieMatthias HübnerMai 2003Conservatorium Saxion Hogeschool EnschedePDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Musik ist die Melodie,zu der die Welt der Text ist.Arthur SchopenhauerPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Abstract:Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Entwicklung einer rezeptiven Einstiegsmethodein die Musiktherapie innerhalb der psychotherapeutischen Behandlung in derErwachsenenpsychiatrie. Grundlage der Methode ist eine Zusammenführung bereitsbestehender rezeptiver Ansätze, das Modell des „Interpersonalen Lernens<strong>“</strong>, sowie derVersuch der Abgrenzung von Rock- und Popmusik und deren textliche Bedeutung.Patienten bringen anhand eines vorgegebenen Arbeitsauftrags ihre „eigene<strong>“</strong> Musik mitin die Therapie. Die Methode wird anhand von Songbeispielen verdeutlicht.Alle nötigen Hilfsmittel sind in der Anlage und auf einer CD der Arbeit beigefügt.Abstract:The centre of attention in this thesis is the development of an intro<strong>du</strong>ctory method intomusic therapy within the psychotherapeutic treatment in a<strong>du</strong>lt psychiatry. The basis ofthe method is to bring together already existing receptive approaches, the model of<strong>“</strong>interpersonal learning” as well as the attempt to disassociate the terms <strong>“</strong>rock” and<strong>“</strong>pop” music and their textual meaning.Patients bring, on the basis of a given task, their <strong>“</strong>own” music into music therapy. Thismethod is then to be applied to various songs.The material necessary regarding the concrete realization is enclosed on a CD at theend of this thesis.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com3


InhaltVORWORT.................................................................................................................5EINLEITUNG.............................................................................................................71. DEFINITIONEN UND BEGRIFFSERKLÄRUNGEN .........................................91.1. Gruppentherapie in der Erwachsenenpsychiatrie.............................................91.<strong>2.</strong> Rezeptive Musiktherapie.................................................................................. 121.<strong>2.</strong>1. Rezeptive Musiktherapie nach Schwabe ........................................................ 121.<strong>2.</strong>1.1. Regulative Musiktherapie (RMT)............................................................ 121.<strong>2.</strong>1.<strong>2.</strong> Dynamisch orientierte rezeptive Gruppenmusiktherapie.......................... 131.<strong>2.</strong>1.3. Reaktive Gruppenmusiktherapie (RGM) ................................................. 141.<strong>2.</strong><strong>2.</strong> Andere Formen rezeptiver Musiktherapie ...................................................... 151.<strong>2.</strong><strong>2.</strong>1. Rezeptive Musiktherapie als Psychotherapie...........................................151.<strong>2.</strong><strong>2.</strong><strong>2.</strong> Rezeptive Musiktherapie als Mittel der Observation ............................... 151.3. Rock- und Popmusik ........................................................................................ 161.3.1 Was ist Rockmusik? ....................................................................................... 171.3.<strong>2.</strong> Was ist Popmusik?......................................................................................... 181.4. Die Bedeutung von Texten in der Rock- und Popmusik .................................201.4.1. Die Musik steht im Vordergrund....................................................................201.4.<strong>2.</strong> Wenn der Text im Vordergrund steht............................................................. 211.5. Grundlage der zu entwickelnden Methode...................................................... 221.5.1. Vorstellung der „handleiding mo<strong>du</strong>le-ontwikkeling voor creative therapie<strong>“</strong>...221.5.<strong>2.</strong> Wichtige Begriffe und Zusammenhänge ........................................................ 231.5.3. Checkliste......................................................................................................24<strong>2.</strong> „ICH HÖRE WAS, WAS DU NICHT HÖRST!<strong>“</strong> DIE ENTWICKLUNG EINEREINSTIEGSMETHODE IN DIE MUSIKTHERAPIE............................................26<strong>2.</strong>1. Allgemeines .......................................................................................................26<strong>2.</strong><strong>2.</strong> Die Zielgruppe ..................................................................................................27<strong>2.</strong>3. Indikation / Kontraindikation / Aufnahme ..................................................... 28<strong>2.</strong>4. Behandlungskonzept......................................................................................... 29<strong>2.</strong>5. Behandlungsziele .............................................................................................. 33<strong>2.</strong>6. Durchführung ...................................................................................................35<strong>2.</strong>7. Behandlungsphasen .......................................................................................... 38<strong>2.</strong>8. Zwischenbilanz / Fazit / Besondere Schwierigkeiten.......................................393. UMSETZUNG IN DIE THERAPEUTISCHE PRAXIS ANHAND HÄUFIGAUSGEWÄHLTER MUSIKSTÜCKE ....................................................................413.1. Schwerpunkt Text: „Lieber als hier<strong>“</strong>, Gruppe: Flowerpornoes..................... 413.<strong>2.</strong> Schwerpunkt Musik: „Shine<strong>“</strong> von Vanessa Amorosi......................................433.3. Widerspruch Text Musik: „Hardcore<strong>“</strong>, Gruppe: Knorkator ................443.4. Fazit................................................................................................................... 454. SCHLUSSFOLGERUNG ..................................................................................... 47LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ................................................... 50ANHANG .................................................................................................................. 51PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com4


VorwortWährend meiner studienbegleitenden Praktika in der Westfälischen Klinik fürPsychiatrie und Psychotherapie in Münster und im St. Rochus-Hospital Telgte, Klinikfür Psychiatrie und Psychotherapie, konnte ich erste Erfahrungen für den Beruf desMusiktherapeuten sammeln. Dabei wurde mir zum einen mein Arbeits- undInteressenschwerpunkt im Bereich Psychotherapie mit Gruppen bewusst, zum anderenwurde mir aber auch deutlich, dass ich die Arbeitsweise, für die ich mich entschiedenhabe, sowohl methodisch, als auch wissenschaftlich fundieren muss, um diese für meineweitere berufliche Zukunft effektiv nutzbar zu machen.Die Therapiegruppen, mit denen ich während dieser Zeit betraut war, waren„Mischgruppen<strong>“</strong>, <strong>was</strong> bedeutet, dass <strong>nicht</strong> alle Patienten 1die gleichen Probleme,Krankheiten und Symptome aufwiesen. Die Gruppen setzten sich sowohl aus Patientenmit Essstörungen aller Art als auch mit Patienten des Borderline-Syndroms undvereinzelt aus spielsüchtigen Patienten zusammen. Gruppenziel war häufig, indivi<strong>du</strong>elleTherapieziele zu erarbeiten und auf die Musiktherapie zu übertragen. Die Patientenhalfen sich dabei gegenseitig im gruppentherapeutischen Prozess; sie boten einanderUnterstützung, Beruhigung, Vorschläge und Einsichten an und teilten es einander mit,wenn sie ähnliche Probleme hatten. Ich konnte beobachten, dass PatientenBemerkungen anderer Gruppenmitglieder häufig mit größerer Bereitschaft annahmenals die des Therapeuten. Im Gegensatz zu diesem, der doch oft als bezahlter Expertebetrachtet wurde, repräsentierten die anderen Gruppenmitglieder die wirkliche Welt:von ihnen konnten die Patienten häufig spontane und aufrichtige Reaktionen undRückmel<strong>du</strong>ngen erwarten. Aus diesem Grunde wurde innerhalb dieser Gruppen nebender Therapeut-Patient-Beziehung daher viel Wert auf Interaktion in der Gruppe gelegt.Während der Sessions machte ich die grundlegende Erfahrung, dass Musiktherapie fürviele Patienten eine bis dato unbekannte Therapieform war. Zunächst galt es deshalb,die Patienten mit dieser Therapieform vertraut zu machen. Dabei sollten die eigenenErfahrungen der Patienten mit dem Medium Musik mit in die Therapie einfließen; Esgalt also „die Patienten dort abholen, wo sie stehen<strong>“</strong>. Aus meiner Erfahrung sind die1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die Formen Therapeutin und/oderTherapeut, Patientin und/oder Patient verzichtet und <strong>du</strong>rch die männliche Form Therapeut und Patientersetzt. Selbstverständlich soll <strong>du</strong>rch diese Art der Benutzung immer auch die weibliche Form miteingeschlossen sein.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


wenigsten Patienten, die in die Musiktherapie kommen, Musiker oder spielen einInstrument. Jeder von ihnen begegnet der Musik jedoch in irgendeiner Form imtäglichen Leben. Daher bietet sich der Einstieg in die Musiktherapie mit einerrezeptiven Methode gerade zu an. Patienten erhalten hierbei die Möglichkeit, vor demHintergrund der eigenen Hörgewohnheiten, diese zu erforschen und zu hinterfragen,bevor das aktive „Musizieren<strong>“</strong> in den Mittelpunkt rückt.Insbesondere der Einstieg mit einer rezeptiven Methode bietet meiner Meinung nach fürden Patienten die nötige Sicherheit, um das Therapiemedium zu erforschen und ersteRegeln der Zusammenarbeit zu erlernen. Rezeptive Musiktherapie gibt dem Patienteneine Form der Sicherheit, in der die Möglichkeit besteht, eine bereits existierende und<strong>nicht</strong> die improvisierte Musik für sich sprechen zu lassen.An dieser Stelle möchte ich Niek van Nieuwehuijzen danken, der mir beim Schreibendieser Arbeit immer wieder mit spannenden Diskussionen hilfreich zur Seite stand.Mein Dank geht auch an meine Freundin Sigrun, meine Band Cluff Key und alleanderen Freunde, die in den letzten Monaten immer Zeit für einen prüfenden Blick aufmich und meine Arbeit hatten.Ein besonderer Dank gilt Dirk Reimann für die treffende Illustration des Titelblatts.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com6


EinleitungRezeptive Musiktherapie hat in den letzten Jahrzehnten eher im Schatten der aktivenMusiktherapie gestanden. Dies liegt unter anderem daran, dass viele Musiktherapeutendie musikalische Improvisation als das musiktherapeutische Mittel schlechthin ansehen(Smeijsters 1999, S. 138 ff). Doch gerade die rezeptive Musiktherapie ist in diesemZusammenhang <strong>nicht</strong> zu vernachlässigen, <strong>was</strong> es im Zuge dieser Arbeit zu untermauerngilt; denn Musik (im Sinne der Aufnahme / Konfrontation mit der Musik anderer) istTeil des Alltags fast jedes Menschen unserer Zivilisation. Musik ist omnipräsent. DieseTatsache wird von vielen Menschen <strong>nicht</strong> wahrgenommen, jedoch trägt Musik <strong>nicht</strong> fürjeden Menschen die gleiche Bedeutung. Durch Musik können Stimmungen ausgedrücktwerden, die gerade vorherrschend sind, und sie vermag es, diese zu verändern oder<strong>du</strong>rch einen Text genau das auszudrücken, <strong>was</strong> für den Hörer in seiner indivi<strong>du</strong>ellenSituation von Bedeutung ist. Übertragen auf die Therapiesituation heißt dies, dassBelange der Musiktherapie aus der eigenen, häufig gehörten Musik und aus denbestehenden eigenen Hörgewohnheiten heraus, angesprochen und aufgearbeitet werdenkönnen. Die so hergestellte Verbin<strong>du</strong>ng zum aktuellen Lebenskonzept stellt daher einegrundlegende Motivation der Musiktherapie dar, die es auf ihre Umsetzbarkeit auftherapeutische Gruppenprozesse hin zu überprüfen gilt.Diese Arbeit untersucht bzw. ergänzt die bestehenden Möglichkeiten und Methoden derrezeptiven Musiktherapie in der Art, dass, basierend auf von Patienten mitgebrachterMusik, eine rezeptive Methode entsteht. Es werden Standardsituationen behandelt, diein der Musiktherapie auftreten. Zudem werden Möglichkeiten aufgezeigt, mit gezielterAuswahl textrelevanter Musik Themen zu verbalisieren und damit den weiterenBehandlungsprozess zu fördern.Die gewählte Musik soll dabei stets an die Lebenswirklichkeit der Patienten anschließenund eine Ausdruckshilfe darstellen. Aus dieser Grundüberlegung heraus entwickle ichdie folgende Methode. Die erhebt keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit, sondernbietet vielmehr einen möglichen Einstieg in die Musiktherapie.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com7


Um ein grundlegendes Verständnis für den Leser zu ermöglichen, werden zunächst diefür die Arbeit essentiellen Begriffea) Gruppentherapie,b) rezeptive Musiktherapie,c) Rock- und Popmusik undd) Texte mit therapierelevantem Hintergrunddefiniert und dann als Grundlage für die Entwicklung einer eigenen rezeptivenmusiktherapeutischen Methode verwendet. So kann ein Einstieg in die Musiktherapieund eine einschließende Betrachtung der damit verbundenen Gruppenprozesseentstehen. Auf diese Methode kann während der Therapie immer wiederzurückgegriffen werden.Die konkrete Fragestellung für diese Arbeit muss daher folgendermaßen lauten:Wie kann eine fundierte musiktherapeutische Methode aussehen, mit der esgelingt, einen Einstieg in die Musiktherapie für erwachsene Patienten innerhalbder psychotherapeutischen Behandlung so zu gestalten, dass sie sich mit selbstausgesuchter, textrelevanter Rock- und Popmusik in die Therapiegruppeeinbringen und dabei sowohl indivi<strong>du</strong>elle, als auch für die Gruppe relevanteTherapieziele erarbeiten können?PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com8


