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Archiv: Musiker Magazin 03/2008 (PDF) - Musiker Online

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24 MUSIKBUSINESSZWANG ZUMHANDELNDie Anzahl der Künstler, die Chefs ihresPlatten-Labels werden, steigt sprunghaft.Freiwillig vollziehen die meisten diesenSchritt allerdings nicht, es ist eher ein Fall von„ökonomischer Notwehr“.In den vergangenen sieben Jahren verzeichneteder Tonträgermarkt Umsatzrückgänge vonüber vierzig Prozent, bilanzierte die „FinancialTimes Deutschland“ kürzlich. Der Grund für dendramatischen Einbruch liegt in Raubkopien undillegalen Internet-Tauschbörsen. Das führtedazu, dass zahlreiche Künstler keinerleiEinkünfte mehr aus CD-Verkäufen erzielen.Eine renommierte Band wie etwa dieDonots, die zu Beginn dieses Jahrzehntsimmerhin zwei Alben in die deutschen Top 20brachten, stand am Ende mit leeren Händenda. „Wenn du nicht gerade Robbie Williamsbist, siehst du für Plattenverkäufe keinenCent“, weiß Sänger Ingo Knollmann. Die Punksaus dem westfälischen Ibbenbüren waren esleid, umsonst zu arbeiten, und zogen dieKonsequenzen. Ihr aktuelles Album „ComaChameleon“ veröffentlichen sie auf dem bandeigenenLabel Solitary Man Records.„Große Plattenfirmen sind sehr kreativ darin,dein Geld auszugeben“, hat Mike Patton erfahren.Als Sänger von Faith No More (FNM) warPatton lange Jahre bei großen Firmen unterVertrag. 1998 verließ er FNM und gründete mitgespartem Geld Ipecac Recordings, sein eigenesLabel. „Mein Manager und ich hatten eineFirma für eine Platte von mir namens„Fantömas“ gesucht und waren nicht geradeerfreut über das Angebot der Labels“, erinnerter sich. Auch die Mitglieder der KölnerBand Substyle gingen denselben Schritt. Siegründeten das brandneue Label Fire! Fire!Fire!, auf dem sie nun ihr drittes Album „WalkThe Dino“ veröffentlichten. Das Gleiche machtenin der Vergangenheit schon populäre Bandswie Die Ärzte (Hot Action Records) und Die TotenHosen (jkp), jetzt gehen auch immer mehr kleineBands unter die Firmengründer. Der Tonträgermarktwird von den vier PlattenfirmenriesenUniversal, Sony BMG, Warner Music undEMI beherrscht, den sogenannten Majors, wieman in der anglophilen Branche sagt. Sie verkaufen,laut „Financial Times Deutschland“, 75Prozent aller Tonträger. Den Rest teilt sich einerapide steigende Zahl von unabhängigenFirmen, die Independent Labels. Beide sindzunehmend unfähig, ihren kleinen und mittlerenActs Einkommen zu verschaffen. Darauf reagierendie <strong>Musiker</strong> nun. Wie viele Künstler undBands ihre eigene Plattenfirma betreiben, istnicht genau bekannt. Doch es gibt Anzeichenfür eine massive Zunahme. Die angemeldetenSchallplattenfirmen bei der Gesellschaft zurVerwertung von Leistungsschutzrechten (GVL),die sich um die Rechte der ausübenden<strong>Musiker</strong> und der Tonträgerhersteller kümmert,ist kontinuierlich gewachsen: Im Jahr 1998seien nur 150 Schallplattenlabels angemeldetgewesen, heute sei ihre Zahl auf 15 000 Labelsgewachsen, rechnet Klaus Quirini vom VerbandDeutscher Musikschaffender (VDM) vor.Die Domstädter Substyle hatten sowohlmit einem Indie als auch Major Erfahrungengemacht. „Von beiden habe ich nie eineAbrechnung bekommen“, klagt GitarristHeiwi Esser. Der Band hätten laut VertragUm ihr Einkommenaufzubessern,gründen immermehr <strong>Musiker</strong> eineeigene Plattenfirmaneun Prozent vom Handelsabgabepreis jederCD zugestanden, „das waren so achtzig Cent“,sagt Esser. Allerdings musste die Kapelle vorheralle Kosten begleichen, unterm Strich bliebdaher nichts übrig. „Vom Indie (Vielklang) fühleich mich nicht über den Tisch gezogen, denndas Label hat uns Studio, Promotion undMarketing bezahlt. Unsere erste Platte verkauftezwischen 6 000 und 7 000 Stück, genauweiß ich das nicht, wir bekamen – wie gesagt– keinerlei Zahlen.“ Von Vielklang zogenSubstyle zum Major Motor Music. „Die Motor-Leute waren der Meinung, wir müssten neueTechnik haben. Also haben wir teure Mikrofoneund Instrumente gekauft, die wir gar nichtbrauchten. Von heute aus gesehen, war dasbekloppt“, ärgert sich Esser, „außerdem müsstenwir mengenweise Steuern nachzahlen.“Nach dem Auslaufen ihres Vertrages mit Motorhatten Substyle Schulden in Höhe von 20 000Euro zu begleichen.TEXT: HENNING RICHTERFOTO: WWW.WEBDONOTS.DE

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