14 I <strong>Kanzleien</strong> <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> 2013Social MediaSprechen Sie noch o<strong>de</strong>r zwitschern Sie schon?Social Media liegt <strong>im</strong> Trend, Unternehmen nutzen auch Twitter <strong>im</strong>mer häufiger als Marketinginstrument.Wer jedoch seine Mitarbeiter darauf ansetzt, muss schon <strong>im</strong> Vorfeld die Kontaktdaten <strong>de</strong>s Unternehmens <strong>im</strong>Blick behalten und entsprechen<strong>de</strong> Lösungen arbeitsrechtlich verankert haben.Autoren: Thomas Muschiol (Red.) und Michael Miller (Red.)Die Kommunikationserweiterung durch <strong>de</strong>n Nachrichtendienst„Twitter“ hat mittlerweile eine gigantische D<strong>im</strong>ension erreichtund durchdringt alle Lebensbereiche und Situationen. Dabei ist esnicht nur <strong>de</strong>r Pendler <strong>im</strong> Vorortzug o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Spaziergänger auf <strong>de</strong>rParkbank, <strong>de</strong>r mit konzentriertem Blick auf sein Smartphone eineunbekannte Zahl von Twitter-Kollegen an seinen aktuellen Erlebnissenteilnehmen lässt. Twittern ist vielmehr gesellschaftsfähiggewor<strong>de</strong>n. Nicht nur Politiker zeigen sich zunehmend gerne twitterndvor laufen<strong>de</strong>r Kamera, auch <strong>de</strong>n Business-Bereich hat die virtuelleund grenzenlose Kommunikationsform natürlich längst er-reicht – zunächst eher zur lieben Not von Personalverantwortlichen.Die beschäftigten sich ursprünglich damit, wie sie <strong>de</strong>n Trend zur ständigenTwitter-Verbindung arbeitsrechtlich in <strong>de</strong>n Griff bekommen, alsoeinschränken können. Denn ein geübter Twitterer hält parallel zuseiner Arbeitstätigkeit permanent Kontakt zu seinen virtuellen Gruppierungen,neu<strong>de</strong>utsch auch „Follower“ genannt. Das „Zwitschern“ zuverbieten ist allerdings ein schwieriges Unterfangen, <strong>de</strong>nn entsprechen<strong>de</strong>nTwitter-Verboten stellten sich oft die Führungskräfte selbstentgegen. Sie erkannten, dass das Twittern auch durchaus zu Geschäftszweckennutzbar ist.Regelungsbedarf bestehtDarüber sind sich die Experten einig: Twittern Mitarbeiter<strong>im</strong> o<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Betrieb, dann sollte das arbeitsrechtlichgeregelt sein. Insbeson<strong>de</strong>re die Möglichkeito<strong>de</strong>r auch ein Verbot <strong>de</strong>s privaten Twitternssollten fixiert wer<strong>de</strong>n. Ist es aber nicht von vornhereinein untauglicher Versuch, mit <strong>de</strong>m aus <strong>de</strong>r vorletztenJahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong> stammen<strong>de</strong>n BGB und <strong>de</strong>ssenGrundzügen <strong>de</strong>s Arbeitsvertragsrechts <strong>de</strong>rartige virtuelleQuantensprünge in praktikable Vorschriften zufassen? Prinzipiell sei dies möglich, meinen Experten.Probleme sehen sie eher darin, dass sich Privates undDienstliches faktisch oft nicht trennen lasse.Kontakte sammeln: Aber werdarf sie behalten, wenn sichdie Wege von Mitarbeiter undUnternehmen trennen?Erst eindämmen, dann ausweitenAber die <strong>Arbeitsrecht</strong>ler, die <strong>de</strong>rzeit zu Dutzen<strong>de</strong>n ansogenannten „Social Media Gui<strong>de</strong>lines“ feilen, könnenkaum Luft holen vor Arbeit. Immer öfter stelltsich ein speziell arbeitsrechtliches Problem mit SocialMedia allgemein und mit Twitter <strong>im</strong> Beson<strong>de</strong>ren. DieZauberworte heißen „Twittern als Arbeitspflicht“. Sietragen <strong>de</strong>m Umstand Rechnung, dass <strong>im</strong>mer mehrMarketingstrategen das Twittern als Kontakt- undVerkaufsmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Zukunft erkannt haben. Da liegtes nahe, die Nachrichten via KurznachrichtendienstFoto: Fotolia.com / volksgrafik