1. Definitionen und BegriffserklärungenUm für den weiteren Verlauf der Arbeit eine Grundlage zu schaffen, ist es an dieserStelle notwendig, die Begrifflichkeiten zu definieren, die an späterer Stelle miteinanderverknüpft werden. Diese Definitionen erheben dabei <strong>nicht</strong> den Anspruch aufVollständigkeit. Es sollen auch <strong>nicht</strong> alle Strömungen der Musik aufgearbeitet, sondernes soll vielmehr dahingehend gearbeitet werden, dass die Begriffe im Sinne dieserArbeit einzuordnen sind.Zunächst wird der Begriff der Gruppetherapie definiert um danach die bestehendenMöglichkeiten und Methoden der rezeptiven Musiktherapie einführen zu können.Anschließend wird Rock- und Popmusik und deren textliche Relevanz eingegrenzt.Abschließend wird die Einführung der „handleiding mo<strong>du</strong>le-ontwikkeling<strong>“</strong> dargestellt,an die sich die Struktur der zu entwickelnden Methode anlehnt.1.1. Gruppentherapie in der ErwachsenenpsychiatrieGruppentherapie nimmt in der heutigen Erwachsenenpsychiatrie einen <strong>nicht</strong> mehrwegzudenkenden Stellenwert ein. Die gängige Praxis der klinischenpsychotherapeutischen Behandlung ist, dass jeder Patient einem hauptverantwortlichenTherapeuten, also einem Arzt oder einem Psychologen zugeordnet ist, mit dem erEinzelgespräche führt. Der Großteil der weiteren Behandlung findet demgegenüber inder Gruppe statt. Viele der Probleme der Patienten in der Erwachsenenpsychiatrie habenUrsachen, die aus dem „normalen<strong>“</strong> Umgang im Alltagsleben erwachsen. Diese kommen<strong>du</strong>rch die Gruppe und in der Gruppe deutlich an die Oberfläche. Eine Patientengruppebildet einen sozialen „Mikrokosmos<strong>“</strong> (Yalom 2001), der sich in vielen Situationen aufAlltagssituationen übertragen lässt und räumt so innerhalb der Gruppe jedem „einebestimmte interpersonale Rolle ein – eine Rolle, die derjenigen ähnelt, die er auch sonstim Leben spielt<strong>“</strong> (Yalom 2002 S.153). Die Gruppentherapie bietet dabei eine günstigeVoraussetzung dafür, dass Patienten lernen, Verantwortung sowohl für sich selbst, alsauch für andere zu übernehmen.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com9


a) das übliche Verhalten in der Außenwelt wird in der Gruppe sichtbar,b) das in der Gruppe erlernte Verhalten überträgt sich auf die Außenwelt.11. Eine Anpassungsspirale wird in Gang gesetzt, erst innerhalb und schließlichaußerhalb der Gruppe. „Während die interpersonalen Verzerrungen des Patientenabnehmen, nimmt seine Fähigkeit zu, lohnende Beziehungen anzuknüpfen. Diesoziale Angst nimmt ab, die Selbstachtung steigt.<strong>“</strong> Die Außenwelt nimmt dasveränderte Verhalten des Patienten positiv auf und dieser wird zu weiterenVeränderungen ermutigt, wo<strong>du</strong>rch die Anpassungsspirale an Autonomie gewinnt.Eine fachliche Therapie ist dann <strong>nicht</strong> länger notwendig.Im Therapiehintergrund sind, neben den im Vordergrund stehenden Therapiezielenselbst, auch grundsätzliche Lernziele innerhalb der psychotherapeutischen Behandlungzu verfolgen. Mayr nennt diese „Schärfung der Wahrnehmung, Wissen um dieDiskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung, Abbau von Vorurteilen undEntwicklung in Richtung Eigenverantwortung sowie Teamfähigkeit<strong>“</strong> (Mayr in Decker-Voigt 1996 S.118).Dem in Schritt drei genannten Feedback kommt in diesem Zusammenhang einebesondere Rolle zu, denn „erst <strong>du</strong>rch dieses Instrument der Rückspiegelung wirdBewusstmachung und in der Folge Veränderung möglich<strong>“</strong> (Mayr in Decker-Voigt 1996S.118). „Feedback ist allerdings ein empfindliches Instrument<strong>“</strong> (Yalom 2002 S.127).Damit dieses, meist von den Patienten gegebene Feedback, den betreffenden Patienten<strong>nicht</strong> unnötig einschüchtert oder erniedrigt, sondern ihm nützlich ist, sollte es sichinhaltlich auf das Hier-und-Jetzt beziehen, zeitnah am auslösenden Ereignis stattfindenund sich auf die ausgelösten Gefühle in der Gruppe konzentrieren. Der Empfänger solltedas Feedback mit anderen Gruppenmitgliedern auf übereinstimmende Gültigkeit hinüberprüfen (Yalom 2002, S.127 f.).Es gilt, die Gruppentherapie als Chance zu betrachten und zu nutzen, um mit ihrer HilfeVeränderung und Weiterentwicklung, auch unter dem Diktat der Realität, als Lohnerhalten zu können.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com11


1.<strong>2.</strong> Rezeptive MusiktherapieRezeptive Musiktherapie ist eine Form von Musiktherapie, in der das Hören von Musikim Vordergrund steht (rezeptiv, lat. = aufnehmend, empfangend; empfänglich 3 ). DerPatient bekommt bereits komponierte oder montierte Klänge oder Musikfragmente zuGehör (Definition nach Freund in Adriaansz, Schalwijk, Stijlen 1986). In die Literatureingeführt wurde der Begriff „rezeptiv<strong>“</strong> 1967 von Schwabe (Schwabe in Decker-Voigt1996). Rezeptive Musiktherapie ist in Abgrenzung zur aktiven Musiktherapie zu sehen.Im psychotherapeutischen Setting stehen der rezeptiven Musiktherapie verschiedenemethodische Ansätze zur Verfügung, die im Folgenden kurz beschrieben werden.1.<strong>2.</strong>1. Rezeptive Musiktherapie nach SchwabeSucht man in der Fachliteratur nach Konzepten rezeptiver Musiktherapie, so nimmt indiesem Zusammenhang Christoph Schwabe eine bedeutende Rolle ein. Zu einer Zeit,als sich die Forschung in Westdeutschland beinahe ausschließlich auf aktiveMusiktherapie konzentrierte, führte Schwabe in der damaligen DDR konzentrierteForschungen auf dem Gebiet der rezeptiven Musiktherapie <strong>du</strong>rch. Grundsätzlich werdennach Schwabe drei Formen der rezeptiven Musiktherapie unterschieden:1.<strong>2.</strong>1.1. Regulative Musiktherapie (RMT)Bei der regulativen Musiktherapie handelt es sich um eine Methode, die es sich zumZiel macht, eine „Symptombeeinflussung <strong>du</strong>rch Verbesserung der Eigenwahrnehmungals Lernen von Verhaltensregulativen im Sinne von aktiven Entspannungsvorgängen<strong>du</strong>rch das Akzeptieren gedanklicher und emotionaler Vorgänge, körperlicher Zuständeund der Aufnahme von Musik, Erweiterung und Differenzierung der ästhetischenErlebnis- und Genussfähigkeit<strong>“</strong> zu erreichen (Schwabe 1987, S. 43).Das Hören von Musik wird in dieser Methode als eine Form des Trainings betrachtet, inder die Eigenschaften von Musik dem Indivi<strong>du</strong>alverhalten während des Hörensuntergeordnet werden. Bei dieser Methode steht weniger die Musik im Vordergrund, alsvielmehr die beim Hören auftretenden Symptome. Außerdem wird mit Nachdruck3 DudenPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com12


darauf hingewiesen, dass für diese Methode klassische Musik die Geeignete sei.(Schwabe 1987, S. 97 ff.)Offen bleibt die Frage, ob es sinnvoll ist, Musiktherapie in rein rezeptiver Formanzubieten, wie es in der RMT der Fall ist. Auch bleibt offen, in wie weit sich eineMusiktherapie in dieser Form auf die Lebenswirklichkeit beziehen kann und Raum zurEntfaltung dieser bietet.Diese Methode wird deshalb im weiteren Verlauf der Arbeit aufgrund der angeführtenBedenken bezüglich der Einbin<strong>du</strong>ng der Lebenswirklichkeit der Patienten keine weitereBerücksichtigung finden.1.<strong>2.</strong>1.<strong>2.</strong> Dynamisch orientierte rezeptive GruppenmusiktherapieSchwabe bezeichnet dynamisch orientierte rezeptive Gruppenmusiktherapie als eineMethode, bei der die Musikrezeption den Ausgangspunkt bildet (Schwabe 1987 S. 43 f).Diese zielt auf introspektive interpersonelle (Gruppen-) Prozesse, wobei dieEigenschaftsvariablen der Musik varianter, d.h. bei bestimmter Umformungveränderlicher, Gesprächsgegenstand sein können. Musikrezeption kann über dieRealisation (Verwirklichung) in der Gruppe hinaus spezifische ästhetische Bedürfnisseanregen, die natürlich von Gruppenmitglied zu Gruppenmitglied unterschiedlicherNatur sein können. Die Auswahl der Musik findet nach „speziellen therapeutischenGesichtspunkten<strong>“</strong> (Schwabe in Decker-Voigt 1996, S. 213) statt. Dies kann <strong>du</strong>rch denTherapeuten, ein Mitglied der Gruppe oder <strong>du</strong>rch die Gruppe selbst geschehen. DasVerhältnis zwischen Gesprächs- und Höranteil der Sitzungen soll sich nach Schwabebei 50:50 einpendeln, kann sich aber zu Gunsten des Gesprächanteils verschieben. DerEinsatz von Musik, welche in dieser Therapieform ausschließlich gehört wird, richtetsich nach dem ISO-Prinzip 4 (Ísos, gr. = ähnlich, entsprechend, gleich 5 ), angelehnt an dieaktuelle Befindlichkeit der Gruppe.Die Methode hat eine „Verbesserung der Eigen- und Fremdwahrnehmung, [eine] aktiveKonfliktauseinandersetzung, [das] Erkennen von Konfliktzusammenhängen, [sowieeine] Erweiterung und Differenzierung der ästhetischen Erlebnis- und Genussfähigkeit<strong>“</strong>(Schwabe, 1987 S. 43) zum Ziel. Damit ist die Zielsetzung dieser Methode vergleichbar4 Smeijsters 1999 Grundlagen der Musiktherapie5 DudenPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com13


mit dem von Yalom beschriebenen Prozess des interpersonalen Lernens innerhalb derGruppe als sozialer Mikrokosmos.Für diese Methode gelten alle verschiedenen Stile von Musik als verwendbar, da derästhetische Aspekt von Musik in die Therapie mit einbezogen wird und von einembreiten Geschmacksspektrum innerhalb einer jeden Gruppe auszugehen ist. Derangesprochene Gruppenprozess soll da<strong>du</strong>rch gefördert werden, dass in jeder Session dieGruppe auf eine „zweite Musik<strong>“</strong> trifft, die eine „emotionale Aktivierung<strong>“</strong> (Schwabe inDecker-Voigt 1996, S. 213) auslösen soll.1.<strong>2.</strong>1.3. Reaktive Gruppenmusiktherapie (RGM)In dieser Methode der rezeptiven Musiktherapie steht nach Schwabe, ebenso wie bei derdynamisch orientierten rezeptiven Musiktherapie, der Gruppenprozess im Vordergrund.Auch hier unterliegt die Methode einem dynamisch orientierten Handlungsprinzip. Derwesentliche Unterschied besteht darin, dass <strong>nicht</strong> die Eigenschaftsvariablen der Musikselbst, sondern vielmehr die Reaktion auf die gehörte Musik den anschließendenGesprächsinhalt bieten. RGM ist immer in eine Gesprächspsychotherapie eingebundenund auf ein zeitlich eng begrenztes Reaktionsziel gerichtet (Schwabe in Decker-Voigt1996, S. 213). Ausgelöst werden soll mit dieser Methode eine affektiv-dynamischeReaktion, bei der die ästhetischen Bedürfnisse des Rezipienten <strong>nicht</strong> thematisiertwerden, sondern der aus der Rezeption hervorgehende Gruppenprozess zentral gestelltwird. Dabei soll ein Handlungsvollzug <strong>du</strong>rch ein Gruppengespräch stattfinden. Andieser Stelle kommt dem Feedback, wie es zuvor nach Yalom beschrieben wurde einetragende Rolle zu. Ziel der Methode ist es, eine „Auslösung affektiv–emotionalerProzesse zur Stimulierung aktiver Konfliktauseinandersetzung mit Lösung <strong>du</strong>rchGruppeninteraktion<strong>“</strong> (Schwabe 1987, S. 43) zu erreichen.Gerade bei dieser Methode erscheint es sinnvoll, Musik zum Einsatz zu bringen, die fürden Zu<strong>höre</strong>r unbekannt ist, oder die eine affektiv–emotionale Reaktion vermuten lässt,da es bei dieser Methode gerade auf die Reaktion auf die Musik ankommt (Schwabe1987, S. 43).PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com14


1.<strong>2.</strong><strong>2.</strong> Andere Formen rezeptiver MusiktherapieIm Vergleich zu den Methoden der aktiven Musiktherapie bietet die Literatur wenigbezüglich weiterer Methoden rezeptiver Musiktherapie an. Vielen Autoren, die überrezeptive Musiktherapie schreiben, dient diese als ergänzende Form zur aktivenMusiktherapie. Nicht so jedoch bei Schwabe, der rezeptive Musiktherapie alsemanzipierte und eigenständige Disziplin darstellt. In der Literatur wird zwar auchzwischen rezeptiver und aktiver Musiktherapie unterschieden, aber eher auf dasZusammenspiel beider methodischer Ansätze und deren gegenseitige Ergänzunghingearbeitet.1.<strong>2.</strong><strong>2.</strong>1. Rezeptive Musiktherapie als PsychotherapieNach Decker-Voigt (1991) steht bei der rezeptiven Musiktherapie als Psychotherapiedie Triade: Patient–Therapeut–Musik im Vordergrund. In der für die Therapievorgesehenen „Schrittfolge<strong>“</strong> orientiert sich die therapeutische Beziehung an derBefindlichkeit und Belastbarkeit des Patienten, in Bezug auf Widerstand undAbwehrmechanismen (Frank-Bleckwedel in Decker-Voigt 1996, S. 327). Gearbeitetwird an der aufkommenden Erinnerung, die <strong>du</strong>rch die Wertung entsteht, mit der Musikbeim Zu<strong>höre</strong>r besetzt ist. Dieses Phänomen wird im folgenden Absatz <strong>du</strong>rch dieVorstellung der verschiedenen Hörertypen erklärt. Durch das sich an das Hörenanschließende Gespräch werden die dabei aufkommenden Gefühle herausgestellt und in„Verbin<strong>du</strong>ng zum aktuellen Lebenskonzept<strong>“</strong> gebracht (Frank-Bleckwedel in Decker-Voigt 1996 über Decker-Voigt 1991, S. 327).1.<strong>2.</strong><strong>2.</strong><strong>2.</strong> Rezeptive Musiktherapie als Mittel der ObservationBei der Anwen<strong>du</strong>ng rezeptiver Musiktherapie muss beachtet werden, dass esverschiedene Formen des Musik<strong>höre</strong>ns gibt. So unterscheidet Schaeffer in drei verschiedeneArten des Hörens (Freund in Adriaansz u.A. 1986 über Schaeffer 1966, S. 47):1. „Das Hören<strong>“</strong> an sich: Der Mensch ist im Stande, einen Klang oder ein Geräusch zulokalisieren und zu identifizieren.<strong>2.</strong> „Technisches Hören<strong>“</strong>: Der Zu<strong>höre</strong>r befasst sich mit musikalischen Parametern,wobei subjektive Gefühle ausgeklammert sind. Im Vordergrund stehen dieKonzentration auf den Wiedererkennungswert oder die Bekanntheit der Musik, denPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com15


Komponisten, oder musikanalytische Aspekte während des Hörens. TechnischesHören kann bedeuten, dass in Verbin<strong>du</strong>ng mit der Musikrezeption einVerdrängungsprozess stattfindet.3. „Assoziatives Hören<strong>“</strong>: Beim Zu<strong>höre</strong>r kommen während des Hörens „psychischeMechanismen<strong>“</strong> (Freund in Adriaansz u.A. 1986, S. 47) in Gang, welcheErinnerungen, Bilder, Eindrücke oder Gefühle an die Oberfläche bringen. DieseForm des Hörens ist in der rezeptiven Musiktherapie von zentraler Bedeutung.Dabei unterscheidet Freund wiederum in drei Erscheinungsformen des assoziativenHörens:a) Konkrete impulsive Gedanken, die frei an die Oberfläche kommen undSymbolcharakter haben können.b) Das „Adjektiv<strong>“</strong>, das zum einen nonverbaler Art sein kann, in Bezug auf dieHörhaltung oder Art und Weise des Hörens, aber zum anderen auch derNatur sein kann, dass es die Musik beschreibt.c) Die „Anekdote<strong>“</strong>: Dabei handelt es sich um eine rational, logisch konstruierteSchilderung, die sich auf a) oder b) beziehen kann. Hier geht es häufig umkonkrete Ereignisse und deren Erinnerung, die Musik hervorruft.1.3. Rock- und PopmusikGenerell hat sich die Unterschei<strong>du</strong>ng der Musik in E-Musik und U-Musik <strong>du</strong>rchgesetzt:- E-Musik „ernste<strong>“</strong> Musik, wie z. B. Klassische Musik, und- U-Musik Unterhaltungsmusik, wozu Rock- und Popmusik gehört.Rock- und Popmusik ist also ein Sammelbegriff, der sich in endlos viele Musikstileverzweigt, die seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts in stets höherer Frequenzentstehen. Musiktheoretische Definitionsversuche erweisen sich daher als schwierig undwerden so im Folgenden nur auf der Grundlage der für diese Arbeit relevanten Aspektevorgenommen.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com16


