16 I <strong>Kanzleien</strong> <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> 2013BeratungspraxisDie Messlatte richtig justierenAuch <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> überzeugen Anwaltskanzleien ihre Mandanten mit guten Ergebnissen. Das alleinesorgt aber nicht für Zufrie<strong>de</strong>nheit. Hier lohnt ein Blick auf die Faktoren, die Kanzlei, Anwalt und Unternehmenfür eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht aus <strong>de</strong>n Augen verlieren sollten. Schließlich ist dasMandat <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> meist auf Dauer angelegt – Berater und Personaler sehen sich also oft wie<strong>de</strong>r.Autor: Michael Miller (Red.)Kleinere Unternehmen haben ihre Haus- und Hofkanzlei, größere Firmengern auch mehrere Berater, die sie zumin<strong>de</strong>st bei komplexenarbeitsrechtlichen Problemen <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r beauftragen. Die Motivedafür sind vielschichtig: Für <strong>de</strong>n einen ist <strong>de</strong>r Aufwand, für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rendas Problem zu groß. Neben diesen quantitativen o<strong>de</strong>r qualitativenUrsachen spielt bei Großprojekten häufig die Haftung einewesentliche Rolle dafür, die rechtliche Beratung auszulagern.Fachliche Qualifikation als MussVielfältig sind nicht nur die Grün<strong>de</strong>, weshalb Unternehmen eineKanzlei beauftragen. Es gibt auch allerhand Faktoren, nach <strong>de</strong>nenPersonaler eine Kanzlei und einen Anwalt ihres Vertrauens auswählen.Klar, dass dabei die fachliche Qualifikation ganz oben rangiert.Das zeigt auch eine Umfrage bei <strong>de</strong>n Usern unseres Internetportalswww.haufe.<strong>de</strong>/personal. Zwar sind die Ergebnisse nicht repräsentativ,sie können aber zumin<strong>de</strong>st für Ten<strong>de</strong>nzen herhalten. So sehen 185<strong>de</strong>r über 200 Antworten <strong>de</strong>n Fachanwaltstitel als außeror<strong>de</strong>ntlich o<strong>de</strong>rsehr wichtige Leistung eines Anwalts <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> an.Auch Branchenkenntnisse spielen eine zunehmend wichtige Rolle. ImGespräch mit Anwälten zeigt sich, dass sie die steigen<strong>de</strong> Nachfrage<strong>de</strong>r Mandanten nach Kenntnissen in best<strong>im</strong>mten Wirtschaftszweigenspüren – auch wenn dieses Wissen in vielen Fällen etwa <strong>im</strong> Bereich<strong>de</strong>s Individualarbeitsrechts nicht notwendig ist. Auch die Nutzer unseresPortals sehen in Branchenkenntnissen eine außeror<strong>de</strong>ntliche o<strong>de</strong>rsehr wichtige Leistung, die <strong>Kanzleien</strong> <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> bieten sollten(85 Prozent <strong>de</strong>r Antworten).Unterdurchschnittlicher Stun<strong>de</strong>nsatzUnd was darf <strong>de</strong>r anwaltliche Service kosten? Laut einer Abfrage <strong>de</strong>sFachmediums „Juve“ fahren Mandanten <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> verglichenmit an<strong>de</strong>ren Rechtsgebieten günstig. Die 900 Selbstauskünfte <strong>de</strong>r<strong>Kanzleien</strong> ergaben einen durchschnittlichen Partnerstun<strong>de</strong>nsatz überalle Rechtsgebiete von 329 Euro <strong>im</strong> Jahr 2012. Spitzenverdiener sind<strong>de</strong>mnach die <strong>im</strong> Wirtschaftsstrafrecht tätigen Anwälte mit 384 Europro Stun<strong>de</strong>. Der Partner <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> legt seiner Rechnung lediglich302 Euro zugrun<strong>de</strong>. Der relativ niedrige Stun<strong>de</strong>nsatz könnte einGrund sein, weshalb das <strong>Arbeitsrecht</strong> bis vor wenigen Jahren als eigenständigesBeratungsfeld in Großkanzleien wenig verbreitet war. EineEntwicklung, die sich zuletzt dank manch spektakulärer Verpflichtungwichtiger Partner