<strong>Kanzleien</strong> <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> 2013 I 15nicht etwa einzuschränken, son<strong>de</strong>rn, <strong>im</strong> Gegenteil, vom Mitarbeiterzu for<strong>de</strong>rn, dass dieser in Zukunft doch bitteschön nach Kräften twitternsolle.In welche Probleme dies mün<strong>de</strong>n kann, zeigt ein Rechtsstreit, <strong>de</strong>rneulich in <strong>de</strong>n USA ausgetragen wur<strong>de</strong>. Dabei ging es um ein Folgeproblem<strong>de</strong>s Twitterns <strong>im</strong> Arbeitgeberauftrag: nämlich um die Frage,ob <strong>de</strong>r twittern<strong>de</strong> Arbeitnehmer nach Verlassen <strong>de</strong>s Unternehmensseine dienstlich erworbenen Kontakte schlicht und einfach mitnehmenkann.Wie privat ist <strong>de</strong>r dienstliche Kontakt?Was sich einfach fragen lässt, ist nach <strong>de</strong>utschem <strong>Arbeitsrecht</strong> nicht soganz s<strong>im</strong>pel zu beantworten. Ein wichtiger Baustein für die Beurteilungist, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer <strong>im</strong> Arbeitsvertrag vereinbarthaben. Letztlich hängt aus rechtlicher Sicht vieles davon ab, ob es sichum einen privaten o<strong>de</strong>r dienstlichen Zugang bei Twitter beziehungsweiseum private o<strong>de</strong>r dienstliche Kontakte han<strong>de</strong>lt.Die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs (BGH) scheint zunächstklar: Schei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Arbeitnehmer aus <strong>de</strong>m Unternehmen aus, muss erregelmäßig die dienstlichen Kontaktdaten <strong>de</strong>m Arbeitgeber übermittelnund anschließend bei sich löschen. Denn Kun<strong>de</strong>ndaten können alsGeschäfts- o<strong>de</strong>r Betriebsgehe<strong>im</strong>nis zum sensiblen Bereich eines Unternehmensgehören, soweit sie nicht „je<strong>de</strong>rzeit ohne großen Aufwandaus allgemein zugänglichen Quellen erstellt wer<strong>de</strong>n können“ (Urteilvom 26.2.2009, Az. IZR 28/06).Regelmäßig heißt jedoch nicht <strong>im</strong>mer. Vor allem, wenn die Grenzenfließend sind. Was also, wenn sich nicht ein<strong>de</strong>utig zwischen „Kun<strong>de</strong>“und „Freund“ unterschei<strong>de</strong>n lässt? Was, wenn sich <strong>de</strong>r eine Status aus<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren entwickelt hat? Dann spielen schnell auch datenschutzo<strong>de</strong>rwettbewerbsrechtliche Einschränkungen eine Rolle. Auch AGB-Recht ist <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>n arbeitsvertraglichen Klauseln zubeachten. In diesen Fällen können die Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s konkreten Einzelfallsdann zu ganz an<strong>de</strong>ren Ergebnissen führen .Dass es bei alle<strong>de</strong>m nicht nur um Peanuts geht, zeigen die Rahmendaten<strong>de</strong>r Klage in <strong>de</strong>n USA. Immerhin 17.000 Kontakte hatte <strong>de</strong>rdienstlich twittern<strong>de</strong> Mitarbeiter arbeitsvertraglich angesammelt. Dastaxierte die klagen<strong>de</strong> Firma mit 2,50 Dollar pro Kontakt und machtesomit einen Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch von 340.000 Dollar geltend. «Kun<strong>de</strong>ndaten könnenGeschäfts- o<strong>de</strong>r Betriebsgehe<strong>im</strong>nis<strong>de</strong>s Unternehmenssein. Verlässt einArbeitnehmer die Firma,muss er regelmäßig diedienstlichen Kontaktdaten<strong>de</strong>m Arbeitgeber übermittelnund sie bei sichlöschen.