1.3.1 Was ist Rockmusik?Einigkeit besteht in der Literatur über die Herkunft von Rockmusik. Ihre Wurzelnliegen im Bereich des Jazz, Folk, Country & Western sowie Rhythm & Blues.Ursprünglich stammt sie aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Das am häufigstenverwendete Instrumentarium besteht aus Schlagzeug, elektrisch verstärkten Gitarren(Lead, Rhythm, Bass) und oft auch aus Keyboards (Orgel, Piano). Es grenzt Rockmusikin dieser Form (ausschließliche Elektrisierung) von den oben genannten Wurzeln ab.Von großer Wichtigkeit ist der Gesang in der Rockmusik (Sprengler 1987, S. 21).Diesem kommt eine besondere Bedeutung zu, da er oft rau und ungeschliffen in seinerWirkung ist, <strong>was</strong> sich in seiner extremsten Form in heiserem „shout & cry<strong>“</strong> (Sprengler1987, S. 21) oder Sprechgesang äußern kann.Rockmusiker verfügen oftmals über keine (klassische) Musikausbil<strong>du</strong>ng, <strong>was</strong> sichhäufig in der beinahe ausschließlichen Verwen<strong>du</strong>ng der harmonischen Hauptfunktionen(I IV V) wiederfindet. Nach Sprengler kann man Rockmusik als „ekstatische,rhythmusbetonte Musik mit vorwiegend schnellen Tempi und meist regelmäßig<strong>du</strong>rchgeschlagenem geraden Achtelrhythmus mit hartem und treibendem Effekt, dessen12-taktige Blues- oder 32-taktige Songform an die Bluestonalität gebunden ist<strong>“</strong>(Sprengler 1987, S. 21) definieren. Rockmusik allgemeingültig zu bestimmen undabzugrenzen, erweist sich allerdings als schwierig, da „sie kein für sich allein wirklichverbindliches Begriffsinstrumentarium besitzt<strong>“</strong> (Sprengler 1987, S. 27). In derRockmusik spielt das Equipment eine tragende Rolle. Die voranschreitende technischeEntwicklung des 20. Jahrhunderts findet sich in Form verändernder Sounds in derRockmusik wieder. Als Beispiel oder Pionier in diesem Zusammenhang sei JimmyHendrix zu nennen, der unter Zuhilfenahme des „Wah-Wah<strong>“</strong>-Pedals und des„Feedbacks<strong>“</strong> eine völlig neue Klangdimension des Sounds schuf, die für die Rockmusiknoch immer prägend ist. Dennoch kann in diesem Zusammenhang der Sound vonRockmusik kein deutliches Definitionskriterium sein, „da mit ihm keine verbindlichenAussagen über beständige Merkmale dieser Musik gemacht werden können<strong>“</strong> (Sprengler1987, S. 24).Sprengler versucht deshalb Rockmusik negativ zu definieren. Dies habe den größtenEffekt, wenn man sie der „klassisch-abendländischen<strong>“</strong> Musik gegenüberstellt. „Denndie hochkulturellen Wertvorstellungen und Kompositionsrichtlinien der Klassik lassenPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com17


populäre Musik erst am Ende des soziokulturellen Gefälles auftauchen<strong>“</strong> (Sprengler1987, S. 24). Damit spielt Sprengler auf die Adressaten von Rockmusik an, die seinerMeinung nach im abendländischen Kulturgeflecht eine sozial untergeordnete Funktioneinnehmen, wobei diese Meinung heutzutage eher kritisch zu hinterfragen ist.Noch schwieriger wird eine negative Definition allerdings, wenn man versucht,Rockmusik gegen näherstehende Bereiche wie Popmusik und Schlager abzugrenzen.Diese gelingt nur schwer, da gerade die Begrifflichkeit Popmusik kulturell undsprachlich so unterschiedlich behaftet ist.Für diese Arbeit gilt es festzuhalten, dass Rockmusik sich in Erscheinung, Herkunft,Klang und Intention deutlich von abendländischer E-Musik, also Klassik abhebt. FürRockmusik ist entscheidend, dass mit ihr ein „Befrem<strong>du</strong>ngseffekt<strong>“</strong> einhergeht, den siein der „Erwachsenenwelt<strong>“</strong> (Sprengler 1987, S. 28) beim Hören hervorruft.Musikgeschmack und die Absicht von Jugendlichen, mit Hilfe dieses Effekts eineAbgrenzung von Erwachsenen zu entwickeln, wächst mit dem Alter mit. Waren es inden 70er Jahren die Jugendlichen, die Rockmusik zum Protest gegen ihre Eltern hörten,so sind die selben die heutige Elterngeneration, die mit ihren Kindern Vergleichbaresmit anderer Musik austragen.Für diese Arbeit ergibt sich daraus als Konsequenz, dass sich seit den 60er und 70erJahren der alltägliche Umgang mit Rockmusik normalisiert und sich diese inzwischensogar zu einem Gesellschaftsphänomen entwickelt hat, das sich in der Hörgewohnheit<strong>du</strong>rch fast alle Altersstufen zieht. Das bedeutet für die hier zu entwickelnde Methode,dass dem Patienten unterstellt wird, mit Musik der gerade beschriebenen Kategorienvertraut zu sein.1.3.<strong>2.</strong> Was ist Popmusik?Popmusik ist ein Begriff, dem, je nach Staat oder Kontinent, eine völlig andereBedeutung zugeschrieben wird. Was in Deutschland als Popmusik bezeichnet wird,trägt in den USA häufig die Bezeichnung Rockmusik. Was in Deutschland als Schlagerbezeichnet wird, gilt in den USA als Popmusik. Rock- und Popmusik werden häufiggerade von Medien und der Tonträgerin<strong>du</strong>strie in einem Atemzug genannt. Dabeistehen aber eher kommerzielle Aspekte der Musik im Vordergrund. Die dabeientstehende Vermischung beider Begriffe kommt dieser Kommerzialisierung zu Gute.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com18


Popmusik kann auf völlig verschiedene Arten verstanden und interpretiert werden: Inder angloamerikanischen Literatur wird Popmusik „vorwiegend als übergeordneterBereich verstanden, als wertungsfreie Abkürzung des englischen Wortes „popularmusic<strong>“</strong>, einem Sammelbegriff für <strong>du</strong>rch Massenmedien verbreitete Popularmusik(Sprengler 1987, S. 25).In Deutschland wird dieser Begriff anders gehandhabt, denn „hierzulande wirdPopmusik hauptsächlich wertend interpretiert, ähnlich dem Begriff der U-Musik, <strong>was</strong>beide qualitativ von der E-Musik abgrenzen soll<strong>“</strong> (Sprengler 1987 S. 25).Treffender in der Charakterisierung von Popmusik ist der Definitionsversuch von Firth,der von „Middle-of-the-road-Musik<strong>“</strong>, MOR spricht (Firth 1981). Diese Definitionversteht Popmusik als einen Stil, der ein Sammelbecken in der „Mitte der Straße<strong>“</strong>darstellt. Die Metapher „Mitte der Straße<strong>“</strong> wird gewählt, weil die Musik, um die esgeht, glatt ist und nirgendwo aneckt, sich also in diesem Punkt deutlich von Rockmusikabgrenzt. Diese Definition entspricht dem angloamerikanischen Pop-Verständnis(Sprengler 1987, S. 27).Eine ähnliche Definition wie die von Firth verwendet Weiß, der den Begriff„Mainstream<strong>“</strong> aufwirft. Er bezeichnet damit „jene von der überwiegenden Mehrheitbevorzugte Musik, die kaum Überraschungen bietet und sich meist <strong>du</strong>rch einfacheStrukturen und wenig gehaltvolle Texte hervortut, also leicht erfassbar ist<strong>“</strong> (Weiß 1983,S.159). Diese Definition entspricht dem europäischen Verständnis von Popmusik.Zusammenfassend gilt es zu sagen, dass es an dieser Stelle bei einem Versuch derZuordnung von Rock- und Popmusik zu einem Musikgenre bleiben muss, da sie sichaufgrund vielfältiger voneinander abweichender Definitionen nur schwer eingrenzenlässt.Der Aussage über die nach Weiß „wenig gehaltvollen Texten<strong>“</strong> in der Musik wird imfolgenden Kapitel weiter nachgegangen.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com19


1.4. Die Bedeutung von Texten in der Rock- und PopmusikDer Bedeutung von Texten in der Rock- und Popmusik wird in der Fachliteratur sehrunterschiedliche Bedeutung beigemessen. Die scharfe Trennung zwischen Rockmusikund Popmusik erscheint in diesem Zusammenhang <strong>nicht</strong> als zwingend, denn Texte inbeiden genannten Genres werden in der Literatur sowohl als wichtig, als auch alsunwichtig dargestellt.1.4.1. Die Musik steht im VordergrundKneif spricht in Bezug auf Texte in der Rockmusik davon, dass diese „dem Primat desGefühls entsprechen<strong>“</strong> und „von einer Unfähigkeit zu sprachlicher Artikulation<strong>“</strong> (Kneifin Sander 1977, S. 39). Dieser Auffassung liegt zu Grunde, dass Musik, die so beurteiltwird, <strong>nicht</strong> den Anspruch für sich erhebt, viel <strong>du</strong>rch den Text mitteilen zu wollen,sondern vielmehr für sich selbst spricht. Eine vergleichbare Auffassung teilt ter Bogt,wobei er sich auf Tanzmusik bezieht, in der Text „fast überflüssig<strong>“</strong> ist. Gesungener Textmit Melodie wird dann zur „Nebenerscheinung oder lediglich eine[m] der `Instrumente´im Gesamtzusammenhang<strong>“</strong> (ter Bogt 1997, S. 13). Kneif ist der Meinung, dass „es zurAusnahme [gehört], wenn sich Text und Musik ihrem Niveau und der Intensität nachdie Waage halten<strong>“</strong> (Kneif in Sander 1977, S. 131).Festzuhalten bleibt, dass <strong>nicht</strong> jede Art von Rock- und Popmusik den Anspruch für sicherhebt, sich über Text mitzuteilen. Musik kann und soll in diesem Zusammenhang fürsich sprechen. Dabei ordnet sich der Gesang in Verbin<strong>du</strong>ng mit dem Text auf dergesungenen Melodie in das Gesamtgefüge ein und verschmilzt darin zu einembeiläufigen oder aber hervorgehobenen Instrument.Dies ist vergleichbar mit den Gegebenheiten in der klassischen Oper. Dort stellt eineArie häufig einen lyrischen Einschnitt innerhalb der dramatischen Handlung dar(Microsoft Encarta 2002), wobei der Inhalt still steht, während musikalisch undstimmlich nur ein Teilaspekt der Gesamtaussage koloriert wird, <strong>was</strong> dem MozartschenMusikverständnis entspricht, in dem „die Poesie der Musik gehorsame Tochter seinmüsse<strong>“</strong> (Kneif in Sander 1977 - Zitat von Mozart).PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com20


Auf diese Art von Rock- und Popmusik, in der der Text sekundär zu betrachten ist, sollzu einem späteren Zeitpunkt (Kap. 3.<strong>2.</strong>) noch einmal eingegangen werden, dann aberunter der Fragestellung, ob und inwieweit diese Musik musiktherapeutisch nutzbar ist.1.4.<strong>2.</strong> Wenn der Text im Vordergrund stehtGanz anders verhält es sich, wenn der mit dem Liedtext verbundene Appell sich aufkonkrete Inhalte bezieht. So gehen zum Beispiel viele Wurzeln der heutigen Rock- undPopmusik auf das späte 19. Jahrhundert und den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück,als Gospel und Soul als Musikstile der Rebellion gegen die damaligen politischenUngleichheiten in den USA entstanden. Musik und die damit verbundene Möglichkeitüber gesungenen Text Missstände anzuprangern, bilden seit jeher die Ursprünge unsererheutigen Rock- und Popmusik.Betrachtet man Rock- und Popmusik seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, so fälltin der Fachliteratur immer wieder der Name Bob Dylan, der als einer der ersten„weißen<strong>“</strong> Interpreten „die sozialkritische und gesellschaftspolitische Folk-Thematik inden Rock [...] [einführte] und [...] sie einem großen Publikum [eröffnete]<strong>“</strong> (Bäumer1989 S.18). Diesem Beispiel folgten die späten Beatles auch. Liedermacher wieReinhard Mey und Herman van Veen werden gerade wegen der unverzichtbarenBedeutung ihrer Texte von ihrem Publikum verehrt. An diesen Beispielen wird deutlich,dass textbezogene Rock- und Popmusik innerhalb des „Mainstreams<strong>“</strong> auch eine Rollespielt.Dennoch warnt ter Bogt in diesem Zusammenhang vor einer Überbewertung vonTexten in der Popmusik. „Selbst amerikanische Jugendliche, die Pop in ihrerMuttersprache <strong>höre</strong>n, bemühen sich wenig, die Texte zu begreifen oder zu kennen<strong>“</strong> (terBogt 1997 S. 13). Er beruft sich auf eine Studie von Leming und Desmond (1987),wonach nur ein Drittel aller Jugendlichen die Bedeutung von Texten in der Popmusikerkennt und bewertet. Nach ter Bogt verdanken Popstars der 80er und 90er wie MichaelJackson, Prince und Madonna ihren Ruhm <strong>nicht</strong> ihren Texten, sondern dem „Soundihrer Musik<strong>“</strong>.Den wohl umfassendsten Vergleich in diesem Zusammenhang stellt `t Hart an. SeinerMeinung nach ist Popmusik mit trivialer Literatur vergleichbar. Es gilt „einenPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com21


Unterschied zu machen zwischen guter und schlechter, trivialer und <strong>nicht</strong>-trivialer,kommerzieller und <strong>nicht</strong>-kommerzieller Popmusik<strong>“</strong> (`t Hart 1977, in Stroop, S. 95).Zusammenfassend ist also zu sagen, dass Rock- und Popmusik aus einer so großenVielfalt von verschiedenen Stilen und dementsprechend unterschiedlichen Bedeutungenund Appellen von Texten besteht, dass es hier <strong>nicht</strong> gewollt sein kann, jedes Genregenau zu <strong>du</strong>rchleuchten. Worauf es hier ankommt, ist ein grundlegendes Meinungsbildwiderzuspiegeln.In der musiktherapeutischen Praxis spielen Musik-Kategorien insofern eine Rolle, alsdass von ihnen eine verschiedene therapeutische Nutzbarkeit ausgeht. Die Musik, die indieser Arbeit bezüglich der Texte besprochen und diskutiert wird, ist in derMusiktherapie <strong>du</strong>rch die Wahl des Patienten bereits gegeben. Die oben angesprochenenHörgewohnheiten gilt es sich im Rahmen dieser Arbeit und der damit verbundenenMethode in der musiktherapeutischen Praxis für die therapeutische Arbeit zu Nutze zumachen.1.5. Grundlage der zu entwickelnden MethodeFür den weiteren Verlauf der Arbeit stellt dieses Kapitel die Grundlage dar, auf die sichdie Entwicklung der folgenden Methode stützen wird.1.5.1. Vorstellung der „handleiding mo<strong>du</strong>le-ontwikkeling voor creativetherapie<strong>“</strong>Die niederländische Berufsvereinigung für Kreativ-Therapeuten (NVKT) hat im Jahr2000 eine Broschüre herausgegeben, anhand derer therapeutische Mo<strong>du</strong>le entwickeltwerden können. Da sich diese Arbeit im Folgenden auf diese „handleiding mo<strong>du</strong>leontwikkelingvoor creatieve therapie<strong>“</strong> 6 (HMO) der stuurgroep mo<strong>du</strong>le-ontwikkeling 7(SMO) beziehen wird, ist es nötig, diese zusammenfassend darzustellen, um sie in denfolgenden Teilen zunächst in der Theorie und dann in der Praxis mit Inhalt zu füllen.6 Anleitung zur Mo<strong>du</strong>lentwicklung innerhalb der „kreativen<strong>“</strong> Therapieformen7 Arbeitsgruppe / Arbeitskreis zur Mo<strong>du</strong>lentwicklungPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com22