umgekehrt hat. Zwischenzeitlich gehört ein starkes<strong>Arbeitsrecht</strong>steam außerhalb <strong>de</strong>s M&A-Geschäfts zum Rundum-Sorglospaket einiger Großkanzleien. Zu<strong>de</strong>m bin<strong>de</strong>t die DauerberatungMandanten intensiver an die Kanzlei als manch einmaliges Großprojekt.Dennoch bleibt das <strong>Arbeitsrecht</strong> auch für Boutiquen attraktiv – mitkleineren Teams und zum Teil geringeren Stun<strong>de</strong>nsätzen.Und: Vielleicht ist in <strong>de</strong>r Preisgestaltung ja noch Luft nach oben. Zwarsehen unsere Portal-User ein günstiges Stun<strong>de</strong>nhonorar durchaus alsVorteil. Es zählt aber nur bei etwa 37 Prozent <strong>de</strong>r Antworten zu eineraußeror<strong>de</strong>ntlichen o<strong>de</strong>r sehr wichtigen Leistung <strong>de</strong>r Kanzlei. Im Zweifelsfallscheint <strong>de</strong>r Preis also zweitrangig, wenn es darum geht, dierichtige Kanzlei mit <strong>de</strong>m richtigen Anwalt zu fin<strong>de</strong>n. «Foto: norhazlan/shutterstock
<strong>Kanzleien</strong> <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> 2013 I 17MeinungTiefgreifend, sachorientiert und zurückhaltendEs gibt viele Faktoren, auf die Personaler in <strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit Anwaltskanzleien undAnwälten Wert legen. Christian Vetter zeigt auf, welche davon nach seiner Einschätzung am wichtigstensind und was <strong>Kanzleien</strong> und Anwälte <strong>im</strong> Alltag bieten müssen.Beauftragen Unternehmen <strong>Kanzleien</strong> mit einemRechtsproblem, so ist aus meiner Sicht natürlichin erster Linie wichtig, dass die Kanzlei über einhervorragen<strong>de</strong>s Fachwissen <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong> verfügt.Alle thematischen Fel<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Individual- undKollektivarbeitsrecht müssen tiefgreifend abge<strong>de</strong>cktwer<strong>de</strong>n.An<strong>de</strong>re Experten fürspezielle Fragen einbeziehenSollten <strong>de</strong>nnoch an<strong>de</strong>re Spezialisten in kompliziertenRechtsbereichen – beispielsweise be<strong>im</strong>Betriebsrentenrecht – tiefer verwurzelt sein, soerwarte ich zumin<strong>de</strong>st eine von <strong>de</strong>r Hauskanzleigesteuerte Einbeziehung dieser Spezialisten.Auch Branchenkenntnisse sind von Vorteil. DerenWichtigkeit hängt dabei jedoch von <strong>de</strong>r jeweiligenMaterie ab. Im Tarifrecht sind sie beispielsweisevorteilhafter als <strong>im</strong> Individualarbeitsrecht. DieKanzlei muss natürlich auch über ein ausgeprägtesWissen über wirtschaftliche Zusammenhängein <strong>de</strong>r Arbeitswelt verfügen. BetriebswirtschaftlicheGrundkenntnisse sind ebenso unverzichtbarwie zum Beispiel die Kenntnisse <strong>im</strong> GesellschaftsundSteuerrecht, die in arbeitsrechtlichen Sachverhaltenzu beachten sind.Bei alle<strong>de</strong>m gibt es aus meiner Sicht keinen wesentlichenUnterschied zwischen Boutiquen <strong>im</strong><strong>Arbeitsrecht</strong> und größeren Wirtschaftskanzleien.Denn Letztere verfügen stets über ein spezialisiertesTeam <strong>im</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong>, sodass auch dort dienotwendige fachliche Expertise besteht. Für dieMandantenbindung ist es in meinen Augen auchwünschenswert, wenn die Kanzlei regelmäßig arbeitsrechtlicheMandantentreffen und Rundbriefeo<strong>de</strong>r -Mails zu aktuellen Entwicklungen anbietet.Stun<strong>de</strong>nsatz wichtig,aber nicht entschei<strong>de</strong>ndDie Kosten sind je nach Größe <strong>de</strong>s Mandantenmehr o<strong>de</strong>r weniger von Be<strong>de</strong>utung. Größere Unternehmenzahlen eher höhere Honorare als kleinere.Wenn jedoch die Qualität st<strong>im</strong>mt o<strong>de</strong>r wennes sich um wirtschaftlich be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Sachverhaltefür das