<strong>Arbeitsrecht</strong>skanzleien halten sich bei Twitter zurückAuch wenn sich Twitter großer Beliebtheit erfreut: Bei arbeitsrechtlichen Themen ist <strong>de</strong>r Kurznachrichtendienst nicht erste Wahl –we<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Wirtschaftskanzleien noch bei Ihren „Follower“.Im Vergleich zu vielen an<strong>de</strong>ren Themen ergibt die Suche bei Twitter nach<strong>de</strong>m Stichwort „<strong>Arbeitsrecht</strong>“ eher magere Ergebnisse. Wenige Nachrichten,sogenannte Tweets, noch weniger von Anwaltskanzleien verfasst. Und<strong>de</strong>nnoch haben längst die meisten Groß- und vor allem die internationalenWirtschaftskanzleien das Medium in ihre Social-Media-Strategie einbezogen.Denn Twitter bietet <strong>de</strong>m Nutzer <strong>im</strong> Vergleich zu an<strong>de</strong>ren Social-Media-Kanälenviel Freiheit und wenig Einschränkung – innerhalb <strong>de</strong>r zur Verfügungstehen<strong>de</strong>n 140 Zeichen. Um diese möglichst intelligent einzusetzen und zu<strong>de</strong>n Großen <strong>de</strong>r Twitter-Welt aufzusteigen, ist jedoch bestenfalls je<strong>de</strong>n Tageine möglichst interessante Nachricht mit persönlicher Note abzusetzen. Nurso entwickelt sich eine gewisse Nähe, ein persönlicher Kontakt zum Leser<strong>de</strong>r Nachricht. Soweit die Theorie.In <strong>de</strong>r Praxis spielt Twitter in <strong>de</strong>r Außendarstellung <strong>de</strong>s Bereichs <strong>Arbeitsrecht</strong><strong>de</strong>r großen und kleinen Wirtschaftskanzleien keine beson<strong>de</strong>re Rolle. EigeneAccounts <strong>de</strong>r Praxisgruppe <strong>Arbeitsrecht</strong> gibt es selten, vielmehr wer<strong>de</strong>n arbeitsrechtlicheNachrichten mit jenen an<strong>de</strong>rer Rechtsgebiete gemischt undunter <strong>de</strong>m allgemeinen Kanzlei-Label verbreitet. Und wenn es doch einzelneAnwälte, kleinere <strong>Kanzleien</strong> o<strong>de</strong>r vereinzelt internationale <strong>Kanzleien</strong> gibt,die einen speziellen Account zum <strong>Arbeitsrecht</strong> eingerichtet haben, dannhält sich die Resonanz bei Twitter in Grenzen. So zählt die Gemein<strong>de</strong> <strong>de</strong>rAnwälte o<strong>de</strong>r <strong>Kanzleien</strong>, die ausschließlich o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st überwiegendarbeitsrechtliche Themen twittern, selten mehr als hun<strong>de</strong>rt, geschweigeüber mehrere hun<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r tausend Mitglie<strong>de</strong>r.Doch ohne Follower fehlt die erfor<strong>de</strong>rliche Reichweite, damit sich <strong>de</strong>r (Zeit-)Einsatz lohnt. Daher stellen sich vermutlich auch viele twittern<strong>de</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong>lerdie Sinnfrage, wenn sie <strong>de</strong>n Nutzen ihrer Anstrengungen kontrollieren.Immerhin gibt es noch einige, bei <strong>de</strong>nen ein positiver Effekt messbarzu sein scheint – und sei es lediglich <strong>de</strong>r Spaßeffekt. (m<strong>im</strong>)