Die genannte Anleitung richtet sich an Kreativ-Therapeuten und ist vonMusiktherapeuten entwickelt worden mit dem Ziel, Transparenz in der Entwicklung vonMo<strong>du</strong>len zu schaffen und diese vergleichbar zu machen.Ausgangspunkt hierfür ist die Tatsache, dass das moderne Gesundheitssystem immermehr gestrafft wird. Behandlungen aller Art werden heutzutage daraufhin angelegt, inkürzester Zeit ein maximales Ziel mit dem / am Patienten zu erreichen. Im Allgemeinenrichten sich Mo<strong>du</strong>le daher an drei Zielgruppen:1. den Patienten,<strong>2.</strong> das multiprofessionelle Behandlungsteam (auch die Krankenkassen) und3. den Therapeuten selbst.Ein wichtiges Ziel von Mo<strong>du</strong>len liegt darin, die angebotene Therapie für alle Adressatentransparent zu gestalten um so zu verdeutlichen, wer genau für diese Form derBehandlung geeignet ist und aus welchem Grund.Sehr anschaulich lässt sich dies in Form einer Informationsbroschüre darstellen, die sichhauptsächlich an Patienten richtet, die dieser Methode folgen möchten, aber auch deminteressierten Musiktherapeuten, der die beschriebene Methode anwenden möchte,einen Überblick gibt (siehe Anhang).1.5.<strong>2.</strong> Wichtige Begriffe und ZusammenhängeBevor auf die Entwicklung eines Mo<strong>du</strong>ls eingegangen werden kann, müssen in diesemZusammenhang einige Begriffe herausgearbeitet bzw. verdeutlicht werden, dieaufzeigen, welchen Platz ein Mo<strong>du</strong>l innerhalb einer Behandlung einnimmt. Ein Mo<strong>du</strong>lwird von der SMO als „eine abgerundete Einheit, die im Rahmen einesBehandlungsplans angeboten wird<strong>“</strong> (HMO, S. 4), definiert. Dieses ist Teil einesProgramms bzw. Behandlungsrahmens. „Ein Programm [Behandlungsrahmen] bestehtaus einer Anzahl aufeinander abgestimmter Aktivitäten und Maßnahmen, die sich aufdas Leisten eines bestimmten Dienstes, oder Zustandebringen eines bestimmten Effekts,in Anbetracht einer spezifischen Zielgruppe mit einem vergleichbaren Problem, richten<strong>“</strong>(HMO, S. 4). Dabei muss darauf geachtet werden, dass im Rahmen der vorgegebenenStruktur, welche eine Herangehensweise empfiehlt, das Mo<strong>du</strong>l stets wissenschaftlich zuunterbauen ist. Auf eventuell vorhandene Richtlinien muss geachtet werden.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com23


BehandlungsplanVerlaufsprotokollMo<strong>du</strong>lPro<strong>du</strong>ktZusammenfassend gilt:Innerhalb des Gesamtangebots aller Therapien wird für jeden Patienten eineindivi<strong>du</strong>elle Behandlungsstrategie erarbeitet, die unter Zuhilfenahme von Richtlinienanhand eines Protokolls zu einem Mo<strong>du</strong>l führt, welches am Ende ein Pro<strong>du</strong>kt beinhaltet.Ein Mo<strong>du</strong>l kann dabei sowohl von kurzer Dauer sein und sich beispielsweise aufdiagnostische Ziele beschränken, es kann aber auch einen ganzen Behandlungsprozessbeinhalten. Beides ist stets mit einer definierten Zielvorgabe verbunden.1.5.3. ChecklisteDie Stuurgroep Mo<strong>du</strong>le-Ontwikkeling fasst den Gesamtaufbau in einer Checkliste(HMO, S.8 ff.) zusammen, welche anhand gezielter Fragestellungen verdeutlicht, <strong>was</strong> inein Mo<strong>du</strong>l gehört und wie dies anzugehen ist. Diese Checkliste fragt systematisch 13Unterpunkte ab, die zusammen das Mo<strong>du</strong>l selbst ergeben.1) Die Einleitung2) Die Zielgruppe3) Die IndikationPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com24


4) Das Behandlungskonzept5) Die Zielsetzung6) Die Aufnahme7) Die Behandlungsphasen8) Die Ausführung / Umsetzung9) Die Dauer des Mo<strong>du</strong>ls10) Die Art der Therapie, Gruppe oder indivi<strong>du</strong>ell11) Die Therapeut–Variablen12) Die Evaluation13) Die Beilagen / der AnhangDie gegebene Struktur stellt in dieser Arbeit den Leitfaden für das zweite Kapitel dar, indem eine Selektion der für die Entwicklung der in der Einleitung erfragten Methodestattfindet, die sich auf die dafür relevanten Fragen und Punkte re<strong>du</strong>ziert.Mo<strong>du</strong>le werden nach der SMO grundsätzlich unterschieden ina) Zielmo<strong>du</strong>le, in denen versucht wird, eine klare Zielsetzung zu erreichen, wobeidie Methode und die damit verbundenen Arbeitsaufträge variieren können undb) Aktivitäten- / Handlungsmo<strong>du</strong>le, bei denen die Arbeitsaufträge, die methodischeHerangehensweise und deren strukturierte Umsetzung im Vordergrund stehen.In dieser Arbeit geht es darum, eine Methode zu entwickeln, die sich vordergründig<strong>du</strong>rch ihre vorgeschriebene Handlung und <strong>nicht</strong> <strong>du</strong>rch die damit verbundenen Zieledefiniert. Dabei steht der Beginn der Musiktherapie, also die ersten Sessions, imVordergrund. Diese sollen vor dem Hintergrund, dass Patienten mit dem MediumMusiktherapie noch <strong>nicht</strong> vertraut sind, einen Einstieg in die Musiktherapieermöglichen und dem / den Patienten helfen, diese kennen zu lernen und Ziele für denweiteren Therapieverlauf zu erarbeiten.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com25


<strong>2.</strong> <strong>„Ich</strong> <strong>höre</strong> <strong>was</strong>, <strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong>!<strong>“</strong> Die Entwicklung einerEinstiegsmethode in die MusiktherapieIn diesem Kapitel wird die Einstiegsmethode entwickelt. Diese lehnt sich in vielenPunkten an die HMO an, stellt aber selbst kein Mo<strong>du</strong>l dar.<strong>2.</strong>1. AllgemeinesDie zu entwickelnde Methode bezieht sich auf die Anwen<strong>du</strong>ng in der Musiktherapieund soll im Arbeitsbereich der Psychotherapie in der Erwachsenenpsychiatrie eingesetztwerden. Die konkrete Idee zur Entwicklung einer Einstiegsmethode ist entstanden <strong>du</strong>rchhäufige Anwen<strong>du</strong>ng eines Arbeitsauftrages in der bisherigen therapeutischen Arbeit /Praxis. Dieser lautet:„Bringen Sie ein Musikstück ihrer Wahl,• In dem Sie sich wiederfinden (oder mit dem Sie sich identifizieren) könnenoder• Das Sie zur Zeit häufig <strong>höre</strong>n oder• Dessen Text oder Musik (oder gar beides) Sie besonders ansprichtmit zur Musiktherapie!<strong>“</strong>Die Methode stellt einen ersten Schritt in die Musiktherapie dar und ist folglich in dieklinische psychotherapeutische Arbeit eingebunden.Die Dauer der Einstiegsmethode richtet sich nach der Anzahl der teilnehmendenPatienten. Es sollen nach Möglichkeit zwei Patienten pro Sitzung zentral gestelltwerden, so dass sich bei einer Gruppegröße von 4-8 Patienten eine Dauer von 2-4Sitzungen ergibt. Eine Sitzung als Verlängerungsoption sollte einkalkuliert werden.Die Dauer einer Sitzung sollte mindestens 60 Minuten betragen. Vorteilhaft ist es, wennbei Bedarf die Sitzung um 5-10 Minuten verlängert werden kann. Je nach Einbettungder Musiktherapie in den klinischen Kontext sollte diese mindestens einmal, maximalzweimal wöchentlich stattfinden.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com26


Die Methode kann nur innerhalb einer geschlossenen Gruppe <strong>du</strong>rchgeführt werden, <strong>was</strong>bedeutet, dass, falls ein Patient während dieser Zeit aus der Gruppe ausfällt, kein„Neuer<strong>“</strong> bis zum Ende dieser Einheit hinzu kommen kann. Grund dafür ist, dass derGruppe während der Therapie eine große und tragende Rolle beigemessen wird (vgl.Kapitel 1.1.).Für die Anwen<strong>du</strong>ng dieser Methode ist es inhaltlich unerheblich, ob eine Therapeutinoder ein Therapeut diese <strong>du</strong>rchführt. Erfordert jedoch die Spezifität der Gruppe einebesondere Berücksichtigung, sollte die Entschei<strong>du</strong>ng über das Geschlecht desTherapeuten im Vorhinein bewusst gefällt werden. In dieser Arbeit wird davonausgegangen, dass (nur) ein Therapeut allein die Gruppe leitet.<strong>2.</strong><strong>2.</strong> Die ZielgruppeDie Einstiegsmethode, die in diesem Rahmen erarbeitet wird, richtet sich an alle zubehandelnden Psychotherapiepatienten, die Interesse an der Musiktherapie haben undInteresse daran zeigen, et<strong>was</strong> über sich und andere aus der Gruppe zu erfahren, et<strong>was</strong> inGang zu bringen und zu verändern. Ein privates Interesse für Rock- und Popmusik istfür diese Methode von großem Vorteil. Für das Alter der Patienten ist keine Grenzegesetzt, so lange keine Einschränkungen <strong>du</strong>rch Krankheit oder Störung auf dasKommunikationsverhalten vorliegen. Patienten, die an der Musiktherapie in dieserForm teilnehmen, müssen keine Musiker sein, aber Interesse am Medium Musik habenund in der Freizeit gerne Musik <strong>höre</strong>n.Die zu behandelnden Probleme der teilnehmenden Patienten müssen <strong>nicht</strong> von gleicher,sondern können auch von unterschiedlicher Natur sein. Die Methode richtet sich <strong>nicht</strong>auf ein spezielles krankheitsspezifisches Problem. Im Rahmen der psychotherapeutischenBehandlung geht es insgesamt darum, das Problem, die Krankheit oder dieaktuelle Lebenskrise dahingehend zu verändern, dass ein „normales<strong>“</strong> Alltagslebenwieder funktionieren kann. Musiktherapie trägt in diesem Zusammenhang dazu bei,einen Teil des Behandlungserfolges mit zu gewährleisten. Die genauen Therapiezielewerden in Kapitel <strong>2.</strong>5. erläutert.Vielen psychischen Krankheiten liegen gemeinsame grundsätzliche Umgangsprobleme,wie die Unfähigkeit Grenzen setzen zu können, mangelnde Selbstreflexion, <strong>nicht</strong>PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com27


angemessene Zurückhaltung oder Dominanz zu Grunde. Diese sind <strong>nicht</strong> bei allen zubehandelnden Krankheiten und Störungen gleich stark ausgeprägt.Im Rahmen der klinischen psychotherapeutischen Behandlung treffen ausorganisatorischen Gründen oftmals Patienten mit ganz verschiedenen Krankheiten undStörungen in einer Gruppe oder auf einer Station zusammen. Für Patienten, die an derMusiktherapie in dieser Form teilnehmen, wird hier davon ausgegangen, dass es für dieErarbeitung von Behandlungszielen in der Musiktherapie sinnvoll ist, die Gruppe vordem Krankheitshintergrund heterogen zu besetzen. Das bedeutet, dass je nach demaktuellen Bild der Station, mit der zusammen gearbeitet wird, Patienten mitunterschiedlichen Problemen oder Störungen in dieser Gruppe zusammentreffen könnenund sollen.Eine elementare Voraussetzung zur Teilnahme an der Musiktherapie dieser Form ist esallerdings, ein Lied aus der eigenen Musiksammlung auswählen zu können, und diesmit zur Therapie zu bringen, um es der Gruppe vorzuspielen.Um diese Einstiegsmethode im Sinne der SMO „Mo<strong>du</strong>l<strong>“</strong> nennen zu können und sie alsein solches zu veröffentlichen, müsste man die Zielgruppe viel schärfer eingrenzen.Dies wird an dieser Stelle bewusst <strong>nicht</strong> getan, damit die Einstiegsmethode in möglichstvielen Arbeitsfeldern zum Einsatz kommen kann.<strong>2.</strong>3. Indikation / Kontraindikation / AufnahmeWie aus dem vorangegangenen Kapitel heraus bereits zu erahnen ist, ist es schwer einespezifische und genaue Indikation für die Teilnahme an der Methode zu stellen, da dieZielgruppe aus den genannten Gründen <strong>nicht</strong> scharf eingegrenzt wurde. Daher ist diesesKapitel unspezifischer Natur und legt Zugangsvoraussetzungen anstelle von Indikationfest, die ein Patient erfüllen muss, um an dieser Form der Musiktherapie teilnehmen zukönnen. Als Kriterien dieser Art gelten zum Beispiel:- selbstständiger Ausgang- Affinität für das Medium Musik- Besitz eigener Tonträger, die zur Auswahl stehen- Möglichkeit zur verbalen KommunikationPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com28