Unternehmen han<strong>de</strong>lt, ist aus meinerSicht nicht entschei<strong>de</strong>nd, ob ein Stun<strong>de</strong>nsatz von300 bis 400 Euro o<strong>de</strong>r mehr verlangt wird. Gleichwohlist unter Einbeziehung aller Faktoren natürlichstets zu empfehlen, die aktuellen Marktpreisezu vergleichen.Ein Anwalt in <strong>de</strong>r Kanzle<strong>im</strong>uss <strong>de</strong>n Überblick behaltenBei <strong>de</strong>r Betreuung kann das Unternehmen erwarten,dass es in <strong>de</strong>r Kanzlei einen Hauptansprechpartnergibt. Zu dieser Person muss ein Grundvertrauenaufgebaut wer<strong>de</strong>n und sie sollte auch einengewissen Überblick über die Verhältnisse <strong>im</strong>Unternehmen haben. Daraus resultiert <strong>de</strong>r Vorteil,dass in komplexen Gebil<strong>de</strong>n nicht <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>rEigenarten und Beson<strong>de</strong>rheiten erklärt wer<strong>de</strong>nmüssen. In meinen Augen erleichtert es auch dieArbeit <strong>de</strong>s Anwalts, wenn er seine Empfehlungenzielgerichtet auf die Mandantschaft ausrichtenkann, weil er <strong>de</strong>ren Verhältnisse seit längerer Zeitaus eigener Beobachtung kennt.Das ist insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Abwägung von Risikenwichtig. So können in Handlungsempfehlungenauch die Denkmuster <strong>de</strong>r aufseiten <strong>de</strong>s Mandantenhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Personen und Verhältnisseeinbezogen wer<strong>de</strong>n. Stets muss vom Anwalt auchbedacht wer<strong>de</strong>n, welche wirtschaftlichen Kostenbei <strong>de</strong>r Lösung von rechtlichen Sachverhalten verursachtwer<strong>de</strong>n und wie sie <strong>im</strong> Verhältnis zumgewünschten Erfolg stehen.Nicht die persönliche Expositionin <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund stellenZurückhaltung und Sachorientierung be<strong>im</strong> betreuen<strong>de</strong>nAnwalt sind ein Muss. Daher ist es ausmeiner Sicht auch nicht akzeptabel, wenn einAnwalt seine persönliche Exposition bei interneno<strong>de</strong>r externen Verhandlungen – etwa vor <strong>de</strong>r Arbeitsgerichtsbarkeito<strong>de</strong>r vor Einigungsstellen – in<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund stellt. Personen auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>renSeite emotional anzugehen, etwa bei Verhandlungen,das darf nur geschehen, wenn es zur Situationpasst und <strong>im</strong> Interesse <strong>de</strong>r Mandantschaft ist.Christian Vetter ist Leiter Arbeits- undSozialrecht bei Dow Deutschland Inc.Zu<strong>de</strong>m ist er Fachgruppenleiter <strong>Arbeitsrecht</strong>und Präsidiumsmitglied be<strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>sverband<strong>de</strong>r Personalmanager (BPM).Ist <strong>de</strong>r Ansprechpartnerauch tatsächlich ansprechbar?Bezogen auf <strong>de</strong>n betreuen<strong>de</strong>n Anwalt ist einegute Erreichbarkeit sehr wichtig. Eine zügige Reaktion<strong>de</strong>r Kanzlei auf alle Aktionen ist elementar,wie beispielsweise auf die Übersendung von Unterlagenfür neue Fälle, angefor<strong>de</strong>rte Informationeno<strong>de</strong>r Anfragen. Natürlich kann nicht erwartetwer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Anwalt etwa eine Mail schonbeantwortet hat, bevor sie abgeschickt wur<strong>de</strong>.Aber es darf in <strong>de</strong>r heutigen recht schnelllebigenZeit nicht vorkommen, dass man seinenAnsprechpartner nicht erreicht o<strong>de</strong>r dieser nichtreagiert. Deshalb sind zumin<strong>de</strong>st kurze Signale andie Mandantschaft, dass die Kanzlei einen Vorgangerhalten hat, wichtig. Erste Einschätzungeno<strong>de</strong>r Empfehlungen zum weiteren Vorgehen müssendann <strong>im</strong> zweiten Schritt automatisch vonseiten<strong>de</strong>r Kanzlei erfolgen.