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Archiv: Musiker Magazin 03/2008 (PDF) - Musiker Online

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STORIES 53DIE STUNDE NULL IST EINE ILLUSIONEine Studie zu Musikverlagen im NationalsozialismusVerlage, die von Arisierungen profitierten,verschwiegen bislang diese peinliche Tatsache!KUNDGEBUNG DES DEUTSCHEN MUSIKALIEN-VERLEGER-VEREINS,FACHVERBAND DER REICHSMUSIKKAMMER AM 27. APRIL 1934 IMBUCHHÄNDLERHAUS IN LEIPZIG IN ANWESENHEIT VON RICHARDSTRAUSS, PRÄSIDENT DER REICHSMUSIKKAMMER.In den Chroniken deutscher Musikverlage werden die braunen Jahremeist nur knapp gestreift. Über bereitwillige Anpassungen an die neuenVerhältnisse, Veränderungen in den Katalogen und über das Schicksal rassischoder politisch verfolgter Komponisten oder Verlagsmitarbeiter erfährtman fast nichts. Verlage, die von Arisierungen profitierten, verschwiegen bislangdiese peinliche Tatsache oder bezeichneten sich sogar selbst als Opfer.Auch viele Betroffene wagten keine offene Auseinandersetzung. Erst seitkurzem fällt Licht in das Dunkel. Nachdem auch die GEMA anlässlich ihresJubiläums zur Aufklärung beitrug, liefert nun Sophie Fetthauer den umfassendstenBeitrag zum Thema. Die Hamburger Musikwissenschaftlerin, dieschon in einer Geschichte der Deutschen Grammophon kompetentenUmgang mit NS-Quellen bewiesen hatte, konnte trotz Kriegszerstörung von<strong>Archiv</strong>en und trotz Zurückhaltung mancher Verleger eine beeindruckendeMaterialfülle zusammentragen.Das damals weltweit führende deutsche Musikverlagswesen hatte sich1933 dem Regime widerstandslos angepasst, erhoffte es sich doch einenAusweg aus dem durch die Weltwirtschaftskrise bedingten Rückgang imNotengeschäft. „Nichtarier“ im Vorstand des Verlegerverbands DMVVwurden durch NSDAP-Mitglieder ersetzt. Schon im Juni verpflichtete sichder Verband, das deutsche Musikleben „von allen artfremden minderwertigenund anstößigen Erzeugnissen“ zu säubern. Dies betraf wie WillyStrecker gegenüber Strawinsky erläuterte, vor allem Kommunisten undJuden und sei deshalb zu begrüßen.Trotz solcher „Säuberungen“ und trotz vehementer Polemik gegenJudentum und Kulturbolschewismus durften „Nichtarier“ überraschend langein ihrem Beruf verbleiben. Wie Fetthauer nachweist, waren für das Regimewirtschaftliche Motive in letzter Instanz wesentlicher als Kulturpolitik.International bekannte Unternehmen wie Peters und Eulenburg blieben nochbis 1938 unter der Leitung ihrer jüdischen Besitzer, da sie erheblicheDeviseneinnahmen erbrachten. Auf diese Weise konnte der Umsatz-Rückgang Mitte der dreißiger Jahre annähernd ausgeglichen werden.Dennoch fanden schon vor 1938 Arisierungen statt. Am frühesten aktivwurde dabei der Volkswirt Hans C. Sikorski. Er war Partner von MaxWinkler, dem Gründer und Leiter einer geheimnisvollen Cautio TreuhandGmbH, die im Auftrag von Goebbels etwa 1.500 Zeitungsverlage übernahmund über 2.000 Zeitungen in den Zentralverlag der NSDAP eingliederte.Über Arisierungen von Musik- und Bühnenverlagen für die Cautio kamSikorski ab 1935 ins Musikgeschäft. Nachdem er bald Miteigentümer derzuvor treuhänderisch geführten Unternehmen geworden war, fügte er ab1938 seiner Berliner Verlagsgruppe die Dr. Hans C. Sikorski KG Leipzighinzu, die aus den von ihm „arisierten“ Verlagen Benjamin, City, Rahter undSimrock bestand.Der „Anschluss“ Österreichs hatte die heiße Phase der Arisierungen ausgelöst.Damals begann, wie Sophie Fetthauer schreibt, ein „regelrechterRaubzug“. Zu den kostbarsten Objekten gehörten der Wiener Bühnen- undMusikalienverlag Weinberger, der viele Weltrechte unter anderem für JohannStrauß, Franz Lehár und Robert Stolz besaß, sowie die Universal Edition. Zueinem günstigen Kaufpreis, der sich innerhalb kürzester Zeit amortisierte,konnte Sikorski sich den Weinberger-Verlag sichern, während die UniversalEdition nacheinander durch mehrere Hände wanderte. Das Rennen machteschließlich der frühere Schott-Mitarbeiter Dr. Johannes Petschull, der sich

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