Das Aufzählen von Kontraindikationen lässt zudem Rückschlüsse auf eine möglicheIndikation zu. Für diese Methode gilt als Kontraindikation:- Die Krankheit / Störung beeinflusst massiv das Sprachverhalten- Suizidgefahr oder massive Depression- Fremdaggression- Akute autoaggressive Tendenzen oder Fluchtgefahr- Akute Gefahr zur Dissoziation, die <strong>du</strong>rch Musik ausgelöst werden kann.- Absehbarkeit, bezüglich eines vorzeitigen Abbruchs oder einer unregelmäßigenTeilnahme an der MusiktherapieAusgegangen wird bei Indikationskriterien von der Arbeitssituation, die ich selbst inmeiner bisherigen Berufserfahrung erlebt habe. Erfahrungsgemäß verhält es sich in derPraxis so, dass <strong>du</strong>rch die Tatsache, dass oft nur ein einziger Musiktherapeut pro Klinikbeschäftigt ist, das quantitative Angebot der Musiktherapie natürlich begrenzt ist undjede Station die Musiktherapie nur zu festen, vorgegebenen Zeiten nutzen kann.Dort, und folglich auch in dieser Arbeit, wird davon ausgegangen, dass immultiprofessionellen Behandlungsteam abgewogen wird, welcher Patient für einen Platzin der Musiktherapie angemeldet wird. Der Musiktherapeut hat dabei zwar einMitspracherecht, entscheidet in letzten Konsequenz aber <strong>nicht</strong> allein.Bevor ein Patient zur ersten Sitzung kommt, ist es sinnvoll, ein Aufnahmegespräch mitihm zu führen, das dazu dient, den Patienten kennen zu lernen und erste Zielabsprachenzu treffen, sowie dem Patienten über den zu erwartenden Verlauf der Therapieaufzuklären.<strong>2.</strong>4. BehandlungskonzeptDer Behandlungsansatz für diese Einstiegsmethode in die Musiktherapie setzt sich ausverschiedenen Grundlagen und Methoden, wie sie im ersten Kapitel definiert sind,zusammen. An dieser Stelle sollen nun die grundsätzlichen Methoden aus den Kapiteln1.1.(Gruppentherapie) und 1.<strong>2.</strong> (rezeptive Musiktherapie) noch einmal konkret benanntwerden, die für diese Methode entscheidend sind. Wie diese genau umgesetzt werdenPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com29


und welche therapeutischen Interventionen damit verbunden sind, wird in Kapitel <strong>2.</strong>7.beschrieben.Die Methode kombiniert verschiedene in Kapitel 1.<strong>2.</strong> genannte Methoden. Sie bedientsich sowohl des dynamisch orientierten als auch des reaktiven Ansatzes. Gearbeitetwird in der Gruppe im Hier-und-Jetzt. Ausgangspunkt kann, je nach Qualität dergehörten Musik, sowohl die Musikrezeption selbst, als auch eine <strong>du</strong>rch Gruppengesprächentstehende Gruppendynamik sein. Der dynamisch orientierte Ansatz fordert,dass Patienten die Musik selbst auswählen. Die von Schwabe genannten „spezielltherapeutischen Gesichtspunkte<strong>“</strong> (vgl. Kapitel 1.<strong>2.</strong>) richten sich sowohl auf dieEigenschaftsvariablen der Musik (dynamisch orientiert), als auch auf die damitverbundenen Reaktionen (reaktiv). Für das Gruppengespräch ist beides von Bedeutungund wird indivi<strong>du</strong>ell und im Gruppenforum thematisiert. Das Hören von Musik kannund soll an die ästhetischen Bedürfnisse der Zu<strong>höre</strong>r appellieren (dynamisch orientiert),wobei sich diese <strong>nicht</strong> nur auf eine Frage des Geschmacks re<strong>du</strong>zieren sollen; dieunterschiedlichen Reaktionen darauf werden dann zum Gesprächsgegenstand (reaktiv).Aufgegriffen werden soll nur, <strong>was</strong> in der Therapie passiert. Dem „Instrument desFeedbacks<strong>“</strong> (vgl. Kapitel 1.1.) kommt dabei, zum einen für die Beziehung der Patientenuntereinander, zum anderen in der Patient–Therapeut Beziehung eine tragende Rolle zu.Die Gruppe bildet, wie in Kapitel 1.1. bereits erklärt, einen sozialen Mikrokosmos,welcher in den Prozess des „interpersonalen Lernens<strong>“</strong> einmündet. In diesem Settingkommt dann zusätzlich zu dem „normalen<strong>“</strong> Gruppenverhalten noch die Wirkung derMusik hinzu. Diese kann bekannt oder unbekannt sein und für jeden aus der Gruppe miteiner unterschiedlichen Wirkung behaftet sein. Darauf soll im dritten Kapiteleingegangen werden.Für diese Einstiegsmethode gelten „Spielregeln<strong>“</strong>, die nach Bedarf einzuführen und zuergänzen sind. Sie unterteilen sich in drei Kategorien (Die „Spielregeln<strong>“</strong> sind als Anlageim Anhang der Arbeit abgedruckt.).PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com30


1. Grundsätzliche Regeln:- Während des Musik<strong>höre</strong>ns wird <strong>nicht</strong> gesprochen. Die Konzentration der Gruppesoll sich auf die Musik richten. In der Gruppe soll die Musik <strong>nicht</strong> nebenbei laufen,sondern sie ist der zentrale Ausgangspunkt der Therapie.- Es besteht jederzeit die Möglichkeit „Stopp<strong>“</strong> zu sagen, wenn es, aus welchenGründen auch immer, <strong>nicht</strong> mehr möglich ist, weiter zu <strong>höre</strong>n. Damit soll verhindertwerden, dass ein Patient die Therapie einfach verlässt, wenn die Musik eineunerwartet heftige Reaktion in ihm auslöst.- Das Wort „Man<strong>“</strong> existiert <strong>nicht</strong>. Es gilt, <strong>„Ich</strong><strong>“</strong> zu sagen, wenn auch <strong>„Ich</strong><strong>“</strong> gemeintist. Diese Regel ist deshalb wichtig, weil viele Patienten versuchen, sich aufUmwegen auszudrücken. Für die Therapie ist es aber von immanenter Bedeutung, inden Äußerungen bei der eigenen Person zu bleiben, vor allem wenn es um dasGeben von Feedbacks geht, oder darum, Stellung zu diesen zu beziehen.- Der eigene Musikgeschmack spielt eine untergeordnete Rolle. Reaktionen, wie „dasfinde ich gut / schlecht<strong>“</strong> helfen in der Therapie <strong>nicht</strong> weiter. Diese gilt es <strong>du</strong>rch „daslöst in mir dies / jenes aus<strong>“</strong>, „wenn ich diese Musik <strong>höre</strong>, dann ...<strong>“</strong> zu ersetzen.<strong>2.</strong> Regeln bezüglich des Gebens von Feedback:- Ausgangspunkt für ein Feedback sollen die beim Zu<strong>höre</strong>r ausgelösten Gefühle sein.- Ein Feedback sollte sich so zeitnah wie möglich an die auslösende Gegebenheithalten. Damit soll dem Problem vorgebeugt werden, dass sich ein Anlass zumFeedback über eine längere Zeit hin „verschleppt<strong>“</strong>. Für die Person, die ein Feedbackbekommt, ist es am Hilfreichsten, wenn das Feedback unmittelbar stattfindet (sieheKapitel 1.1.).- Ein Feedback soll sich auf das Hier-und-Jetzt beziehen.3. Sonderregeln, die bei Bedarf in der konkreten Situation ergänzt werden können:Wenn es in einer Gruppe zusätzlicher Regeln bedarf, so ist hier der Platz dafürgegeben. Ein fester Zeitplan für die Absprache der Regeln mit der Gruppe ist <strong>nicht</strong>vorgesehen.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com31


Der Musik kommt in diesem Behandlungsansatz eine essentielle und tragende Rolle zu.Themen, die für das Gruppengespräch von zentraler Bedeutung sind, entwickeln sichaus verschiedenen Ansätzen. Dabei stellt die Musik eine große unbekannte Variable,sowohl für die Gruppe als auch für den Therapeuten in diesem Konzept dar. In dieserEinstiegsmethode, aber auch in den bereits in Kapitel 1.<strong>2.</strong> genannten Methoden, treffendie unterschiedlichsten Hörgewohnheiten und Erwartungen aufeinander.Der Patient, der ein Musikstück auswählt und sich der Gruppe damit vorstellt, verbindetdies mit einer konkreten Vorstellung von sich selbst oder einem prägenden Ereignisoder Zeitraum, welches / welchen er damit assoziiert. Ein anderer Patient könnte diesesMusikstück auch kennen, aber et<strong>was</strong> völlig anderes damit verbinden. Ein dritter, der dasStück <strong>nicht</strong> kennt und sich beim Zu<strong>höre</strong>n auf einen Teilaspekt, wie zum Beispiel denText konzentriert hat, denkt dabei an noch et<strong>was</strong> anderes und kann die Meinung derersten beiden Patienten vielleicht überhaupt <strong>nicht</strong> nachvollziehen. Auf diesem Wegeentsteht zwangsläufig eine Diskussion in der Gruppe, in der jeder die Möglichkeit hat,verschiedene Eindrücke von ein und der selben Musik vor seinem eigenen Hintergrundeinzubringen, zu <strong>du</strong>rchleuchten und zu hinterfragen. Dabei ist die Frage nach demGeschmack, ob die Musik gefällt oder <strong>nicht</strong>, <strong>nicht</strong> zur Diskussion gestellt. DasBedürfnis, die gehörte Musik bewerten zu wollen, muss in diesem Zusammenhanghinten angestellt werden. Musik<strong>höre</strong>n soll in der Musiktherapie <strong>nicht</strong> so verstandenwerden wie Musik<strong>höre</strong>n „zu Hause<strong>“</strong>, sondern der Zu<strong>höre</strong>r, der die Musik <strong>nicht</strong> kennt,soll sich auf diese möglichst unvoreingenommen einlassen. Die Qualität der aus derRezeption entstehenden Diskussion wird sich dabei erfahrungsgemäß nach der Qualitätund der Verständlichkeit des Textes richten. Triviale Popmusik, wie sie im erstenKapitel bereits charakterisiert wurde, wird nirgendwo anecken und keine konkreteAussage nach sich ziehen. Sie wird auf den ersten Blick unscheinbar erscheinen undsich auf die Aussagekraft der Musik re<strong>du</strong>zieren, zumal wenn der Text in einer fremdenSprache gesungen ist. Doch bei genauerem Hin<strong>höre</strong>n wird sich auch daraus et<strong>was</strong> fürdie Gruppe Relevantes herausarbeiten lassen.Ist jedoch mit dem Text eine klare Aussage verbunden, so wird dieses Stück die Gruppepolarisieren und wie bereits angedeutet in verschiedene Lager spalten. Ein thematischerHintergrund wird damit zwangsläufig zum konkreten Gesprächsgegenstand.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com32


Die inhaltliche Umsetzung dieses Behandlungskonzepts wird im dritten Kapitel anhandvon Beispielen folgen.<strong>2.</strong>5. BehandlungszieleDie mit der Behandlung angestrebten Ziele unterteilen sich zum einen in Ziele dieserMethode und grundsätzliche Ziele, die mit der Behandlung sekundär zu verfolgen sind.1. Ziele dieser MethodeHauptziel dieser Methode für den Therapeuten ist es, einen ersten Eindruck von derGruppe und dem einzelnen Patienten zu bekommen. Mit der Krankheit verbundeneDefizite werden <strong>du</strong>rch den Arbeitsauftrag und das damit verbundene Gespräch in derGruppensituation sichtbar und greifbar. Diese Erkenntnisse bieten die Grundlage für dieweitere Behandlung. Diese Form des Einstiegs, findet unter observatorischenGesichtpunkten statt. Der Therapeut muss bereits während des Einstiegs in dieMusiktherapie darauf achten, welches Fehlverhalten der Patient im Gruppengesprächaufzeigt und wie dies, im nächsten Schritt nach dem Einstieg, möglicherweise in einenArbeitsauftrag praktischer Art (aktive Musiktherapie) umzusetzen ist.Messbare Ziele für den Patienten in dieser kurzen Einheit können sein:- Gefühle, die beim Zu<strong>höre</strong>n aufkommen zu benennen.- Eine bestimmte Reaktion auf Musik zu verbalisieren.- Ursachen zu benennen, die eine bestimmte Reaktion auf Musik hervorrufen.- Sensibilisierung bezüglich bestehender Hörgewohnheiten; aktives Zu<strong>höre</strong>nerlernen;a) Akzeptieren, dass jemand anderes im Mittelpunkt steht,b) Toleranz gegenüber Emotionen und persönlichen Geschmäckern vonanderen,c) Musik zu <strong>höre</strong>n, die <strong>nicht</strong> dem eigenen Geschmack entspricht.- Mehr / aktiveres / selbstbewussteres Kommunikationsverhalten.- Verbesserung der Qualität und Aussagekraft des Therapiegesprächs:„man<strong>“</strong> Ł „ich<strong>“</strong>PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com33


Um diese Ziele messbar zu machen, bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Je nachPatient sind diese Ziele bereits eine Zugangsqualifikation, für andere werden diese Zieleauch für die Dauer der ganzen Behandlung <strong>nicht</strong> erreichbar sein. Deshalb ist es wichtig,sowohl für den Patienten als auch für den Therapeuten, mit dem Patienten die zuerreichenden Behandlungsziele vorher abzusprechen. Nur wenn vorher klareAbsprachen getroffen wurden, ist es möglich, diese auch zu evaluieren.Am Ende der Einstiegsmethode soll der Patient ein Reaktionsmuster erlernt haben, dases ihm ermöglicht, von einer polarisierenden Wertung wie „das fand ich gut / schlecht<strong>“</strong>Abstand zu gewinnen. Dies ist am veränderten Reaktionsverhalten auf die Musik oderauf das Feedback der Gruppe hin messbar. Nach Beendigung dieser Form des Einstiegsin die Musiktherapie weiß der Patient sich differenzierter zu äußern, wie: „das löst beimir aus, dass ich ...<strong>“</strong> oder „wenn ich solche Musik <strong>höre</strong>, werde ich ruhig / unruhig /aggressiv/ ..., weil ...<strong>“</strong>. Außerdem hat der Patient gelernt, warum diese Art und Weise zureagieren und zu sprechen in der Gruppentherapie sinnvoll und notwendig ist.<strong>2.</strong> Grundsätzliche Ziele für die Musiktherapie und Behandlungsziele im Hintergrund.Diese gilt es im „Hinterkopf<strong>“</strong> mitzuverfolgen, um eine erfolgreiche Behandlunginsgesamt gewährleisten zu können. Hintergründige Ziele sind:- Die Therapie soll <strong>nicht</strong> nur als Arbeit empfunden werden, sondern auch Spaßmachen.- Mut entwickeln zu können, selbst Impulse zu setzen.- Eine mögliche Hemmschwelle gegenüber anderen aus der Gruppe abbauen.- Regeln der Musiktherapie / des Umgangs in der und für die Therapie erlernen.- Zugang zur Musiktherapie darlegen, motivieren, Wege für weitere Therapieaufzeigen.In welcher Form diese Ziele evaluiert und dokumentiert werden liegt in derEigenverantwortung des <strong>du</strong>rchführenden Therapeuten.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com34


<strong>2.</strong>6. DurchführungIm Zentrum der hier zu entwickelnden rezeptiven Einstiegsmethode in dieMusiktherapie steht für den Patienten der Arbeitsauftrag:„Bringen Sie ein Musikstück ihrer Wahl,• In dem Sie sich wiederfinden (oder mit dem Sie sich identifizieren) könnenoder• Das Sie zur Zeit häufig <strong>höre</strong>n oder• Dessen Text oder Musik (oder gar beides) Sie besonders ansprichtmit zur Musiktherapie!<strong>“</strong>Diesen Arbeitsauftrag sollen die Patienten vor der ersten Sitzung, in Form derbeiliegenden Informationsbroschüre, erhalten. Aus diesem Auftrag und demAufnahmegespräch soll sich dann die weitere Therapie ergeben. DieMusiktherapiesitzungen in dieser Methode haben dabei einen identischen Aufbau.Nach einer Begrüßung zu Beginn der Stunde spricht die Gruppe ab, wer seinMusikstück vorstellt. Dieses wird unter Berücksichtigung der oben genannten Regelngehört.Das darauf folgende Gespräch gliedert sich in drei Einheiten:1. Allgemeine Fragerunde:Der Therapeut richtet zunächst allgemeine Fragen an den, der sein Stück vorgestellt hat.Eingegangen wird dabei vor allem auf die aktuelle Befindlichkeit des Betreffenden. DieFragen können lauten:- Wie war es, in diesem Setting das Stück zu <strong>höre</strong>n?- Waren Sie aufgeregt oder nervös?- Wie würden Sie das Gefühl beim Hören in dieser Situation / heute näherbeschreiben?Es gilt dabei zunächst, der mit dem Vorstellen der „eigenen<strong>“</strong> Musik verbundenenAufregung Raum zu geben und diese zu mildern. Es ist wichtig, der zentral gestelltenPerson als erste die Möglichkeit zu geben, sich zur gehörten Musik zu äußern, weil siePDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com35


mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nervös und erregt sein wird. Dastrivial gehaltene Gespräch soll diese Spannung abbauen.Bevor die nun folgenden Fragen in die Runde gehen, ist es wichtig, die Gruppe daraufhinzuweisen, bei der Beantwortung noch keinen Bezug auf die Person, die das Stückmitgebracht hat, zu nehmen, sondern sich bei der Beantwortung der Fragen auf dieeigene Person zu beschränken.Die Fragen, die nun reihum an jeden einzelnen aus der Gruppe gestellt werden, sindpersonenbezogene Fragen. Sie können lauten:- Kannten Sie das Stück? (ggf. Wann haben Sie es zuletzt gehört?)- Löst dieses Stück et<strong>was</strong> in Ihnen aus?- Wie würden Sie das beschreiben?- Ist dieses Stück für Sie inhaltlich / textlich / musikalisch relevant? (Diese Frage istje nach Genre und Sprache des gesungenen Textes zu differenzieren. Sie soll eineEinleitung auf die folgende Frage sein.)- Können Sie zum Inhalt des Stücks auf Ihre Person bezogen Stellung nehmen?- Lässt der Text oder die Musik des Stücks eine Aussage zu, in der sie et<strong>was</strong> über sichsagen?<strong>2.</strong> Tiefergreifende Fragerunde:In dieser Runde wird die Person, die das Stück mitgebracht hat, zentral gestellt. Andiesem Punkt ist es nun eine Abwägungsfrage für den Therapeuten, ob er der zentralgestellten Person die Möglichkeit zum unmittelbaren Feedback auf die Gruppe gibt oderwartet, bis alle aus der Gruppe et<strong>was</strong> gesagt haben.Die Fragen, die nun reihum an jeden einzelnen aus der Gruppe gestellt werden, könnenlauten:- Was können sie von der Person, die die Musik mitgebracht hat, in der Musikwiederfinden? – Warum? – Wie kommen Sie darauf?- Löst diese Musik in ihnen et<strong>was</strong> Ähnliches aus?Abschließend kommt die Person, die das Musikstück mitgebracht hat, noch einmal zuWort. Abschließende Fragen können lauten:- Wie war es, sich für genau dieses Stück zu entscheiden und warum?PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com36


- Hören Sie dieses Stück zur Zeit häufig? Wie oft?- In welchen Situationen <strong>höre</strong>n Sie diese Musik?- Wie sehen Sie sich selbst in Verbin<strong>du</strong>ng mit dieser Musik? (Diese Frage stellt dieAuflösung auf das Feedback der Gruppe dar. Dies kann, je nach Verlauf desGesprächs, bereits im Schritt zuvor geschehen sein.)3. Schlussrunde bzw. Überleitung zum nächsten StückIn dieser Runde soll nun das Gespräch auf eine andere Ebene gehoben werden. Es gehtnun weniger um die eigenen Erfahrungen, die mit der gehörten Musik in Verbin<strong>du</strong>ngstehen, als vielmehr um den Umgang miteinander in der Gruppe. Das Feedback alssolches wird zum Gesprächsgegenstand. Die Gruppe soll in dieser Phase der Sitzungdas Gruppengespräch reflektieren und gegebenenfalls benennen, <strong>was</strong> gut war, oder <strong>was</strong>beim nächsten Mal verbessert werden muss.Zunächst wird die Person, die das Musikstück mitgebracht hat, befragt. Die Fragenkönnen lauten:- Wie beschreiben Sie das Gefühl, von der Gruppe ein Feedback bekommen zuhaben?- Ist Ihnen daran et<strong>was</strong> aufgefallen? – Was? Die Fragen beziehen sich auf die Art undWeise des Feedbacks.- Was können Sie selbst oder andere Ihrer Meinung nach daran verbessern oderverändern?- Was hat Ihnen besonders gefallen? – Warum?Anschließend kommt noch einmal jeder der anderen Teilnehmer der Gruppe zu Wort.Die Fragen an jeden einzelnen können lauten:- Was hat Ihnen an dieser Stunde / Runde gefallen, <strong>was</strong> <strong>nicht</strong>? - Warum?- Hat Ihnen das Musik<strong>höre</strong>n und das anschließende Gespräch et<strong>was</strong> gebracht? Was? /Was <strong>nicht</strong>?- Was sollte in der nächsten Stunde / Runde verbessert oder anders gemacht werden?- Warum?PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com37


Wenn die letzte Session dieser Einstiegsmethode gehalten ist, gilt es, mit den Patientendie letzten Stunden noch einmal Revue passieren zu lassen. Dabei sollen die Fragen, diesonst zum Ende einer jeden Einheit gestellt wurden, auf das gesamte Mo<strong>du</strong>l übertragenund eine Zwischenevaluation mit der Gruppe <strong>du</strong>rchgeführt werden. Darin sollen diebisher gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte der Gruppe benannt werden. Es mussdann thematisch darauf hingearbeitet werden, welche Themen bereits behandelt undabgeschlossen wurden und welche noch offen sind. Auch muss erfragt werden, ob es inder Gruppe noch relevante Themen gibt, die bisher noch <strong>nicht</strong> zur Sprache gekommensind.Diese gilt es dann in der nächsten Einheit der Musiktherapie aufzugreifen. Dort werdensie dann in Verbin<strong>du</strong>ng mit aktiver Musiktherapie weiterbehandelt.Durch diese Methode ist gewährleistet, dass sich die Gruppe bereits kennen gelernt hatund auch mit den grundsätzlichen Regeln der Zusammenarbeit vertraut ist. Daher istdavon auszugehen, dass es für eine Gruppe kein sehr großes Hindernis darstellen wird,sich im Anschluss auf den aktiven Teil der Musiktherapie einlassen zu können.<strong>2.</strong>7. BehandlungsphasenDiese Methode findet zu Beginn der musiktherapeutischen Behandlung statt. DieGruppe, mit der der Therapeut in den ersten Stunden arbeitet, ist in Ihrer Entwicklungnoch <strong>nicht</strong> so weit, wie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich die Gruppe bereitskennt. Für den Therapeuten bedeutet dies, dass er sich in den damit verbundenenunterschiedlichen Phasen anders zu verhalten hat.Zu Beginn ist es notwendig, die mit dem Methode verbundenen Regeln einzuführen undimmer wieder zu erklären. Das führt dazu, dass die Patienten, die zu Anfang „ihre<strong>“</strong>Musik mitbringen, eine andere Qualität des Feedbacks von der Gruppe zu erwartenhaben, als der Patient, der „sein<strong>“</strong> Stück im späteren Verlauf des Einstiegs mitbringt.Für den Therapeuten bedeutet das, dass er zu Beginn, neben dem Einführen undErklären der Regeln auch die wesentlichen Akzente setzt, wie ein Feedback gegenübereinem Teilnehmer aus der Gruppe auszusehen hat. In dieser Phase ist der Therapeut<strong>nicht</strong> nur der Gruppenleiter, sondern muss auch die Rolle des „vorbildlichen<strong>“</strong> PatientenPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com38


spielen, von dem sich andere aus der Gruppe abschauen können, wie z. B. ein Feedbackgegeben wird, ohne dass es für die betreffende Person verletzlich ist.Im weiteren Verlauf der Therapie, vorausgesetzt die Gruppe akzeptiert die damitverbundenen Regeln, ändert sich die Rolle des Therapeuten. Die Patienten kennen dieFrageproze<strong>du</strong>r und wissen, welche Fragen sie zu beantworten haben. Für denTherapeuten bedeutet dies, dass er <strong>nicht</strong> mehr der allein Fragende ist, sondern sichvielmehr in die Rolle des Moderators zurückziehen kann. Als solcher lenkt er dasGespräch in die Richtung, die er für wichtig erachtet.<strong>2.</strong>8. Zwischenbilanz / Fazit / Besondere SchwierigkeitenAn dieser Stelle gilt es, eine erste Bilanz zu ziehen:Wie bereits zuvor angesprochen, ist die beschriebene Methode, um sie laut stuurgroepmo<strong>du</strong>le-ontwikkeling ein „Mo<strong>du</strong>l<strong>“</strong> nennen zu können, in einigen Punkten <strong>nicht</strong> weitgenug eingegrenzt. Die Methode, wie sie hier beschrieben ist, geht als Idee von einemArbeitsauftrag aus, der in seiner Umsetzung verschiedene bereits bestehendemusiktherapeutische Methoden miteinander verknüpft. Die HMO hat sich in diesemZusammenhang allerdings als sehr hilfreich erwiesen, <strong>nicht</strong> zuletzt auch, weil sie immerwieder Fragen aufwarf, die insbesondere für die praktische Umsetzung zuberücksichtigen waren.Da bereits in Kapitel <strong>2.</strong><strong>2.</strong> die Zielgruppe <strong>nicht</strong> scharf eingegrenzt wird, ist es in derFolge auch <strong>nicht</strong> möglich, eine genaue Indikation zu stellen und die Zielsetzungen bisins letzte Detail anzugeben.Diese Einstiegsmethode ist bewusst in dieser Hinsicht offen gelassen, damit sie in derPraxis Anwen<strong>du</strong>ng finden kann. So gibt sie jedem Therapeuten, der damit arbeitenmöchte, genug Spielraum, seine eigenen Ideen mit aufzunehmen.Das hier beschriebene Behandlungskonzept und dessen Durchführung lassen eine starreStrukturgebundenheit vermuten. Dem ist aber <strong>nicht</strong> so, wenn der Therapeut es schafft,während der Therapie von der angegebenen Fragestruktur und –reihenfolge loszulassenund im speziellen auf die Gruppenbedürfnisse einzugehen, insbesondere dann wenn dieGruppe eine ganz andere Richtung einschlägt, als sie in der Methode vorgesehen ist.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com39


Der mit dieser Arbeit verbundene Fragenkatalog und die dazugehörigen „Spielregeln<strong>“</strong>sind <strong>nicht</strong> als Dogma aufzufassen, sondern sie sind vielmehr ein Leitfaden, der dieseMethode anwendbar macht. Dieser Leitfaden appelliert bei der Umsetzung für denTherapeuten wie auch für den Patienten an eine Eigenverantwortlichkeit im Handeln.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com40


3. Umsetzung in die therapeutische Praxis anhand häufigausgewählter MusikstückeIn diesem Kapitel geht es nun darum, die entwickelte Methode in die Praxis zuübertragen. Dafür sind drei Stücke ausgewählt, die während meiner Arbeitserfahrung inder Musiktherapie gehört wurden. Dieses Kapitel beschränkt sich darauf, thematischeMöglichkeiten aufzuzeigen, die aus den folgenden Stücken im Rahmen der rezeptivenMusiktherapie auftreten können; es soll keine Falldarstellung von der Person, die dasjeweilige Stück mitgebracht hat, anhängig sein.Jedes der folgenden Stücke steht für eine Kategorie, in die Rock- und Popmusik, nachBedeutung des Textes, im Rahmen dieser Arbeit eingeteilt wurde (vgl. Kapitel 1.4.).Im Rahmen dieser Methode ergeben sich für das Gespräch in der Musiktherapieverschiedene Ansätze, die auf ganz verschiedene Höreindrücke von ein und dem selbenStück zurückgehen. Dabei lässt sich die Gruppe unterteilen, in Patienten, die nur auf dieMusik achten und Patienten, die auf den Text achten und dabei die Musik alsUnterstützung des Textes <strong>höre</strong>n. Dieser letztere Typ Zu<strong>höre</strong>r verbindet die beidenwesentlichen Elemente dieses Stücks: Die lyrische Aussage eines Textes transferiert aufdas Instrument Gesang, begleitet von einer Band.3.1. Schwerpunkt Text: „Lieber als hier<strong>“</strong>, Gruppe: FlowerpornoesText und Musik: Tom Liwa (Flowerpornoes)Aus dem Album: „... red´ <strong>nicht</strong> von Straßen, <strong>nicht</strong> von Zügen<strong>“</strong>Das Stück sowie der Text befinden sich im Anhang.Dieses Stück bietet in der Musiktherapie eine Vielzahl möglicher Themen, die in derNachbesprechung an die Oberfläche kommen können. Es wird hier davon ausgegangen,dass der Text in der Muttersprache gesungen wird. Dieser Ausgangspunkt und dieTatsache, dass die Musik in diesem Stück eine untergeordnete Funktion einnimmt, lässtdie Vermutung zu, dass man sich den Worten des Textes als Zu<strong>höre</strong>r <strong>nicht</strong> entziehenkann.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com41


Die Thematik dieses Stücks lässt sich in vielerlei Hinsicht deuten und interpretieren. Sielässt aber auch viele Fragen offen, die sich dafür eignen, sie vor dem jeweils eigenenpersönlichen Hintergrund zu betrachten.Fragen, Themen und Eindrücke, die in einer Patientengruppe aus diesem Stück herausthematisiert werden können, sind:- Das Lied berührt; es „haut einen um<strong>“</strong>.- Die Musik ist einstimmend, so „harte, direkte<strong>“</strong> Worte kommen überraschend.- Es scheint unmöglich, sich den Worten des Textes / der Sprache zu entziehen.- Der Text passt / passt <strong>nicht</strong> zur Musik.- Das Stück regt beim Zu<strong>höre</strong>n an, über die eigene Person nachzudenken.- Diese Musik berührt den Zu<strong>höre</strong>r, warum / warum <strong>nicht</strong>?- Der Sänger singt <strong>nicht</strong> in der Ich-Form. Wie nehme ich das als Zu<strong>höre</strong>r auf? (Wieverhält sich dies in Anbetracht der Regel: „Man<strong>“</strong> Ł <strong>„Ich</strong><strong>“</strong>?- Ist der Leidensweg, von dem der Sänger singt, auf die eigene Person übertragbar?- Was bewirkt die Melancholie des Stücks mit dem Zu<strong>höre</strong>r?- Zukunftsperspektive: Was ist jetzt? Was war vorher anders? Wie geht es jetztweiter?- Der Text findet im Hier-und-Jetzt statt.- Thema Sehnsüchte; <strong>was</strong> fehlt mir?- Der Text klingt wie ein Selbstvorwurf. Eigene Schuld, dass man keine Freunde hat,einem keiner zu<strong>höre</strong>n will?- Kann ich lieben? Wie? Warum?- Wie ist der eigene Einfluss auf das eigene Umfeld?Nimmt man an dieser Stelle den Fragenkatalog zur Hand, so wird im Zusammenhangmit diesem Stück auffallen, dass sich aus dieser Musik in der zweiten Fragerunde sehrviele Themen herausarbeiten lassen, die für eine Diskussion, unabhängig von demMitpatienten, der dieses Stück mitgebracht hat, herausarbeiten lassen. Dieses Stückwirft beim Zu<strong>höre</strong>r inhaltlich viele Fragen auf, die es notwendig machen, erst deneigenen Hintergrund zu erfragen, bevor es daran geht, Möglichkeiten zu suchen, warumein anderer genau dieses Stück mitgebracht hat und diesem Menschen ein Feedback zugeben. Die Frage, welcher Patient aus meinem Arbeitsbereich das Stück mitgebrachthat, soll hier <strong>nicht</strong> beantwortet werden. Dieses Stück gibt auf jeden Fall den Anlass fürPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com42


ein Feedback, dem eine beim Feedback Gebenden <strong>du</strong>rch die Musik ausgelöste Reaktionbzw. Emotion vorausgeht.Der Zu<strong>höre</strong>rtyp, der sich bei diesem Stück dem Text entziehen kann, wird sichwahrscheinlich schon nach kurzer Zeit an der monotonen Struktur dieses Stücks„sattgehört<strong>“</strong> haben. Die Musik allein bietet keine großen Reize, die irgendwelcheGefühle aufkommen lassen könnten. Trotzdem ist es in diesem Zusammenhanginteressant, einen Zu<strong>höre</strong>r, der Musik so hört, vor dem Hintergrund, <strong>was</strong> andere ausdieser Musik herausarbeiten, zu befragen, aber auch vor dem Hintergrund, warum derText keine Rolle spielt.3.<strong>2.</strong> Schwerpunkt Musik: „Shine<strong>“</strong> von Vanessa AmorosiText: Parde, Musik: HoldenAus dem Album: „The Power<strong>“</strong>Das Stück sowie der Text befinden sich im Anhang.An dieser Stelle sollte sich der Leser der Arbeit fragen, wie oft er dieses Lied schon imRadio gehört hat und sich eventuell noch nie Gedanken darüber gemacht hat, <strong>was</strong> derText eigentlich aussagen will. Auch sollte er sich fragen, ob er den Text schon einmal<strong>du</strong>rchgelesen hat, oder versucht hat, ihn beim Zu<strong>höre</strong>n zu verstehen.Wenn ein Patient dieses Musikstück im Rahmen des Arbeitsauftrags mit zurMusiktherapie bringt, so wird er dies <strong>nicht</strong> tun, weil ihm der Text so gut gefällt, sonderneher, weil er eine konkrete Situation mit diem Lied verbindet oder weil es gerade ein /sein „Hit<strong>“</strong> ist, den er täglich hört.Im Rahmen der Musiktherapie wird dieses Stück gehört, ohne dass ein Text zur Handist. Der große Unterschied zum Hören „zu Hause<strong>“</strong> ist der, dies im Regelwerk derMethode zu tun, also <strong>nicht</strong> Musik zu <strong>höre</strong>n, die nebenbei läuft, sondern mit allerverfügbaren Aufmerksamkeit zuzu<strong>höre</strong>n. Innerhalb einer Gruppe wird es aussprachlichen Gründen <strong>nicht</strong> möglich sein, den Text des Liedes zu analysieren und mitPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com43


der Musik in Vergleich zu stellen. Diese Analyse wird in diesem Zusammenhanghöchstens auf den Titel des Stücks re<strong>du</strong>ziert bleiben.Die Melodie und der Refrain des Stücks sind eingängig, insgesamt jedoch ist <strong>nicht</strong>davon auszugehen, dass dieses Lied eine spezifische emotionale Reaktion beim Zu<strong>höre</strong>rauslösen wird. Deshalb sind die möglichen Gesprächsthemen, die sich aus einem Stückdieser Art ziehen lassen, auch eher oberflächlich.Geht man mit einer Patientengruppe anhand dieses Stücks nun den Fragenkatalog<strong>du</strong>rch, so liegt die Vermutung nahe, dass ein Gespräch aufgrund fehlenderverschiedener Auffassungen bezüglich der Musik und des Textes weder tiefgründig imInhalt ist, noch viel Spannung mit sich bringt. Dafür ist dieses Lied in den relevantenAspekten zu trivial und stellt zu wenig „Ecken<strong>“</strong> und „Kanten<strong>“</strong> dar, die eine lebhafteDiskussion mit sich bringen würden. Es ist in seiner Intention wahrscheinlich auch eherzur Unterhaltung, als zur Mitteilung eines konkreten Inhalts geschrieben.3.3. Widerspruch Text Musik: „Hardcore<strong>“</strong>, Gruppe: KnorkatorText und Musik: Alf AtorAus dem Album: „Hasenchartbreaker<strong>“</strong>Das Stück sowie der Text befinden sich im Anhang.Das Stück „Hardcore<strong>“</strong> ist <strong>nicht</strong> auf den eigentlichen Arbeitsauftrag zurückzuführen. Esist kein Stück, dass von einem Patienten mitgebracht wurde, sondern dann von mireingesetzt wurde, wenn es galt eine Gruppe mit unerwarteter Musik zu locken oder eineDiskussion anregen zu wollen. Es ist an dieser Stelle in die Arbeit aufgenommen, weiles ein Paradebeispiel für die hier genannte Kategorie Musik ist. Wenn in dieser Arbeitvon Textrelevanz in der Rock- und Popmusik gesprochen wird, so ist dieses Stück so zuverstehen, dass es dieses Kriterium parodiert.Für diese Methode hat das zur Folge, dass der eigentliche Auftrag in diesem Kapitelausgeklammert wird und der Fokus ausschließlich auf der möglichen Reaktion auf dieMusik liegt. Der Einsatz von Musik, die der Therapeut selbst in die Gruppe einbringtändert das in der Methode beschriebene Setting insofern, dass nun <strong>nicht</strong> mehr einPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com44


einzelner Patient zentral steht, sondern die ganze Gruppe bei dem auf das Hörenfolgende Gespräch in der gleichen Rolle ist.Dieses Stück ist in seiner Wirkung auf den Zu<strong>höre</strong>r ähnlich intensiv, wie das in Kapitel3.1. beschriebene Stück, allerdings thematisch von anderer Natur. Zu Beginn des Stücksist der Zu<strong>höre</strong>r geneigt, eine wohlmöglich ruhige Ballade zu erwarten. Diese Erwartungwird mit dem Einsatz des Gesangs hinfällig. Der Text, der in einem provokantenGegensatz zur Musik steht, aber auch die Musik selbst, lassen für ein Gespräch mit / inder Gruppe folgende Möglichkeiten zu:Der Zu<strong>höre</strong>r fokussiert: 1. den Text,<strong>2.</strong> die Musik oder3. beides zusammen.Der Einsatz dieses Stücks kann als Folge haben, dass sich ein Patient oder eine ganzeGruppe nach dem Hören gegen den Therapeuten auflehnen, weil sie dieses Stück <strong>nicht</strong>ernst nehmen können oder wollen. Beim Einsatz dieser Musik muss das in Betrachtgezogen werden.Für diesen Rahmen gilt es festzuhalten, dass dieses Stück in jedem Fall der Auslösereiner lebhaften Diskussion mit einer Gruppe ist, <strong>was</strong> auf die widersprüchlichenFaktoren Text und Musik zurückzuführen ist. Diese Diskussion kann den geradebeschriebenen Widerstand gegen die Musik oder den Therapeuten zum Inhalt haben.Sie kann aber auch darüber geführt werden, <strong>was</strong> der Text oder die Musik für sichbetrachtet aussagen.Zurückbezogen auf den Fragenkatalog dieser Methode stehen beim Hören dieser Musik,aber auch generell, wenn der Therapeut die Musik auswählt, Fragen darüber imMittelpunkt, <strong>was</strong> die Musik beim Zu<strong>höre</strong>r auslöst.3.4. FazitBetrachtet man anhand der hier aufgeführten Stücke die Möglichkeiten, die nach demHören des jeweiligen Stücks in der Gruppe für ein Gespräch bestehen, fällt auf, dass einmöglicher Gesprächsverlauf enorm davon abhängt, welche Reaktionen in der Gruppeauf die Musik entstehen. Das hängt natürlich grundsätzlich davon ab, von welcherPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com45


Qualität bzw. Beschaffenheit die Musik ist. Bringt ein Patient ein Stück mit, wie z.B.„lieber als hier<strong>“</strong>, wird er sich sehr konkrete Gedanken dazu gemacht haben, warum ersich für genau dieses Stück entschieden hat. Mit dieser Auswahl ist vorbestimmt, dassder Text eines solchen Liedes zum Thema in der Gruppe wird, weil der Text zum einenin der Muttersprache gesungen ist, er zudem thematische Fragen aufwirft und weil dieMusik den Text, sowie die damit verbundene gesungene Melodie in Szene setzt.Außerdem ist dem Patienten, der ein solches Stück mitbringt, zu unterstellen, dass derText des Stücks für ihn selbst von Bedeutung ist. Diese gilt es im Gespräch danntiefergehender zu erforschen.Sich als Patient mit einem Stück wie „shine<strong>“</strong> vorzustellen liegt hingegen eine ganzandere Motivation zu Grunde. Dieses Stück ist <strong>nicht</strong> <strong>du</strong>rch einen in seiner Aussage undIntention klar verständlichen Text geprägt. Der Fokus liegt dabei eher auf der Musik.Diese spricht thematisch weniger für sich selbst, als das vorangegangene Stück. Für dassich anschließende Gespräch hat das zur Konsequenz, dass ein zu Grunde liegendesThema verbunden mit diesem Stück <strong>nicht</strong> klar ersichtlich an der Oberfläche liegt. DieMotivation, sich für dieses Stück entschieden zu haben, ist, genau wie zuvor, einelementarer Gesprächsgegenstand. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Hörendieser Musik mit weniger emotionaler Identifizierung verbunden ist.Mit dem Einsatz des dritten eingeführten Stücks findet eine Entfrem<strong>du</strong>ng derbeschriebenen Methode statt. Im Zusammenhang einer Kategorisierung von Musikmuss diese Kategorie in dieser Arbeit genannt werden, auf die Möglichkeiten für dieTherapie soll hier jedoch <strong>nicht</strong> weiter eingegangen werden.Für den Verlauf der gesamten Einstiegsmethode gilt es festzuhalten:- Die Musik, die gehört wird, ist ein variabler Faktor, der in seiner Intensität undQualität <strong>nicht</strong> vorhersehbar und planbar ist.- Die Qualität des Therapiegesprächs hängt von der Qualität der Musik ab.- Die Dauer der Methode hängt von der Qualität der Gespräche ab. Eine Gruppe, dietriviale Popmusik mitbringt (Lieder wie „shine<strong>“</strong>), wird in ihren Gesprächen <strong>nicht</strong> soweit kommen, wie eine Gruppe, die aussagekräftigere Stücke (wie z.B. „lieber alshier<strong>“</strong>) in ihre Auswahl nimmt.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com46


4. SchlussfolgerungWie kann eine fundierte musiktherapeutische Methode aussehen, mit der esgelingt, einen Einstieg in die Musiktherapie für erwachsene Patienten innerhalbder psychotherapeutischen Behandlung so zu gestalten, dass sie sich mit selbstausgesuchter, textrelevanter Rock- und Popmusik in die Therapiegruppeeinbringen und dabei sowohl indivi<strong>du</strong>elle, als auch für die Gruppe relevanteTherapieziele erarbeiten können?Die Einstiegsmethode, die nach den Definitionen der einzelnen Begriffezusammenfassend erarbeitet wurde und an konkreten Beispielen verdeutlicht wurde,stellt eine Möglichkeit dar, erwachsenen Patienten innerhalb der psychotherapeutischenBehandlung den Einstieg in die Musiktherapie unter Zuhilfenahme ihrer selbstmitgebrachten Musik zu ermöglichen. Diese Arbeit trägt in diesem Rahmen zurSchaffung einer theoretischen Grundlage für den Einsatz einer solchen Methode bei undgibt darauf aufbauend konkrete Umsetzungsvorschläge, die gespickt sind mit derDarstellung möglicher Reaktionen von Patienten auf mögliche ausgewählte Stücke.In dieser Arbeit löst sich die rezeptive Musiktherapie aus ihrer oft verkannten Stellung.Rock- und Popmusik wird dabei in die bestehenden theoretischen Hintergründeeingearbeitet und erhält einen Stellenwert, der in dieser Form in der Literatur <strong>nicht</strong> zufinden ist. Zudem sind viele eigene Erfahrungen eingegliedert, die sich als hilfreicherwiesen, den rezeptiven Teil der Musiktherapie zu hinterfragen und zu erforschen, umsie in einer Methode dieser Form zusammenzufassen.Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt darauf, eine Form des Einstiegs in die Therapieaufzuzeigen. In der Fachliteratur, aber auch im Studium wird oft <strong>nicht</strong> in Frage gestellt,wie die gewählte Form der Therapie an den Patienten herangetragen werden kann.Zweifel des Patienten an einer Therapieform, auch die Frage, <strong>was</strong> ihn in der Therapieerwarten wird und seine damit verbundene Ungewissheit, können auf dem Wege geklärtwerden, dass ein Patient et<strong>was</strong> als elementaren Bestandteil der Therapie mit einbringendarf und sogar soll und dies als Grundlage für weitere Behandlungsschritte verwendetwird.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com47


Diese Arbeit stellt insgesamt einen Leitfaden für jeden Musiktherapeuten dar, der mitdieser Methode arbeiten möchte. Die Umsetzung soll daher insbesondere da<strong>du</strong>rcherleichtert werden, dass eine Broschüre über diese Methode, wie auch ein Leitfaden zurAnwen<strong>du</strong>ng und die für diese Form der Therapie nötigen Spielregeln dafür an dieArbeit angehängt wurden. So sollen neben der nötigen Hilfestellung zur Umsetzung indie musiktherapeutische Praxis auch Motivation und Anregungen gegeben werden.Diese Arbeit stellt kein vollständiges „Mo<strong>du</strong>l<strong>“</strong> dar, bedient sich aber zur besserenVerdeutlichung in vielen Punkten der Struktur eines Mo<strong>du</strong>laufbaus. Die erarbeiteteMethode kann es <strong>nicht</strong> leisten, die musiktherapeutische Arbeit vorhersagbar zu machen.Ebenso wie die Fragen, die in der Therapie gestellt werden müssen, muss sich die hierbeschriebene Methode in ihrer Umsetzung den Situationen in der Praxis flexibelanpassen. In diesem Punkt hängt sehr viel von der Flexibilität des Therapeuten ab, sichdie stets verändernden Situationen immer wieder neu vor Augen zu führen und seinVerhalten an die Gegebenheiten anzupassen. Dabei kann diese Methode kann nur zueinem fruchtbaren Erfolg führen, wenn von dem Therapeuten die nötige Authentizitätausgeht.Unerlässlich ist es daher für den Therapeuten, der diese Methode einsetzen möchte, dasser die Bereitschaft mitbringen muss, sich auf für ihn unbekannte Musik einlassen zukönnen und flexibel und spontan zu sein. Im Umgang mit dem Patienten kann diesbedeuten, dass der Patient, <strong>was</strong> seine Musik betrifft, der „größere<strong>“</strong> Fachmann ist als derTherapeut selbst. In dieser Methode werden von einem Musiktherapeuten stärker dieFähigkeiten ein Gespräch lenken und führen zu können verlangt als musiktherapeutischeImprovisationsfähigkeiten. Die musikalische Bil<strong>du</strong>ng / Ausbil<strong>du</strong>ng desTherapeuten stehen in diesem Fall eher hinten an. Vielmehr kommt es besonders aufeine Sensibilität in Konfliktsituationen an. Denn, wenn in dieser Arbeit derTherapiegruppe ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird, so kann und wird dies mitKonflikten der Gruppenmitglieder untereinander, aber auch dem Therapeutengegenüber einhergehen. Diese zu erkennen und ggf. lenken zu können ist für einenpro<strong>du</strong>ktiven Ausgang dieses methodischen Ansatzes essentiell.Bezogen auf ein Studium der Musiktherapie muss dies konsequenterweise bedeuten,dass die therapeutischen Techniken, die es zu erlernen gilt, sowohl auf die Arbeit in dermusikalischen Improvisation abzielen, als auch auf die Ausbil<strong>du</strong>ng eines werdendenPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com48


Musiktherapeuten, der das konkrete Gespräch über die Musik auch ohne musikalischeMittel führen kann.Diese Arbeit kann es <strong>nicht</strong> leisten, alle Vorbehalte gegenüber rezeptiver Musiktherapieauszuräumen, sie sollte aber ein Anstoß sein, rezeptive Musiktherapie mit anderenAugen zu sehen.Der Titel der Arbeit impliziert dabei die Vielfältigkeit einer solchen Betrachtungsweise:<strong>„Ich</strong> <strong>höre</strong> <strong>was</strong>, <strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong><strong>“</strong> kann sowohl die Bedeutung tragen: <strong>„Ich</strong> <strong>höre</strong> andereMusik als <strong>du</strong>!<strong>“</strong>, als auch meinen: <strong>„Ich</strong> entdecke et<strong>was</strong> in deiner Musik, <strong>was</strong> <strong>du</strong> noch<strong>nicht</strong> entdeckt hast<strong>“</strong>. Dies wiederum beinhaltet im Umkehrschluss auch die Aussage:<strong>„Ich</strong> <strong>höre</strong> et<strong>was</strong> in meiner Musik, <strong>was</strong> <strong>du</strong> (noch) <strong>nicht</strong> entdeckt hast<strong>“</strong>.Die gewünschte flexible Einsetzbarkeit der Methode beinhaltet dabei, dass hier dieZielgruppe für diese Methode <strong>nicht</strong> scharf eingegrenzt wird. Dies muss als Chanceverstanden werden, um mit den unterschiedlichsten Zielgruppen die verschiedenstenErfahrungen auf der gleichen Grundlage machen zu können, und um von dort aus eineden indivi<strong>du</strong>ellen Bedürfnissen der Patienten angemessene Therapie ermöglichen undfördern zu können.Ich wünsche jedem, der diese Methode ausprobieren möchte, viel Spaß und Erfolgdabei.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com49


Literatur- und Quellenverzeichnis- Adriaansz, R. / Schalkwijk, F./ Stijlen, L.: Methoden van Muziektherapie, eenoverzicht van de praktijk van muziektherapie in Nederland, Uitgeverij Intro,Nijkerk 1986- Bäumer, U.: Rockmusik, Revolution des 20. Jahrhunderts – eine kritischeAnalyse; <strong>2.</strong> Aufl. Christliche Literatur-Verbreitung, Bielefeld 1989- Berman, A. / Leeuwen, C. Van / Os, K. van, / Schoonheim, I. / Straaten, G. van /Veldhuizen, R. (voorzitter): NVKT handleiding mo<strong>du</strong>le-ontwikkeling voorcreative therapie, Utrecht Juni 2000- Bogt, T. ter: One Two Three Four … , Popmuziek, jeugdcultuur en stijl,Uitgeverij Lemma BV, Utrecht 1997- Decker-Voigt, H.-H. / Knill, P. J./ Weymann, E.: Lexikon der Musiktherapie,Hogrefe Verlag für Psychologie, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle 1996- Firth, S.: Jugendkultur und Rockmusik, Reinbeck 1981 (engl. Erstausgabe 1978)- Sandner, W. (Hrsg.): Rockmusik, Aspekte zur Geschichte, Ästhetik, Pro<strong>du</strong>ktion,B. Schott`s Söhne, Mainz 1977- Schwabe, C.: Regulative Musiktherapie, <strong>2.</strong> überarb. Aufl. – Stuttgart ; NewYork : Fischer, 1987- Smeijsters, H.: Grundlagen der Musiktherapie, Theorie und Praxis derBehandlung psychischer Störungen und Behinderungen, Hogrefe Verlag fürPsychologie, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle 1999- Smeijsters, H.: Musiktherapie als Psychotherapie, Grundlagen, Ansätze,Methoden, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, Jena New York 1994- Sprengler, P.: Rockmusik und Jugend, Bedeutung und Funktion einerMusikkultur für die Identitätssuche im Jugendalter, Brandes & Aspel Verlag1987- Stroop, Jan (Uitgever): Popmuziek: Kunst, Kultuur of Koopwaar? Amersfoort,1977- Weiß, W.W.: Musikkultur der Jugendlichen, in Schäfers. Opladen 1982- Yalom, Irvin D.: Der Panamahut oder <strong>was</strong> einen guten Therapeuten ausmacht, 4.Auflage Wilhelm Goldmann Verlag München 2002PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com50


- Yalom, Irvin D.: Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie. Ein Lehrbuch,Pfeiffer bei Klett-Cotta, 6. Auflage, Stuttgart 2001AnhangTexte zu Kapitel 3.Fragenkatalog zur Anwen<strong>du</strong>ng der MethodeDie „Spielregeln<strong>“</strong>InformationsbroschüreCDPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com51


Ich <strong>höre</strong> <strong>was</strong>, <strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong> !Anlage zu 3.1. Lied Schwerpunkt Text„Lieber als hier<strong>“</strong> von der Gruppe FlowerpornoesText und Musik: Tom LiwaAus dem Album: „...red` <strong>nicht</strong> von Straßen, <strong>nicht</strong> von Zügen<strong>“</strong>Du liebst <strong>nicht</strong> ihn, <strong>du</strong> liebst <strong>nicht</strong> sie.Du liebst <strong>nicht</strong> dich und wenn dein Herz schlägt,Schlägt es nur für sich.Was ist das für ein Leben, so zu leben,Als würd`s kein Morgen gebenUnd wenn der Morgen dann da ist,Dann ist es noch schlimmer,Weil es wahr ist.Drei Wünsche, und schon dein erster Wunsch wär`: Mehr, mehr, mehrEs ist noch gar <strong>nicht</strong> so lange her,Da war alles <strong>was</strong> <strong>du</strong> wolltest ein Jemand, der dir zuhört,Doch es gibt niemand der gern zuhörtWenn ein anderer ihm erzählt:Ich wäre an jedem Platz der WeltLieber als hierUnd nur vergisst zu sagen, bei dir.Du liebst <strong>nicht</strong> ihn, <strong>du</strong> liebst <strong>nicht</strong> sieDu liebst <strong>nicht</strong> dich und wenn dein Herz schlägt,Schlägt es nur für sich.Was ist das für ein Leben, so zu leben,Als würd`s kein Morgen gebenUnd wenn der Morgen dann da ist,Dann ist es noch schlimmer,Weil es wahr ist.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Ich <strong>höre</strong> <strong>was</strong>, <strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong> !Anlage zu 3.<strong>2.</strong> Lied Schwerpunkt Musik„Shine<strong>“</strong> von Vanessa AmorosiText: Parde, Musik: HoldenAus dem Album: „The Power<strong>“</strong>You say that you never had a mum and nobody needs youSo cry, so cryYou believe that life rolls by just to deceive youBy your time, by your timeYou`re getting old and the longer you take the slowerYour pain will growIt will grow, it will growYou can close your eyesAnd hope that when you open them you`ve got a brand new friendFriend you`ll find, you can`t hideYou can give your life you can close your soulYou can bang your head or you can drown in holeNothing lasts forever but you can tryLook around you everyone you see,Everyone you know is going to shineShineGrow up and make the best of what you`ve gotOf what you`ve got, of what you`ve gotThe days are going by and your sittin` on your arseAnd you`re wonderind why, why, why, yeahChorusYou can bang your head or you can drown in a holeNothing lasts forever but you can tryLook around you everyone you see,Everyone you know is going to shineShinePDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Ich <strong>höre</strong> <strong>was</strong>, <strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong> !Anlage zu 3.3. Lied Widerspruch Text Musik„Hardcore<strong>“</strong> von der Gruppe KnorkatorText und Musik: Alf AtorAus dem Album: „Hasenchartbreaker<strong>“</strong>Brüllender Gitarrensound, wie eine Wand vor meiner StirnAggressiv und monoton dringt es hypnotisch ins GehirnDann kommt ein Break, es dröhnt der Boden und ich verlier das GleichgewichtUnd ein Front aus Bass und Schlagzeug brüllt gnadenlos in mein GesichtNun bricht ein Inferno los, ich weiß <strong>nicht</strong> wer und wo ich binUm mich bebt die ganze Welt und ich steh` wortlos mittendrinEin Feuerwerk aus Licht und Nebel das mich betäubt und fasziniertUnd die Akteure auf der Bühne sind muskulös und tätowiertHardcore, wild, stürmisch und laut dringt es in mein OhrDieses muss der Sänger sein, in seiner Hand ein MikrophonRennt ekstatisch hin und her, dann holt er Luft zum ersten TonEs bellt ein Hund, es brüllt ein Löwe er ist nur noch ein wildes TierEs geht um Sex und um Verbrechen ein <strong>du</strong>nkler Kern erwacht in mirHardcore, wild, stürmisch und laut dringt es in mein OhrPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Ich <strong>höre</strong> <strong>was</strong>, <strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong> !Fragenkatalog zur Anwen<strong>du</strong>ng der Methode:(Leitfaden für den <strong>du</strong>rchführenden Therapeuten)1. Allgemeine Fragerunde: (allgemeine Fragen an den, der das Stück mitgebracht hat,personenbezogene Fragen an die Gruppe)Fragen an die Person, die das Musikstück mitgebracht hat:- Wie war es in diesem Setting das Stück zu <strong>höre</strong>n?- Waren Sie aufgeregt oder nervös?- Wie würden Sie das Gefühl beim Hören in dieser Situation / heute näher beschreiben?An dieser Stelle ist es wichtig, die Gruppe darauf hinzuweisen, noch keinen Bezug auf die Person, die dasStück mitgebracht hat zu nehmen, sondern sich bei der Beantwortung der Fragen auf die eigene Person zubeschränken.Fragen reihum an jeden einzelnen aus der Gruppe:- Kannten Sie das Stück? (ggf. Wann haben Sie es zuletzt gehört?)- Löst dieses Stück et<strong>was</strong> in Ihnen aus?- Wie würden Sie das beschreiben?- Ist dieses Stück für Sie inhaltlich / textlich / musikalisch relevant? (kann bei <strong>nicht</strong> muttersprachlichenTexten abweichen)- Können Sie zum Inhalt des Stückes auf Ihre Person bezogen Stellung nehmen?- Lässt der Text oder die Musik des Stückes eine Aussage zu, in der sie et<strong>was</strong> über sich sagen?<strong>2.</strong> Tiefergreifende Fragerunde: (die Person, die das Stück mitgebracht hat wird zentral gestellt)An diesem Punkt ist es nun eine Abwägungsfrage für den Therapeuten, ob er der zentral gestellten Persondie Möglichkeit zum unmittelbaren Feedback auf die Gruppe gibt oder wartet, bis alle aus der Gruppe et<strong>was</strong>gesagt haben.Frage reihum an jeden einzelnen aus der Gruppe:- Was können sie von der Person, die die Musik mitgebracht hat, in der Musik wiederfinden? – Warum? –Wie kommen Sie darauf?- Löst diese Musik in ihnen et<strong>was</strong> Ähnliches aus?An die Person, die das Musikstück mitgebracht hat:- War es, sich genau für dieses Stück zu entscheiden und warum?- Hören Sie dieses Stück zur Zeit häufig? Wie oft?- In welchen Situationen <strong>höre</strong>n Sie diese Musik?- Auflösung: Wie sehen Sie sich selbst in Verbin<strong>du</strong>ng mit dieser Musik?3. Schlussrunde bzw. Überleitung zum nächsten StückAn die Person, die das Musikstück mitgebracht hat:- Wie beschreiben Sie das Gefühl, von der Gruppe ein Feedback bekommen zu haben?- Ist Ihnen daran et<strong>was</strong> aufgefallen? – Was? Bezogen auf die Art und Weise des Feedbacks- Was können Sie selbst oder andere Ihrer Meinung nach daran verbessern oder verändern?Frage reihum an jeden einzelnen aus der Gruppe:- Was hat Ihnen an dieser Stunde / Runde gefallen, <strong>was</strong> <strong>nicht</strong>? - Warum?- Hat Ihnen das Musik<strong>höre</strong>n und das anschließende Gespräch et<strong>was</strong> gebracht? Was? / Was <strong>nicht</strong>?- Was sollte in der nächsten Stunde / Runde verbessert oder anders gemacht werden? - Warum?PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Ich <strong>höre</strong> <strong>was</strong>, <strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong> <strong>hörst</strong> !Die „Spielregeln<strong>“</strong>: Regeln, die für die Methode gelten:1. Grundsätzliche Regeln:- Während des Musik<strong>höre</strong>ns wird <strong>nicht</strong> gesprochen.- Es besteht jederzeit die Möglichkeit „Stopp<strong>“</strong> zu sagen, wenn es aus welchen Gründenauch immer <strong>nicht</strong> mehr möglich ist weiter zu <strong>höre</strong>n.- Das Wort „man<strong>“</strong> existiert <strong>nicht</strong>. <strong>„Ich</strong><strong>“</strong> sagen, wenn auch <strong>„Ich</strong><strong>“</strong> gemeint ist.- Der eigene Musikgeschmack spielt eine untergeordnete Rolle.<strong>2.</strong> Regeln bezüglich des Gebens von Feedback:- Es ist zu beachten, dass Feedback ein sehr sensibles Werkzeug ist.- Ausgangspunkt für ein Feedback sollen die beim Zu<strong>höre</strong>r ausgelösten Gefühle sein.- Ein Feedback soll sich so zeitnah wie möglich an der auslösenden Gegebenheit halten.- Ein Feedback soll sich auf das Hier-und-Jetzt beziehen.3. Sonderregeln, die bei Bedarf in der konkreten Situation ergänzt werden können:- Wenn es in einer Gruppe zusätzlicher Regeln bedarf, so ist hier der Platz dafür gegeben.- Ein fester Zeitplan für die Absprache der Regeln mit der Gruppe ist <strong>nicht</strong> vorgesehen.PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Musiktherapie ist <strong>nicht</strong>nur für Musiker !Hören Sie oft und viel Musik?Hat Musik für Sie eine besondereBedeutung?Ist die Musik, die Sie Hörenet<strong>was</strong> Besonderes?Eine Einstiegsmethodein die MusiktherapieEntstanden im Rahmen derDiplomarbeit zum Abschluss desStudiums der Musiktherapie amKonservatorium der SaxionHogeschool Enschede (NL)von:Matthias HübnerIch <strong>höre</strong> <strong>was</strong>,<strong>was</strong> <strong>du</strong> <strong>nicht</strong><strong>hörst</strong> !Haben Sie Musik bereits mitanderen Menschen zusammengehört?Ist Ihr Musikgeschmack sehrindivi<strong>du</strong>ell?z.B.LogoSt. Rochus-HospitalTelgteMusiktherapieausgehend von„eigener<strong>“</strong>, häufiggehörter MusikPDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com


Musik ist dieMelodie,zu der die Weltder Text ist.Arthur SchopenhauerWer kennt das <strong>nicht</strong> von zuHause: den ganzen Tag läuftdas Radio. Im Supermarkt,im Cafe, im Auto ...Überall läuft Musik.Haben Sie schon einmalbewusst darauf geachtet? –Gibt es Situationen, in denenSie sich bewusst zumMusik<strong>höre</strong>n entscheiden?Diese Musik wollen wir imRahmen der Musiktherapie inder Gruppe <strong>höre</strong>n. Vielleichthört jemand anderes genaudie gleiche Musik; vielleichtaber in ganz anderenSituationen als Sie.Um das herauszufinden unddarüber zu sprechen kommensie zur Musiktherapie. EineMusikalische Vorbil<strong>du</strong>ng ist<strong>nicht</strong> erforderlich.Interesse?Bei Interesse wenden Siesich bitte an Ihrenbehandelnden Arzt oderPsychologen. Dieser kann Siein der Musiktherapieanmelden:Bringen Sie ein MusikstückIhrer Wahl,• in dem Sie sichwiederfinden können,• das Sie z. Zt. häufig<strong>höre</strong>n,• deren Text oder dieMusik (oder gar beides)Sie besonders anspricht,mit zur Musiktherapie!PDF created with FinePrint pdfFactory trial version http://www.pdffactory.com

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